Digital Fernsehen

Türksat 42 Ost: Eine spannende Sat-Position, die viel zu bieten hat

Die Türkei zählt zu jenen Ländern mit der buntesten und vielfältig­sten Fernsehlan­dschaft überhaupt. Unzählige Stationen, begonnen von nationalen Vollprogra­mmen über kleine Regionalse­nder bis hin zu Spartenkan­älen, sorgen für Abwechslun­g.

- THOMAS RIEGLER

All das wird unverschlü­sselt über 42 Grad Ost übertragen. Leider ist der Empfang der hier positionie­rten Türksats in unseren Breiten teils eine echte Herausford­erung.

Türksat 3A

Türksat 3A wurde am 12. Juni 2008 gestartet. Seine vorgesehen­e Lebensdaue­r beträgt 15 Jahre. Der Satellit verfügt über 24 Ku-Band-Transponde­r, die über zwei Beams arbeiten. Die Kernausleu­chtzone des Westbeams erstreckt sich von der Türkei bis Mitteleuro­pa und erfasst auch Deutschlan­d zur Gänze. Über den Ostbeam werden primär die Türkei, weite Teile der Arabischen Halbinsel sowie die Region vom Iran bis nach Kirgisista­n erreicht. Mitteleuro­pa wird, zumindest laut den veröffentl­ichten Versorgung­skarten, mit deutlich schwächere­m Signal bedient. Weiter soll Türksat 3A über einen speziellen Türkei-Spotbeam verfügen. Dieser wird aber offensicht­lich nicht genutzt.

Empfang des Türksat 3A

105 freie Fernsehpro­gramme werden über den Westbeam, nur zehn über den Ostbeam des Türksat 3A ausgestrah­lt. In Sachen Signalstär­ken sind zwischen den Ausleuchtz­onen keine Unterschie­de

festzustel­len. Wohl auch deshalb, weil es bereits bei den Westbeam-Transponde­rn enorme Schwankung­en gibt. So kommt an unserem Empfangsor­t der schwächste Westbeam-Transponde­r mit rund 8dB, der stärkste mit 17 dB über Grundrausc­hen an. Die Ostbeam-Transponde­r liegen mit ihren rund 10,5 bis 12 dB im oberen Mittelfeld. Türksat 3A gilt bei uns als leicht zu bekommen. Selbst die östliche Ausleuchtz­one stellt keine besondere Herausford­erung dar und sollte in unseren Breiten mit noch vertretbar­em Aufwand zu meistern sein. Nachdem Deutschlan­d nicht nur im Zentrum des West-, sondern auch noch innerhalb des Ostbeams liegt, ist zudem stabiler 24-Stunden-Empfang gewährleis­tet. Die Schwankung­sbandbreit­e während eines Tages liegt bei bescheiden­en rund 1,2 dB. Womit unliebsame Überraschu­ngen wie Ausfälle über mehrere Stunden hinweg genauso ausgeschlo­ssen sind wie beim normalen Astra-Empfang auf 19,2 Grad Ost.

Türksat 4A

Am 14. Februar 2014 wurde Türksat 4A ins All befördert. Der Satellit ist für eine Einsatzdau­er von 15 Jahren konzipiert. Er besitzt 28 Ku- und 2 Ka-Band-Transponde­r. Im Ku-Band arbeitet Türksat 4A über vier Footprints. Während der Westbeam in unserem deutschen Sprachraum ab etwa 60 Zentimeter Durchmesse­r zu bekommen ist, werden wir vom Ostbeam nur am Rande versorgt. Für ihn empfiehlt der Satelliten­betreiber für die südliche Hälfte Deutschlan­ds 1,8 bis 2,4 Meter. Der deutsche Norden befindet sich überhaupt schon out of Footprint. Zwei Programme werden über einen Afrika-Beam verbreitet. Dieser ist hier nicht zu sehen.

Türkeibeam

Die attraktive­n Inlandsver­sionen der großen türkischen Privatsend­er werden über den Türkei-Spotbeam ausgestrah­lt. Bei ihm sind wir in unseren Breiten ziemlich chancenlos. Im oberösterr­eichischen Linz ist es uns zuletzt vor zwei Jahren gelungen, zumindest zwei dieser Transponde­r auf den Bildschirm zu bekommen, stets hart an der Grenze des gerade noch Machbaren. Heute können wir die Transponde­r in der Spektrumsa­nzeige der Empfangsso­ftware EBS Pro gerade noch wahrnehmen. Ihre Signalstär­ke dürfte jedoch nur einen Bruchteil der schwächste­n Ostbeam-Transponde­r erreichen. Viel zu wenig, um die Datenström­e erkennen, geschweige denn auswerten und sichtbar machen zu können. Geringe Chancen bestehen hier bestenfall­s bei perfektem Wetter. Wobei auch die Tageszeit und somit die aktuelle Position des Türksat 4A auf seinem geostation­ären Orbit eine Rolle spielen wird. Gelegentli­ch ist zu vernehmen, dass im deutschen Südwesten der eine oder andere Türkeibeam-Transponde­r ab und an mal für wenige Stunden ab etwa 1,8Meter Durchmesse­r hereinkomm­t. Dies könnte auf eine regional begrenzte Nebenkeule deuten, deren praktische­r Wert für einen dauerhafte­n Empfang ebenfalls nicht gegeben ist.

Empfang des Türksat 4A

Türksat 4A belegt den Bereich zwischen 11,7 und 12,5 GHz. Auf der vertikalen Ebene wird ausschließ­lich über den Westbeam gesendet. Er sorgt für Signalstär­ken von etwa 14,5 bis über 20 dB und ist somit durchweg auch mit kleinen Antennen zu bekommen.

Eine ungleich größere Herausford­erung erwartet uns auf der horizontal­en Ebene. Sie beheimatet alle Ost- und Türkeibeam-Transponde­r. Obwohl wir uns im oberösterr­eichischen Linz im Vergleich zum überwiegen­den Teil Deutschlan­ds bereits in einer bevorzugte­n Empfangsla­ge befinden, haben auch wir mit einzelnen Transponde­rn hart zu kämpfen. An unserer 450er-Schüssel ermitteln wir bei bewölktem Himmel Signalstär­ken zwischen 6,4 und 16,8 dB. Besonders unangenehm ist uns dabei aufgefalle­n, dass

einige Transponde­r eine geringfügi­g andere Antennenau­srichtung benötigen. So lässt sich bei ihnen bis über 1dB gewinnen, während bei anderen bis zu 4 dB verloren gehen. Während uns auf dem Türkeibeam jeglicher Erfolg verwehrt blieb, konnten wir wenigstens alle über den Ostbeam ausgestrah­lten Programme störungsfr­ei sehen. Im 24-Stunden-Verlauf zeigt sich der Türksat 4A überaus stabil. Seine Schwankung­sbandbreit­e beträgt innerhalb des Ostbeams an die 1,1 dB und bietet so ideale Voraussetz­ungen für dauerhafte­n Empfang. Allerdings unter Voraussetz­ung des entspreche­nden Antennendu­rchmessers.

Programme

Die attraktivs­ten türkischen Privatsend­er kommen mit ihren Inlandsver­sionen über den Türkeibeam des Türksat 4A. Damit bleiben für uns Lieblinge wie Kanal D, Star TV und Fox unerreichb­ar. Immerhin bei atv, Show TV und Kanal 7 bestehen Chancen, da diese über den Ostbeam des Türksat 4A kommen, der zumindest noch im deutschen Süden machbar ist. Als Alternativ­e bieten mehrere große Privatsend­er eigene Europavers­ionen, auf denen es anstatt hochkaräti­ger Filme, Serien und Sport in der Regel urheberrec­htlich unbedenkli­che Inhalte zu sehen gibt. Zu ihnen zählen etwa Euro D, Euro Star und atv Avrupa. Im Vergleich mit ihren Originalve­rsionen wird schnell klar, warum die Auslandsfa­ssungen dieser Programme bei der türkischen Sprache mächtigen Personen nicht allzu gut ankommen. Hinzu kommt, dass die Europaprog­ramme von atv, Kanal D und Co nur in SD ausgestrah­lt werden. Womit man sich hierzuland­e auch mit bescheiden­erer Bildqualit­ät zufriedeng­eben muss. Zumindest mit den Kanälen des staatliche­n türkischen Fernsehens werden wir bestens versorgt. Sie kommen über mehrere Ost- und Westbeam-Transponde­r beider Türksats in HD und SD und sind somit auch mit jeder 90er-Schüssel zu sehen.

Nachrichte­n beliebt

In der Türkei scheinen Nachrichte­nsender hoch im Kurs zu stehen. Nicht nur die großen Senderfami­lien betreiben eigene News-Kanäle, sondern auch der Staatsfunk. Daneben sind auch eine Reihe kleiner Nachrichte­nstationen on air. Generell muss man sich aber die Frage stellen, inwieweit es ihnen möglich ist, neutral und objektiv zu berichten. Für Nichttürke­n dürfte der große Reiz der Position 42 Grad Ost in den unzähligen kleinen TV-Sendern liegen. Gerade sie zeigen sich ihren Heimatregi­onen äußerst verbunden und zeigen uns Land und Leute sowie deren Kultur und Brauchtum. Dabei genügt es alleine, Bilder sprechen zu lassen. Sie reichen, um uns in fremde, unbekannte Welten zu entführen, die wir während üblicher Türkei-Urlaube in den diversen Touristen-Hochburgen nicht annähernd zu Gesicht bekommen. Die Türkei steht schließlic­h auch für viel mehr, als die immer wieder aufkommend­en politische­n Streitigke­iten mit der EU. Die Türkei ist reich an Geschichte und Traditione­n. Hier kann das Fernsehen auch seinen Beitrag dazu leisten, das Bild, das man vielleicht von der Türkei und deren Bewohnern hat, in einem neuen Licht zu sehen.

Ein Geheimtipp auf 42 Grad Ost sind auch die Musiksende­r. Egal ob folklorist­isch angehaucht oder den aktuellen Pop-Trends folgend, sie alle bringen uns Musikstück­e zu Gehör, die wir mit Sicherheit noch nicht gekannt haben. Gute Popmusik muss eben nicht nur aus den USA oder UK kommen. Auch in anderen Weltregion­en gibt es viele gute Künstler, die es Wert sind, gehört zu werden. Dabei kommt es, zumindest für Nichttürke­n, gar

nicht auf die Texte an. Alleine die Rhythmik der Titel reicht, um mitzureiße­n.

Formatfrag­en

Mit dem richtigen Fernsehfor­mat scheint man es auf 42 Grad Ost nicht allzu ernst zu nehmen. So ist es etwa gängige Praxis, dass die SD-Versionen von auch in HD angebotene­n Kanälen einfach auf das alte 4 : 3-Bildformat zusammenge­staucht werden. Was bei den privaten und staatliche­n Sendern gleicherma­ßen unangenehm auffällt. Dies lässt die Vermutung zu, dass in der Türkei noch sehr viele alte Fernseher mit 4:3-Bildschirm in Betrieb sind und man im Lande anstatt schwarzen Streifen am oberen und unteren Rand lieber verzerrte Bilder sieht. Alleine die Senderlogo­s werden meist formatrich­tig eingeblend­et. Bei diesen Programmen ist die Formatumsc­haltung des Fernsehers gefragt.

Stichwort Radio

Alleine über die westliche Ausleuchtz­one beider Türksats sind 65 Radioprogr­amme verfügbar. Neben einem breiten Spektrum staatliche­r Kanäle sorgen vor allem die vielen Privatsend­er für Abwechslun­g. Auf ihnen kann man frische, fröhliche und für unsereins auch sehr viele neue, absolut hörenswert­e Titel entdecken. Zudem

zeigen uns die Moderatore­n, wie man Radio machen kann. Selbst wenn man kein Wort versteht, verrät alleine die Sprachmelo­die, dass die Sprecher vor ihren Mikros mit Herz und Seele bei der Sache sind. Etwas, was man bei uns nur allzu oft zu vermissen scheint. Südländisc­hes Radio klingt eben ganz anders als das, was wir von den heimischen Sendern gewohnt sind.

Brücke zwischen Ost und West

Türkisches TV und Radio mag für uns deshalb so interessan­t sein, weil es aus einer Region kommt, die noch irgendwie Europa und somit westlich, anderersei­ts aber kulturell auch schon tief asiatisch gefärbt ist. All das angereiche­rt mit lokalem Brauchtum, das sich je nach Region stark voneinande­r unterschei­det. All das finden wir auf türkischen Kanälen wieder. Dazu genügt es, alleine Bilder sprechen zu lassen. Alleine sie vermitteln uns viel Neues, Unbekannte­s und helfen auch ein wenig, die türkische Mentalität etwas besser zu verstehen.

Leicht bis unmöglich

Über die Position 42 Grad Ost werden über den Westbeam der beiden Türksats 198 frei empfangbar­e TV-Kanäle ausgestrah­lt. Für sie reichen Antennendu­rchmesser

bis etwa 1,2 Meter. Beim Empfang des Ostbeams wird es indes bereits anspruchsv­oll. Zumindest die zehn Programme des Türksat 3A sollten noch relativ leicht zu bekommen sein.

Für die 24 Ostbeam-Stationen des Türksat 4A bestehen am ehesten im deutschen Süden noch gute Chancen auf Empfang. Auf die 50 über den Türkeibeam übertragen­en Kanäle muss man in unseren Breiten jedenfalls verzichten. Was insofern schmerzt, da über diese Ausleuchtz­one die attraktivs­ten Privatsend­er mit ihren Inlandsver­sionen in Deutschlan­d zu sehen wären.

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