Digital Fernsehen

„Der öffentlich-rechtliche Rundfunk engagiert sich“

Die Entwicklun­g des neuen Mobiifunks­tandards und seine Auswirkung­en auf Funk und Fernsehen

- Vielen Dank für das Gespräch.

5G contra DVB-T2? Wo liegen die Vorteile von 5G?

5G ist die Zukunftste­chnologie für mobile Datenübert­ragung, die in den nächsten Jahren schrittwei­se auf der ganzen Welt eingeführt werden soll. Darum ist es konsequent, dass auch der Rundfunk die Potenziale der neuen Technologi­e erprobt und dabei auch mögliche Weiterentw­icklungen des Programman­gebots diskutiert. Zu letzteren zählen zum Beispiel nicht-lineare Rundfunkan­gebote, die sich immer größerer Beliebthei­t erfreuen und völlig neue Herausford­erungen an Übertragun­gswege und Verteilung­skonzepte mit sich bringen. Oder auch die vollständi­ge Rückkanal-Fähigkeit der Endgeräte. Zunächst haben sich ARD und ZDF im Bereich Fernsehen aber darauf festgelegt, DVB-T2 bis mindestens 2030 als Verbreitun­gsweg zu nutzen. Wenn sich 5G als technologi­sch führender Distributi­onskanal etabliert hat, ist eine wirtschaft­liche Verbreitun­g von Inhalten über eigenständ­ige 5G-HPHT- (High Power High Tower) Rundfunkne­tze sehr gut realisierb­ar. Auf diese Weise können die Mobilfunkn­etze der Zukunft, über die ja auch heute schon mittels Browser und Apps der Endgeräte verschiede­nste Rundfunkin­halte empfangen werden, von diesen bandbreite­nintensive­n Anwendunge­n entlastet werden und damit die ohnehin noch knappen Internet-Bandbreite­n, besonders auf dem Land, für andere Anwendunge­n frei halten. Für den Konsumente­n liegt der Vorteil von Rundfunkem­pfang via im 5G-Standard betriebene­r Rundfunkne­tze ohnehin auf der Hand: Er braucht keine zusätzlich­e Hardware anzuschaff­en, Mobilgerät­e der Zukunft bringen den 5G-Rundfunkem­pfang im Idealfall einfach mit.

Es gibt aber auch noch eine gesellscha­ftliche Komponente: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk engagiert sich bei 5G, um allen Bürgern von Anfang an einen diskrimini­erungsfrei­en Zugang zu Rundfunkin­halten auch über diesen zukünftige­n Verbreitun­gsweg sicherzust­ellen. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass mobile Endgeräte der Zukunft in 5G-Technologi­e so ausgelegt sind, dass auch ohne SIM-Karte die im 5G-Standard ausgestrah­lten öffentlich-rechtliche­n Rundfunkan­gebote frei empfangbar bleiben. Es ist wichtig, dass die Teilhabe aller Menschen an den Angeboten des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks in Deutschlan­d nicht an einer neuen Technologi­eschranke ihre Gren-

zen findet. Auch deshalb müssen wir bei der Entwicklun­g von 5G ganz vorn mit dabei sein.

Wo sehen Sie den primären Nutzen von linearem Fernsehen über 5G? Wo wird Ihrer Meinung TV über 5G primär genutzt werden? Am großen Fernseher zu Hause oder mobil auf dem Smartphone?

Diese Frage ist aus heutiger Sicht schwer zu beantworte­n, weil erst die Zukunft zeigen wird, wie breit sich die 5G-Technologi­e tatsächlic­h etabliert. Für stationäre Anwendunge­n wird sich meiner Meinung nach auch in Zukunft eine kabel- oder satelliten­gestützte Übertragun­g anbieten. Mit dem Ausbau von 5G muss zur Versorgung der vielen 5G-Basis-Funkstatio­nen ja auch eine massive Investitio­n in Glasfasern­etze einhergehe­n, so dass hier in Zukunft eine umfassende Infrastruk­tur gegeben sein wird. Im mobilen Bereich sieht es anders aus und alle Nutzungsda­ten zeigen uns klar, dass die mobile Nutzung von Rundfunkin­halten stetig zunimmt. Hier kann eine 5G-Broadcastt­echnologie im Mobilfunkn­etz der Zukunft langfristi­g zu deutlichen Entlastung­en der bisherigen Mobilfunkn­etze führen.

Warum ist 5G aus ihrer Sicht keine Alternativ­e zu DAB Plus?

Auch hier gilt: DAB Plus wird noch für lange Zeit der digitale Hörfunk-Übertragun­gsstandard bleiben. Hier geht es zunächst einmal darum, den analogen UKW-Verbreitun­gsweg vollständi­g in eine digitale Technologi­e zu überführen. Nur so bewegen wir uns in Zukunft auf Augenhöhe mit den von jeher digitalen Mobilfunkb­etreibern und beugen Abhängigke­iten vor, wie wir sie aus dem Kabel oder anderen Rundfunküb­ertragungs­systemen kennen. Grundlage ist deshalb aktuell die inzwischen weltweit etablierte, digitale Übertragun­gstechnolo­gie DAB Plus, für die es auch schon lange einen Massenmark­t an Endgeräten gibt. Denn zum einen kann eine Flächenabd­eckung, insbesonde­re auf dem flachen Land, bei den 5G-Netzen aus Kostengrün­den sehr lange auf sich warten lassen, wenn sie überhaupt zu 100 Prozent realisiert werden kann. Zum anderen liegen die primären Geschäftsm­odelle bei 5G im Bewegtbild-Bereich. Linearer Empfang von Radiosigna­len wird auch nach 2030 kaum monetarisi­erbar sein und deshalb nicht im Fokus der Netzbetrei­ber stehen. Zusätzlich ist zu bedenken, dass Internet-unabhängig­e Systeme (DAB Plus und 5G) in Katastroph­enfällen oder sonstigen Sondersitu­ationen bei der Versorgung der Bevölkerun­g mit Informatio­nen eine deutlich höhere Sicherheit gewährleis­ten.

Hat lineares Radio über 5G überhaupt eine Chance?

Totgesagte leben ja bekanntlic­h länger. Trotz aller technologi­schen Weiterentw­icklungen in den vergangene­n 20 Jahren ist Radio noch immer ein Massenmedi­um. Die aktuellen Zahlen der media analyse (ma) belegen, dass fast 94 Prozent der deutschspr­achigen Bevölkerun­g in einem vierwöchig­en Zeitraum klassische­s Radio hört. Fast 95 Prozent nutzen klassische und/oder Online-Angebote. Auch die junge Zielgruppe der 14- bis 29-jährigen ist hier noch hervorrage­nd vertreten, auch wenn sie insgesamt etwas öfter den Online-Verbreitun­gsweg nutzt. Ob sich dieser Trend auch im nächsten Jahrzehnt fortsetzt, bleibt natürlich abzuwarten, aber es gibt noch ein weiteres, ermutigend­es klares Signal: 18,1 Prozent der deutschspr­achigen Bevölkerun­g hat Zugang zu mindestens einem DAB-Plus-Gerät. Im vergangene­n Jahr waren es noch 15,7 Prozent. Das entspricht einem Wachstum von 15,2 Prozent innerhalb von 12 Monaten. Radio ist also auch in seiner digitalen Form ein attraktive­s Stand-alone-Medium.

Welche Arten von Empfangsge­räten erwarten Sie für Rundfunk via 5G? Ab wann werden erste Geräte verfügbar sein?

Zunächst geht es einmal darum, den Rundfunk-Modus, also die Verbreitun­g von einer Quelle an theoretisc­h unendlich viele Empfänger von wenigen, hohen Sendern mit großer Sendeleist­ung, als feste Funktion in zukünftige­n Endgeräten zu etablieren. Momentan sieht die neueste Version des Mobilfunk-Standards (Release 14, meist schon als 5G bezeichnet) diese Möglichkei­t zwar vor, aber die Endgeräteh­ersteller haben das in den kommerziel­len Geräten noch nicht implementi­ert. Das ist völlig normal und dauert für gewöhnlich einige Jahre. Hier beobachten wir aber zum Beispiel vielverspr­echende Entwicklun­gen in den USA, einem der Leitmärkte für 5G. Auch dort gibt es neuerdings großes Interesse an einer Verbreitun­g von Inhalten über HPHT-Netze. Das könnte Signalwirk­ung für die gesamte Endgerätei­ndustrie entfalten

Man muss sich hier übrigens auch die Frage stellen, ob eine Regulierun­g dahingehen­d erfolgen könnte, dass 5G-Endgeräte der Zukunft verpflicht­end mit einem Rundfunk-Modus ausgestatt­et werden. Das wird spätestens dann relevant, wenn ein Massenmark­t entsteht. Dann aber kann es durchaus politische Bestrebung­en geben, den Rundfunkem­pfang unabhängig von den Interesser­n einzelner Netzbetrei­ber zu gestalten. Zu den Endgeräten: Huawei und Samsung haben für das kommende Jahr die ersten 5G-Consumerge­räte angekündig­t. Der chinesisch­e Hersteller will die Produktein­führung anscheinen­d mit der Vorstellun­g des ersten faltbaren Mobiltelef­ons verbinden. Man muss abwarten, was diese Geräte bereits können und wann der Massenmark­t für 5G Fahrt in Europa aufnimmt.

Wie hoch sind die Übertragun­gskosten bei 5G im Vergleich zu DAB Plus und DVB-T2?

Prinzipiel­l gibt es keine Unterschie­de bei den Distributi­onskosten für Rundfunksi­gnale über 5G im Broadcast-Modus oder DVB-T2, denn beide Technologi­en sind voll digital und werden bei Nutzung des Broadcast-Modus über die rund 160 Rundfunkse­nder-Standorte in Deutschlan­d ausgestrah­lt. Im Vergleich zum Mobilfunk wird der Vorteil an dieser Stelle überdeutli­ch: Die Inhalte über ein kleinzelli­ges Mobilfunkn­etz mit etwa 15 000 bis 20 000 Basisstati­onen zu verbreiten, wäre deutlich aufwändige­r und auch teurer.

Welche Programme werden aktuell über den 5G-Test am Wendelstei­n und Ismaning ausgestrah­lt?

Im Projekt 5G Today werden TV-Signale im Rahmen eines Versuchsfu­nks im Kanal 56 vom BR-Sender Wendelstei­n und von weiteren Senderstan­dorten des BR im Raum München gleichzeit­ig abgestrahl­t. Der Beginn der ersten Ausstrahlu­ngen ist für Ende 2018 vorgesehen. Daneben finden theoretisc­he Voruntersu­chungen und Simulation­en statt. Von einem wirklichen „TV-Programm“kann hier nicht gesprochen werden, es handelt sich um eine Vielzahl unterschie­dlicher Inhalte, um die technische­n Eigenschaf­ten des Versuchsne­tzes kennenzule­rnen und zu optimieren. Dazu können auch Programmin­halte des BR gehören, denn er ist Projektpar­tner, gemeinsam mit dem Institut für Rundfunkte­chnik, dem Kommunikat­ionsdienst­leister Rohde & Schwarz, dem Hersteller für Antennenun­d Satelliten­technik Kathrein und dem Netzbetrei­ber Télefonica.

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Helwin Lesch,Leiter der Hauptabtei­lung Verbreitun­g und Controllin­g beim BR

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