Kunden unzufrieden: Vodafone und der Gigabit-Nepp
In den Medien wird das neue Gigabit-Internet der TV-Kabelanbieter großspurig beworben. Vor allen in dem Metropolen – darunter auch Leipzig – kann das Hochgeschwindigkeits-Internet gebucht werden. Doch noch gibt es viele Schattenseiten, wie ein Nutzerberic
Internet ist ein wichtiges Medium. Neben aktuellen Informationen, E-Mails und der Kommunikation über soziale Medien werden auch vermehrt Unterhaltungsmedien über diesen Weg zugeführt. Während Audioabrufinhalte noch mit geringer Bandbreite auskommen, ist es bei Video-on-Demand-Angeboten wichtiger denn je, eine ordentliche Bandbreite zur Verfügung zu haben. Wer ein UHD-Fernsehgerät nutzt, möchte natürlich auch Inhalte in 4K sehen. 25 Mbit/s sollten schon zur Verfügung stehen, um dieses stabil nutzen zu können. Die Anbieter haben dies erkannt und bieten immer höher dimensionierte Anschlüsse an. Der Kunde hat dabei auch beim Anbieter oft die Qual der Wahl. Internet kann über die Zweidraht-Telefonleitung als DSL oder V-DSL, via TV-Kabel aber auch direkt via Glasfaser zugeführt werden. Speziell die Kabelnetzprovider wie Vodafone brüsten sich mit extrem hohen Bandbreiten. Ein Erfahrungsbericht zeigt, dass in der Praxis oft nicht immer das geliefert wird, was bestellt wurde.
Praxiserfahrung eines Nutzers
Beim Einzug in meine heutige Wohnung war im Jahr 2015 in der Straße lediglich gewöhnliches DSL mit 16 Mbit/s verfügbar, von denen im Schnitt 11 bis 12 Mbit/s im Haus ankamen. 2016 began-
nen sowohl die Telekom als auch Kabel Deutschland mit dem Internetausbau. Sowohl V-DSL als auch Kabelinternet wurden im Wohngebiet verfügbar. Aus Bequemlichkeit und vor allem, weil mein damaliger Internet-Anbieter Congstar ohne Kündigung und Vertragsneuabschluss keinen Wechsel zu V-DSL vorsah, blieb es beim 16-Mbit-DSL-Anschluss – bis zum Dezember 2018. Vodafone Kabel offerierte den Start ins Internet-Gigabit-Zeitalter, schaltete in Leipzig den Internet-Turbo frei und schnürte für Early Adopter gleichzeitig ein attraktives Einsteiger-Paket: Dauerhaft die 1 Gigabit-Leitung zum Preis des 500 Mbit-Anschlusses – wer könnte da schon nein sagen? Es sollte der Beginn einer wunderbaren Freundschaft werden.
Holpriger Start
Vodafone scheint beim Bestellvorgang nicht immer zu wissen, ob das Haus be- reits modernisierte Kabeldosen mit drei Eingängen, welche eine eigenständige Installation ermöglichen, besitzt oder ob es die alten ohne Multimediaeingang sind, die Mittels Adapter und Technikerbesuch gefügig gemacht werden müssen. Die Hardware wird geliefert, die automatisierte Installation ist natürlich nicht möglich und nach zwei Telefonaten mit der zugegeben sehr freundlichen Technikhotline hat man um 22 Uhr die Info, dass am nächsten Tag sich jemand zwecks Terminabsprache meldet. Der Rückruf kommt. Wenige Tage später erscheint der lang ersehnte Techniker und schaltet das schnelle Internet frei.
Hardware-Ernüchterung
Vodafone bietet bis Dato als Router einzig den TG344D von Arris an. Dieser ist ein wahrlicher Heißsporn, genehmigt er sich im Normalbetrieb doch satte 24 Watt und ist im Ruhezustand mit 17 Watt auch nicht wirklich viel sparsamer. Wer als langjähriger Nutzer einer AVM Fritzbox auf die Benutzeroberfläche des Arris geht, ist im ersten Augenblick ein wenig verwirrt, was mit „Expertenmodus“gemeint ist, denn viel mehr als Name des WLANs und das Passwort lassen sich nicht einstellen und viel mehr Infos als die Dauer der Internetverbindung rückt die Benutzeroberfläche nicht an Daten raus.
An der kurzen Leine
Wer Gigabit-Internet hat, wird zum ersten Mal mit einem Problem konfrontiert, mit dem er in der Praxis vermutlich vorher nie zu tun hatte: Das Internet ist zu schnell für die kabellose Übertragung. Der Arris-Router unterstützt den WLAN-Standard 802.11ac. In der Praxis beträgt die Nettodatenübertragungsrate also etwa maximal 660 Mbit die Sekunde – aber auch nur bei freier Sicht und nicht durch mehrere Wände hindurch. Kurzum, wer nicht Computer, Spielkonsole und Fernseher in einem Raum stehen hat und sich LAN-Kabel durch die gesamte Wohnung ziehen will, muss Prioritäten setzen, welches Gerät in den Genuss des Geschwindigkeitsrausches kommen soll.
Tempolimit
Ethernet-Kabel in den 5 Gigabit-Anschluss des Mainboards gestöpselt, Speedtest gestartet ... und ernüchtert. Vodafone garantiert beim Tarif „Red Internet & Phone 1000 Cable“laut dem Produktinformationsblatt mindestens 600 Mbit/s im Down- und 15 Mbit/s im Upstream. Der Speedtest spricht eine gänzlich andere Sprache. Um 20.30 Uhr auf einem Montag tröpfeln gerade mal noch knappe 53 Mbit/s durch die Leitung auf den Rechner – ein Zwanzigstel von dem, was die Leitung hergeben könnte. Noch dramatischer wird es, wenn man beispielsweise seine Fotos in die Cloud sichern oder ein paar Dateien in die
Dropbox schieben möchte. 0,5 Mbit/s pro Sekunde quälen sich nun durchs Kabelnetz. Das ist die Hälfte der Leistung, die der Eingangs erwähnte DSL 16 000er Anschluss schaffte – und zwar zu jeder Tageszeit. Der Wochentag spielt bei der Netzaus-/überlastung dabei keine Rolle. An einem Freitag um 17.40 Uhr kommen zum Beispiel 400Mbit/s im Downstream und 4,1 im Upstream durch die Leitung, an einem Sonntagabend um 18.45 Uhr sind es 48,9 MBit/s oder 0,4 MBit/s. Selbst wenn man die versprochene Geschwindigkeit außer Acht lässt und sich mit 50 Mbit/s Downstream in den Stoßzeiten zufrieden gibt – man hat schließlich immer noch mehr Speed als vorher –, wird man nicht glücklich: Die Netzüberlastung verdirbt auch jegliche Freude an der VOIP-Telefonie. Der Gesprächspartner wird zwar klar und deutlich verstanden, man selber kommt auf der anderen Seite im besten Fall nur sehr leise, im schlechtesten Fall komplett abgehakt an.
Freie Fahrt
Allen Tagen ist gemein: Sobald man sich außerhalb der Stoßzeiten befindet und sich alle Nachbarn ins Reich der Träume verabschiedet haben, ist der Weg frei für ungebremsten Internet-Spaß. So wandern beispielsweise um Mitternacht von einem Montag auf Dienstag rund 925 Mbit/s durch die Leitung. Bleibt man noch länger wach, darf man sich auf knapp 960 Mbit/s im Downstream freuen. Wer mag, schaufelt sich dann mit rund 100 MB die Sekunde Daten auf die Festplatte. „Bereits“ab 23 Uhr steht beim Upload die volle Bandbreite zur Verfügung, hier gibt die Leitung wirklich alles her, was geht – manchmal sind es bis zu 51,5Mbit/s im Upstream.
Vodafone-Service
Bereits Mitte Dezember 2018 wurde der Vodafone-24-Stunden-Service über die Geschwindigkeitsprobleme angesprochen. Die Antwort war wenig ermutigend: Die Auslastung in diesem Segmet sei in den Abendstunden sehr hoch – der Service vermutet, dass es ein Fehler im Marketing gibt und der Gigabit-Anschluss im entsprechenden Wohngebiet gar nicht buchbar sein sollte. Das hilft jedoch nur bedingt weiter, denn selbst jeder kleinere Tarif bricht in den Abendstunden auf nicht nutzbare Werte zusammen. Ende Januar 2019 hat der Kundenservice zwar immer noch keine Lösung parat, verspricht jedoch, dass bis Juli 2019 in diesem Einzugsgebiet die Kapazitäten ausgebaut werden sollen.