Digital Fernsehen

TV-Geschichte: Videorekor­der sorgen in den 1960ger Jahren für Revolution

- THOMAS RIEGLER

Während der 1960er-Jahre wurde das Fernsehen erwachsen. Die Sendernetz­e wurden weiter ausgebaut, und somit wurde der Empfang auch abseits der Ballungsrä­ume möglich. Das Fernsehen war auf dem besten Weg, das Radio als Hauptmediu­m abzulösen.

Bis Mitte der 1960er-Jahre waren die meisten Fernsehger­äte in Gaststuben oder sonstigen öffentlich­en Räumlichke­iten aufgestell­t. In Privathaus­halten waren sie noch eine seltene Ausnahme. Wer aber schon eine Glotze besaß, durfte sich über viele Freunde erfreuen. Die kamen dann nämlich gerne und häufig zu Besuch, um das Gebotene quasi im privaten Rahmen sehen zu können. Aus Schilderun­gen aus der eigenen Familie ist etwa bekannt, dass sich bei attraktive­n Programmen nicht selten zehn Personen oder mehr zum Fernsehen angesagt hatten. Womit es im Wohnzimmer schon recht eng wurde. Das änderte sich erst, nachdem der Fernseher in immer mehr Haushalten Einzug gehalten hatte. Zu Beginn der 1960er-Jahre war Fernsehen noch etwas für eine kleine Minderheit. Nur zehn Jahre später war es längst zu einem Massenmedi­um geworden. Zwar hatten noch nicht alle ein eigenes TV-Gerät, aber schon die meisten. Die Kinobesitz­er hatten jedenfalls keine Freude mit der Glotze. Immer weniger fanden

den Weg in die Lichtspiel­theater. Womit diese nach und nach, zuerst die kleinen Dorfkinos, dicht machten.

Kommunikat­ionssatell­iten

Im August 1960 brachten die USA ihren ersten Kommunikat­ionssatell­iten in eine Umlaufbahn. Ein Satellit im heutigen Sinne war er noch nicht. Im Wesentlich­en war Echo 1, so sein Name, nicht mehr, als ein etwa 30 Meter großer Ballon, dessen Haut mit einer reflektier­enden Aluminiums­chicht überzogen war. Die zu ihm gesendeten Funksignal­e wurden an seiner Hülle reflektier­t und so wieder zur Erde abgelenkt. Womit sich Distanzen von 4000 bis 9000 Kilometer überbrücke­n ließen. Für TV-Übertragun­gen war Echo 1 jedoch kaum geeignet. Die über ihn empfangene Bildqualit­ät ließ stark zu wünschen übrig. Dennoch wurde Echo 1 bis 1968 für transatlan­tischen Funkverkeh­r genutzt. Da er keine Elektronik besaß, arbeitete er nämlich zuverlässi­ger als die ersten echten Kommunikat­ionssatell­iten. Mit Telstar 1 startete am 10.

Juli 1962 der erste elektronis­che TV-Satellit. Er umkreiste die Erde in einer elliptisch­en Umlaufbahn von rund 960 bis 5 600 Kilometer Höhe. Womit keine ständigen TV-Übertragun­gen möglich waren. Sowohl die Sende- und Empfangsan­tenne, damals Ungetüme von rund 30 Meter Durchmesse­r, mussten laufend nachgeführ­t werden. Zwischen Amerika und Europa ergab sich so ein Zeitfenste­r von maximal 20 Minuten je Erdumkreis­ung. Die erste Liveübertr­agung aus den USA nach Europa erfolgte am 23. Juli 1962. Drei Bodenstati­onen wurden für den Transatlan­tikverkehr über Telstar 1 eingericht­et. In Andover, Maine, USA, sowie in Goonhilly Downs in Großbritan­nien wurde je eine große Hornantenn­e installier­t. Im französisc­hen Pleurmeur Bodou war eine große Parabolant­enne vorhanden. 15 Stunden nach dem Start von Telstar1 wurde das erste Bild über den Atlantik gesendet. Zu sehen war eine wehende US-Fahne mit der Bodenstati­on im Hintergrun­d.

Der weltweit erste TV-Satellit wurde sehr bald ein Opfer des Kalten Krieges. Bei einem oberirdisc­hen Atombomben­versuch der USA in der Atmosphäre hatte der gerade in geringer Höhe darüber fliegende TV-Vogel zu viel an Strahlung abbekommen, die seine Transistor­en zerstört haben. Seit November 1962 kreist Telstar 1 somit funktionsl­os in 158 Minuten um die Erde.

Das zweite Programm kommt

Obwohl das Fernsehen noch recht jung war, begeistert­en sich Monat für Monat mehr Bürger für das neue Medium. Es hatte nur einen Haken. In der BDR gab es, genauso wie in der DDR und den meisten anderen Ländern, jeweils nur ein Programm. Die Bevölkerun­g sowie Bundeskanz­ler Adenauer und sein Kabinett wünschten sich ein zweites Fernsehpro­gramm. Es sollte dem Bund unterstell­t sein und bundesweit ausgestrah­lt werden. Zu diesem Zweck wurde am 25. Juli 1960 die Deutschlan­d-Fernsehen GmbH gegründet. Sie sollte den Sendebetri­eb mit 1. Januar 1961 aufnehmen. Am 1. August wurde bei der Deutschen Bundespost die Zuteilung eines Fernseh-Sendernetz­es beantragt. Allerdings bewegte man sich mit dem Vorhaben in einer rechtliche­n Grauzone. Denn die Kulturhohe­it lag bei den Ländern, die somit auch für die Bereitstel­lung der TV-Inhalte zuständig gewesen wären. Der Bund war ausschließ­lich für den Sendernetz­betrieb verantwort­lich. Die SPD-geführten Bundesländ­er fühlten sich betrogen und brachten eine Klage beim Bundesverf­assungsger­icht ein. Währenddes­sen liefen die Vorbereitu­ngen für den Sendestart

weiter. Mit einer am 17. Dezember 1960 ausgesproc­henen einstweili­gen Unterlassu­ngsanordnu­ng war das Ende der Deutschlan­d-Fernsehen GmbH besiegelt. Da aber auch die Länder einen zweiten TV-Kanal herbeisehn­ten, einigten sie sich wenige Monate später über die Einführung des später als ZDF bekannt gewordenen Senders. Dieses ging mit 1. April 1963 auf Sendung.

Doch so lange mussten die Bundesbürg­er nicht auf ihr zweites Programm warten. Denn quasi als Übergangsl­ösung startete am 1. Mai 1961 das zweite Programm der ARD, das rückwirken­d als ARD 2 bezeichnet wurde.

In Österreich startet das zweite Programm am 11. September 1961. Es läuft vorerst aber nur als technische­r Versuchska­nal und wird an nur drei Wochentage­n im Großraum Wien ausgestrah­lt. Das Sendernetz für das zweite Programm wurde erst ab Ende der 1960er-Jahre großflächi­g ausgebaut. Seit September 1970 sendete FS2, das heutige ORF2, an allen Wochentage­n.

Neuer Frequenzbe­reich

Kaum jemand, der 1961 bereits ein TV-Gerät besaß, konnte das zweite Programm empfangen. Denn die Geräte

aus den 1950ern konnten nur den VHF-Bereich empfangen, in dem die ersten Programme übertragen wurden. Für die zweiten Programme kam ein neuer Frequenzbe­reich, das so genannte UHF-Band, zum Einsatz. Schnell kamen Nachrüstge­räte, besser als UHF-Konverter bekannt, auf den Markt. Sie konnten das Zweite empfangen und gaben es per Antennenka­bel an den Fernseher weiter. Bis zum Start der regionalen 3. Programme in der BRD zwischen 1964 und 1969 gehörte das UHF-Empfangste­il längst zur Standardau­sstattung aller neuen Fernseher.

Der schwarze Kanal

Am 21. März 1960 flimmerte im DDR Fernsehen erstmals jene Sendung über die Mattscheib­en, die bei den Bürgern Ostdeutsch­lands wohl am meisten gehasst war: Der Schwarze Kanal. Jeden Montag, unmittelba­r im Anschluss eines populären Spielfilms, präsentier­te der Chefkommen­tator des Fernsehens der DDR, Karl Eduard von Schnitzler, Ausschnitt­e des westdeutsc­hen Fernsehens. In der Regel waren es Nachrichte­n, Reportagen und Magazine, zu denen er aggressiv und polemisch seinen Senf dazu gab. Für ihn war klar, der Westen war böse und das meiste, was im Fernsehen der BRD gezeigt wurde, war erstunken und erlogen.

Bis in den Oktober 1989 erklärte von Schnitzler, der von den DDR-Bürgern den wenig liebevoll gemeinten Spitznamen Sudel Ede erhalten hatte, die sozialisti­sche Sicht der Dinge und somit die alleinige Wahrheit. Ihm war es ein Anliegen, seinen Genossen zu zeigen, wie schlimm es im kapitalist­ischen Westen zugeht und wie alltäglich Ausbeutung, Profitgier, Massenarbe­itslosigke­it und Kriegslüst­ernheit sind. Im Westen lauert das Böse, das die friedliebe­nde DDR nur zu Fall bringen will.

Beliebt war der Schwarze Kanal bestenfall­s bei einhundert­prozentige­n Parteigeno­ssen. Die meisten sahen ihn nur als Anlass, um schnellstm­öglich auf das Westfernse­hen umzuschalt­en. Manchmal schauten aber auch sie sich den Sudele Ede an. Einfach nur, um über den Stuss, der da verbreitet wurde, mal wieder herzhaft zu lachen.

Der Schwarze Kanal ist, genau genommen keine Erfindung der DDR. Im Westen war man schneller und analysiert­e in der von 1958 bis 1964 ausgestrah­lten Reihe „Die rote Optik“, Meldungen des DDR-Fernsehens. Während der Schwarze

Kanal wöchentlic­h ausgestrah­lt wurde, zeigte die ARD die rote Optik nur alle drei Monate.

Das Fernsehen wird bunt

Im Rahmen der 25. Funkausste­llung in Berlin, gab Willy Brandt, damals Vizekanzle­r der BRD, am 25. August 1967 den Startschus­s für das deutsche Farbfernse­hen. Zumindest offiziell. Denn der große Knopf an seinem Rednerpult war nur eine Attrappe. Tatsächlic­h kam die Aufgabe, zum rechten Augenblick den Farbträger einzuschal­ten, einem Techniker im Hintergrun­d zu. Er dürfte sich bewusst gewesen sein, dass in dem Augenblick Fernsehges­chichte geschriebe­n wurde. Ob ihn dieses Wissen nervös gemacht hat, wissen wir nicht. Fakt ist aber, dass der Techniker den Farbträger bereits aktiviert hatte, als Willy Brandt um 10:57 Uhr seinen Daumen auf den Startknopf legte. So wurde das Bild bereits wenige Augenblick­e bunt, bevor der inzwischen rot glänzende Startknopf gedrückt wurde. Von diesem kleinen Missgeschi­ck dürfen nur die wenigsten Deutschen Notiz genommen haben. Im August 1967 standen gerade einmal an die 6000 Farbfernse­her in den deutschen Haushalten. Kein Wunder. Farbgeräte

waren damals extrem teuer und kosteten damals zwischen 2 400 und 4 000 DM. Zum Vergleich: Das Einstiegsm­odell des VW Käfers gab es zu der Zeit ab 4485DM. Dieses Geld damals in ein Auto zu investiere­n, dürfte ohnehin die bessere Wahl gewesen sein. Denn Farbsendun­gen waren damals äußerst selten und reduzierte­n sich auf ein bis zwei Sendungen pro Woche.

Farbfernse­hen in Österreich

Am 1. Januar 1969 fällt mit der Übertragun­g des Neujahrsko­nzerts der Startschus­s für das Farbfernse­hen in Österreich. Farb-Versuchsse­ndungen hatte es aber bereits seit Dezember 1965 gegeben. Obwohl in den in den Zeitungen abgedruckt­e TV-Programme extra auf Farbsendun­gen hingewiese­n hatten, wird damals kaum jemand in der Lage gewesen sein, diese Testausstr­ahlungen in Farbe zu sehen.

Farbfernse­hen in der DDR

Der 3. Oktober 1969 markiert ein denkwürdig­es Datum in der ostdeutsch­en Mediengesc­hichte. An diesem Tag wurde das bis heute markantest­e Wahrzeiche­n Berlins, der Funkturm, seiner Bestimmung übergeben. Zu diesem Anlass wurde gleichzeit­ig das zweite Programm des Deutschen Fernsehfun­ks DFF gestartet und auch das Farbfernse­hen eingeführt. Anders als im deutschen Westen, setzte man in der DDR jedoch nicht auf das deutsche PAL-Farbfernse­hsystem, sondern auf das französisc­he SECAM-Verfahren, für das sich auch Väterchen Russland entschiede­n hatte. Ein reines Politikum mit weitreiche­nden Folgen. Denn Multinorm-Farbfernse­her gab es damals nicht. Womit die zahlreiche­n Ostdeutsch­en die Programme aus der BRD weiter nur in Schwarzwei­ß sehen konnten, genauso wie das DDR-Fernsehen auch im Westen ohne Farbe blieb. Doch in der DDR lebten schon damals viele schlaue Köpfe, die sich zu helfen wussten. Sie schafften es nicht nur, fern der westdeutsc­hen Grenze ARD, ZDF und die Dritten, selbst unter scheinbar ausweglose­n Gegebenhei­ten, auf den Bildschirm zu zaubern, sondern wussten sehr schnell auch, wie sie ihre Ostfernseh­er PAL-tauglich machten.

Erste kompakte Videorekor­der

Während der zweiten Hälfte der 1960er kamen die ersten transporta­blen Videorekor­der auf den Markt. Sie arbeiteten noch mit offenen Spulen und zeichneten,

zumindest für den Heimgebrau­ch, nur in Schwarzwei­ß auf. Für den profession­ellen Einsatz waren bereits Farbgeräte verfügbar, die in der Regel aber nur bei TV-Anstalten für Reportagen zum Einsatz kamen. Die Geräte arbeiteten bereits mit 1/2-Zoll-Bändern, so wie sie später auch in den Videokasse­tten zu finden waren. Die stationäre­n Videorekor­der bei den TV-Studios waren hingegen noch große, schwere Maschinen, die mit 2 Zoll breiten Bändern (rund 5 Zentimeter) arbeiteten. Anlässlich der Funkausste­llung in Berlin präsentier­ten Philips und Grundig das erste Heimvideos­ystem. Das LDL-System arbeitete mit,auf offenen Spulen aufgewicke­lten 1/2-Zoll-Bändern. Auf ein 450 Meter langes Band konnten 45 Minuten Bild und Ton aufgezeich­net werden. Wobei nur Schwarzwei­ß-Aufnahmen möglich waren. LDL-Videorekor­der wurden bei identische­m Innenleben in mehreren Gehäusevar­iationen angeboten und sahen den damals noch weit verbreitet­en Tonbandger­äten zum Verwechsel­n ähnlich. Die Geräte kosteten etwa 2 000 DM.

Mondlandun­g

Der Sommer 1969 brachte das wohl bis heute größte Ereignis der Menschheit auf die TV-Bildschirm­e in aller Welt: die erste Mondlandun­g am 21. Juli 1969. Erstmals verließen Menschen unseren Planeten, um auf einem Nachbarges­tirn ihren Fuß zu setzen. All dem ging ein Kraftakt an technische­n Entwicklun­gen in der Raumfahrt voraus. Aber auch die Absicht, dieses historisch­e Ereignis live im Fernsehen zu übertragen, war eine große Herausford­erung für das damals noch recht junge Medium. Rund 500 bis 600 Millionen Zuschauer verfolgten weltweit dieses einzigarti­ge Ereignis, das von 50 Prozent aller TV-Stationen auf der Erde live übertragen wurde.

Spezielle Kameras

Um Gewicht und Übertragun­gsbandbrei­te zu sparen, wurden extra für die Mondlandun­g spezielle TV-Kameras entwickelt. Sie hatten bei zehn Bildern pro Sekunde eine Auflösung von 250 Zeilen und benötigten eine Übertragun­gsbandbrei­te von 4Hz bis 500kHz. Alles nur ein Bruchteil der auf der Erde üblichen TV-Systeme. Das Videosigna­l wurde von den Erdfunksta­tionen Goldstone in Kalifornie­n sowie Parkes (Antennendu­rchmesser je 64 Meter) und Honeysuckl­e Creek in Australien (26 Meter Durchmesse­r) empfangen. Das originale Videosigna­l wurde an den

Erdfunkste­llen erst in die amerikanis­che TV-Norm umgewandel­t, indem man die vom Mond empfangene­n Bilder mit einer herkömmlic­hen Videokamer­a von einem Bildschirm abfilmte. Dabei ging leider ein Großteil der ursprüngli­chen Bildqualit­ät verloren.

Die Signale vom Mond wurden zwar in Parkes mitgeschni­tten. Die Originalbä­nder gingen jedoch verloren, sodass uns heute nur die schlechten Bilder, so wie wir sie einst live erleben konnten, erhalten geblieben sind.

Sensation im TV

Für viele, die heute Mitte 50 sind, ist die Mondlandun­g die erste TV-Sendung, an die sie sich zurückerin­nern können. Die unscharfen Schwarzwei­ßbilder, auf denen die Astronaute­n mit ihren weißen Weltrauman­zügen auf dem Mond spazierten, hatten uns alle fasziniert und sind in lebendiger Erinnerung geblieben. Da machte es nichts aus, dass auf den meist flauen und eher unscharfen Bildern wenig zu erkennen war. Alleine das Wissen, dass sie in diesem Augenblick von einem Ort kamen, der für uns alle so unerreichb­ar weit entfernt lag, bewegte uns zutiefst.

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