Engpass im Orbit: Neuster Eutelsat 5 West B ist defekt
Notfall im Weltall! Der für 5 Grad West vorgesehene Eutelsat 5 West B arbeitet nicht so, wie er sollte. Damit bringt er im Orbit zumindest die Bereiche, für die Eutelsat zuständig zeichnet, gehörig durcheinander.
Die Orbitposition 5 Grad West zählt zu den traditionsreichsten am europäischen Satellitenhimmel. Bereits seit über 30 Jahren werden darüber primär TV-Programme für den französischen Raum ausgestrahlt. Aktuell werden über 5 Grad West rund 300 TV-Programme übertragen. Sie dienen größtenteils zur Signalzuführung terrestrischer DVB-T-Sendeanlagen in Frankreich und Italien. Weiter ist auf 5 Grad West die Fransat-Plattform beheimatet. Über sie beziehen jene Franzosen ihre TV-Programme,
die in Regionen mit unzureichender DVB-T-Versorgung leben. Zudem wird über 5 Grad West Algerien bedient. Bislang versieht Eutelsat 5 West A seinen Dienst auf dieser wichtigen Position. Er wurde 2002 gestartet und war ursprünglich für eine Lebensdauer von 12 Jahren ausgelegt. Inzwischen arbeitet er nun schon fünf Jahre länger als ursprünglich vorgesehen. Womit man wirklich das Letzte aus diesem Satelliten herausgeholt hat. Eigentlich sollte er Ende 2019 von Eutelsat 5 West B ersetzt werden. Dieser wurde am 9. Oktober 2019 vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur mit einer Proton-M-Rakete gestartet
Eutelsat 5 West B defekt?
In einer knappen Pressemitteilung erklärte Eutelsat am 24. Oktober 2019, dass das Unternehmen derzeit einen Vorfall auf einem der beiden Solarflügel des neuen Eutelsat 5 West B untersucht. Man arbeitet daran, die möglichen Auswirkungen auf die Leistung des Satelliten zu bewerten und so schnell wie möglich, darüber zu informieren.
Wie gewöhnlich üben sich Satellitenbetreiber bei Problemen an ihren Satelliten in Zurückhaltung. Womit auch Wochen später keine neuen Informationen bekanntgegeben wurden. Zumindest ist bekannt, dass Eutelsat 5 West B Mitte November auf 1,5 Grad Ost Tests unterzogen wurde. Soweit beobachtet wurde, kamen jedoch nur einige leere Träger zur Ausstrahlung, deren Übertragungsparameter nicht von unserer Software ausgewertet werden konnte. Womit wir nur wissen, dass das Signal bei 11,705 GHz Vertikal relativ schmalbandig war.
Was wird geschehen?
Ursprünglich wäre es die Aufgabe von Eutelsat 5 West B gewesen, mit seinen 35 Transpondern die Ku-Band-Services des altersschwachen Eutelsat 5 West A zu übernehmen. Womit die reibungslosen DVB-T-Signalzuführungen zu terrestrischen Sendeanlagen in Frankreich und Italien weiter gewährleistet gewesen wären.
Zum gegenwärtigen Stand wissen wir nur, dass Eutelsat 5 West B nicht ganz tot zu sein scheint. Wie sehr er aber am Leben ist, fällt in das Reich der Spekulationen. Zumal es auch unbestätigte Gerüchte gibt, dass auch der zweite Sonnenflügel nicht ganz so arbeitet, wie er sollte. Womit dem Satelliten mehr oder weniger viel an Energie fehlt. Wenn es gut kommt, vermögen die Photovoltaikzellen des einen Flügels etwa die Hälfte an Strom zu produzieren, die der Satellit bräuchte, um im vollen Umfang in Betrieb gehen zu können. Wenn man davon ausgeht, dass neben den 35 Transpondern auch die zentrale Elektronik des Satelliten Strom benötigt, wird man wohl maximal 12 bis 15 Transponder betreiben können. Vielleicht auch mehr, wenn mit verringerter Leistung gesendet wird. Diese wird aber kaum ausreichen. Schließlich sind aktuell auf dem alten Eutelsat 5 West A 34 Transponder für TV-Übertragungen im Betrieb.
Brenzlige Situation
Tatsache ist, dass möglichst schnell ein anderer Satellit die Aufgaben des Eutelsat 5 West A übernehmen muss. Fakt ist aber auch, dass sich die Satellitenbetreiber schon seit einiger Zeit mit der Bestellung neuer Orbiter äußerst zurückhalten. Derzeit herrscht eine große Unsicherheit darüber, wie viele Satelliten künftig noch gebraucht werden. Schließlich erfolgen Videoüberspielungen zunehmend per
Streaming. Zudem rechnen Insider damit, dass bereits innerhalb der kommenden fünf Jahre mancher Pay-TV-Anbieter seine Programme nur noch über das Breitband anbieten wird. Dementsprechend gibt es derzeit im geostationären Orbit kaum Reservesatelliten, die bei Notfällen einspringen könnten. Auch Eutelsat verfügt über keine Reserven.
Schneller Ersatz?
Mal schnell einen Ersatzsatelliten bauen und den in Nullkommanichts ins All raufschicken? Geht nicht! Denn dieses Prozedere nimmt Jahre in Anspruch. TV-Satelliten sind schließlich keine Fließbandprodukte und werden für jeden Einsatzfall gesondert geplant und gebaut. Weiter braucht es eine Transportmöglichkeit in den Weltraum. Zwar gibt es heute mehrere Transportunternehmen, mit denen man Satelliten hochschießen kann, doch auch ihre Kapazitäten sind begrenzt und der zur Verfügung stehende Frachtraum, zumindest für große Satelliten, sicher weitgehend ausgebucht. Schließlich werden Raketen auch nur nach Auftragslage produziert. Sprich, auch im Transportbereich braucht es für den Start eines neuen Satelliten reichlich Vorlaufzeit. Am 20. Juni dieses Jahres
wurde Eutelsat 7C gestartet. Er ist als Ersatz für Eutelsat 7A vorgesehen. Dieser wurde 2004 gestartet und ist für eine Lebensdauer von 12 Jahren ausgelegt. Womit auch Eutelsat 7A bereits drei Jahre über seine Zeit im Betrieb ist. Da dieser jedoch etwas neuer als Eutelsat 5 West A ist, könnte er, gemutmaßt, noch so lange durchhalten, bis tatsächlich ein erst zu bauender Satellit ins All gebracht wird. Mit seinen 44 Transpondern würde Eutelsat 7C auch genügend Kapazitäten bereitstellen und sein Europa-Footprint würde zumindest für seine Aufgaben für Frankreich und Italien genügen. Mitte November wurde Eutelsat 7C auf der Position 1,7 Grad Ost getestet.
Entscheidung noch nicht gefallen
Ob er tatsächlich Eutelsat 7A ablösen wird, steht in den Sternen. Müssen sollte er eigentlich, denn auch für den auf 7 Grad Ost auszumusternden Eutelsat 7A ist bereits ein weiterer Verwendungszweck vorgesehen. Er sollte eigentlich auf 139 Grad West verschoben werden. Diese für Nordamerika vorgesehene Position hatte sich Eutelsat erst kürzlich gesichert. Was aber auch heißt, dass sie zeitnah belegt werden muss, um darüber einfach irgendwas auszustrahlen, wie etwa Promo-Trailer.
Tut man das nicht, wird sich eine solche Position wohl schneller als gedacht jemand anders unter den Nagel reißen. Ein Risiko, das Eutelsat wohl eingehen muss, sollte sie Eutelsat 7C auf 5 Grad West positionieren und Eutelsat 7A dort lassen, wo er derzeit ist. Aktuell wird 139 Grad West von zwei nur im C-Band arbeitenden AMC-Satelliten genutzt.
Weiteres Sorgenkind
Auf 12,5 Grad West betreibt Eutelsat mit Eutelsat 12 West B einen weiteren altersschwachen Satelliten. Er wurde 2001 gestartet und war für eine Einsatzdauer von 12 Jahren vorgesehen. Da er nur noch äußerst wenig Treibstoff besitzt, wurde er bereits in den inklinierten Orbit versetzt. Derzeit schwankt er um 0,5 Grad nach oben und unten. Der Satellit wird nur noch für Überspielungen genutzt.