Sender auf dem Hühnerspiel in Österreich vorgestellt
Das Hühnerspiel ist ein 2748m hoher Berg im Südtiroler Teil der Zillertaler Alpen. Es gehört zu einer Reihe von Gipfeln unweit der österreichischen Grenze am Brenner, von wo in den frühen 1980ern Radiogeschichte geschrieben wurde.
Heute rückt das Hühnerspiel wieder in den Fokus der Radiomacher. Auf ihm sollen wieder Sender betrieben werden. Diesmal jedoch in DAB Plus. In Italien erlaubte die liberale Gesetzgebung bereits ab Mitte der 1970er-Jahre Privatfunk. Binnen kürzester Zeit gingen zahllose Radiostationen an den Start. Schon bald entdeckten auch findige Radiomacher, dass sich von den hohen Gipfeln Südtirols nicht nur das nahe Umfeld, sondern auch weiter entfernte Regionen gut erreichen ließen. So konnte man etwa das vom Hühnerspiel nicht einmal gezielt nach Norden sendende Radio Eisack schwach in München hören. Aus dieser Erfahrung entwickelten mehrere private Betreiber, vom Hühnerspiel und den benachbarten Gipfeln südlich der Brenner-Grenze, mit hoher Leistung und Richtantennen nach Bayern zu senden. Zu den legendären Stationen zählte etwa das 1981 gestartete Radio Brenner, das von der Flatschspitze auf 102,15 MHz mit offensichtlich bis zu mehreren hundert Kilowatt ERP, in Richtung Norden sendete. Das Signal war nicht nur im Großraum München, sondern auch bis Stuttgart, Nürnberg und sogar bis in die damalige DDR zu hören. Allerdings nicht überall mit optimaler Qualität. Zu den legendären, für Süddeutschland sendenden Programmen zählte auch Radio C, das vom Hühnerspiel dem Bayerischen Rundfunk Konkurrenz machte. Die Reste der Antennenanlage sind noch heute zu bestaunen. Wohl wegen ihrer lockeren Machart erfreuten sich diese Stationen in Bayern großer Beliebtheit und waren dem damals ausschließlich öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein Dorn im Auge. Radio Brenner, Radio C und so weiter, trugen letztlich maßgeblich dazu bei, dass in Deutschland wenige Jahre später Privatfunk zugelassen wurde. Wen wundert es, dass die ersten deutschen Privatsender gerade in München starteten? Das war am 29. März 1985. Die legendären Radiosender aus dem Süden sind zwar längst verstummt und ihre Sendeanlagen dem Verfall preisgegeben. In Erinnerung sind sie aber geblieben und als die Pläne der Rundfunkanstalt Südtirol RAS bekannt wurden, auf dem Hühnerspiel DAB-Plus-Sender installieren zu wollen, kamen diese Erinnerungen sehr schnell wieder hervor.
Nur für Nahversorgung
Die RAS hatte das Hühnerspiel als potentiellen Sendestandort schon lange im Fokus. Allerdings wurde die bis in die 1990er-Jahre am Berg vorhandene Infrastruktur dem Verfall preis gegeben. Was insbesondere die Seilbahnstation und den NATO-Stützpunkt betrifft. Das Radiozeitalter endete auf dem Hühnerspiel noch etwas früher. Vor einigen Jahren hat die italienische Telekom auf dem Hühnerspiel einen neuen Mast auf etwa 2 600 m Seehöhe unweit des ehemaligen Nato-Geländes für ihre Funkdienste errichtet und auch für eine zuverlässige Stromversorgung gesorgt. Die RAS wird diese Infrastruktur künftig als Untermieter mit benutzen und von hier ihre beiden DAB-Plus-Multiplexe auf den Kanälen 10B und 10D mit 22 Programmen ausstrahlen. Dazu plant man einen Sender mit einer Geräteleistung von 500 Watt einzusetzen. Die Ausstrahlung soll über einen nach Westen ausgerichteten Doppeldipol erfolgen.
Sender für Südtirol
Vom Hühnerspiel sollen vor allem die Südtiroler Seite des Wipptales, der Brenner und das Pflerschtal mit Digitalradio versorgt werden. Angrenzende Gebiete auf österreichischer Seite stehen nicht im Fokus. Freilich werden aufgrund der exponierten und grenznahen Lage des Senders auch Signale auf österreichischen Boden gelangen. Zumindest der mobile Empfang sollte auf der Nordtiroler Seite der Brennerautobahn bis Innsbruck in brauchbarer Qualität klappen. Darüber hinaus könnte er in Richtung Nordwesten entlang der Seefelder Straße (Verbindung nach Bayern in Richtung Garmisch-Partenkirchen) bis etwa bis zur Versorgungsgrenze des bayerischen Digitalradios reichen. Die tatsächliche Reichweite wird man erst feststellen
können, nachdem DAB Plus am Hühnerspiel in Betrieb gegangen ist. Dies wird übrigens im Laufe des Sommerhalbjahres 2019 sein.
Lückenfüller?
Über Jahre hinweg wurde seitens des Bayerischen Rundfunks und der RAS in Südtirol die Schließung der Digitalradio-Empfangslücke auf der Inntalund Brennerautobahn gefordert. Ein Wunsch, der bei den österreichischen Verantwortlichen stets auf taube Ohren stieß. Diese Lücke lässt sich mit dem Sender am Hühnerspiel nicht schließen, da von seinem Standort keine Sichtverbindung ins Inntal besteht. Er sollte sie aber verringern. Da vor allem der landesweite Multiplex des BR auf Kanal 11D ein Stück nach Nordtirol rein reicht, dürfte die Empfangslücke künftig nur mehr bei etwa 35 km Länge liegen.
Südtirol in Bayern?
Wie bei öffentlich-rechtlichen Sendern allgemein üblich, ist ihr Versorgungsauftrag auf das eigene Heimatland beschränkt. Das ist auch bei der RAS nicht anders. Ihre Aufgabe ist es alleine, in Südtirol für guten Empfang meist deutschsprachiger TV- und Radioprogramme in Südtirol zu sorgen. Demnach besteht kein Versorgungsauftrag für Österreich oder Bayern. Damit ist die Aufschaltung von Digitalradio auf dem Hühnerspiel in keiner Weise mit den privat finanzierten Radioprojekten der 1980er-Jahre zu vergleichen. Viele von ihnen hatten ihre Sendeanlagen schon bald auf umliegende, noch höhere Standorte verlegt, um Südbayern besser erreichen zu können. Zudem arbeiteten sie mit ungleich höheren Sendeleistungen. Weiter macht die Senderichtung einen Empfang der beiden RAS-Multiplexe in Südbayern unmöglich. Freilich ist nicht ausgeschlossen, dass mancher DXer auf den Gipfeln der bayerischen Alpen künftig digitale Signale aus Südtirol hören können wird. In den Tälern, also allgemein dort, wo die Menschen in Dörfern und Städten leben, wird ein solcher Empfang nicht möglich sein. Er wäre auch von geringem praktischem Wert. Denn ein Großteil der in den RAS-Multiplexen enthaltenen Programme ist ohnehin ortsüblich. Dazu zählen Bayern 1 bis 5 und Bayern Heimat, Deutschlandfunk Kultur und Nova, die alle ohnehin über DAB Plus verfügbar sind. Weiter werden die vier ORF-Radios verbreitet, die im bayerischen Süden auf UKW hereinkommen. Kurz nachdem die Pläne der RAS, eine DAB-Plus-Sendeanlage auf dem Hühnerspiel errichten zu wollen, kursierten allerlei Gerüchte durch die Foren, deren Wahrheitsgehalt gegen Null tendierte. So stimmt es weder, dass man gezielt nach Norden mit bis über 3 kW ERP senden werde, noch dass das Signal bis München aufzunehmen sein soll. Man kann lediglich davon ausgehen, dass in Teilen Nordtirols vom Brenner bis Innsbruck und etwas in Richtung Westen, DAB Plus aus Südtirol zu bekommen sein wird. Zumindest, was den Mobilempfang betrifft. Für Indoor-Empfang wird das Signal in den genannten Regionen jedoch zu schwach sein. Genaues wird man wissen, nachdem die Sender eingeschaltet wurden.