UKW-Radiosender fürchten Um stellung auf Digitalradio
Im Rahmen der Medientage München im Oktober hielt der stellvertretende Geschäftsführer und Bereichsleiter Technik der BLM, Reiner Müller, ein Impulsreferat zum Thema DAB Plus.
Dazu schlüpfte er fiktiv in die Rolle eines Geschäftsführers eines landesweiten UKW-Anbieters und zeigte aus dessen Sicht auf, warum manche Anbieter so sehr auf UKW eingeschworen sind.
Der kleine Wettbewerbsvorteil
Müller definiert zunächst die Abkürzung UKW als „Unser kleiner Wettbewerbsvorteil“. Er weiter: „Wir versuchen die derzeitige Situation im Hörfunk zu bewahren, um unseren Gesellschaftern weiterhin die Umsatzrenditen zu sichern, die sie seit 20 Jahren von uns Geschäftsführern gewohnt sind.“Gründe für diese für UKWler angenehme Situation gibt es mehrere. Etwa, dass die Gewinne für die bestehenden UKW-Veranstalter alleine deshalb gesichert sind, weil es keine freien Frequenzen mehr gibt. Und so auch keine neue Konkurrenz starten kann. Um das recht erfolgreiche UKW-Geschäftsmodell am Leben zu erhalten, gilt es, andere Infrastrukturen, die dieses Geschäftsmodell gefährden könnten, erfolgreich zu verhindern. Müller aus der Sicht des fiktiven Geschäftsführers weiter: „Wir sind in diesem Kampf seit vielen Jahren unterwegs und haben ihn bisher durchaus erfolgreich gestaltet. So ist es uns gelungen, schon vor einigen Jahren DAB alt zu verunglimpfen. … Vor allem durch Nichtbeteiligung einiger reichweitenstarker Programme, gezielte Nichtinformation des Hörers und auch guter Lobbyarbeit in der Politik, ist es uns gelungen, dass in einigen Teilen Deutschlands, die digitale Terrestrik DAB bis heute nicht oder nur sehr bescheiden ausgebaut ist.“
DAB Plus gewinnt Reichweite
Müller berichtete weiter, dass es der UKW-Lobby immer schwerer fällt, ihre Botschaft: „Lass mir mein derzeitiges Geschäftsmodell unberührt“, in die Politik zu transportieren. DAB Plus nimmt inzwischen Größenordnungen an, die von den Digitalradioverweigerern nicht mehr übersehen werden können. Es ist eben ein echtes Problem, dass eine Vielzahl deutscher Haushalte nicht nur ein DAB-Plus-Radio besitzt, sondern es auch nutzt! Zum allgemeinen Ärger der
kommerziellen UKW-Funker, setzt die ARD auf DAB Plus und hat inzwischen erstklassig flächendeckende Sendernetze aufgebaut, über die pro Sendegebiet bis zu zehn Programme kommen. Zudem bewirbt die ARD diese zukunftsweisende Technologie und die Hörer kaufen Digitalradios.
Über 12 Millionen befinden sich bereits in deutschen Haushalten. Ein echtes Problem, für die UKWler. Mehr noch, das erweiterte Angebot der ARD führt sogar dazu, dass die öffentlich-rechtlichen Hörfunkprogramme Marktanteile gewinnen. Was etwa anhand von BR Heimat eindrucksvoll bewiesen ist. Die von den Privaten verlorenen Marktanteile werden auch deren Erlöse mindern.
Zum Glück „gibt“es 5G
Laut den Ausführungen Müllers ist 5G für die strikten DAB-Plus-Verweigerer unter den kommerziellen Programmveranstaltern ein wahrer Segen. Es stimmt, dass 5G, ebenso, wie bereits heute 4G und LTE, den Broadcastmodus eMBMS enthält. Womit 5G grundsätzlich eigentlich nichts Neues für die Verbreitung von Hörfunkprogrammen über das Internet darstellt. Müller betont weiter, dass all das aber nur dort funktioniert, wo es auch Netze dafür gibt. Und das wird längst nicht überall sein. Soviel wissen wir bereits.
Müller weiter: „Der neue Mobilfunkstandard 5G ist aber ein willkommener Anlass, einmal mehr eine alternative Technologie zu DAB Plus, der Politik und den Journalisten vorzuschlagen. Damit können wir vielleicht DAB Plus in einigen Regionen Deutschlands weiter verzögern und vielleicht doch noch verhindern.“
Was wir wissen
In mehreren schonungslosen Beispielen zeigt Müller weiter auf, wie sehr heute 5G von der UKW-Lobby missbraucht wird. Etwa in dem er aus der Sicht des fiktiven UKW-Geschäftsführers behauptet: „Natürlich wissen wir aufgrund eingehender Recherchen und nachvollziehbarer offener Informationen von Experten, dass 5G nicht das ist, was wir versuchen, der Politik zu kommunizieren. Wir wissen sehr wohl, dass 5G seine Schwächen für Rundfunk haben wird. Und natürlich wissen wir, dass Mobilfunknetze vom ersten Spatenstich bis hin zu einer nennenswerten Verbreitung in der Bevölkerung … mindestens zehn Jahre brauchen. Hierbei handelt es sich nämlich um Milliarden-Investitionen von Betreibern und Mobilfunkunternehmen in der Bundesrepublik. Natürlich wissen wir, dass solche Netze für den Hörfunk um ein Vielfaches teurer sein werden, als die heutigen Netze auf UKW und DAB Plus. Natürlich wissen wir, dass LTE-Netzte bereits seit 2010 in der Lage wären, Radioprogramme in ausreichender Zahl zu verbreiten. Da auch diese Netze diesen Broadcaststandard enthalten. Natürlich wissen wir, dass dieser Broadcaststandard nur deswegen bei LTE nicht realisiert wird, weil dies zu enormen zusätzlichen Investitionen in Milliardenhöhe führen würde. Und die Mobilfunker möchten diese Investitionen von uns Hörfunkern wieder zurück haben. … Natürlich wissen wir, dass der Internetradioempfang über das Handy heute schon möglich ist, vom Verbraucher aber nicht genutzt wird. – Warum? – Weil es dem Verbraucher schlicht und ergreifend zu teuer ist.“Weiter gibt Müller zu bedenken, dass es für die erst zu errichtenden teuren 5G-Netze kaum preiswerte Tarifstrukturen geben wird. Zudem lassen sich über Internetangebote längst nicht jene Erlöse, wie über Werbung via UKW und DAB Plus erzielen. Damit 5G auch wirklich von der Bevölkerung genutzt werden kann, müssen erst Millionen von Endgeräten in deren Haushalte finden. Was an die zehn Jahre kosten wird. Müller weiter: „Und glauben Sie mir, wir wissen natürlich auch, dass Internethörfunkprogramme über 5G und Mobilfunknetze nicht die Zukunft für den terrestrischen Hörfunk sind.“
Der wahre Nutzen von 5G
Laut Müller liegt der wahre Nutzen von 5G für die UKW-Lobby alleine darin, dass sich damit sehr gut Diskussionen um die Zukunft des terrestischen Hörfunks anheizen lassen. Dies kann schließlich dazu führen, dass die Zukunft von DAB Plus und dessen Realisierung hoffentlich nach hinten geschoben und das erträgliche UKW-Geschäft damit verlängert werden kann. Müller gibt aber auch zu bedenken, dass sich immer mehr private Hörfunkveranstalter deshalb an DAB Plus beteiligen, weil sie damit ihr heutiges Geschäftsmodell in die digitale Zukunft verlängern können.
Fakten
5G ist nicht nur die nächste Mobilfunkgeneration. Es ist ein wahres Baukastensystem, das viele neue Anwendungen und Lösungen im Mobilfunkbereich bringen wird. Im Fokus werden autonomes fahren, Internet of Things, Industrie 4.0 und so weiter stehen. Sie werden auch über den Ausbaugrad der Netze entscheiden. Der Rundfunk spielt da nur eine Nebenrolle. Müller abschließend: „Der Rundfunk arbeitet an der 5G-Standardisierung nur deswegen mit, damit er eine Option hat, bei der Nachfolge von DVB-T2 und DAB Plus, die vielleicht in den 2030er-Jahren mal kommen wird, auf die 5G-Systemtechnologie, nicht Netze, zurückgreifen zu können. … Für unsere Rundfunkprogramme werden wir dann aber eigene Netze bauen. Nämlich mit High Tower, high Power, so wie wir das heute auch schon machen.“Als Resümee dieses Referats können wir alle mitnehmen, dass es noch sehr, sehr lange dauern wird, bis 5G eine nennenswerte Bedeutung gewinnen wird. Bis dahin sind wir mit DVB-T2 und DAB Plus bestens versorgt.