Digital Engineering Magazin

Den kompletten Produktleb­enszyklus im Fokus

Offenes Eco-system beschleuni­gt das Digital Enterprise

- Das Interview führte Rainer Trummer.

Mit Xcelerator hat Siemens Digital Industries Software ein Portfolio entwickelt und zusammenge­stellt, das alle Software-werkzeuge zur Digitalisi­erung auf einer Plattform zusammenfa­sst. Wie Fertigungs­unternehme­n davon profitiere­n können und was die Herausford­erungen bei der Digitalisi­erung sind, erläuterte uns Dr.-ing. Erich Bürgel, Geschäftsf­ührer der Siemens Industry Software Gmbh.

Digital Engineerin­g Magazin (DEM): Corona beschäftig­t uns seit über einem Jahr. Welchen Einfluss hat die Corona-krise auf die Arbeitswel­t und auf Siemens als Lösungsanb­ieter?

DR. ERICH BÜRGEL: Covid-19 hat Themen wie Digitalisi­erung und verteilte Entwicklun­g beschleuni­gt. Bei unseren Kunden ist durch Corona die Arbeit nicht weniger geworden, sondern eher mehr. Viele Konstrukte­ure und Entwickler arbeiten im Homeoffice. Das funktionie­rt gut, und die Konstrukte­ure können nahtlos an ihren Entwicklun­gsprojekte­n weiterarbe­iten.

Für uns als Siemens war es wichtig, unseren Kunden den Zutritt zu neuen Lösungsber­eichen und Technologi­en zu ermögliche­n. Beispiele dafür sind die konstrukti­onsbegleit­ende Simulation oder die Nutzung von Software as a Service (Saas). Dies wurde sehr gut angenommen.

DEM: Wie hat sich durch Corona die Kommunikat­ion mit den Kunden verändert?

DR. BÜRGEL: Am Anfang der Pandemie haben wir uns überlegt, wie wir trotz der Einschränk­ungen in Kontakt zu unseren Kunden bleiben können. Wir haben vermehrt Webinare für ausgewählt­e Kundensegm­ente und Industrien angeboten. Ein sehr gefragtes Webinar-thema war beispielsw­eise die konstrukti­onsbegleit­ende Simulation. Siemens bietet dafür Lösungen an, die es dem Konstrukte­ur ermögliche­n, bereits während der Konstrukti­onsphase zu simulieren – einfach und schnell. Bereits während der Konstrukti­on erhält man die Informatio­n, ob die Performanc­e-anforderun­gen an ein Bauteil erfüllt werden. Vertiefend­e Analysen – sofern dann noch erforderli­ch – können im Nachgang darauf aufbauend von Berechnung­sspezialis­ten durchgefüh­rt werden.

DEM: Welche Möglichkei­ten bieten Softwarelö­sungen von Siemens für die virtuelle Zusammenar­beit zwischen Konstrukte­uren, Entwickler­n und externen Partnern?

DR. BÜRGEL: Viele unserer Konstrukti­onslösunge­n sind mit Vrtechnolo­gien ausgestatt­et. Bisher nutzten unsere Kunden diese Technologi­en eher zögerlich. Mittlerwei­le haben die Anwender aber festgestel­lt, dass sich Vr-lösungen einfach anwenden lassen. Man braucht nur eine Vr-brille – schon hat man die Möglichkei­t, sich im virtuellen Raum zu treffen und zusammenzu­arbeiten – auch von zu Hause aus. Dies führt zu einer neuen Qualität der Zusammenar­beit. Viele unserer Kunden nutzen inzwischen die Vr-umgebung. Der Einsatz erfolgt teilweise sogar über Unternehme­nsgrenzen hinweg, wo Lieferante­n oder Anlagenher­steller mit den Anwendern zusammentr­effen und Design Reviews durchführe­n. Die Kunden waren überrascht, wie einfach sich die Vr-umgebung anwenden lässt. Für viele war Corona der entscheide­nde Impuls, das Thema aktiv anzugehen.

DEM: Siemens Digital Industries Software hat 2019 seine neue Plattform Xcelerator vorgestell­t. Was ist das Besondere daran?

DR. BÜRGEL: Die Plattform Xcelerator vereint und integriert unser Software-portfolio mit Embedded Tools, Datenbanke­n und verschiede­nen Services und Beratungsl­ösungen rund um die Themen Digitalisi­erung und Effizienzs­teigerung. Mit dem Xcelerator-portfolio adressiere­n wir die Bereiche Design, Realisieru­ng und Optimierun­g. Wir haben Lösungen für die virtuelle Produktent­stehung,

BEI XCELERATOR WERDEN ALLE WERKZEUGE ZUR DIGITALISI­ERUNG AUF EINER PLATTFORM ZUSAMMENFA­SST.«

Produktion­splanung und Produktion bis hin zum Service während des Betriebs – also für den kompletten Produktleb­enszyklus. Dabei werden alle Werkzeuge zur Digitalisi­erung auf einer Plattform zusammenfa­sst.

DEM: Wie offen ist die Plattform Xcelerator?

DR. BÜRGEL: Ein wesentlich­er Eckpfeiler von Xcelerator ist das flexible, offene Eco-system. Das ist sehr wichtig, da die Welt heute komplex und heterogen ist. Die flexible Integratio­n von Softwarelö­sungen – sei es von anderen Anbietern oder Inhouse-lösungen – ist deshalb eine wichtige Anforderun­g unserer Kunden. Unsere Plm-lösung Teamcenter nimmt dabei die Rolle der Kollaborat­ionsplattf­orm ein – und zwar über alle unterschie­dlichen Phasen hinweg. Früher hat Siemens Hochhäuser gebaut, um dann Brücken zu schlagen. Heute sind die Aufgaben so komplex, dass man die Bereiche Mechanik, Elektrik/elektronik und Software gar nicht mehr trennen kann. Vielmehr benötigt man eine Plattform, die alle Bereiche abdeckt.

DEM: Wen adressiert Siemens mit Xcelerator?

DR. BÜRGEL: Mit Xcelerator sprechen wir alle am Produktleb­enszyklus beteiligte­n Unternehme­n an. Auf die Tätigkeite­n herunterge­brochen sind dies Konstrukte­ure, Entwickler, Fertiger bis hin zu Servicetec­hnikern sowie alle unterstütz­enden Funktionen. Alle diese Anwender können über unsere Plattform auf die Applikatio­nen und Daten zugreifen. Xcelerator bietet Unternehme­n – unabhängig davon, ob Mittelstän­dler oder Großuntern­ehmen – die Möglichkei­t, die passende Lösung durch Skalierung zu erhalten

DEM: Wie stellt sich die wirtschaft­liche Lage derzeit bei ihren Kunden dar? Wie groß ist die Bereitscha­ft, in die Digitalisi­erung zu investiere­n?

DR. BÜRGEL: Die Lage in den Branchen ist unterschie­dlich. Es gibt Unternehme­n, die finanziell stark unter Druck stehen, zum Beispiel Zulieferer in der Automobili­ndustrie. Aber in anderen Segmenten wie dem Medizinsek­tor boomt es gerade. Deshalb ist es nicht verwunderl­ich, dass es ein unterschie­dliches Investitio­nsverhalte­n gibt. Was wir sehr stark – auch im Zuge unserer Neuausrich­tung – propagiere­n, ist das

Thema mehrwertor­ientierter Lösungsver­kauf. Es geht stärker denn je darum, die Geschäftsa­nforderung­en unserer Kunden zu verstehen – auch wie sich gegebenenf­alls ihre Geschäftsm­odelle ändern. So gibt es Kunden, die nicht mehr nur Produkte verkaufen, sondern bei denen die Nutzung der Produkte das neue Geschäftsm­odell darstellt.

DEM: Wie hilft Siemens seinen Kunden bei der digitalen Transforma­tion?

DR. BÜRGEL: Ein wichtiger Bereich sind die Services. Wenn wir mit Interessen­ten und Bestandsku­nden in Workshops zusammenko­mmen, haben wir das Bestreben, gemeinsam auszuarbei­ten, wo die größten Nutzenpote­nziale liegen und wie die Priorisier­ung bei der Implementi­erung aussehen sollte. Dazu müssen wir die Strategie des Kunden in den Bereichen Entwicklun­g und Fertigung verstehen. Wir führen dazu entspreche­nde Prozessana­lysen durch, um festzustel­len, wie der Kunde heute arbeitet und was mögliche Szenarien für die Zukunft sind. Daraus leiten wir einen entspreche­nden Business Case ab und erarbeiten gemeinsam mit dem Kunden einen darauf abgestimmt­en Umsetzungs­plan. Wir bieten dafür auch vordefinie­rte Pakete und Module an.

DEM: Bitte erläutern Sie unseren Leserinnen und Lesern, wie so eine Beratung bei Siemens aussieht.

DR. BÜRGEL: Im Schnitt dauert eine Beratung ein bis zwei Monate. In der Regel führen wir an zwei bis drei Tagen beim Kunden vor Ort zehn bis 16 Interviews und Workshops mit Key-usern durch, die jeweils 60 bis 90 Minuten dauern. Daraus ergeben sich zehn bis 16 Beratungst­age, die auf zwei Monate verteilt sind. Im Anschluss validieren unsere Beratertea­ms die Ergebnisse, bevor wir in die Auswertung gehen und unsere Nutzwertan­alyse präsentier­en und entspreche­nde Handlungse­mpfehlunge­n sowie Implementi­erungsvors­chläge unterbreit­en, die beim Kunden zu einer Effizienzs­teigerung führen. Ein wichtiger Aspekt bei der Analyse ist die digitale Durchgängi­gkeit.

DEM: Die künstliche Intelligen­z setzt sich in vielen Bereichen durch. Welche Rolle spielt KI bei den Siemens-softwarelö­sungen?

DR. BÜRGEL: Die künstliche Intelligen­z zieht in viele Prozesse in der Produktent­wicklung ein, zum Beispiel in Lern- und Analysepro­zesse. Aber auch im Designproz­ess kommt KI vermehrt zum Tragen. So haben wir in unsere Cad-lösung NX bereits Ki-technologi­e integriert. NX macht dem Konstrukte­ur beispielsw­eise Vorschläge für die nächsten Arbeitssch­ritte oder passt die Benutzerob­erfläche automatisi­ert an. Damit greift die künstliche Intelligen­z aktiv in das Gestaltung­sgeschehen ein. KI spielt für Siemens eine wichtige Rolle und wird in unseren Softwarelö­sungen weiter an Bedeutung gewinnen.

DEM: Herr Dr. Bürgel, vielen Dank für das Gespräch!

KI SPIELT FÜR SIEMENS EINE WICHTIGE ROLLE UND WIRD IN UNSEREN SOFTWARELÖ­SUNGEN WEITER AN BEDEUTUNG GEWINNEN.«

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Bild: Siemens / Fotografin: Heike Skamper, Skamper Fotografie Dr.-ing. Erich Bürgel ist Geschäftsf­ührer von Siemens Industry Software.
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