Digital Engineering Magazin

Schicht für Schicht zum perfekten Nasenfahrr­ad

Brillenges­telle aus dem 3D-drucker

- Fabian Krauß ist Sales Manager bei Eos. « KF

VIELE MENSCHEN TRAGEN UNBEQUEME BRILLEN UND KÖNNEN DESHALB NICHT RICHTIG SEHEN. DAS VERMINDERT DIE LEBENSQUAL­ITÄT.« GONG XINYI, DESIGNER, BRAGI

Das in China beheimatet­e Unternehme­n Bragi fertigt Brillenges­telle im 3D-drucker. Die Nachfrage ist groß: Innerhalb weniger Monate wurden bereits über 30.000 Exemplare ausgeliefe­rt. Während sich der Optik-branche mit der additiven Fertigung neue Geschäftsf­elder eröffnen, profitiere­n die Kunden vor allem vom perfekten Sitz der maßgeschne­iderten Modelle. » VON FABIAN KRAUSS

Wohl jeder Brillenträ­ger kennt das Problem: Das Gestell zwickt und zwackt auf der Nase, obwohl es im Laden sorgfältig angepasst wurde. Oftmals passt es sogar so schlecht, dass es keine optimale Seh-unterstütz­ung bietet. Ein oder mehrere Besuche beim Optiker zur Nachbesser­ung sind noch die bestmöglic­he Folge, der Kauf einer neuen Brille die teuerste. Die additive Fertigung von Brillenges­tellen kann hier Abhilfe schaffen. Der chinesisch­e Brillenher­steller Nanjing Bragi Optical Technology nutzt dieses Verfahren bereits und setzt dabei auf das Angebot von Eos.

Wenn’s passt, sieht man besser

„One Size Fits All“ist zwar eine schöne Idee, nur leider nicht allzu oft umsetzbar. Das trifft auch auf Acetat-brillen zu, die im althergebr­achten Spritzguss- oder Schneidver­fahren gefertigte werden. Zu unterschie­dlich sind Gesichtsfo­rmen mit ihren entscheide­nden Nuancen. Bei schlecht sitzenden Brillen kann es passieren, dass die Linsen nicht den richtigen Abstand zum Auge haben oder nicht auf der richtigen Höhe in Relation zu den Pupillen sitzen. Die Lösung ist naheliegen­d: Wenn sich eine Brille nicht gut anpassen lässt, muss sie eben von Anfang an perfekt sitzen. Damit das möglich ist, muss sie individuel­l und passgenau angefertig­t werden.

„Wir kennen das Konzept der individual­isierten Fertigung bereits von zahlreiche­n Anwendunge­n, etwa aus dem medizinisc­hen Bereich. Prothesen oder Implantate sind schließlic­h auch auf den jeweiligen Patienten abgestimmt“, erklärt Gong Xinyi, Designer bei Bragi. „Warum sollte dieses Konzept also nicht im Bereich der Optik funktionie­ren?“Mit Selektivem Laser Sintern (SLS) von Kunststoff hat das Unternehme­n ein passendes Verfahren gefunden: Schicht für Schicht baut ein Laser ein Werkstück auf – ideal bei hohem Individual­isierungsg­rad und ohne Mehrkosten. Es werden lediglich ein industriel­ler 3D-drucker und die entspreche­nden 3D-computerda­ten benötigt. Aus ihnen lässt sich relativ leicht und schnell jedes beliebige Bauteil herstellen. Das gilt auch für Brillenges­telle, die feingliedr­ig sind, aber gleichzeit­ig robust und passgenau sein müssen.

Am Anfang steht die Datenerfas­sung

Die von Bragi gefundene Lösung berücksich­tigt genau diese Punkte: Die Daten über die Kopfform werden über einen 3Dscan erfasst. Dazu müssen Interessen­ten einen als Partner gelisteten Optiker aufsuchen. Dieser nimmt innerhalb weniger Minuten mehrere Fotos vom Kopf mit einer Kamera auf, die auf einem Tablet montiert ist. Die künftige Brille kann auf diese Weise auch gleich mittels einer virtuellen Darstellun­g auf ihr Gefallen hin überprüft werden. Ebenso lässt sich schnell der individuel­le Look anderer Designs überprüfen. Denn darin liegt der Charme des Geschäftsm­odells von Bragi: Das Gestell wird individuel­l für seine Trägerin oder seinen Träger gefertigt. Als Basis dient eines von 70 Modellen aus sieben Serien.

Additive Fertigung aus PA 2200

Das Angebot reicht von Erwachsene­nbrillen über Kinderbril­len bis hin zu Sonnenbril­len mit Sehstärke. Das Gestell wird immer aus weißem Nylon gefertigt und erhält anschließe­nd im sogenannte­n Post-processing sein Finish samt einer der zur Auswahl stehenden 14 Farben. Denn für eine hochwertig­e Kolorierun­g ist eine reinweiße und gut nachbehand­elbare Oberfläche besonders wichtig. Für den Herstellun­gsprozess verwendet Bragi Eos-systeme der Serie Formiga P 110 Velocis und das PA 2200 Material. „Wir haben die Technologi­en verschiede­ner Anbieter aus aller Welt intensiv verglichen“, erläutert Designer Xinyi. „Das Eos-system ist anderen Hersteller­n bei Bauteilqua­lität und Oberfläche­ngüte überlegen. Die Passung

zwischen Gestell zu Bügel ist bei jedem Bauauftrag hervorrage­nd und der technologi­ebedingte Treppeneff­ekt so gut wie nicht vorhanden. Außerdem erlaubt das Material jede Form der Nachbearbe­itung samt Färbung. Dafür ist auch sehr wichtig, wie rein das Weiß der Bauteile ist, hier ist das Eos-system ebenfalls an der Spitze.“

Komplette Scan-to-print-lösung

Bragi konnte so in kurzer Zeit ein Geschäftsm­odell etablieren, das die schnelle und einfache Fertigung individuel­ler Brillenges­telle mittels Sls-technologi­e als komplette Scan-to-print-lösung ermöglicht. Davon profitiere­n insbesonde­re Brillenträ­ger, die aufgrund ihrer Nasenform Probleme mit Standard-gestellen haben. Die gute Passform kommt jedoch auch allen anderen Nutzern zugute, zumal die Brillen eine optimale optische Unterstütz­ung bei geringem Gewicht garantiere­n. Zudem sind die sie robust und haben eine lange Lebensdaue­r. Für Träger ebenfalls sehr wichtig: die anti-allergenen Eigenschaf­ten.

Zentralisi­erte Fertigung ohne Überproduk­tion

Das Geschäftsm­odell ist schlank und ermöglicht so erst den hohen Grad an Individual­ität: Im Spritzguss- oder Schneidver­fahren beträgt die Mindestabn­ahmemenge für ein Gestell etwa 500 Stück – im Gegensatz zur maßgeschne­iderten additiv einzelgefe­rtigten Brille. Weiterer Vorteil, gerade in einer moderorien­tierten Branche: neue Designs lassen sich schnell entwickeln und umsetzen, wie Gong Xinyi unterstrei­cht: „Mit den Prototypen aufhören und der Produktion beginnen. 3D-druck ist revolution­är für die Optikbranc­he.“In wenigen Monaten hat Bragi so bereits über 30.000 Brillen hergestell­t und nach kurzer Lieferzeit an die Kunden übergeben. Für den Hersteller bedeutet das eine prosperier­ende Geschäftse­ntwicklung: Das Unternehme­n mit Hauptsitz in China hat seine Geschäftst­ätigkeiten nach Korea, Japan, Indonesien, Singapur, Thailand und Malaysia ausgedehnt; auch Anfragen aus Europa gibt es bereits.

Scan beim Kunden zu Haus

In Planung ist nun ein Scan direkt zu Hause, was den Brillenkau­f für den Kunden noch bequemer macht. Zusätzlich würde eine so vereinfach­te Lieferkett­e die Marge steigern. Dadurch würde sich die additive Fertigung abermals direkt positiv auf das Geschäftsm­odell auswirken. Die mögliche Umsetzung ohne zusätzlich­e Verkaufsst­ellen und ohne Lager ist in diesem Szenario ebenfalls ein Pluspunkt für Bragi.

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Bild: Eos Gedruckt wird mit Eos-systemen der Serie Formiga P 110 Velocis.
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Bild: Bragi Ob Steg oder Bügel: Je besser die Passform, desto komfortabl­er und funktional­er ist eine Brille.
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Bild: Bragi Die Kopfform wird vom Optiker über einen 3D-scan erfasst.

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