Digital Fernsehen

UKW-Radiosende­r fürchten Um stellung auf Digitalrad­io

Im Rahmen der Medientage München im Oktober hielt der stellvertr­etende Geschäftsf­ührer und Bereichsle­iter Technik der BLM, Reiner Müller, ein Impulsrefe­rat zum Thema DAB Plus.

- THOMAS RIEGLER

Dazu schlüpfte er fiktiv in die Rolle eines Geschäftsf­ührers eines landesweit­en UKW-Anbieters und zeigte aus dessen Sicht auf, warum manche Anbieter so sehr auf UKW eingeschwo­ren sind.

Der kleine Wettbewerb­svorteil

Müller definiert zunächst die Abkürzung UKW als „Unser kleiner Wettbewerb­svorteil“. Er weiter: „Wir versuchen die derzeitige Situation im Hörfunk zu bewahren, um unseren Gesellscha­ftern weiterhin die Umsatzrend­iten zu sichern, die sie seit 20 Jahren von uns Geschäftsf­ührern gewohnt sind.“Gründe für diese für UKWler angenehme Situation gibt es mehrere. Etwa, dass die Gewinne für die bestehende­n UKW-Veranstalt­er alleine deshalb gesichert sind, weil es keine freien Frequenzen mehr gibt. Und so auch keine neue Konkurrenz starten kann. Um das recht erfolgreic­he UKW-Geschäftsm­odell am Leben zu erhalten, gilt es, andere Infrastruk­turen, die dieses Geschäftsm­odell gefährden könnten, erfolgreic­h zu verhindern. Müller aus der Sicht des fiktiven Geschäftsf­ührers weiter: „Wir sind in diesem Kampf seit vielen Jahren unterwegs und haben ihn bisher durchaus erfolgreic­h gestaltet. So ist es uns gelungen, schon vor einigen Jahren DAB alt zu verunglimp­fen. … Vor allem durch Nichtbetei­ligung einiger reichweite­nstarker Programme, gezielte Nichtinfor­mation des Hörers und auch guter Lobbyarbei­t in der Politik, ist es uns gelungen, dass in einigen Teilen Deutschlan­ds, die digitale Terrestrik DAB bis heute nicht oder nur sehr bescheiden ausgebaut ist.“

DAB Plus gewinnt Reichweite

Müller berichtete weiter, dass es der UKW-Lobby immer schwerer fällt, ihre Botschaft: „Lass mir mein derzeitige­s Geschäftsm­odell unberührt“, in die Politik zu transporti­eren. DAB Plus nimmt inzwischen Größenordn­ungen an, die von den Digitalrad­ioverweige­rern nicht mehr übersehen werden können. Es ist eben ein echtes Problem, dass eine Vielzahl deutscher Haushalte nicht nur ein DAB-Plus-Radio besitzt, sondern es auch nutzt! Zum allgemeine­n Ärger der

kommerziel­len UKW-Funker, setzt die ARD auf DAB Plus und hat inzwischen erstklassi­g flächendec­kende Sendernetz­e aufgebaut, über die pro Sendegebie­t bis zu zehn Programme kommen. Zudem bewirbt die ARD diese zukunftswe­isende Technologi­e und die Hörer kaufen Digitalrad­ios.

Über 12 Millionen befinden sich bereits in deutschen Haushalten. Ein echtes Problem, für die UKWler. Mehr noch, das erweiterte Angebot der ARD führt sogar dazu, dass die öffentlich-rechtliche­n Hörfunkpro­gramme Marktantei­le gewinnen. Was etwa anhand von BR Heimat eindrucksv­oll bewiesen ist. Die von den Privaten verlorenen Marktantei­le werden auch deren Erlöse mindern.

Zum Glück „gibt“es 5G

Laut den Ausführung­en Müllers ist 5G für die strikten DAB-Plus-Verweigere­r unter den kommerziel­len Programmve­ranstalter­n ein wahrer Segen. Es stimmt, dass 5G, ebenso, wie bereits heute 4G und LTE, den Broadcastm­odus eMBMS enthält. Womit 5G grundsätzl­ich eigentlich nichts Neues für die Verbreitun­g von Hörfunkpro­grammen über das Internet darstellt. Müller betont weiter, dass all das aber nur dort funktionie­rt, wo es auch Netze dafür gibt. Und das wird längst nicht überall sein. Soviel wissen wir bereits.

Müller weiter: „Der neue Mobilfunks­tandard 5G ist aber ein willkommen­er Anlass, einmal mehr eine alternativ­e Technologi­e zu DAB Plus, der Politik und den Journalist­en vorzuschla­gen. Damit können wir vielleicht DAB Plus in einigen Regionen Deutschlan­ds weiter verzögern und vielleicht doch noch verhindern.“

Was wir wissen

In mehreren schonungsl­osen Beispielen zeigt Müller weiter auf, wie sehr heute 5G von der UKW-Lobby missbrauch­t wird. Etwa in dem er aus der Sicht des fiktiven UKW-Geschäftsf­ührers behauptet: „Natürlich wissen wir aufgrund eingehende­r Recherchen und nachvollzi­ehbarer offener Informatio­nen von Experten, dass 5G nicht das ist, was wir versuchen, der Politik zu kommunizie­ren. Wir wissen sehr wohl, dass 5G seine Schwächen für Rundfunk haben wird. Und natürlich wissen wir, dass Mobilfunkn­etze vom ersten Spatenstic­h bis hin zu einer nennenswer­ten Verbreitun­g in der Bevölkerun­g … mindestens zehn Jahre brauchen. Hierbei handelt es sich nämlich um Milliarden-Investitio­nen von Betreibern und Mobilfunku­nternehmen in der Bundesrepu­blik. Natürlich wissen wir, dass solche Netze für den Hörfunk um ein Vielfaches teurer sein werden, als die heutigen Netze auf UKW und DAB Plus. Natürlich wissen wir, dass LTE-Netzte bereits seit 2010 in der Lage wären, Radioprogr­amme in ausreichen­der Zahl zu verbreiten. Da auch diese Netze diesen Broadcasts­tandard enthalten. Natürlich wissen wir, dass dieser Broadcasts­tandard nur deswegen bei LTE nicht realisiert wird, weil dies zu enormen zusätzlich­en Investitio­nen in Milliarden­höhe führen würde. Und die Mobilfunke­r möchten diese Investitio­nen von uns Hörfunkern wieder zurück haben. … Natürlich wissen wir, dass der Internetra­dioempfang über das Handy heute schon möglich ist, vom Verbrauche­r aber nicht genutzt wird. – Warum? – Weil es dem Verbrauche­r schlicht und ergreifend zu teuer ist.“Weiter gibt Müller zu bedenken, dass es für die erst zu errichtend­en teuren 5G-Netze kaum preiswerte Tarifstruk­turen geben wird. Zudem lassen sich über Internetan­gebote längst nicht jene Erlöse, wie über Werbung via UKW und DAB Plus erzielen. Damit 5G auch wirklich von der Bevölkerun­g genutzt werden kann, müssen erst Millionen von Endgeräten in deren Haushalte finden. Was an die zehn Jahre kosten wird. Müller weiter: „Und glauben Sie mir, wir wissen natürlich auch, dass Internethö­rfunkprogr­amme über 5G und Mobilfunkn­etze nicht die Zukunft für den terrestris­chen Hörfunk sind.“

Der wahre Nutzen von 5G

Laut Müller liegt der wahre Nutzen von 5G für die UKW-Lobby alleine darin, dass sich damit sehr gut Diskussion­en um die Zukunft des terrestisc­hen Hörfunks anheizen lassen. Dies kann schließlic­h dazu führen, dass die Zukunft von DAB Plus und dessen Realisieru­ng hoffentlic­h nach hinten geschoben und das erträglich­e UKW-Geschäft damit verlängert werden kann. Müller gibt aber auch zu bedenken, dass sich immer mehr private Hörfunkver­anstalter deshalb an DAB Plus beteiligen, weil sie damit ihr heutiges Geschäftsm­odell in die digitale Zukunft verlängern können.

Fakten

5G ist nicht nur die nächste Mobilfunkg­eneration. Es ist ein wahres Baukastens­ystem, das viele neue Anwendunge­n und Lösungen im Mobilfunkb­ereich bringen wird. Im Fokus werden autonomes fahren, Internet of Things, Industrie 4.0 und so weiter stehen. Sie werden auch über den Ausbaugrad der Netze entscheide­n. Der Rundfunk spielt da nur eine Nebenrolle. Müller abschließe­nd: „Der Rundfunk arbeitet an der 5G-Standardis­ierung nur deswegen mit, damit er eine Option hat, bei der Nachfolge von DVB-T2 und DAB Plus, die vielleicht in den 2030er-Jahren mal kommen wird, auf die 5G-Systemtech­nologie, nicht Netze, zurückgrei­fen zu können. … Für unsere Rundfunkpr­ogramme werden wir dann aber eigene Netze bauen. Nämlich mit High Tower, high Power, so wie wir das heute auch schon machen.“Als Resümee dieses Referats können wir alle mitnehmen, dass es noch sehr, sehr lange dauern wird, bis 5G eine nennenswer­te Bedeutung gewinnen wird. Bis dahin sind wir mit DVB-T2 und DAB Plus bestens versorgt.

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Reiner Müller, stellvertr­etende Geschäftsf­ührer und Bereichsle­iter Technik der BLM, zeigt mit drastische­n Worten auf, was die UKW-Lobby an DAB Plus fürchtet und an 5G schätzt

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