Geheimnisse im All aufspüren: Teil 3 der Serie Sat-Spionage
Ab Juni wird der deutsche Astronaut Alexander Gerst zum zweiten Mal zur ISS fliegen und dort auch zeitweise das Kommando übernehmen. Spannend für uns ist, dass von der ISS immer wieder Sprechfunk-Signale empfangbar sind.
Die ISS sendet, jeweils sporadisch, auf verschiedenen Frequenzen. Dank Gerst dürfen wir davon ausgehen, dass für die nächste Zeit auch vermehrt Deutsch aus dem Weltraum zu hören sein wird.
Amateurfunkausrüstung
Auf der ISS befinden sich zwei Amateurfunk-Handsprechfunkgeräte der Ericsson M-PA-Serie. Sie sind für den Betrieb auf 144 bis 146 MHz und 435 bis 438 MHz ausgelegt. Ihre Sendeleistung liegt bei bis zu 5 Watt.
Weiter sind zwei stationäre Amateurfunkgeräte, je ein Kenwood TM-D700 und D710 auf denselben Frequenzbereichen im Einsatz. Das D700 hat eine Sendeleistung von bis zu 25 Watt. Sie genügt für stabilen Funkbetrieb von Horizont zu Horizont.
Empfangsequipment
Die ISS sendet auf vielen Frequenzen. Am leichtesten sind jene im Bereich von etwa 121 bis 146MHz zu bekommen. Für sie genügt bereits ein DVB-T-USB-Stick mit RTLChip, so wie wir ihn bereits für den Empfang der umlaufenden Wettersatelliten verwendet haben. Auch die Antenne ist dieselbe. Wobei sich auch für dieses Einsatzgebiet eine rundstrahlende, wie eine Groundplane, am besten dafür eignet. Zur Not tut es auch eine VHF-Band-3-Antenne, die heute üblicherweise für DAB Plus verwendet wird. Am Rechner setzen wir auch diesmal auf die bereits vorgestellte Empfangssoftware SDRSharp. Für Sprechfunksignale ist Schmalband-FM (NFM) mit einer Bandbreite von etwa 14 kHz einzustellen. Für Steuersignale im Zuge eines Andockmanövers eines Versorgungsraumschiffs kann auch WFM mit bis zu 250 kHz gefragt sein.
Wann empfangbar?
Zugegeben, die Suche nach ISS-Funksignalen gleicht ein wenig nach der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Denn die internationale Raumstation fliegt auf einer äquatorialen Umlaufbahn mit einer Geschwindigkeit von rund 28 000 km/h in etwa 400km Höhe um die Erde. Von dort oben hat sie einen Sichtbereich auf die Erdoberfläche mit einem Radius von etwa 2 000 km. Für eine Umrundung benötigt sie 93 Minuten. Da sich die Erde unter ihr dreht, fliegt die ISS bei jeder Umrundung über andere Orte der Erdoberfläche. Womit sie Europa nur wenige Male während eines Tages überfliegt. Innerhalb von 24 Stunden haben wir nur an die sechs Empfangsmöglichkeiten, die sich in zwei Dreiergruppen mit je 12 Stunden Abstand gliedern. Bei einem direkten Überflug bleiben uns, absolutes Flachland vorausgesetzt, maximal an die 10 Minuten und 40 Sekunden, nachdem sie auf am westlichen Horizont aufund am östlichen wieder untergegangen ist. Fliegt die Raumstation weiter südlich oder nördlich an uns vorbei, sind die Sichtbarkeitszeiten entsprechend geringer.
Auf der ISS gilt die UTC-Zeit. Sie entspricht der britischen Winterzeit. Womit 6 Uhr UTC 8 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit entspricht. Das ist insofern wichtig zu wissen, da sich der Tagesablauf der auf der ISS stationierten Astro- und Kosmonauten nach der UTC-Zeit richtet. Ihr Tag beginnt um 6 Uhr UTC und ist bis ins letzte Detail durchgeplant. Neben mindestens zehn Stunden reiner Arbeitszeit werden mehrere Stunden für Muskeltraining benötigt. Freizeit von rund
einer Stunde ist am Abend vorgesehen, fällt aber meist der Arbeit zum Opfer. Nachtruhe ist ab etwa 23 Uhr vorgesehen.
Der dichte Tagesablauf lässt der Besatzung kaum Zeit, aus Spaß an der Freude einfach mal nur zur Erde zu funken. Womit für uns die Chancen eher schlecht stehen, häufig Signale von der ISS zu empfangen. Zumindest, was die leicht empfangbaren betrifft. Die größten Chancen auf Empfang bestehen jedenfalls während der Tagesstunden und am Abend.
ISS Schulkontakte
Die am leichtesten empfangbare Frequenz der ISS ist die 145,8 MHz. Sofern sich Amateurfunker unter der Besatzung befinden, sind sie immer wieder mal auf dieser Frequenz zu hören. Über sie werden auch so genannte Schulkontakte abgewickelt. Sie sind zwischen einzelnen Schulen und der ISS vereinbarte Funkkontakte zu einige Tage zuvor festgelegten Zeiten. Das gibt Schulen oder einzelnen Klassen die Gelegenheit, der ISS-Besatzung per Funk Fragen zu stellen.
Dies geschieht üblicherweise über einen ortsansässigen Funkamateur, der die Verbindung zur Raumstation herstellt. Innerhalb der ITU-Region 1, zu der auch Europa zählt, funkt dieser von seiner Bodenstation auf 145,99 MHz zur ISS. Diese Station können wir in der Regel nicht hören. Meist sind sie viel zu weit, bis deutlich über 1 000 km, von uns entfernt.
Was wir hingegen sehr gut hören können, sind die Antworten der Astronauten. Aus ihnen gehen nicht nur die gestellten Fragen hervor. Sie geben uns gute Einblicke über das Leben rund 400 km über uns. Auf diese Weise erfahren wir etwa, dass die Besatzungsmitglieder zu ihren Familien via Telefon und E-Mail Kontakt halten.
Dazu dürften unter anderem die wenig bekannten geostationären TDRS-Satelliten dienen, von denen der auf 41,5 Grad West positionierte TDRS 12 zumindest theoretisch für uns erreichbar wäre. Während die
ISS die Nachtseite der Erde passiert, kann es laut Schilderung der Astronauten schwierig sein, die Lichter von Städten und Sternen zu unterscheiden. Weiter kann man etwa zu ihrem Tagesablauf, dem Leben in der Schwerelosigkeit und dass sie während ihrer Freizeit gerne mal Filme ansehen, erfahren.
Finden Schulkontakte in unserer Nähe statt, stehen die Chancen gut, einen Großteil der Antworten zu empfangen. Findet der Kontakt stattdessen mit einer Schule, etwa in Spanien oder Osteuropa statt, können wir vielleicht nicht einmal die Hälfte der Verbindung hören.
Außeneinsatz live
Am 2. Februar absolvierten die beiden russischen Kosmonauten, Kommandant Alexander Missurkin und der Raumfahrer Anton Schkaplerow den mit über acht Stunden bislang längsten Außeneinsatz an der ISS. Nur rund 25 Minuten nachdem die beiden Kosmonauten die ISS verlassen hatten, tauchte diese am westlichen Horizont über Europa auf. Womit auch wir die Kommunikation zwischen den beiden auf 143,625MHz in Schmalband-FM verfolgen konnten, während sie ein neues Schaltmodul an einer Hochleistungsantenne einbauten. Im Vergleich zu den Ausstrahlungen auf 145.8MHz war das Signal jedoch ziemlich dünn, aber dennoch glasklar verständlich. Zumindest theoretisch.
Denn die beiden bedienten sich ihrer Muttersprache, also Russisch. Für bestmöglichen Empfang haben wir Bandbreiten um 8 kHz gewählt. Sie sorgten zwar für ein weitgehend rauschfreies Audio, aber auch dafür, dass wir die Frequenz wegen des Dopplereffekts entsprechend häufig nachregeln mussten. Wie bei allen ISS-Überflügen ist das Zeitfenster für Empfangsversuche stets auf wenige Minuten beschränkt.
Womit das Signal der beiden Kosmonauten nach etwa sieben Minuten im Rauschen unterging, als die Raumstation hinter dem östlichen Horizont verschwand. Die 143,625MHz ist für den Empfang auf
Geduldsspiel
Um beim Empfang von ISS-Signalen erfolgreich zu sein, braucht es etwas Geduld oder besser gesagt, Vorbereitung. Die Chancen, Signale zu empfangen, stehen besonders dann gut, wenn ein Versorgungsraumschiff auf dem Weg zur Raumstation ist, Außeneinsätze durchgeführt werden oder per Funk mit Schülern geredet wird. All diese Ereignisse werden bis einige Tage im Voraus angekündigt und helfen bei der Empfangsplanung. Da die ISS-Frequenzen in der Regel nur bei Bedarf aktiviert werden, wird man auf vielen Überflügen, zumindest mit einfachen Mitteln, nichts empfangen können.
Zuletzt sei vor dem erfolgreichen ISS-Empfang gewarnt. Er hat hohes Suchtpotential und spornt an, die Raumstation wieder und wieder zu hören. der Erde ausgelegt. Womit mit entsprechend hoher Sendeleistung gearbeitet wird.
Außeneinsatz digital
Während sich die Russen nach wie vor auf die analoge Frequenz 143,625 MHz bei Außeneinsätzen verständigen, arbeiten die Amerikaner auf 414,2 MHz mit einem digitalen System, Space-to-Space EMU Radio genannt. Das System ist nur für die Kommunikation im Nahbereich konzipiert und dürfte mit etwa 250 mW Sendeleistung arbeiten. Weiter ist das Signal ziemlich breitbandig. Mit einer rundstrahlenden Antenne hat man da mehr als schlechte Karten in der Hand. Immerhin ist es bereits manchen DXern gelungen, die 414,2 MHz im Wasserfalldiagramm nachzuweisen. Wegen der digitalen Übertragung lässt sich ohnehin nichts hören.
Uns ist es jedenfalls nicht gelungen, zumindest Restsignale der beiden Astronauten Mark Vande Hei (USA) und Norishige Kenai (Japan) am 16. Februar 2018 bei ihrem Außeneinsatz zu empfangen. Auch auf der russischen Frequenz war nichts zu hören.
Empfangsqualität
Kurz nach dem Auftauchen der Raumstation über dem Horizont, ist der Empfang noch ziemlich angerauscht. Es dauert aber nur kurz, bis das Signal eine ordentliche Stärke erreicht hat und für perfekte Wiedergabe sorgt. Besonders auf der 145,8MHz darf man ein richtig fettes Signal erwarten. Es lässt beinahe glauben, die ISS parke gerade vor dem eigenen Haus! Die von uns auf 143,625 MHz empfangenen Funksprüche kamen zwar nicht ganz so stark, stellten uns aber ebenfalls vor keine Herausforderung. Auch sie kamen gut verständlich.
Weitere Frequenzen
Sucht man im Internet nach ISS-Downlinkfrequenzen, wird man richtig viele davon finden. Diese Listen haben nur einen Nachteil. In ihnen werden viele Frequenzen angeführt, die von der Raumstation gar nicht genutzt werden. Dies ist nicht nur unsere eigene Erfahrung, sondern deckt sich auch mit dem, was wir von Kennern der Materie erfahren haben.
Weiter finden sich in ihnen auch Frequenzen, die von den Versorgungsraumschiffen zur ISS genutzt werden. Auch sie haben wir beobachtet.
Versorgungsflug zur ISS
Mitte Februar haben wir den Flug des Versorgungsraumschiffs Progress-MS 08 (Progress 69P) und dessen andocken an der ISS beobachtet.
Nach seinem Start am 13. Februar um 9,13 Uhr erreichte das Versorgungsschiff recht schnell die Flughöhe der ISS und näherte sich dieser von hinten. Was in diesem Fall 33 Erdumrundungen benötigte. Währenddessen konnte man bereits das Telemetriesignal der Progress-MS 08 auf 166MHz empfangen. Das markante Signal ist überaus breit und besteht aus rund 20 eng beieinander liegenden Signalspuren. Neben dem Träger auf 166MHz sind für dieses Signal die beiden markanten Spitzen auf etwa 165,87 und 166,13 MHz markant. Die Gesamtbreite dieses Signals liegt bei etwa 500 kHz. Was etwa doppelt so viel ist, was unsere Empfangssoftware SDRSharp in der Betriebsart Breitband-FM (WFM) zulässt. Es ist als lautes „Rrrrrrrrrrrrrr“zu hören. Einen Tag nach dem Raketenstart konnte man das Versorgungsschiff etwa 20 Minuten nach dem Vorbeiflug der ISS empfangen.
Andockmanöver
Zum Andocken des Versorgungsschiffs an der Raumstation kommt das manuelle TORU-Fernsteuerungssystem zum Einsatz. Wobei der TORU-Sender der ISS auf 130,167 MHz funkt. Diese Frequenz wird etwa 40 Minuten vor dem Rendezvous aktiviert. Wobei während unserer Beobachtung zunächst nur ein leerer Träger ausgestrahlt wurde. Er ist im Wasserfalldiagramm gut als nach links geneigte schräge Linie bei 130,17 MHz zu erkennen.
Etwa zeitgleich wird auch das TORU-Fernsteuersystem auf dem Progress-Versorgungsschiff aktiviert. Es arbeitet auf 121, 75MHz und besteht aus neun schmalen Trägern, die an das analoge Signal der NOAA-Wettersatelliten erinnert. Es klingt auch ähnlich und hört sich wie ein mit einem hohen Pfeifton unterlegtes, schnelles „Tack-Tack-Tack“an.
Wenig später wurde auch auf der ISS das Signal des TORU-Fernsteuersystems auf die 130,167MHz geschaltet. Es klingt wie jenes auf 121,75 MHz, besteht laut Wasserfalldiagramm aber aus 13 Spuren. Während beide Frequenzen der TORU-Fernsteuerung aktiv sind, wird das Progress-Versorgungsschiff ganz langsam während des letzten etwa ein Kilometer manuell zur Andockschleuse manövriert. Besonders während der letzten rund 100 Meter bewegt es sich nur noch mit wenigen Zentimetern pro Sekunde. Als Navigationshilfe dient ein an der ISS angebrachtes Fadenkreuz, das sich mit dem in der Kamera des Versorgungsschiffs eingeblendeten decken muss. Diese Bilder können wir zwar nicht direkt empfangen. Über Nasa TV können wir das Geschehen zumindest live in HD per Webstream sehen. Was auch insofern interessant ist, da das gesamte Andockmanöver etwa eine halbe Erdumrundung dauert. Da sich die ISS während eines Überflugs nur für etwa sieben Minuten von uns direkt empfangen werden kann, bekommen wir mit unserem eigenen Empfangsequipment selbst unter idealen Voraussetzungen nur einen Bruch-
teil des Andockmanövers mit. Immerhin konnten wir am 15. Februar genau den Zeitpunkt empfangen, als die TORU-Sender an der ISS und dem Progress-Raumfrachter gerade aktiviert wurden.
Die beiden TORU-Frequenzen bleiben nur für die Dauer des Andockmanövers aktiv. Womit sie, sofern alles klappt, jedenfalls innerhalb einer Stunde wieder verstummen. Nur das Progress-Telemetriesignal auf 166MHz blieb nach dem Andocken an der Raumstation noch für einige weitere Erdumrundungen aktiv. Während der beiden folgenden Überflüge konnten wir es allerdings nur noch mit deutlich schwächerem Signal empfangen. Wir vermuten, dass die Sendeantenne des Versorgungsschiffs zumindest teilweise von der ISS verdeckt wurde, was den schlechteren Empfang erklären würde.
ISS bleibt Herausforderung
Während unserer Versuche haben wir auf fünf Frequenzen im VHF-Bereich durchaus starke Signale empfangen können. Allerdings nur Sprache, Daten- und Steuersignale. Doch die ISS strahlt auch Video auf mehreren Frequenzen aus. Sie werden, gemeinsam mit Daten, im Bereich von etwa 2 bis 2,3 GHz mit einer Sendeleistung von bis zu 20 Watt ausgestrahlt. Für ihren Empfang braucht es aber eine, für diesen Bereich ausgelegte nachführbare Antenne. Sie muss während eines Überflugs auf die ISS ausgerichtet bleiben. Was sich nicht mit einfachen Mitteln bewerkstelligen lässt. Weiter strahlt die ISS sporadisch Bakensignale auf den Frequenzen 628 und 630 oder 632 und 634MHz aus. Diese Frequenzen liegen mitten im UHF-Fernsehbereich, was uns deren Kontrolle großteils unmöglich machte.
Vorschau
Unsere Sat-Spionageserie geht weiter. In der nächsten Folge werden wir uns dem wahrscheinlich ältesten noch funkenden Satelliten widmen.