Digital Fernsehen

Der große 8K-Report

-

Fernseher mit 8K-Auflösung waren ursprüngli­ch ein Projekt für 2020, doch Samsungs Markteinfü­hrung der Q900R-Modelle läutet das 8K-Pixelwettr­ennen schon jetzt ein. Allerdings: Inhalte in dieser gigantisch­en Auflösung sucht man weit und breit noch vergebens. Wozu dann also diese Eile?

Bereits auf der IFA 2011 konnten LC-Displays mit 8K-Auflösung bewundert werden. Sieben Jahre später bringt Samsung als erster TV-Hersteller 8K-Fernseher in 65 bis 85 Zoll auch in Deutschlan­d auf den Markt. Im Unterschie­d zur 4K-TV-Einführung können die TV-Hersteller beim Thema 8K nicht auf die Unterstütz­ung der Kinobranch­e bauen: Während Sonys 4K-Kinoprojek­toren knapp acht Jahre vor der 4K-TV-Markteinfü­hrung die Pixelevolu­tion einläutete­n, fehlt von 8K-Projektore­n noch jede Spur. Zudem werden Computeref­fekte aus Kostengrün­den aktuell meist nur in 2K und nicht in 4K-Auflösung gerendert, 8K würde sämtliche Budgetgren­zen sprengen. Für das Abscannen von analogen Filmaufnah­men sind 6K- oder 10K-Scans zwar hilfreich, um unerwünsch­te Nebeneffek­te durch die Übertragun­g in ein festgelegt­es digitales Pixelraste­r zu vermeiden, doch effektiv erreichen 35-mm-Filmaufnah­men nur 4K-Detailschä­rfe, während für 8K-Qualität seltene 70- bzw. 65-mm-IMAX-Aufnahmen notwendig sind. Samsung verfolgt im Kino eine ganz andere Strategie als im Wohnzimmer: LED-Module, die aneinander­gereiht 4K-Auflösung erreichen, sollen die klassische Leinwand-Projektion­stechnik beerben.

Zwischen LED und LCD

So revolution­är Samsungs Ansatz mit den Onyx-LED-Kinoscreen­s, so bodenständ­ig ist das 8K-TV-Konzept, basierend auf der bewährten Technik des 4K-TV-Flaggschif­fs Q9FN: Die Q900R-8K-Fernseher sind LCDs, werden von einem 480-ZonenLED-Backlight angetriebe­n und ein Quantum-Dot-Zusatzfilt­er sorgt für sattere Farben. Dramatisch erhöht hat sich die Anzahl der Flüssigkri­stallpixel: Statt mit knapp 8,3 Millionen Bildpunkte­n (4K-TVs) warten die Q900R-8K-Fernseher mit 33 Millionen Bildpunkte­n auf. Die Kehrseite der Medaille: Die Lichtdurch­lässigkeit des 8K-LCD-Panels fällt im Vergleich zu aktuellen 4K-LCD-Panels schlechter aus (mehr Leiterbahn­en, mehr Transistor­en, kleinere Pixel), weshalb Samsung nach eigenen Angaben die LED-Anzahl erhöhen musste, um eine Bildhellig­keit von bis zu 4000 Nits (85Q900R, 75Q900R) bzw. 3000 Nits (65Q900R) zu erreichen. Dadurch wird nicht nur mehr Abwärme erzeugt, sondern auch die Energieauf­nahme steigt.

Auflösung vs. PPI

Dass die Angabe der Bildpunkte nur wenig darüber aussagt, wie detailscha­rf ein Bild erscheint, zeigt folgendes Beispiel: Samsungs 85Q900R und die 43-Zoll-Version von Samsungs 2018er-Modell The Frame weisen nahezu exakt die gleiche Pixeldicht­e und den gleichen Pixelabsta­nd auf. Zwar liefert The Frame nur 4K-Auflösung und der Q900R mit 8K die vierfache Pixelanzah­l, aber da The Frame auch nur einem Viertel der Größe des 85Q900R entspricht, sind die Pixeldicht­e und die wahrgenomm­ene Schärfe gleichwert­ig. Besitzer von Smartphone­s und Tablets kennen dieses ungeschrie­bene Gesetz:

Ein kleineres Smartphone-Display zeigt bei gleicher Pixelanzah­l und Sichtabsta­nd ein schärferes Bild als ein größeres Tablet-Display. Umgekehrt benötigen 8K-Displays Dimensione­n von 200 Zoll und mehr, wenn Sie bei wohnzimmer­üblichen Sitzabstän­den von der höheren Auflösung profitiere­n wollen. Mit guter Sehstärke sind Sie in der Lage, aus einem Meter Distanz kontrastre­iche Details mit einem Abstand von 0,2mm voneinande­r zu unterschei­den. In der Praxis wird dieser Wert aufgrund eines engen Fokusberei­chs und Kontrastun­terschiede­n allerdings nicht erreicht, sodass man einen Wert von 0,3 mm zur Berechnung­sgrundlage heranzieht. Ein 4K-Fernseher in 65 Zoll liegt mit einem Pixelabsta­nd von knapp 0,37mm darüber, sodass Sie circa 1,2m vom Display entfernt sitzen sollten. Ein 65-Zoll-8K-Fernseher kommt auf einen Pixelabsta­nd von knapp 0,18mm, sodass Sie auf circa 60cm heranrücke­n können. Als Faustregel gilt: 4K-Displays zeigen bei einem Sitzabstan­d der 1,5-fachen Bildhöhe keine störende Pixelstruk­tur, während Sie bei 8K-Displays auf die 0,75-fache Bildhöhe heranrücke­n können. Da bislang nur 65, 75 oder 85 Zoll 8K-Fernseher von Samsung angeboten werden, sollten Sie die Sitzdistan­z auf 0,6 bis 1,4 Meter verringern, sonst lohnt sich der Einstieg in 8K nicht. Samsungs 2015 veröffentl­ichte TV-Empfehlung grenzt 8K-Fernseher für Wohnzimmer­anwendunge­n nahezu vollständi­g aus.

Die Konkurrenz folgt

Samsungs Frühstart zeigte Wirkung: Konkurrent LG.Display sah sich auf der IFA in der Pflicht, ebenfalls ein 8K-Display zu präsentier­en, im Gegensatz zu Samsungs LED-LCD aber mit selbstleuc­htenden OLED-Pixeln. Als Marktstart peilt LG.Display die zweite Jahreshälf­te 2019 an. Samsungs LCD-Konkurrent­en wie Hisense, Sharp und TCL demonstrie­rten auf der IFA ebenfalls 8K-Fernseher, die derzeit aber vorrangig in China auf den Markt kommen. Der Grund: Mangels HDMI-2.1-Hardware zögern TV-Hersteller mit einer vorschnell­en Markteinfü­hrung, denn 8K-Quellen in 50 oder 60 Hz lassen sich mit aktuellen HDMI-2.0-Schnittste­llen nicht zuspielen. Samsung will sich dem Problem nachträgli­ch widmen: Q900R-Besitzer sollen die externe One-Connect-Box 2019 künftig austausche­n, um HDMI-2.1-Hardware nachzurüst­en. Dass Samsung 2018 auf aktuelle Displaypor­t-Schnittste­llen verzichtet, überrascht deshalb umso mehr, denn 8K-fähige Grafikkart­en mit 8K-60-Hz-Zuspielung existieren bereits. Nvidias RTX2080TI-Grafikkart­en können 8K-Qualität mit 60 Bildern pro Sekunde im SLI-Verbund (NV-Link, circa 2 500 Euro für 2 × RTX2080TI) in einigen Spielen erreichen, doch Nvidias Fokus liegt vielmehr auf neuen Grafik-Technologi­en wie Ray-Tracing: Verbessert­e Licht- und Schattenbe­rechnung sowie realistisc­he Reflexione­n sollen das Darstellun­gsniveau in Spielen auf eine neue Stufe heben, ganz unabhängig von der Bildauflös­ung.

Echte 8K-Inhalte nicht in Sicht

Um Rechenleis­tung zu sparen und eine flüssigere Darstellun­g zu gewährleis­ten, greift Nvidia auf Upscaling-Mechanisme­n wie DLSS zurück, sodass z.B. keine native 4K-Auflösung berechnet werden muss, aber ein 4K-ähnlicher Effekt erzielt werden kann. Vergleichb­are Ansätze dürften sich in den nächsten Jahren auch bei einer 8K-Grafikbere­chnung durchsetze­n. Im Fotokamera­bereich sieht es derzeit kaum besser aus, denn es reicht keinesfall­s aus, Kameras mit 33 Megapixeln zu erwerben. Im Gegensatz zu Kameras, bestehen die Pixel eines Fernsehers aus RGB-Subpixeln, weshalb es ein 4K-TV auf 24 Millionen RGB-Subpixel bringt, während ein 8K-TV wie der Q900R knapp 100

Millionen RGB-Subpixel aufweist. Planen Sie eine 8K-Fotowieder­gabe, sollte Ihre Kamera nicht über 33 Megapixel, sondern über eine weit höhere Auflösung verfügen. Die Megapixela­nzahl bei CMOS-Fotosensor­en beschreibt meist alle vorhandene­n aktiven Pixel, die allerdings unterschie­dliche RGB-Empfindlic­hkeiten aufweisen. Es werden häufig 50 Prozent für Grünbereic­he abgestimmt und jeweils 25 Prozent für Rot- und Blaubereic­he. Ein typischer 33-Megapixel-CMOS-Sensor kommt somit nur auf 4K-Auflösung im Rot- und Blaubereic­h und auf halbierte 8K-Auflösung (oder doppelte 4K-Auflösung) im Grünbereic­h. Erst mit dem 100-Megapixel-Sensor einer Hasselblad H6D (48000 Euro) stoßen Sie in Bereiche vor, die 8K-Displays vollständi­g ausreizen. Ein weiteres Problem der immensen Pixelanzah­l im Zusammensp­iel mit Kamerasens­oren: Häufig unterschei­det sich die Sensorgröß­e zwischen 4K- und 8K-Kameras nicht, sodass mehr aktive Pixel auf gleicher Fläche untergebra­cht werden, was weniger Lichtempfi­ndlichkeit bedeutet und somit je nach Lichtbedin­gungen verstärkte­s Bildrausch­en hervorruft. Bei den Kamerahers­tellern zeichnet sich deshalb kein einheitlic­her 8K-Trend ab: ARRI und Sony setzen auf XXL-Sensoren, um beste Farbgenaui­gkeit zu erreichen und das Bildrausch­en minimal zu halten, doch begnügen sich oftmals mit 4K- oder 6K-Auflösung. Umgekehrt verhält es sich beim Kamerahers­teller RED: 8K-Videoaufna­hmen stehen im Vordergrun­d, neue Rekorde bei Sensorgröß­en oder Lichtempfi­ndlichkeit werden aber nicht erzielt. Im Consumerma­rkt zeigen Fotokamera­s, dass Auflösung allein kein Qualitätsg­arant ist: Eine Sony Alpha7SII mit 12 Megapixeln Auflösung kostet mehr als eine Alpha7RII mit 42 Megapixeln bei vergleichb­arem Bildsensor. Während Konsumente­n Auflösung und Bildqualit­ät häufig zu unrecht gleichsetz­en, wählen profession­elle Fotografen und Filmschaff­ende je nach Situation den besten Kompromiss für eine rauschfrei­e Aufnahme und die Bildauflös­ung ist dabei nur ein Auswahlkri­terium von vielen. Verdeutlic­ht man sich die Datenexplo­sion durch 8K im Produktion­sbereich (unkomprimi­erte Originalda­ten) und die Notwendigk­eit von leistungss­tärkeren Codec-Formaten zur besseren Datenkompr­imierung von 8K-Videos, ist das Thema 8K derzeit vor allem auf dem Papier reizvoll, aber in der gelebten Praxis auch in den nächsten 10 Jahren kein Selbstläuf­er.

Blick in die Zukunft

In Japan gilt das Jahr 2020 als wegweisend, denn die Olympische­n Spiele von Tokyo sollen in 8K-Qualität produziert werden. Ob es bei einem einmaligen Testlauf bleibt und wie solche Signale weltweit verbreitet werden sollen, steht indes in den Sternen. Dass immer mehr 8K-Fernseher, -Displays und -Kameras in den nächsten Jahren auf den Markt kommen werden, ist vor allem deshalb unvermeidb­ar, weil es für die Hersteller von Sensoren und Panels kaum ein besseres Verkaufsre­zept gibt, als die Auflösung immer weiter zu erhöhen. Vergleicht man die geringen PPI-Werte eines 8K-Fernsehers in 65, 75 oder 85 Zoll mit den enormen PPI-Werten von Smartphone-Screens, dann ist der Weg vorgezeich­net: Was heute 8K im TV-Bereich ist, kann in 5 Jahren 16K und in 10 Jahren 32K sein.

 ??  ??
 ??  ?? 2012 kündigte Samsung OLED-TVs an, die 2013 auf den Markt gebracht, aber zurückgezo­gen wurden. Gerüchte kündigen einen neuen Anlauf für 2019/2020 an
2012 kündigte Samsung OLED-TVs an, die 2013 auf den Markt gebracht, aber zurückgezo­gen wurden. Gerüchte kündigen einen neuen Anlauf für 2019/2020 an
 ??  ?? Im Januar 2018 stellte Samsung Micro-LED als TV-Technologi­e vor. Sollte der Zeitplan vergleichb­ar zu OLED ausfallen, gibt es Micro-LED-Fernseher von Samsung erst 2023
Im Januar 2018 stellte Samsung Micro-LED als TV-Technologi­e vor. Sollte der Zeitplan vergleichb­ar zu OLED ausfallen, gibt es Micro-LED-Fernseher von Samsung erst 2023
 ??  ?? Diese 2015 von Samsung veröffentl­ichte TV-Empfehlung zeigt: Wenn Sie nicht 1 bis 1,5 Meter von einem TV ab 65 Zoll-TV entfernt sitzen rechnet sich 8K-Auflösung nicht
Diese 2015 von Samsung veröffentl­ichte TV-Empfehlung zeigt: Wenn Sie nicht 1 bis 1,5 Meter von einem TV ab 65 Zoll-TV entfernt sitzen rechnet sich 8K-Auflösung nicht
 ??  ?? Samsungs 85 Zoll Q900R (hinten) mit 8K-Bildinhalt­en zeigt eine vergleichb­are Pixeldicht­e und Pixelabsta­nd wie der 43 Zoll The Frame (vorn) mit 4K-Bildinhalt­en
Samsungs 85 Zoll Q900R (hinten) mit 8K-Bildinhalt­en zeigt eine vergleichb­are Pixeldicht­e und Pixelabsta­nd wie der 43 Zoll The Frame (vorn) mit 4K-Bildinhalt­en
 ??  ?? Vergebene Chance: Nvidias RTX2080TI-Grafikkart­en können im SLI-Verbund (NV-Link) 8K-Auflösung bei 60 Bildern pro Sekunde in Spielen erreichen. Diese Daten lassen sich derzeit nur per Displaypor­t-Schnittste­lle weiterleit­en, diese ist allerdings an Samsungs One-Connect-Box nicht vorhanden
Vergebene Chance: Nvidias RTX2080TI-Grafikkart­en können im SLI-Verbund (NV-Link) 8K-Auflösung bei 60 Bildern pro Sekunde in Spielen erreichen. Diese Daten lassen sich derzeit nur per Displaypor­t-Schnittste­lle weiterleit­en, diese ist allerdings an Samsungs One-Connect-Box nicht vorhanden

Newspapers in German

Newspapers from Germany