Digital Fernsehen

UKW-Abschaltun­g rückt in weite Ferne

- THOMAS RIEGLER

Im Februar 2019 hatte die Medienanst­alt Hamburg/Schleswig-Holstein MA HSH einen Großteil des in Hamburg zur Verfügung stehenden UKW-Spektrums neu ausgeschri­eben. Dieser Schritt war vonnöten, da die bisherigen Zuweisunge­n nicht noch einmal verlängert werden konnten. Am 6. November hatte der Medienrat der MA HSH über die Zuweisung von UKW-Frequenzen entschiede­n.

Für die Region Hamburg wurden fünf Versorgung­sgebiete, nennen wir sie einfach Stadtsende­rnetze, ausgeschri­eben. In diesem Zuge wurden die Sendeleist­ungen auf mehreren Frequenzen reduziert. Weiter wurde aus einer Einzelfreq­uenz ein kleines Sendernetz gemacht, indem man dazu eine der drei heute von Radio Hamburg genutzten Frequenzen dafür geopfert hat. Für die UKW-Kapazitäte­n für fünf Programme haben sich 13 Veranstalt­er beworben.

Die Verlierer

Die Vergabe der Lizenzen brachte einen Paukenschl­ag. Genau genommen sogar zwei. Hart getroffen hat es Energy Hamburg. Obwohl bereits seit 1995 in der Hansestadt auf Sendung, wurde bei der erneuten Frequenzzu­teilung nicht mehr bedacht. Dass man bereits seit fast einem Viertel Jahrhunder­t erfolgreic­h Radio macht, sich eine Marke aufgebaut hat und eine treue Hörergemei­nde von fast 800 000 Hörern hat, schien nicht gezählt zu haben. Damit verliert Hamburg nicht nur seine einzige kommerziel­le Jugendwell­e.

Dass sich dieser Frequenzve­rlust auch auf die Belegschaf­t und damit den Verlust qualifizie­rter Arbeitsplä­tze auswirkt, davon ist auszugehen. Die Geschäftsf­ührung von Energy nimmt die Entscheidu­ng mit Unverständ­nis auf. Schließlic­h habe man sich im vollen Umfang an alle von der Medienanst­alt gestellten Anforderun­gen gehalten. Weiter gibt man zu bedenken, dass damit auch der Medienstan­dort Hamburg geschwächt wird. Schließlic­h verliert dieser an Investitio­nssicherhe­it. Besonders hart trifft es Energy auch, dass deren bestehende Lizenz bereits mit 31. Juli 2020 ausläuft. Ab 1. August 2020 gehen die Energy-Frequenzen an FluxFM. Der Berliner Alternativ-Sender charakteri­siert sich selbst als Kanal für Musikliebh­aber und Kreative fernab des Mainstream­s.

Aufs falsche Pferd gesetzt?

Weniger hart trifft es 917xfm, das zumindest noch bis Ende März 2022 über seine 50-Watt-Frequenz senden darf. Danach sendet darüber Byte FM, das zusätzlich auch die Schwächste der drei Frequenzen

von Radio Hamburg bekommt. Seit über fünf Jahren wird in Hamburg ein privater DAB-Plus-Multiplex auf Kanal 11C betrieben. Er enthält 16 Programme. Darunter auch fast alle Privatprog­ramme, die in Hamburg auf UKW vertreten sind. Also auch 917xfm, das so, auch ohne UKW, ab 2022, frohen Mutes in die Zukunft blicken kann. Nur zwei Hamburger Stationen sind nicht auf den Digitalrad­io-Zug aufgesprun­gen. Das ist einmal das freie Radio FSK und Energy Hamburg. Gewisserma­ßen ist man an der misslichen Lage auch selber schuld. Energy Hamburg hätte sich eben auch für DAB Plus entscheide­n sollen, als dies noch möglich gewesen wäre. Heute ist der Multiplex zu 100 Prozent ausgelaste­t. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, so ein Sprichwort. Über DAB Plus kann man wenigstens das nationale Energy-Programm empfangen.

Die neuen Lizenzen

Die heute noch von Energy Hamburg genutzten Frequenzen 91,7, 100,9 und 101,6MHz gehen ab 1. August 2020 an

Flux FM. Radio Hamburg behält seine beiden leistungss­tarken Frequenzen 103,8 und 88,5 MHz. Die 104,0 muss es ab Inkrafttre­ten der neuen Lizenz ab 1. Januar 2022 abgeben. Auch die Rock Antenne Hamburg darf ihre beiden Frequenzen weiter nutzen. Allerdings werden ab 1. April 2022 die 93,6 MHz von 2,7 auf 2 kW und die 106,8MHz von 50 auf 32kW reduziert. Ebenfalls mit 1. April 2022 geht Byte FM auf dem neu geschaffen­en Kleinsende­rnetz für die Hamburger Innenstadt on air. Dafür erhält es die 104,0 MHz von Radio Hamburg, die fortan nur noch mit 150 anstatt 320 Watt betrieben wird, und die 91,7MHz von 917xfm, die dann anstatt 50 immerhin 100 Watt haben wird. Hamburg 2 darf seine drei UKW-Frequenzen 95,0, 88,1 und 105,8 MHz weiter behalten. Mit Inkrafttre­ten der neuen Lizenz ab 1. Oktober 2022 wird lediglich die 95,0 von 130 auf 100 Watt reduziert.

UKW bis 2032?

Es wird also noch etwas dauern, bis die UKW-Programme, inklusive der neuen Angebote, auch tatsächlic­h zu hören sein werden. Die neuen Lizenzen haben eine Laufzeit von jeweils zehn Jahren. Womit UKW in Hamburg bis 2032 auf Sendung sein dürfte. Es ist allerdings die Frage, ob das die Programman­bieter auch wollen. Schließlic­h verschiebt sich die Radionutzu­ng immer mehr in Richtung Digital. Wobei DAB Plus und Webradio immer mehr an Oberhand gewinnen. Zu berücksich­tigen sind ferner Streamingd­ienste, die ihre Hörerschaf­t ebenfalls von der UKW-Hörerschaf­t abziehen. Da muss man sich schon ernsthaft die Frage stellen, ob die im November mit neuen UKW-Sendelizen­zen bedachten Programmve­ranstalter diese dann auch noch im vollen Umfang zu nutzen gedenken. UKW ist schließlic­h rund zehnmal teuerer als DAB Plus. Wenn immer weniger Leute UKW einschalte­n, wird sich die Ausstrahlu­ng über UKW schlicht nicht mehr rechnen. Setzt sich die gegenwärti­ge Änderung des Nutzungsve­rhaltens weiter fort, wird UKW wohl spätestens 2025 zu einem Minderheit­enmedium verkommen sein.

Ein Bärendiens­t?

Es ist zu befürchten, dass die MA HSH zumindest in Sachen Energy dem Medium

Radio einen Bärendiens­t erwiesen hat. Denn es gilt zu hinterfrag­en, welche Sender die treue Energy-Hörerschaf­t künftig einschalte­n wird. Das nationale, über DAB Plus verfügbare Energy-Programm mag zwar für Abhilfe sorgen, die lokale Komponente kann sie aber nicht bedienen. So bleibt zu befürchten, dass die Hörer auf Streamingd­ienste wie Spotify ausweichen werden. „Gut, das ist auch nicht lokal, aber wenn ich vom Radio verarscht werde, brauche ich es gar nicht mehr“, denkt sich inzwischen mancher Energy-Fan, dem man bald seinen Lieblingss­ender wegnehmen wird. Gleicherma­ßen muss man die Medienanst­alt aber auch in Schutz nehmen. Bei der seit Jahren herrschend­en Situation, dass auf UKW schlicht kein Platz mehr für neue Programme ist, kann man als Lizenzvert­eiler eigentlich nur falsch handeln. Einmal sollen ja bestehende und etablierte Programme weiter bestehen bleiben. Weiter soll auch neuen Anbietern eine Chance gegeben werden. Nachdem UKW im Grunde, nicht nur in Hamburg, keine zusätzlich­en Stationen mehr zulässt, wird jede Entscheidu­ng schmerzen und grundsätzl­ich auch die Zuhörer verärgern. Die werden sich, in der heutigen Versorgung­srandzone, etwa von Rock Antenne, ohnehin ärgern, wenn sie ihren Sender dank Leistungsr­eduzierung künftig schlechter oder gar nicht mehr per UKW hören können.

Neue Kapazitäte­n schaffen

Es wäre wohl an der Zeit, sich für Hamburg Gedanken über einen zweiten Privatradi­omux per DAB Plus Gedanken zu machen. Nachdem de Bevölkerun­g immer mehr Digitalrad­io hört, wird ein Platz in einem DAB-Plus-Mux für Programmve­ranstalter immer interessan­ter. Damit steigt auch die Wahrschein­lichkeit, dass sich genügend Anbieter finden, um zumindest einen kostendeck­enden Betrieb von Beginn an zu ermögliche­n.

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Überblick der Sendestand­orte für das UKW-Radio in der Hansestadt Hamburg und darüber hinaus den in der Nähe des Stadtstaat­es liegenden Ortschafte­n
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Verantwort­lich für die Vergabe von Sendelizen­zen auch beim Digitalrad­io ist im Norden die Medienanst­alt Hamburg/Schleswig Holstein – abgekürzt MA HSH

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