Schlanke Angebotsprozesse für Schaltanlagen
Configure-price-quote (CPQ) bei Siemens Energy
Schon seit den Anfängen des Unternehmens Siemens ist die Energietechnik ein wesentliches Standbein des global erfolgreichen Technologiekonzerns. Siemens Energy (Siemens Energy ist eine eingetragene Marke, die durch die Siemens AG lizensiert wurde) ist Anbieter von Hochspannungs-schaltanlagen inklusive Leistungstransformatoren, Verteiltransformatoren, luftisolierten (AIS) sowie gasisolierten Schaltanlagen (GIS).
Die GIS sind vollständig gasdicht gekapselte Einheiten für Hochund Höchstspannungen und kommen in Umspannwerken der regionalen und überregionalen Stromnetze zum Einsatz. Ihre kompakte Bauweise ermöglicht den Einsatz auf engstem Raum und macht sie auch unter extremen Umweltbedingungen besonders betriebssicher. Es handelt sich dabei um technisch hochkomplexe Modulsysteme, wobei es wesentlich auf das Zusammenspiel der Komponenten – wie Leistungsschalter, Erdungsschalter, Spannungswandler, Spulen, Ableiter und Steuerschränke – ankommt.
Insgesamt lassen sich auf diese Weise tausende Bausteine miteinander kombinieren. Die hohe Varianz ist notwendig, um den technischen Kundenvorgaben und den örtlichen Gegebenheiten gerecht zu werden: bestehende Systeme wie Trafoanlagen und Hochspannungsleitungen müssen ebenso in die Konfiguration einfließen, wie national unterschiedliche Rechtslagen, Umweltauflagen, Klimaverhältnisse oder ein mögliches Erdbebenrisiko in der jeweiligen Region. Zudem ergänzen Services wie Transport, Montage und Inbetriebnahme der Schaltanlagen oder Trainings für die Betreiber das Portfolio von Siemens Energy. Zusammengefasst errichtet das
Unternehmen schlüsselfertige Umspannwerke von der Planung, über die Produktion und Lieferung bis zur Inbetriebnahme.
Herausforderung Angebotsprozess
Entsprechend komplex gestaltet sich der Angebotsprozess. Es gilt in dieser Phase, die Anlagen bedarfsorientiert mit technischen Detailkenntnissen zu konfigurieren. Weite Teile der Anlage werden kundenspezifisch ausgelegt (Engineer-to-order). Die Angebote stellen hohe Ansprüche an Qualität und Kostengenauigkeit.
Deshalb waren immer zahlreiche Mitarbeiter mit verschiedenen Rollen an diesem Prozess beteiligt: Vertriebsmitarbeiter als „face to the customer“und verantwortlich für die Angebotsdokumentation sowie das Engineering zur technischen Realisierung, kaufmännisch Verantwortliche für die Kalkulation und ein Offer Manager als Gesamtverantwortlicher. Sie alle nutzten verschiedene Softwaretools: Software zur Anforderungsaufnahme, 2D- und 3D-cad-system, Kalkulationstools sowie Excel und Word.
Denis Wagner, Cpq-projektleiter bei Siemens Energy, erläutert: „Das verteilte Wissen sorgte für viel Abstimmungsaufwand und die unterschiedlichen Tools für eine umfangreiche, meist manuelle und redundante Datenpflege. Dadurch dauerte der Angebotsprozess oft bis zu 2 Wochen, was nicht wettbewerbsfähig war.“
Digital durchgängiges Angebotsmanagement
Ende 2016 entschied sich das damalige Gis-segment von Siemens Energy, ein durchgängiges, digitales Angebotsmanagement einzuführen, das auf konsistenten Daten aufbaut.
„In der Recherche nach geeigneten Lösungen stießen wir bald auf Camos CPQ. Die Referenzen zeigten, dass diese Configure-price-quote-lösung komplexe Konfigurationen mit einem hohen Engineer-to-order-anteil beherrscht. Außerdem schien sie unsere hohen Anforderungen an eine grafische Konfiguration und an die Kalkulation zu erfüllen.“, erklärt Wagner. Dieser Eindruck wurde durch einen Prototyp verifiziert, der bereits die wichtigsten Funktionen und Schnittstellen enthielt. Zusätzlich hat die grafische Benutzeroberfläche zur übersichtlichen Konfiguration der Anlagen die Beteiligten überzeugt.
Mit Agilität zum Ziel
Die Komplexität führte schnell zu der Entscheidung, das Projekt zur Einführung der Cpq-lösung agil nach Scrum durchzuführen. „Bei einem so komplexen Vorhaben darf man nicht glauben, man könne die fertige Lösung in einem Pflichtenheft vorab beschreiben. Schnell stellten wir fest, dass sich die konkreten Anforderungen erst nach und nach definieren lassen und diese immer wieder anzupassen waren“, betont Cpq-projektleiter Wagner.
Sehr hilfreich für alle Beteiligten war es, dass nach fast jeder Iteration ein testbares Release erstellt wurde. Umfang und Qualität der Lösung konnte so kontinuierlich gesteigert werden. Dieser agile Prozess funktionierte aufgrund der engen Zusammenarbeit und des offenen Austauschs zwischen Siemens und den Fachleuten von Camos sehr gut.
Die Cpq-lösung im Einsatz
Nach zweijähriger Projektlaufzeit setzen heute etwa 50 Mitarbeiter die Cpq-lösung für die Angebotserstellung der dreipolig gekapselten Schaltanlagen – eine der komplexeren Anlagen – produktiv ein. Der gesamte Vorgang von der Anfrage bis zum versandfertigen Angebot kann mittlerweile innerhalb eines Arbeitstages erledigt werden.
Eine erhebliche Zeitreduzierung bringen beispielsweise automatisierte Freigabeprozesse in der Cpqlösung. Die Integration der Lösung in wichtige Systeme, wie CRM, ERP und CAD, stellt die Durchgängigkeit der digitalen Prozesse sicher: Wird ein Angebot angenommen, laufen auch die Prozesse zwischen Vertrieb und Auftragsabwicklung automatisiert ab.
Denis Wagner führt aus:„der manuelle Aufwand für das Engineering konnte im Angebotsprozess auf ein Minimum reduziert werden, da nur noch einzelne kundenspezifische Sonderlösungen manuell in das Modell eingebracht werden müssen. Diese Sonderlösungen können nun im Anschluss auf ihre Häufigkeit analysiert werden und bei einer hohen Häufigkeit in das Standardportfolio des Konfigurators aufgenommen und somit in der Zukunft standardisiert wiederverwendet werden.“
Neben der Konfiguration, Kosten-/preisermittlung und der Angebotserstellung enthält die neue Software weitere nützliche Funktionen wie zum Beispiel eine Deckungsbeitragsrechnung, Risikodokumentation oder eine grafische 3D-anzeige der erstellten Konfiguration.
Roll-out auf weitere Standorte
Die Angebote sollen zukünftig in verschiedenen Sprachen zur Verfügung stehen, da die Standardtexte einfach mehrsprachig hinterlegt werden können. Dies ist ein großes Plus für die internationale Ausrichtung von Siemens Energy. „Der ganzheitliche Cpq-ansatz erhöht unseren Prozessreifegrad auch in anderen Bereichen. So haben Produktentwicklung und PLM ihre Denk- und Arbeitsweise dem CPQ angepasst.“, betont Projektleiter Wagner. Er erwartet weitere positive Effekte, wenn die Cpqlösung auf weitere Produkte und Fertigungsstandorte ausgerollt wird.
DER MANUELLE AUFWAND FÜR DAS ENGINEERING KONNTE IM ANGEBOTSPROZESS AUF EIN MINIMUM REDUZIERT WERDEN. DENIS WAGNER, SIEMENS ENERGY