Ende und Aus: DAB-Pionier Kultradio steht in Bayern vor der Abschaltung
Anfang Oktober stellte das bayernweit über DAB Plus zu empfangende Kultradio unerwartet seinen moderierten Sendebetrieb ein. Kurz darauf wurde bekannt, dass seine Übertragungskapazität ab November von Radio Teddy übernommen wird.
Worin liegen die Hintergründe des Scheitern eines digitalen Programms, das von so vielen Leuten hoch gelobt und gerne eingeschaltet wurde? Das im bayerischen Bayreuth beheimatete Kultradio nahm am 12. Januar 2015 seinen regulären Sendebetrieb im landesweiten bayerischen DAB-Plus-Multiplex auf Kanal 10D auf. Zusätzlich war das Programm online als Webstream verfügbar. Der Sender hatte sich auf Ohrwürmer von den 1960ern bis in die frühen 2000er-Jahre spezialisiert. Neben bekannten Titeln gab es auch viele Titel zu hören, die zwar ihre Zeit prägten, aber inzwischen auf anderen Stationen nicht mehr vertreten sind. Auf Kultradio befanden sich rund 4500 Songs in der Rotation. Das Musikarchiv des Senders war noch weitaus größer. Womit für Abwechslung gesorgt war. Die Zuhörer waren zudem vom hohen Anteil live moderierter Sendungen angetan, in denen neben der aktuellen Berichterstattung und Servicemeldungen auch Interviews und Reportagen nicht zu kurz kamen. Beliebt waren zudem die abendlichen Musikspecials. Mit diesem Mix sprach Kultradio ein breites Publikum im Alter zwischen Mitte 20 und Mitte 60 an. Dem Programm war anzumerken, dass es mit viel Herzblut und Leidenschaft gemacht wurde. Das vorläufige Ende des Senders kam für viele unerwartet schnell. Erst am 4. Oktober 2018 wurde bekannt, dass einen Tag später zu Mittag der moderierte Sendebetrieb eingestellt werde. Gleichzeitig wurde die digitale Übertragungskapazität Radio Teddy zugesprochen, die sie ab November nutzen wird.
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit?
Die aktuellen Zahlen der Funkanalyse Bayern, attestierten Kultradio eine Reichweite von gerade einmal 0,1 Prozent. Was etwa 3000 Hörer pro Stunde entspricht. Was danach klingt, als interessiere dieser Sender niemanden. Was aber im krassen Gegensatz zur Realität zu sein scheint! Nicht nur, dass Kultradio auf seiner Facebook-Seite fast 5 500 Freunde verzeichnen darf. Alleine als das bevorstehende Ende des Senders bekannt wurde, wurde dies von weit über 1 000 Personen beklagt. Auch nach unseren Erfahrungen war Kultradio höchst beliebt. Unzählige Male wurde uns aus Bayern und Österreich zugetragen, wie gerne man diesen Sender hört und wie sehr man die Machart des Programms schätzt. Unser Fazit bis zuletzt: Der Sender ist nicht nur in Bayern beliebt und wird gerne gehört.
Zugpferde
Die Erfahrung aus dem In- und Ausland belegt immer wieder aufs Neue, dass es gerade die exklusiv auf DAB Plus ausgestrahlten Programme sind, die bei den Hörern ankommen und für sie Digitalradio attraktiv macht. So sind uns etwa in Bayern und Teilen Österreichs (dort, wo
bayerisches DAB Plus empfangbar ist) reichlich Fälle bekannt, wo sich die Leute ganz speziell für Bayern Heimat und Kultradio Digitalradios zugelegt haben. Dass das wirklich so ist, wird übrigens auch von den Elektronikmärkten bestätigt. Kenner der Szene gehen sogar einen Schritt weiter und schreiben den Erfolg von DAB Plus zu einem beträchtlichen Teil Sendern wie eben Kultradio zu. Gäbe es solche, auf UKW nicht vertretene Programme auf DAB Plus nicht, würden bis heute deutlich weniger Empfangsgeräte in den deutschen Haushalten stehen.
Radio-Reichweitenermittlung
Die von bekannten Meinungsforschungsinstituten ermittelten Reichweitenzahlen der Hörfunkveranstalter bilden die Grundlage dafür, wie interessant diese für die Werbeindustrie sind. Die Abfragemethoden bei der Funkanalyse Bayern und der Media Analyse Radio scheinen jedoch die etablierten UKW-Sender zu bevorzugen. Was man übrigens leicht selbst nachvollziehen kann. Dazu braucht man nur einen Blick in die Funkanalyse Bayern 2018, downzuloaden unter http://funkanalyse. tns-infratest.com/2018/Handout_2018_ Gesamt.pdf, zu werfen. Der Auswertung der über UKW vertretenen Programme widmet dieses 173 Seiten umfassende Dokument 73 Seiten. Die Reichweitenzahlen der nur über DAB Plus vertretenen Programme erstreckt sich gerade einmal über drei Seiten. Doch die Hörerzahlen scheinen immer wieder bereits im Zuge der Befragung der Hörer manipuliert zu werden. Was sich in mehreren uns geschilderten Fällen etwa so abspielte: Interviewer: „Welche Radioprogramme hören Sie?“Befragter: „Radio X“. Interviewer: „Das finde ich jetzt gar nicht in meiner Liste. Hören Sie auch Antenne Bayern oder den BR?“Befragter: „Ja.“Interviewer: „Gut, dann nehmen wir das.“ Wie oft solche Vorgehensweisen tatsächlich vorkommen, können wir nicht sagen. Dass sie vorkommen, wurde uns aber glaubhaft versichert. Nutznießer sind davon jedenfalls die großen UKW-Sender. Die sind es schließlich auch, die in den Abfragelisten ganz oben stehen. Auf der Strecke bleiben die kleinen Stationen, für die jede Stimme ganz besonders zählen würde. Bei der Ermittlung der Reichweiten und der Vermarktung von Werbezeiten scheint man heute UKW immer noch als alleiniges Maß der Dinge zu betrachten. Neue Verbreitungswege, wie DAB Plus und Internet, werden fast völlig außer Acht gelassen. Eigentlich sollte es nicht um UKW contra andere Verbreitungswege gehen. Es wäre Zeit, auch neue Übertragungswege, wie DAB Plus, als relevant und gleichberechtigt zu behandeln und so daran zu arbeiten, dass Radio weiter attraktiv bleibt.