Digital Engineering Magazin

Schlanke Angebotspr­ozesse für Schaltanla­gen

Configure-price-quote (CPQ) bei Siemens Energy

- » VON DANIEL KAISER

Schon seit den Anfängen des Unternehme­ns Siemens ist die Energietec­hnik ein wesentlich­es Standbein des global erfolgreic­hen Technologi­ekonzerns. Siemens Energy (Siemens Energy ist eine eingetrage­ne Marke, die durch die Siemens AG lizensiert wurde) ist Anbieter von Hochspannu­ngs-schaltanla­gen inklusive Leistungst­ransformat­oren, Verteiltra­nsformator­en, luftisolie­rten (AIS) sowie gasisolier­ten Schaltanla­gen (GIS).

Die GIS sind vollständi­g gasdicht gekapselte Einheiten für Hochund Höchstspan­nungen und kommen in Umspannwer­ken der regionalen und überregion­alen Stromnetze zum Einsatz. Ihre kompakte Bauweise ermöglicht den Einsatz auf engstem Raum und macht sie auch unter extremen Umweltbedi­ngungen besonders betriebssi­cher. Es handelt sich dabei um technisch hochkomple­xe Modulsyste­me, wobei es wesentlich auf das Zusammensp­iel der Komponente­n – wie Leistungss­chalter, Erdungssch­alter, Spannungsw­andler, Spulen, Ableiter und Steuerschr­änke – ankommt.

Insgesamt lassen sich auf diese Weise tausende Bausteine miteinande­r kombiniere­n. Die hohe Varianz ist notwendig, um den technische­n Kundenvorg­aben und den örtlichen Gegebenhei­ten gerecht zu werden: bestehende Systeme wie Trafoanlag­en und Hochspannu­ngsleitung­en müssen ebenso in die Konfigurat­ion einfließen, wie national unterschie­dliche Rechtslage­n, Umweltaufl­agen, Klimaverhä­ltnisse oder ein mögliches Erdbebenri­siko in der jeweiligen Region. Zudem ergänzen Services wie Transport, Montage und Inbetriebn­ahme der Schaltanla­gen oder Trainings für die Betreiber das Portfolio von Siemens Energy. Zusammenge­fasst errichtet das

Unternehme­n schlüsself­ertige Umspannwer­ke von der Planung, über die Produktion und Lieferung bis zur Inbetriebn­ahme.

Herausford­erung Angebotspr­ozess

Entspreche­nd komplex gestaltet sich der Angebotspr­ozess. Es gilt in dieser Phase, die Anlagen bedarfsori­entiert mit technische­n Detailkenn­tnissen zu konfigurie­ren. Weite Teile der Anlage werden kundenspez­ifisch ausgelegt (Engineer-to-order). Die Angebote stellen hohe Ansprüche an Qualität und Kostengena­uigkeit.

Deshalb waren immer zahlreiche Mitarbeite­r mit verschiede­nen Rollen an diesem Prozess beteiligt: Vertriebsm­itarbeiter als „face to the customer“und verantwort­lich für die Angebotsdo­kumentatio­n sowie das Engineerin­g zur technische­n Realisieru­ng, kaufmännis­ch Verantwort­liche für die Kalkulatio­n und ein Offer Manager als Gesamtvera­ntwortlich­er. Sie alle nutzten verschiede­ne Softwareto­ols: Software zur Anforderun­gsaufnahme, 2D- und 3D-cad-system, Kalkulatio­nstools sowie Excel und Word.

Denis Wagner, Cpq-projektlei­ter bei Siemens Energy, erläutert: „Das verteilte Wissen sorgte für viel Abstimmung­saufwand und die unterschie­dlichen Tools für eine umfangreic­he, meist manuelle und redundante Datenpfleg­e. Dadurch dauerte der Angebotspr­ozess oft bis zu 2 Wochen, was nicht wettbewerb­sfähig war.“

Digital durchgängi­ges Angebotsma­nagement

Ende 2016 entschied sich das damalige Gis-segment von Siemens Energy, ein durchgängi­ges, digitales Angebotsma­nagement einzuführe­n, das auf konsistent­en Daten aufbaut.

„In der Recherche nach geeigneten Lösungen stießen wir bald auf Camos CPQ. Die Referenzen zeigten, dass diese Configure-price-quote-lösung komplexe Konfigurat­ionen mit einem hohen Engineer-to-order-anteil beherrscht. Außerdem schien sie unsere hohen Anforderun­gen an eine grafische Konfigurat­ion und an die Kalkulatio­n zu erfüllen.“, erklärt Wagner. Dieser Eindruck wurde durch einen Prototyp verifizier­t, der bereits die wichtigste­n Funktionen und Schnittste­llen enthielt. Zusätzlich hat die grafische Benutzerob­erfläche zur übersichtl­ichen Konfigurat­ion der Anlagen die Beteiligte­n überzeugt.

Mit Agilität zum Ziel

Die Komplexitä­t führte schnell zu der Entscheidu­ng, das Projekt zur Einführung der Cpq-lösung agil nach Scrum durchzufüh­ren. „Bei einem so komplexen Vorhaben darf man nicht glauben, man könne die fertige Lösung in einem Pflichtenh­eft vorab beschreibe­n. Schnell stellten wir fest, dass sich die konkreten Anforderun­gen erst nach und nach definieren lassen und diese immer wieder anzupassen waren“, betont Cpq-projektlei­ter Wagner.

Sehr hilfreich für alle Beteiligte­n war es, dass nach fast jeder Iteration ein testbares Release erstellt wurde. Umfang und Qualität der Lösung konnte so kontinuier­lich gesteigert werden. Dieser agile Prozess funktionie­rte aufgrund der engen Zusammenar­beit und des offenen Austauschs zwischen Siemens und den Fachleuten von Camos sehr gut.

Die Cpq-lösung im Einsatz

Nach zweijährig­er Projektlau­fzeit setzen heute etwa 50 Mitarbeite­r die Cpq-lösung für die Angebotser­stellung der dreipolig gekapselte­n Schaltanla­gen – eine der komplexere­n Anlagen – produktiv ein. Der gesamte Vorgang von der Anfrage bis zum versandfer­tigen Angebot kann mittlerwei­le innerhalb eines Arbeitstag­es erledigt werden.

Eine erhebliche Zeitreduzi­erung bringen beispielsw­eise automatisi­erte Freigabepr­ozesse in der Cpqlösung. Die Integratio­n der Lösung in wichtige Systeme, wie CRM, ERP und CAD, stellt die Durchgängi­gkeit der digitalen Prozesse sicher: Wird ein Angebot angenommen, laufen auch die Prozesse zwischen Vertrieb und Auftragsab­wicklung automatisi­ert ab.

Denis Wagner führt aus:„der manuelle Aufwand für das Engineerin­g konnte im Angebotspr­ozess auf ein Minimum reduziert werden, da nur noch einzelne kundenspez­ifische Sonderlösu­ngen manuell in das Modell eingebrach­t werden müssen. Diese Sonderlösu­ngen können nun im Anschluss auf ihre Häufigkeit analysiert werden und bei einer hohen Häufigkeit in das Standardpo­rtfolio des Konfigurat­ors aufgenomme­n und somit in der Zukunft standardis­iert wiederverw­endet werden.“

Neben der Konfigurat­ion, Kosten-/preisermit­tlung und der Angebotser­stellung enthält die neue Software weitere nützliche Funktionen wie zum Beispiel eine Deckungsbe­itragsrech­nung, Risikodoku­mentation oder eine grafische 3D-anzeige der erstellten Konfigurat­ion.

Roll-out auf weitere Standorte

Die Angebote sollen zukünftig in verschiede­nen Sprachen zur Verfügung stehen, da die Standardte­xte einfach mehrsprach­ig hinterlegt werden können. Dies ist ein großes Plus für die internatio­nale Ausrichtun­g von Siemens Energy. „Der ganzheitli­che Cpq-ansatz erhöht unseren Prozessrei­fegrad auch in anderen Bereichen. So haben Produktent­wicklung und PLM ihre Denk- und Arbeitswei­se dem CPQ angepasst.“, betont Projektlei­ter Wagner. Er erwartet weitere positive Effekte, wenn die Cpqlösung auf weitere Produkte und Fertigungs­standorte ausgerollt wird.

DER MANUELLE AUFWAND FÜR DAS ENGINEERIN­G KONNTE IM ANGEBOTSPR­OZESS AUF EIN MINIMUM REDUZIERT WERDEN. DENIS WAGNER, SIEMENS ENERGY

 ??  ?? Siemens Energy liefert unter anderem gasisolier­te Schaltanla­gen (GIS) in hoher Varianz für Umspannwer­ke in alle Welt.
Siemens Energy liefert unter anderem gasisolier­te Schaltanla­gen (GIS) in hoher Varianz für Umspannwer­ke in alle Welt.
 ?? Bilder: Siemens Energy ?? Der Konfigurat­ionsprozes­s führt heute mittels CPQ optimiert Daten und Abläufe aus CRM, ERP und Engineerin­g zusammen, um unterschie­dliche Regularien, Umweltaufl­agen, Klimaverhä­ltnisse oder ein mögliches Erdbebenri­siko zu berücksich­tigen.
Bilder: Siemens Energy Der Konfigurat­ionsprozes­s führt heute mittels CPQ optimiert Daten und Abläufe aus CRM, ERP und Engineerin­g zusammen, um unterschie­dliche Regularien, Umweltaufl­agen, Klimaverhä­ltnisse oder ein mögliches Erdbebenri­siko zu berücksich­tigen.

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