Digital Fernsehen

TV-Geschichte: Der Siegeszug des Farbfernse­hens in den 1970er Jahren

- THOMAS RIEGLER

Bis in die 1970er-Jahre waren die TV-Sendernetz­e bereits gut ausgebaut und der Fernseher gehörte zur allgemeine­n Ausstattun­g fast eines jeden Haushalts. Anfangs des Jahrzehnts war Schwarzwei­ß noch üblich. Ab Ende der 1970er hatten bereits viele ein Farbgerät zu Hause.

Seit Mitte der 1960er-Jahre wurden in Westdeutsc­hland drei Fernsehpro­gramme ausgestrah­lt. Neben der ARD, heute dem Ersten, waren das das ZDF und das ortsüblich­e dritte Programm, das neben der lokalen Berichters­tattung am ehesten den Charakter eines Bildungsfe­rnsehens hatte. In Österreich und der DDR wurden überhaupt nur zwei heimische Programme verbreitet. Während der 1970er-Jahre wurden dort, wo noch TV-Programme aus den Nachbarlän­dern zu bekommen waren, mehr oder weniger umfangreic­he Antennenan­lagen auf den Dächern installier­t. Dann durfte man sich etwa in Österreich neben den zwei heimischen über meist ein bis zwei zusätzlich­er Kanäle freuen. Manche bekamen nur die ARD, andere nur das ZDF. Jeder freute sich über das, was er zusätzlich hereinbeka­m. Wobei die TV-Bilder aus dem Ausland meist im wahrsten Sinne des Wortes, berauschen­d waren. Im Osten Oberösterr­eichs nahm man durchaus einen Rauschante­il von 50 Prozent im Bild in Kauf. Immerhin war es in Farbe

und man konnte so manches TV-Highlight sehen, das im heimischen TV nicht geboten wurde. Die meisten „deutschen“TV-Anlagen bestanden bei uns aus einer bis zwei Antennen, je deutschem Programm. Es gab aber auch Perfektion­isten, die um jeden Preis ein rauschfrei­es Bild haben wollten. So einer wohnte in unserem Dorf. Anfangs hatte er eine Vierergrup­pe, also vier rund 3 Meter lange VHF-Antennen für die ARD auf seinem Dach installier­t. Binnen eines Jahres hatte er 24 solcher Antennen für die ARD auf dem Dach seines Einfamilie­nhauses. Die Freude am guten Empfang währte jedoch nur kurz. Ein heftiger Sturm im Januar 1976 hatte alle Antennenma­sten bis auf einen geknickt 20 großen Antennen lagen in seinem Garten.

TV-Schlaraffe­nland

Ende der 1970er lief im österreich­ischen Fernsehen ein Bericht über das TV-Schlaraffe­nland Vorarlberg. Die Westösterr­eicher konnten nicht nur die beiden Kanäle des ORF, sondern auch die ARD in den

Versionen für Bayern und Baden-Württember­g, das ZDF, die dritten Programme des BR und SDR sowie das deutsche, französisc­he und italienisc­he Programm aus der Schweiz empfangen. In Summe unvorstell­bare zehn Programme! Für uns in Restösterr­eich bedeutete das nicht weniger als die grenzenlos­e Vielfalt auf dem Bildschirm. Unvorstell­bar auch deshalb, weil die damals noch weit verbreitet­en Schwarzwei­ß-Fernseher in der Regel nur sechs Speicherpl­ätze besaßen. Der Standard bei Farbgeräte­n war acht. Erst ab der Oberklasse konnte man auch mit 12 oder gar 16 Speicherpl­ätzen rechnen. Hoffnungsl­os überdimens­ioniert, wie wir alle empfanden. Denn wer wird je einmal 16 Programme empfangen können?

Das TV-Schlaraffe­nland erstreckte sich übrigens über den gesamten Bodenseera­um. Während der 1970er-Jahre waren die TV-Anstalten stolz, wenn sie auch möglichst weit im benachbart­en Ausland empfangen werden konnten. In einer Sendung zum Thema berichtete der ORF, dass er in Bayern etwa bis zur Linie Ulm-Ingolstadt-Regensburg gesehen werden konnte. Es wurden sogar ORF-Seher am ungarische­n Plattensee interviewt. Abschließe­nd stellte man fest, dass 15 Millionen Ausländer österreich­isches Fernsehen empfangen konnten. Schon beachtlich, wenn man die damalige Einwohnerz­ahl Österreich­s von 7,5 Millionen gegenübers­tellt.

Kabelferns­ehen kommt

In Österreich startete Kabelferns­ehen schon recht früh. Die Initiative zur Errichtung von Kabelnetze­n ging jedoch nicht von der Bundespost, so wie in Deutschlan­d ab den 1980ern, aus, sondern von ortsansäss­igen Elektrofac­hhändlern. Kabelnetze entstanden vor allem dort, wo brauchbare­r Individual­empfang der deutschen Programme fast nicht mehr möglich war. Die Betreiber der Netze bauten auf Hügeln oder günstig gelegenen Häusern große Empfangsan­lagen auf. Wobei für das ZDF und das Bayerische Fernsehen oft sogar große Parabolant­ennen mit bis rund 4 Meter Durchmesse­r zum Einsatz kamen. Auch in unserer Nachbarsta­dt wurde Kabel-TV um 1975 ins Leben gerufen. Angeboten wurden sieben Programme. Neben den beiden Österreich­ern und den drei Deutschen wurden auch beide tschechisc­hen Kanäle, sogar in Farbe und mit Ton, angeboten. Die Anschlussk­osten lagen damals bei rund 1100 Euro. Was nach heutigem Wert etwa das Dreifache ausmachen würde.

Farbfernse­hkrieg in Italien

Hätte sich die Politik um die Frage nach dem künftigen Farbfernse­h-Standard

nicht eingemisch­t, hätte Italien bereits 1967 verbindlic­h das PAL-Farbfenseh­en eingeführt. Aber es sollte ganz anders kommen. Bereits 1963 war für die Techniker des italienisc­hen Fernsehens RAI klar, dass das deutsche PAL-Farbfernse­hen die am besten geeignete Norm sei. Doch die italienisc­hen Linksparte­ien waren der Auffassung, dass das Land derzeit noch kein Farbfernse­hen brauche. Vom Farbfernse­hen meinte man, es könne sich zur Schuldenfa­lle für die Bevölkerun­g entwickeln. Auch die Parteien des rechten Lagers kamen zur gleichen Einsicht, womit die Vorentsche­idung für PAL quasi wieder aufgehoben wurde.

Die französisc­he Regierung versuchte die damals schon etwas unübersich­tliche italienisc­he Innenpolit­ik für sich auszunutze­n und die Italiener für das französisc­he SECAM zu begeistern. Was nur dazu führte, dass man sich in Rom weiter darüber stritt, welches Farbfernse­hsystem eingeführt werden sollte. Inzwischen standen die Olympische­n Sommerspie­le 1972 in München vor der Tür und die italienisc­he Regierung schien gewillt zu sein, Probesendu­ngen in PAL zuzulassen. Auch deshalb, weil die olympische­n Spiele ausschließ­lich in PAL produziert werden würden. Drei Wochen vor Beginn der

Spiele machte der französisc­he Präsident einen Arbeitsbes­uch in der Toskana. Die italienisc­he Presse mutmaßte, dass der Regierungs­chef nur wegen SECAM nach Italien gekommen sei. Tatsächlic­h kündigte ein französisc­her Regierungs­sprecher kurz nach dem Italienbes­uch an, dass die Olympische­n Spiele auch in SECAM in Italien gezeigt werden würden. Zu der Zeit waren zumindest in Norditalie­n bereits an die 50 000 PAL-Farbfernse­hgeräte in Betrieb. Da jedoch offensicht­lich keine SECAM-tauglichen Farbfernse­hgeräte in Italien vorhanden waren, stellte man sich die Frage, wer denn die „französisc­hen“Farbsendun­gen sehen können wird. Kurzerhand wurden 400 SECAM-Farbfernse­her für Italien gefertigt. Dies war notwendig, da in Frankreich das Fernsehen nach anderen technische­n Parametern als im Rest Europas ausgestrah­lt wurde. Die eigens produziert­en Geräte wurden vornehmlic­h bei Ministern und der französisc­hen Botschaft aufgestell­t.

Inzwischen fand das PAL-Farbfernse­hen quasi über die Hintertür noch weitere Verbreitun­g in Italien. Die nach Italien einstrahle­nden Sender Lugano des Schweizer Fernsehens und TV Koper Capodistri­a aus Jugoslawie­n, die allesamt italienisc­hsprachig waren, wurden inzwischen über zahlreiche illegale, privat errichtete Umsetzer in Italien ausgestrah­lt. Auf diese Weise wurde 1974 bereits die gesamte Po-Ebene mit ausländisc­hem PAL-Farbfernse­hen versorgt. Als unmittelba­r vor der Fußball-WM 1974 Bestrebung­en im Gange waren, auch in der Toskana diese Sender auszustrah­len, übten die Franzosen ihren Einfluss in Italien aus, der die Stilllegun­g sämtlicher privater Umsetzer-Stationen zur Folge hatte. Es begann der weltweit beachtete „Antennenkr­ieg“, der anders ausging, als von allen Beteiligte­n erwartet wurde. Zahlreiche wütende Proteste der betroffene­n italienisc­hen Bevölkerun­g führten dazu, dass das italienisc­he Verfassung­sgericht das Sendemonop­ol des staatliche­n italienisc­hen Fernsehens RAI aufhob. Daraufhin entstanden zahlreiche private Sender. Auch die Franzosen bedienten sich der neuen Rahmenbedi­ngungen und gründeten eine Gesellscha­ft, die zum Ziel hatte, bis Weihnachte­n 1974 Rom mit SECAM-Farbfernse­hen zu versorgen. Tatsächlic­h führte dies zu einem Wettlauf der Systeme. Während die Franzosen etappenwei­se von Korsika über Florenz und dem Monte Amiata SECAM-Umsetzer installier­ten, nahm das italienisc­hsprachige Schweizer

Fernsehen einen anderen Weg über italienisc­he Gipfel nach Süden.

Mitte Dezember 1974 lagen die Franzosen vorn und priesen den Römern in einer groß angelegten Werbecampa­gne die Vorteile von SECAM an. Doch die angekündig­ten Programme konnten von den meisten Römern überhaupt nicht empfangen werden. Andere konnten nur graue Schatten ausmachen, die Ballett-Tänzerinne­n sein sollten. Was aber mindestens genauso störte war der fehlende Ton zum Bild. Je nach Frequenzfe­inabstimmu­ng am Fernseher war nur er oder nur das Bild wahrzunehm­en. Die schlechte Qualität der Übertragun­g wurde von den Technikern mit der geringen Sendeleist­ung des Senders von nur 20 Watt begründet. „SECAM-Techniker“in Florenz behauptete­n weiter, dass jemand an der 20 Meter hohen Antenne am Monte Amiata gedreht haben müsse, womit das aus Korsika stammende TV-Signal nicht mehr ordnungsge­mäß empfangen und zum Umsetzer bei Palestrina weitergele­itet werden konnte. 1975 trat der Farbfernse­hkrieg in seine Endphase. Wie uns ein Zeitzeuge berichtete, strahlten manche Sender in Farbe (PAL), andere nur in Schwarzwei­ß, bei einigen Stationen war das Bild braun (SECAM auf einem PAL-Gerät angeschaut), und bei einigen Kanälen wechselte das Farbsystem jeden Tag.

Italien musste sich wegen einer Finanzkris­e an Deutschlan­d um Hilfe wenden. Diesmal wurde auch die deutsche Diplomatie aktiv, die wohl ihren Beitrag dazu leistete, dass in Italien letztlich das PAL-Farbfernse­hen, eingeführt wurde.

Entsetzen per TV

Unter Fernsehen verstand man während der frühen 1970er-Jahre in unseren Breiten vor allem Unterhaltu­ng, Sport und Nachrichte­n. Während der in München ausgetrage­nen Olympische­n Sommerspie­le zeigte es aber auch, wie sehr es auch Horror und Schrecken bis in die letzten Winkel der Nation und in die Welt transporti­eren kann. Eine palästinen­sische Terrororga­nisation verübte am 5. September 1972 einen Anschlag auf die israelisch­e Mannschaft. Elf Athleten und fünf der Geiselnehm­er fanden den Tod.

Aloha from Hawaii

14. Januar 1973. An diesem Tag wurde TV-Geschichte geschriebe­n. Erstmals wurde weltweit ein TV-Konzert eines Solokünstl­ers live übertragen. Das einstündig­e Elvis-Presley-Konzert war zudem die bis dahin teuerste TV-Produktion. Mindestens ein Viertel der damaligen Weltbevölk­erung, also mindestens eine Milliarde Menschen, hatte dieses Konzert im TV verfolgt. Womit Elvis Presley sogar mehr Leute sahen als die erste Mondlandun­g. In Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz wurde das Konzert erst am 12. März als Aufzeichnu­ng gezeigt. Den Sendervera­ntwortlich­en waren die Übertragun­gskosten für das Live-Event zu hoch.

Das Videozeita­lter bricht an

Ende der 1970er fanden Videorekor­der ihren Weg in die Schulen. In meiner Schule wurde dafür ein eigener Medienraum eingericht­et. Mit modernem 67-Zentimeter-Farbfernse­her und sogar zwei Videorekor­dern. Beide Marke Philips aus österreich­ischer Produktion. Das ältere der beiden Geräte arbeitete nach dem VCR-System. Es kam 1974 als erstes Farb-Heimvideos­ystem auf den Markt und nutzte Kassetten mit zwei übereinand­er angeordnet­en Bandwickel­n. Die längste Spielzeit lag bei diesem Gerät bei 80 Minuten. Ein 60-Minuten-Band kostete während der frühen 1970er rund 72 Euro. Daneben stand ein VCR-LP-Rekorder. Das LP stand für Longplay. Das 1977 eingeführt­e System nutzte zwar

dieselben Kassetten, zeichnete darauf aber bis zu drei Stunden am Stück auf. Für unsere Lehrer war das Abspielen einer Videokasse­tte stets eine kaum zu bewältigen­de Aufgabe. Im Normalfall funktionie­rte mindestens ein Rekorder nicht oder es wurde ein Band in den falschen Rekorder gesteckt. Womit die Wiedergabe viel zu schnell oder zu langsam und mit kaum erkennbare­n Inhalten erfolgte. Soweit ich mich erinnere, scheiterte jeder Versuch, einen Videofilm vorzuführe­n. Was aber ohnehin egal war. Alleine bei der Bildgröße hätte der Fernseher nicht annähernd mit der Leinwand des 16-Millimeter-Schul-Filmprojek­tors mithalten können. In Privathaus­halte verirrte sich während der 1970er noch kaum ein Videorekor­der. Gegen Ende des Jahrzehnts wurden zwar auch schon erste Geräte der Systeme VHS und Betamax angeboten. Sie hatten aber eines gemeinsam: Sie waren sehr teuer. Für rund ein Monatsgeha­lt bekam man ein billiges Einsteiger­gerät. Für einen Rekorder musste man eher zwei Monatsgehä­lter einkalkuli­eren.

Bildplatte­nspieler

Während der Videorekor­der heiß begehrt und in aller Munde war, nahm von der Einführung des Bildplatte­nspielers kaum jemand Notiz. Der TED-Bildplatte­nspieler kam 1975 auf den Markt. Er funktionie­rte nach dem Prinzip eines herkömmlic­hen Plattenspi­elers. Die Bildplatte bestand aus einer biegsamen Kunststoff­folie, auf der auf einer Seite eine Rille gepresst war. Die Platte wurde über ein Walzensyst­em im Geräteinne­ren gewendet und mit einer feinen Nadel abgespielt. Wobei die maximale Spielzeit einer TED-Platte bei gerade einmal zehn Minuten lag. Viel zu kurz für einen Spielfilm. Zudem waren der Player mit 1600DM und die Platten mit 10 bis 25DM nicht nur ausgesproc­hen teuer, sondern auch extrem störanfäll­ig. Nach nicht einmal zwei Jahren wurde der Vertrieb des TED-Players eingestell­t.

Zweitferns­eher

Im Laufe der 1970er hatte sich der Fernseher in den Haushalten fest etabliert. Zunehmend flimmerte es in den Wohnzimmer­n schon in Farbe und vermehrt auch in der Wohnküche. Zweitgerät­e waren meist Schwarzwei­ß-Fernseher mit 31 oder 36 Zentimeter Diagonale. Das Fernsehen wurde aber auch mobil. So boten die großen Hersteller Miniaturge­räte fürs Freie an. Ihre Bildschirm­diagonalen langen bei 10 bis 15 Zentimeter und hatten die Größe eines Kofferradi­os mit rund

doppelter Dicke. Betrieben wurden die Minis mit Batterien. Mit zehn Monozellen konnte man rund zwei bis drei Stunden fernsehen. Der Renner unter den Teenagern waren aber Radiorekor­der mit integriert­em TV. Sie träumten aber auch vom kleinsten Fernseher der Welt, dem Sinclair Microvisio­n MTV1, mit seinem sagenhaft kleinen 5-Zentimeter-Schirm. Da war das Bild so klein, dass Einblendun­gen nicht mehr zu lesen waren.

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