UKW-Abschaltung rückt in weite Ferne
Im Februar 2019 hatte die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein MA HSH einen Großteil des in Hamburg zur Verfügung stehenden UKW-Spektrums neu ausgeschrieben. Dieser Schritt war vonnöten, da die bisherigen Zuweisungen nicht noch einmal verlängert werden konnten. Am 6. November hatte der Medienrat der MA HSH über die Zuweisung von UKW-Frequenzen entschieden.
Für die Region Hamburg wurden fünf Versorgungsgebiete, nennen wir sie einfach Stadtsendernetze, ausgeschrieben. In diesem Zuge wurden die Sendeleistungen auf mehreren Frequenzen reduziert. Weiter wurde aus einer Einzelfrequenz ein kleines Sendernetz gemacht, indem man dazu eine der drei heute von Radio Hamburg genutzten Frequenzen dafür geopfert hat. Für die UKW-Kapazitäten für fünf Programme haben sich 13 Veranstalter beworben.
Die Verlierer
Die Vergabe der Lizenzen brachte einen Paukenschlag. Genau genommen sogar zwei. Hart getroffen hat es Energy Hamburg. Obwohl bereits seit 1995 in der Hansestadt auf Sendung, wurde bei der erneuten Frequenzzuteilung nicht mehr bedacht. Dass man bereits seit fast einem Viertel Jahrhundert erfolgreich Radio macht, sich eine Marke aufgebaut hat und eine treue Hörergemeinde von fast 800 000 Hörern hat, schien nicht gezählt zu haben. Damit verliert Hamburg nicht nur seine einzige kommerzielle Jugendwelle.
Dass sich dieser Frequenzverlust auch auf die Belegschaft und damit den Verlust qualifizierter Arbeitsplätze auswirkt, davon ist auszugehen. Die Geschäftsführung von Energy nimmt die Entscheidung mit Unverständnis auf. Schließlich habe man sich im vollen Umfang an alle von der Medienanstalt gestellten Anforderungen gehalten. Weiter gibt man zu bedenken, dass damit auch der Medienstandort Hamburg geschwächt wird. Schließlich verliert dieser an Investitionssicherheit. Besonders hart trifft es Energy auch, dass deren bestehende Lizenz bereits mit 31. Juli 2020 ausläuft. Ab 1. August 2020 gehen die Energy-Frequenzen an FluxFM. Der Berliner Alternativ-Sender charakterisiert sich selbst als Kanal für Musikliebhaber und Kreative fernab des Mainstreams.
Aufs falsche Pferd gesetzt?
Weniger hart trifft es 917xfm, das zumindest noch bis Ende März 2022 über seine 50-Watt-Frequenz senden darf. Danach sendet darüber Byte FM, das zusätzlich auch die Schwächste der drei Frequenzen
von Radio Hamburg bekommt. Seit über fünf Jahren wird in Hamburg ein privater DAB-Plus-Multiplex auf Kanal 11C betrieben. Er enthält 16 Programme. Darunter auch fast alle Privatprogramme, die in Hamburg auf UKW vertreten sind. Also auch 917xfm, das so, auch ohne UKW, ab 2022, frohen Mutes in die Zukunft blicken kann. Nur zwei Hamburger Stationen sind nicht auf den Digitalradio-Zug aufgesprungen. Das ist einmal das freie Radio FSK und Energy Hamburg. Gewissermaßen ist man an der misslichen Lage auch selber schuld. Energy Hamburg hätte sich eben auch für DAB Plus entscheiden sollen, als dies noch möglich gewesen wäre. Heute ist der Multiplex zu 100 Prozent ausgelastet. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, so ein Sprichwort. Über DAB Plus kann man wenigstens das nationale Energy-Programm empfangen.
Die neuen Lizenzen
Die heute noch von Energy Hamburg genutzten Frequenzen 91,7, 100,9 und 101,6MHz gehen ab 1. August 2020 an
Flux FM. Radio Hamburg behält seine beiden leistungsstarken Frequenzen 103,8 und 88,5 MHz. Die 104,0 muss es ab Inkrafttreten der neuen Lizenz ab 1. Januar 2022 abgeben. Auch die Rock Antenne Hamburg darf ihre beiden Frequenzen weiter nutzen. Allerdings werden ab 1. April 2022 die 93,6 MHz von 2,7 auf 2 kW und die 106,8MHz von 50 auf 32kW reduziert. Ebenfalls mit 1. April 2022 geht Byte FM auf dem neu geschaffenen Kleinsendernetz für die Hamburger Innenstadt on air. Dafür erhält es die 104,0 MHz von Radio Hamburg, die fortan nur noch mit 150 anstatt 320 Watt betrieben wird, und die 91,7MHz von 917xfm, die dann anstatt 50 immerhin 100 Watt haben wird. Hamburg 2 darf seine drei UKW-Frequenzen 95,0, 88,1 und 105,8 MHz weiter behalten. Mit Inkrafttreten der neuen Lizenz ab 1. Oktober 2022 wird lediglich die 95,0 von 130 auf 100 Watt reduziert.
UKW bis 2032?
Es wird also noch etwas dauern, bis die UKW-Programme, inklusive der neuen Angebote, auch tatsächlich zu hören sein werden. Die neuen Lizenzen haben eine Laufzeit von jeweils zehn Jahren. Womit UKW in Hamburg bis 2032 auf Sendung sein dürfte. Es ist allerdings die Frage, ob das die Programmanbieter auch wollen. Schließlich verschiebt sich die Radionutzung immer mehr in Richtung Digital. Wobei DAB Plus und Webradio immer mehr an Oberhand gewinnen. Zu berücksichtigen sind ferner Streamingdienste, die ihre Hörerschaft ebenfalls von der UKW-Hörerschaft abziehen. Da muss man sich schon ernsthaft die Frage stellen, ob die im November mit neuen UKW-Sendelizenzen bedachten Programmveranstalter diese dann auch noch im vollen Umfang zu nutzen gedenken. UKW ist schließlich rund zehnmal teuerer als DAB Plus. Wenn immer weniger Leute UKW einschalten, wird sich die Ausstrahlung über UKW schlicht nicht mehr rechnen. Setzt sich die gegenwärtige Änderung des Nutzungsverhaltens weiter fort, wird UKW wohl spätestens 2025 zu einem Minderheitenmedium verkommen sein.
Ein Bärendienst?
Es ist zu befürchten, dass die MA HSH zumindest in Sachen Energy dem Medium
Radio einen Bärendienst erwiesen hat. Denn es gilt zu hinterfragen, welche Sender die treue Energy-Hörerschaft künftig einschalten wird. Das nationale, über DAB Plus verfügbare Energy-Programm mag zwar für Abhilfe sorgen, die lokale Komponente kann sie aber nicht bedienen. So bleibt zu befürchten, dass die Hörer auf Streamingdienste wie Spotify ausweichen werden. „Gut, das ist auch nicht lokal, aber wenn ich vom Radio verarscht werde, brauche ich es gar nicht mehr“, denkt sich inzwischen mancher Energy-Fan, dem man bald seinen Lieblingssender wegnehmen wird. Gleichermaßen muss man die Medienanstalt aber auch in Schutz nehmen. Bei der seit Jahren herrschenden Situation, dass auf UKW schlicht kein Platz mehr für neue Programme ist, kann man als Lizenzverteiler eigentlich nur falsch handeln. Einmal sollen ja bestehende und etablierte Programme weiter bestehen bleiben. Weiter soll auch neuen Anbietern eine Chance gegeben werden. Nachdem UKW im Grunde, nicht nur in Hamburg, keine zusätzlichen Stationen mehr zulässt, wird jede Entscheidung schmerzen und grundsätzlich auch die Zuhörer verärgern. Die werden sich, in der heutigen Versorgungsrandzone, etwa von Rock Antenne, ohnehin ärgern, wenn sie ihren Sender dank Leistungsreduzierung künftig schlechter oder gar nicht mehr per UKW hören können.
Neue Kapazitäten schaffen
Es wäre wohl an der Zeit, sich für Hamburg Gedanken über einen zweiten Privatradiomux per DAB Plus Gedanken zu machen. Nachdem de Bevölkerung immer mehr Digitalradio hört, wird ein Platz in einem DAB-Plus-Mux für Programmveranstalter immer interessanter. Damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich genügend Anbieter finden, um zumindest einen kostendeckenden Betrieb von Beginn an zu ermöglichen.