TV-Geschichte: Der Siegeszug des Farbfernsehens in den 1970er Jahren
Bis in die 1970er-Jahre waren die TV-Sendernetze bereits gut ausgebaut und der Fernseher gehörte zur allgemeinen Ausstattung fast eines jeden Haushalts. Anfangs des Jahrzehnts war Schwarzweiß noch üblich. Ab Ende der 1970er hatten bereits viele ein Farbgerät zu Hause.
Seit Mitte der 1960er-Jahre wurden in Westdeutschland drei Fernsehprogramme ausgestrahlt. Neben der ARD, heute dem Ersten, waren das das ZDF und das ortsübliche dritte Programm, das neben der lokalen Berichterstattung am ehesten den Charakter eines Bildungsfernsehens hatte. In Österreich und der DDR wurden überhaupt nur zwei heimische Programme verbreitet. Während der 1970er-Jahre wurden dort, wo noch TV-Programme aus den Nachbarländern zu bekommen waren, mehr oder weniger umfangreiche Antennenanlagen auf den Dächern installiert. Dann durfte man sich etwa in Österreich neben den zwei heimischen über meist ein bis zwei zusätzlicher Kanäle freuen. Manche bekamen nur die ARD, andere nur das ZDF. Jeder freute sich über das, was er zusätzlich hereinbekam. Wobei die TV-Bilder aus dem Ausland meist im wahrsten Sinne des Wortes, berauschend waren. Im Osten Oberösterreichs nahm man durchaus einen Rauschanteil von 50 Prozent im Bild in Kauf. Immerhin war es in Farbe
und man konnte so manches TV-Highlight sehen, das im heimischen TV nicht geboten wurde. Die meisten „deutschen“TV-Anlagen bestanden bei uns aus einer bis zwei Antennen, je deutschem Programm. Es gab aber auch Perfektionisten, die um jeden Preis ein rauschfreies Bild haben wollten. So einer wohnte in unserem Dorf. Anfangs hatte er eine Vierergruppe, also vier rund 3 Meter lange VHF-Antennen für die ARD auf seinem Dach installiert. Binnen eines Jahres hatte er 24 solcher Antennen für die ARD auf dem Dach seines Einfamilienhauses. Die Freude am guten Empfang währte jedoch nur kurz. Ein heftiger Sturm im Januar 1976 hatte alle Antennenmasten bis auf einen geknickt 20 großen Antennen lagen in seinem Garten.
TV-Schlaraffenland
Ende der 1970er lief im österreichischen Fernsehen ein Bericht über das TV-Schlaraffenland Vorarlberg. Die Westösterreicher konnten nicht nur die beiden Kanäle des ORF, sondern auch die ARD in den
Versionen für Bayern und Baden-Württemberg, das ZDF, die dritten Programme des BR und SDR sowie das deutsche, französische und italienische Programm aus der Schweiz empfangen. In Summe unvorstellbare zehn Programme! Für uns in Restösterreich bedeutete das nicht weniger als die grenzenlose Vielfalt auf dem Bildschirm. Unvorstellbar auch deshalb, weil die damals noch weit verbreiteten Schwarzweiß-Fernseher in der Regel nur sechs Speicherplätze besaßen. Der Standard bei Farbgeräten war acht. Erst ab der Oberklasse konnte man auch mit 12 oder gar 16 Speicherplätzen rechnen. Hoffnungslos überdimensioniert, wie wir alle empfanden. Denn wer wird je einmal 16 Programme empfangen können?
Das TV-Schlaraffenland erstreckte sich übrigens über den gesamten Bodenseeraum. Während der 1970er-Jahre waren die TV-Anstalten stolz, wenn sie auch möglichst weit im benachbarten Ausland empfangen werden konnten. In einer Sendung zum Thema berichtete der ORF, dass er in Bayern etwa bis zur Linie Ulm-Ingolstadt-Regensburg gesehen werden konnte. Es wurden sogar ORF-Seher am ungarischen Plattensee interviewt. Abschließend stellte man fest, dass 15 Millionen Ausländer österreichisches Fernsehen empfangen konnten. Schon beachtlich, wenn man die damalige Einwohnerzahl Österreichs von 7,5 Millionen gegenüberstellt.
Kabelfernsehen kommt
In Österreich startete Kabelfernsehen schon recht früh. Die Initiative zur Errichtung von Kabelnetzen ging jedoch nicht von der Bundespost, so wie in Deutschland ab den 1980ern, aus, sondern von ortsansässigen Elektrofachhändlern. Kabelnetze entstanden vor allem dort, wo brauchbarer Individualempfang der deutschen Programme fast nicht mehr möglich war. Die Betreiber der Netze bauten auf Hügeln oder günstig gelegenen Häusern große Empfangsanlagen auf. Wobei für das ZDF und das Bayerische Fernsehen oft sogar große Parabolantennen mit bis rund 4 Meter Durchmesser zum Einsatz kamen. Auch in unserer Nachbarstadt wurde Kabel-TV um 1975 ins Leben gerufen. Angeboten wurden sieben Programme. Neben den beiden Österreichern und den drei Deutschen wurden auch beide tschechischen Kanäle, sogar in Farbe und mit Ton, angeboten. Die Anschlusskosten lagen damals bei rund 1100 Euro. Was nach heutigem Wert etwa das Dreifache ausmachen würde.
Farbfernsehkrieg in Italien
Hätte sich die Politik um die Frage nach dem künftigen Farbfernseh-Standard
nicht eingemischt, hätte Italien bereits 1967 verbindlich das PAL-Farbfensehen eingeführt. Aber es sollte ganz anders kommen. Bereits 1963 war für die Techniker des italienischen Fernsehens RAI klar, dass das deutsche PAL-Farbfernsehen die am besten geeignete Norm sei. Doch die italienischen Linksparteien waren der Auffassung, dass das Land derzeit noch kein Farbfernsehen brauche. Vom Farbfernsehen meinte man, es könne sich zur Schuldenfalle für die Bevölkerung entwickeln. Auch die Parteien des rechten Lagers kamen zur gleichen Einsicht, womit die Vorentscheidung für PAL quasi wieder aufgehoben wurde.
Die französische Regierung versuchte die damals schon etwas unübersichtliche italienische Innenpolitik für sich auszunutzen und die Italiener für das französische SECAM zu begeistern. Was nur dazu führte, dass man sich in Rom weiter darüber stritt, welches Farbfernsehsystem eingeführt werden sollte. Inzwischen standen die Olympischen Sommerspiele 1972 in München vor der Tür und die italienische Regierung schien gewillt zu sein, Probesendungen in PAL zuzulassen. Auch deshalb, weil die olympischen Spiele ausschließlich in PAL produziert werden würden. Drei Wochen vor Beginn der
Spiele machte der französische Präsident einen Arbeitsbesuch in der Toskana. Die italienische Presse mutmaßte, dass der Regierungschef nur wegen SECAM nach Italien gekommen sei. Tatsächlich kündigte ein französischer Regierungssprecher kurz nach dem Italienbesuch an, dass die Olympischen Spiele auch in SECAM in Italien gezeigt werden würden. Zu der Zeit waren zumindest in Norditalien bereits an die 50 000 PAL-Farbfernsehgeräte in Betrieb. Da jedoch offensichtlich keine SECAM-tauglichen Farbfernsehgeräte in Italien vorhanden waren, stellte man sich die Frage, wer denn die „französischen“Farbsendungen sehen können wird. Kurzerhand wurden 400 SECAM-Farbfernseher für Italien gefertigt. Dies war notwendig, da in Frankreich das Fernsehen nach anderen technischen Parametern als im Rest Europas ausgestrahlt wurde. Die eigens produzierten Geräte wurden vornehmlich bei Ministern und der französischen Botschaft aufgestellt.
Inzwischen fand das PAL-Farbfernsehen quasi über die Hintertür noch weitere Verbreitung in Italien. Die nach Italien einstrahlenden Sender Lugano des Schweizer Fernsehens und TV Koper Capodistria aus Jugoslawien, die allesamt italienischsprachig waren, wurden inzwischen über zahlreiche illegale, privat errichtete Umsetzer in Italien ausgestrahlt. Auf diese Weise wurde 1974 bereits die gesamte Po-Ebene mit ausländischem PAL-Farbfernsehen versorgt. Als unmittelbar vor der Fußball-WM 1974 Bestrebungen im Gange waren, auch in der Toskana diese Sender auszustrahlen, übten die Franzosen ihren Einfluss in Italien aus, der die Stilllegung sämtlicher privater Umsetzer-Stationen zur Folge hatte. Es begann der weltweit beachtete „Antennenkrieg“, der anders ausging, als von allen Beteiligten erwartet wurde. Zahlreiche wütende Proteste der betroffenen italienischen Bevölkerung führten dazu, dass das italienische Verfassungsgericht das Sendemonopol des staatlichen italienischen Fernsehens RAI aufhob. Daraufhin entstanden zahlreiche private Sender. Auch die Franzosen bedienten sich der neuen Rahmenbedingungen und gründeten eine Gesellschaft, die zum Ziel hatte, bis Weihnachten 1974 Rom mit SECAM-Farbfernsehen zu versorgen. Tatsächlich führte dies zu einem Wettlauf der Systeme. Während die Franzosen etappenweise von Korsika über Florenz und dem Monte Amiata SECAM-Umsetzer installierten, nahm das italienischsprachige Schweizer
Fernsehen einen anderen Weg über italienische Gipfel nach Süden.
Mitte Dezember 1974 lagen die Franzosen vorn und priesen den Römern in einer groß angelegten Werbecampagne die Vorteile von SECAM an. Doch die angekündigten Programme konnten von den meisten Römern überhaupt nicht empfangen werden. Andere konnten nur graue Schatten ausmachen, die Ballett-Tänzerinnen sein sollten. Was aber mindestens genauso störte war der fehlende Ton zum Bild. Je nach Frequenzfeinabstimmung am Fernseher war nur er oder nur das Bild wahrzunehmen. Die schlechte Qualität der Übertragung wurde von den Technikern mit der geringen Sendeleistung des Senders von nur 20 Watt begründet. „SECAM-Techniker“in Florenz behaupteten weiter, dass jemand an der 20 Meter hohen Antenne am Monte Amiata gedreht haben müsse, womit das aus Korsika stammende TV-Signal nicht mehr ordnungsgemäß empfangen und zum Umsetzer bei Palestrina weitergeleitet werden konnte. 1975 trat der Farbfernsehkrieg in seine Endphase. Wie uns ein Zeitzeuge berichtete, strahlten manche Sender in Farbe (PAL), andere nur in Schwarzweiß, bei einigen Stationen war das Bild braun (SECAM auf einem PAL-Gerät angeschaut), und bei einigen Kanälen wechselte das Farbsystem jeden Tag.
Italien musste sich wegen einer Finanzkrise an Deutschland um Hilfe wenden. Diesmal wurde auch die deutsche Diplomatie aktiv, die wohl ihren Beitrag dazu leistete, dass in Italien letztlich das PAL-Farbfernsehen, eingeführt wurde.
Entsetzen per TV
Unter Fernsehen verstand man während der frühen 1970er-Jahre in unseren Breiten vor allem Unterhaltung, Sport und Nachrichten. Während der in München ausgetragenen Olympischen Sommerspiele zeigte es aber auch, wie sehr es auch Horror und Schrecken bis in die letzten Winkel der Nation und in die Welt transportieren kann. Eine palästinensische Terrororganisation verübte am 5. September 1972 einen Anschlag auf die israelische Mannschaft. Elf Athleten und fünf der Geiselnehmer fanden den Tod.
Aloha from Hawaii
14. Januar 1973. An diesem Tag wurde TV-Geschichte geschrieben. Erstmals wurde weltweit ein TV-Konzert eines Solokünstlers live übertragen. Das einstündige Elvis-Presley-Konzert war zudem die bis dahin teuerste TV-Produktion. Mindestens ein Viertel der damaligen Weltbevölkerung, also mindestens eine Milliarde Menschen, hatte dieses Konzert im TV verfolgt. Womit Elvis Presley sogar mehr Leute sahen als die erste Mondlandung. In Deutschland, Österreich und der Schweiz wurde das Konzert erst am 12. März als Aufzeichnung gezeigt. Den Senderverantwortlichen waren die Übertragungskosten für das Live-Event zu hoch.
Das Videozeitalter bricht an
Ende der 1970er fanden Videorekorder ihren Weg in die Schulen. In meiner Schule wurde dafür ein eigener Medienraum eingerichtet. Mit modernem 67-Zentimeter-Farbfernseher und sogar zwei Videorekordern. Beide Marke Philips aus österreichischer Produktion. Das ältere der beiden Geräte arbeitete nach dem VCR-System. Es kam 1974 als erstes Farb-Heimvideosystem auf den Markt und nutzte Kassetten mit zwei übereinander angeordneten Bandwickeln. Die längste Spielzeit lag bei diesem Gerät bei 80 Minuten. Ein 60-Minuten-Band kostete während der frühen 1970er rund 72 Euro. Daneben stand ein VCR-LP-Rekorder. Das LP stand für Longplay. Das 1977 eingeführte System nutzte zwar
dieselben Kassetten, zeichnete darauf aber bis zu drei Stunden am Stück auf. Für unsere Lehrer war das Abspielen einer Videokassette stets eine kaum zu bewältigende Aufgabe. Im Normalfall funktionierte mindestens ein Rekorder nicht oder es wurde ein Band in den falschen Rekorder gesteckt. Womit die Wiedergabe viel zu schnell oder zu langsam und mit kaum erkennbaren Inhalten erfolgte. Soweit ich mich erinnere, scheiterte jeder Versuch, einen Videofilm vorzuführen. Was aber ohnehin egal war. Alleine bei der Bildgröße hätte der Fernseher nicht annähernd mit der Leinwand des 16-Millimeter-Schul-Filmprojektors mithalten können. In Privathaushalte verirrte sich während der 1970er noch kaum ein Videorekorder. Gegen Ende des Jahrzehnts wurden zwar auch schon erste Geräte der Systeme VHS und Betamax angeboten. Sie hatten aber eines gemeinsam: Sie waren sehr teuer. Für rund ein Monatsgehalt bekam man ein billiges Einsteigergerät. Für einen Rekorder musste man eher zwei Monatsgehälter einkalkulieren.
Bildplattenspieler
Während der Videorekorder heiß begehrt und in aller Munde war, nahm von der Einführung des Bildplattenspielers kaum jemand Notiz. Der TED-Bildplattenspieler kam 1975 auf den Markt. Er funktionierte nach dem Prinzip eines herkömmlichen Plattenspielers. Die Bildplatte bestand aus einer biegsamen Kunststofffolie, auf der auf einer Seite eine Rille gepresst war. Die Platte wurde über ein Walzensystem im Geräteinneren gewendet und mit einer feinen Nadel abgespielt. Wobei die maximale Spielzeit einer TED-Platte bei gerade einmal zehn Minuten lag. Viel zu kurz für einen Spielfilm. Zudem waren der Player mit 1600DM und die Platten mit 10 bis 25DM nicht nur ausgesprochen teuer, sondern auch extrem störanfällig. Nach nicht einmal zwei Jahren wurde der Vertrieb des TED-Players eingestellt.
Zweitfernseher
Im Laufe der 1970er hatte sich der Fernseher in den Haushalten fest etabliert. Zunehmend flimmerte es in den Wohnzimmern schon in Farbe und vermehrt auch in der Wohnküche. Zweitgeräte waren meist Schwarzweiß-Fernseher mit 31 oder 36 Zentimeter Diagonale. Das Fernsehen wurde aber auch mobil. So boten die großen Hersteller Miniaturgeräte fürs Freie an. Ihre Bildschirmdiagonalen langen bei 10 bis 15 Zentimeter und hatten die Größe eines Kofferradios mit rund
doppelter Dicke. Betrieben wurden die Minis mit Batterien. Mit zehn Monozellen konnte man rund zwei bis drei Stunden fernsehen. Der Renner unter den Teenagern waren aber Radiorekorder mit integriertem TV. Sie träumten aber auch vom kleinsten Fernseher der Welt, dem Sinclair Microvision MTV1, mit seinem sagenhaft kleinen 5-Zentimeter-Schirm. Da war das Bild so klein, dass Einblendungen nicht mehr zu lesen waren.