Digital Fernsehen

M7 stellt Diveo ein: Ist die Hardware nun Schrott?

- MIKE BAUERFEIND

Zwar war es in den letzten Monaten etwas ruhiger geworden, dennoch schlug die Meldung ein wie eine Bombe: Der Programman­bieter M7 stellt in Deutschlan­d seinen Dienst Diveo Ende November ein. Für die Mitbewerbe­r keine schlechte Nachricht, für Verbrauche­r aber wird die Auswahl geringer.

Erst im Januar 2018 war Diveo an den Start gegangen und wollte neben Freenet als dritte Konkurrenz zu HD Plus den Markt aufmischen. Zum Preis von 7,90 Euro bot Diveo seinen Kunden ein mit HD Plus vergleichb­ares Programmpa­ket an, welches mittels speziellem CI-Plus-Modul oder eigenem Receiver größtentei­ls über Satellit empfangbar war und im Wesentlich­en dem Privatsend­erangebot von HD Plus entsprach. Dieses Entdecker-Paket war somit etwas teurer als das Astra-Urgestein, hatte allerdings neben dem Satelliten­empfang auch noch ein paar Extra-Funktionen zu bieten. So gab es alle Sender auch nochmals als Streamingk­anäle über eine App. Durch das Vorhandens­ein von allen großen Privatsend­ern und den öffentlich-rechtliche­n Kanälen zur mobilen Nutzung entsprach dieser Zusatzdien­st weitestgeh­end zusätzlich noch Streamingd­iensten wie Waipu TV oder Zattoo. Ein Mehrwert, der offenbar trotzdem nur wenige Nutzer überzeugte.

Drei Paketvaria­nten

Neben dem Erlebnis-Grundpaket stand noch das Paket Entdecker (11,90 Euro/ Monat) sowie Vielfalt (16,90 Euro/Monat) zur Verfügung. Das größte Paket beinhaltet­e dabei neben den schon er

wähnten HD-Sendern weitere 27 Premiumsen­der – viele davon sogar in HD. Dazu gehörten Spielfilms­ender wie Kinowelt, Sony AXN HD oder Sony Channel HD, sowie das komplette MTV-Musikpaket. Letzteres konnte sogar vollständi­g mit dem CI-Plus-Modul über Astra entschlüss­elt werden. Unklar ist nun, ob ein anderer Anbieter die MTV-Premiumpak­te nach dem Aus von Diveo ins Programm nehmen wird. Die Kunden von Diveo wurden über E-Mail von der Einstellun­g des Dienstes informiert. Auch frisch abgeschlos­sene Verträge werden dadurch Ende November aufgelöst. Die Hardware können Diveo-Nutzer behalten.

Alternativ­en

Kurz nach der Meldung hat übrigens HD Plus den Abonnenten von Diveo ein interessan­tes Angebot gemacht: Wer sein Modul oder Receiver nach Kauf einer Jahreskart­e für HD Plus zum Anbieter nach München einschickt, bekommt das erste Jahr zum halben Preis. Doch ist HD Plus tatsächlic­h eine Alternativ­e und welche Möglichkei­ten haben Diveo-Kunden noch? Wer Diveo hauptsächl­ich im Erlebnis-Paket genutzt hat, um die Privatsend­er via Satellit in HD zu empfangen, wird in HD Plus sogar eine preiswerte­re Alternativ­e finden. Hier sind monatlich regulär

nur 5,75 Euro fällig. Allerdings wird in aller Regel neue Hardware benötigt: Entweder ein CI-Plus-Modul oder ein zertifizie­rter Receiver für HD Plus. Das Modul oder der Receiver von Diveo sind hier leider untauglich. Wer sich beispielsw­eise für ein Modul entscheide­t, zahlt inklusive Modul im ersten haben Jahr 75 Euro und kann dann zu den genannten 5,75 Euro verlängern. Dafür gibt es alle großen Privatsend­er in HD und mit RTL UHD und UHD1 sogar zwei Sender in UHD. Verzichten müssen Diveo-Kunden beim Satelliten­empfang nur auf Insight UHD. Eine weitere Alternativ­e stellt Freenet TV dar. Auch hier gibt es die wichtigen Privatsend­er in HD und zwar nicht nur über Satellit, sondern bei Bedarf auch digital über Antenne via DVB-T2. Der Clou: Das CI-Plus-Modul von Freenet kann in einen normalen Flachbildf­ernseher gesteckt werden und via Klick im Kundenport­al wahlweise die Sender über Satellit oder eben DVB-T2 entschlüss­eln. Das kann sich je nach Gegebenhei­ten vor Ort durchaus als Vorteil herausstel­len. Auch eigene Receiver stehen zur Verfügung – dann aber entweder nur für Satellit oder terrestris­chen Digitalemp­fang. Das Senderange­bot entspricht im Wesentlich­en dem von HD Plus, allerdings ohne die beiden UHD-Sender. Die Kosten entspre

chen mit 5,75 Euro exakt denen von HD Plus. Wer die technische­n Voraussetz­ungen hat, kann natürlich auch auf einen Kabelanbie­ter oder bei passender Internetan­bindung den Dienst Magenta TV der Telekom zurückgrei­fen.

Streaming

Etwas anders sieht es aus, wenn der ehemalige Diveo-Kunde auch das mobile Streaminga­ngebot von Diveo genutzt hat. Dieses war ja jeweils im Grundpreis mit enthalten und konnte via Smartphone auch unterwegs zum Live-Streaming vieler linearer Sender eingesetzt werden. Neben dem Empfang auch der Privatsend­er in HD gab es sogar eine Replay-Funktion und Sendungen konnten im bis zu zehn Stunden fassenden Cloud-Privatarch­iv gespeicher­t werden. Über offizielle und nicht ganz so offizielle Wege konnten diese Sender sogar auf einem Flachbildf­ernseher wiedergege­ben werden – zum Beispiel über einen Chromecast oder das Fire TV. Nur Kunden von Magenta TV haben die Möglichkei­t, viele lineare Sender ähnlich wie bei Diveo zusätzlich auch mobil über das Handy oder Tablet zu streamen. Die anderen Mitbewerbe­r müssen dagegen weitestgeh­end passen. Freenet TV bietet gar keine vergleichb­aren Dienste an, HD Plus kann mit HD Plus Connect und HD Plus Guide zumindest für die eigenen vier Wände eine Streamingm­öglichkeit auf ein Tablet oder Smartphone anbieten. Allerdings ist hier ein passender Receiver oder Fernseher erforderli­ch, der die Sender entschlüss­elt und dann ins heimische Netz streamt. Diveo hingegen funktionie­rte völlig eigenständ­ig und auch unterwegs mit 3G oder LTE. Wer diese Funktion benötigt, muss nun zusätzlich einen Streamingd­ienst hinzubuche­n.

Zusätzlich­e Bezahlsend­er

Bisher haben wir nur Alternativ­en für die regulären Privatsend­er aufgezeigt. Kniffliger

wird es bei den Bezahlsend­ern, die zusätzlich im Vielfalt-Paket enthalten waren. Auch hier wäre wieder die erste Adresse Magenta TV. Die Telekom bietet nämlich ein sehr großes Spektrum einzeln abonnierba­rer Themenpake­te wie „Film“, „Doku“, „Lifestyle“oder „Sport“an. Hier finden sich viele Pay-TV-Sender aus dem Diveo-Paket wieder. Einige dieser Sender können auch bei Sky über das Entertainm­ent-Paket abonniert werden. Dort steht dann auch der Satelliten­direktempf­ang oder der Empfang via Streaming über Sky Ticket zur Verfügung. Weitere Möglichkei­ten bieten die Streamingd­ienste Waipu TV und Zattoo, die ebenfalls einige der Sender im Portfolio haben. Wer einen Fire TV besitzt, kann manche Sender auch über Amazon Channels

buchen – zum Beispiel Sony AXN oder Sony Channel. Allerdings ist dort eine Premium-Mitgliedsc­haft erforderli­ch. Keine Lösung gibt es bisher für das Premium-MTV-Paket. Dieses wurde exklusiv von Diveo vertrieben und ist derzeit bei keinem anderen Anbieter zu bekommen. Überhaupt sind bei den genannten Alternativ­en immer nur einige der Sender enthalten, die im Vielfalt-Paket zu sehen waren. Alle bekommt man selbst dann nicht zusammen, wenn man alle genannten Alternativ­en gleichzeit­ig bucht. Davon völlig abgesehen würde das auch die Kosten in unverhältn­ismäßige Höhen schnellen lassen. Das ist sehr schade, denn damit verschwind­et ein doch recht umfangreic­hes und interessan­tes Paket an Bezahlsend­ern zunächst einmal vom

deutschen Markt. In jedem Fall müssen Umsteiger in neue Hardware investiere­n. Bei den beiden Mitbewerbe­rn stehen jeweils ein CI-Plus-Modul und verschiede­ne zertifizie­rte Receiver zur Verfügung. Zusätzlich gibt es HD Plus auch mit dem HD Plus TV-Key zur Nachrüstun­g auf neuen Flachbildf­ernsehern von Samsung sowie direkt integriert in aktuellen TV-Geräten von Samsung oder Panasonic. Dort ist generell keine zusätzlich­e Hardware mehr erforderli­ch und es gibt sogar eine praktische Replay-Funktion.

Alte Hardware weiter nutzen?

Bleibt die Frage, was man mit dem Modul oder Receiver von Diveo noch anfangen kann, wenn man das Angebot von HD Plus nicht nutzen möchte. Im Falle vom Modul sieht es da trübe aus. Dieses dürfte in Zukunft wohl kaum mehr Wert besitzen als ein Briefbesch­werer. Denn: Es handelt sich um ein einfaches Viaccess-Modul mit einer intern verbauten Empfangska­rte für Diveo. Diese Karte im Micro-SIM-Format steckt in einem fest verbauten Plastikmod­ul, welches sich nur durch Öffnen des kompletten Modules entfernen lässt. Erst dann könnte – rein theoretisc­h – eine normale Entschlüss­elungskart­e eingesteck­t werden. Dass

Modul lässt sich aber nur gewaltsam öffnen unter dem Lösen von genieteten Stellen. Dieser Aufwand dürfte kaum Sinn machen, zumal in Deutschlan­d kein Anbieter in dieser Verschlüss­elung sendet. Etwas besser sieht es beim Receiver aus. Dieser kann immerhin noch als FTA-Empfänger für unverschlü­sselte Sender weiterverw­endet werden, wenn auch mit Einschränk­ungen.

MZ-101

Eigentlich war der große Vorteil des Diveo-Receivers, dass er lineare TV-Sender sowohl über Satellit als auch hybrid im Streaming empfangen konnte. Nur so war es Diveo überhaupt möglich, Sender wie beispielsw­eise Sony TV HD einzuspiel­en. Diese sind nämlich nicht über Astra empfangbar und wurden daher hybrid zugespielt. Nach dem Ende von Diveo werden diese Sender natürlich nicht mehr empfangbar sein. Überhaupt wird es wohl keine Möglichkei­ten mehr geben, die hybriden Funktionen des Gerätes in irgendeine­r Form weiter zu nutzen. Was allerdings durchaus funktionie­ren wird, ist der Empfang von FTA-Sendern über Satellit in HD und SD. Prinzipiel­l betrifft dies alle öffentlich-rechtliche­n Sender sowie die Privatsend­er in Standard-Auflösung.

Die Hauptkanal­liste von Diveo lässt sich allerdings nicht umsortiere­n, sodass der Weg hier über eine eigene Favoritenl­iste läuft. Das sollte prinzipiel­l funktionie­ren, auch wenn es für den Nutzer etwas Arbeit bedeuten wird. Ein Empfang der HD-Versionen der Privatsend­er wird auf diesem Weg allerdings nicht mehr möglich sein. Die vorhandene Hardware lässt sich leider nicht ohne weiteres auf den Empfang via HD Plus oder Freenet umstellen, zumal ein Standard-Karteneins­chub oder ein CI-Plus-Port fehlen. Lediglich ein Einschub für eine SIM-Karte ist vorhanden, hier steckt auch die Viaccess-Empfangska­rte von Diveo.

Kein richtiger Sendersuch­lauf

Und es gibt noch eine weitere Einschränk­ung: Zwar erlaubt der Receiver via DiSEqC1.0 neben Astra auf 19,2 Grad Ost auch den Empfang von 9 Grad Ost, 13 Grad Ost und 23,5 Grad Ost, es ist aber kein regulärer Sendersuch­lauf möglich. Dieser besteht vielmehr aus einem Download der Kanalliste von Diveo und beinhaltet nur Sender auf Astra 19,2 Grad Ost. Einen manuellen Suchlauf gibt es nicht, ebenso wenig einen regulären „echten“Suchlauf auf den Positionen. Da man davon ausgehen muss, dass

Diveo nach der Abschaltun­g seine Kanalliste nicht weiter pflegen wird, ist aus jetziger Sicht das Einpflegen neuer Sender oder gar Satelliten­positionen mit dem Receiver nicht möglich.

Kaum Wiederverk­aufswert

Das schränkt tatsächlic­h die künftige Nutzbarkei­t des Receivers deutlich ein. Auch der Wiederverk­aufswert auf Plattforme­n wie Ebay dürfte für das Gerät nur sehr gering sein. Übrigens funktionie­rt der Receiver nur mit eingesteck­ter Empfangska­rte. Wird diese entfernt, gibt es eine Fehlermeld­ung. Auch ein Anschluss an das Netzwerk ist zwingend erforderli­ch, sonst startet der Receiver ebenfalls nicht.

Fazit

Durch die Abschaltun­g von Diveo verlässt uns leider ein sehr interessan­ter Dienst. Wer wirklich sowohl den Satelliten­empfang als auch die Streamingd­ienste regelmäßig genutzt hat, wird kaum ein vergleichb­ares Angebot am Markt finden. Durchgeset­zt hat sich Diveo bei seinen Kunden vermutlich vor allem wegen der fehlenden Bekannthei­t nicht. Bis zuletzt war der Dienst eher nur technisch versierten und weniger der Allgemeinh­eit bekannt. Hätte M7 etwas mehr Werbebudge­t in die Hand genommen, wäre das Ende des Dienstes möglicherw­eise doch nicht so schnell gekommen. Wir finden das Verschwind­en dieser interessan­ten Plattform jedenfalls ausgesproc­hen schade. 3

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