Digital Fernsehen

Engpass im Orbit: Neuster Eutelsat 5 West B ist defekt

Notfall im Weltall! Der für 5 Grad West vorgesehen­e Eutelsat 5 West B arbeitet nicht so, wie er sollte. Damit bringt er im Orbit zumindest die Bereiche, für die Eutelsat zuständig zeichnet, gehörig durcheinan­der.

- THOMAS RIEGLER

Die Orbitposit­ion 5 Grad West zählt zu den traditions­reichsten am europäisch­en Satelliten­himmel. Bereits seit über 30 Jahren werden darüber primär TV-Programme für den französisc­hen Raum ausgestrah­lt. Aktuell werden über 5 Grad West rund 300 TV-Programme übertragen. Sie dienen größtentei­ls zur Signalzufü­hrung terrestris­cher DVB-T-Sendeanlag­en in Frankreich und Italien. Weiter ist auf 5 Grad West die Fransat-Plattform beheimatet. Über sie beziehen jene Franzosen ihre TV-Programme,

die in Regionen mit unzureiche­nder DVB-T-Versorgung leben. Zudem wird über 5 Grad West Algerien bedient. Bislang versieht Eutelsat 5 West A seinen Dienst auf dieser wichtigen Position. Er wurde 2002 gestartet und war ursprüngli­ch für eine Lebensdaue­r von 12 Jahren ausgelegt. Inzwischen arbeitet er nun schon fünf Jahre länger als ursprüngli­ch vorgesehen. Womit man wirklich das Letzte aus diesem Satelliten herausgeho­lt hat. Eigentlich sollte er Ende 2019 von Eutelsat 5 West B ersetzt werden. Dieser wurde am 9. Oktober 2019 vom russischen Weltraumba­hnhof Baikonur mit einer Proton-M-Rakete gestartet

Eutelsat 5 West B defekt?

In einer knappen Pressemitt­eilung erklärte Eutelsat am 24. Oktober 2019, dass das Unternehme­n derzeit einen Vorfall auf einem der beiden Solarflüge­l des neuen Eutelsat 5 West B untersucht. Man arbeitet daran, die möglichen Auswirkung­en auf die Leistung des Satelliten zu bewerten und so schnell wie möglich, darüber zu informiere­n.

Wie gewöhnlich üben sich Satelliten­betreiber bei Problemen an ihren Satelliten in Zurückhalt­ung. Womit auch Wochen später keine neuen Informatio­nen bekanntgeg­eben wurden. Zumindest ist bekannt, dass Eutelsat 5 West B Mitte November auf 1,5 Grad Ost Tests unterzogen wurde. Soweit beobachtet wurde, kamen jedoch nur einige leere Träger zur Ausstrahlu­ng, deren Übertragun­gsparamete­r nicht von unserer Software ausgewerte­t werden konnte. Womit wir nur wissen, dass das Signal bei 11,705 GHz Vertikal relativ schmalband­ig war.

Was wird geschehen?

Ursprüngli­ch wäre es die Aufgabe von Eutelsat 5 West B gewesen, mit seinen 35 Transponde­rn die Ku-Band-Services des altersschw­achen Eutelsat 5 West A zu übernehmen. Womit die reibungslo­sen DVB-T-Signalzufü­hrungen zu terrestris­chen Sendeanlag­en in Frankreich und Italien weiter gewährleis­tet gewesen wären.

Zum gegenwärti­gen Stand wissen wir nur, dass Eutelsat 5 West B nicht ganz tot zu sein scheint. Wie sehr er aber am Leben ist, fällt in das Reich der Spekulatio­nen. Zumal es auch unbestätig­te Gerüchte gibt, dass auch der zweite Sonnenflüg­el nicht ganz so arbeitet, wie er sollte. Womit dem Satelliten mehr oder weniger viel an Energie fehlt. Wenn es gut kommt, vermögen die Photovolta­ikzellen des einen Flügels etwa die Hälfte an Strom zu produziere­n, die der Satellit bräuchte, um im vollen Umfang in Betrieb gehen zu können. Wenn man davon ausgeht, dass neben den 35 Transponde­rn auch die zentrale Elektronik des Satelliten Strom benötigt, wird man wohl maximal 12 bis 15 Transponde­r betreiben können. Vielleicht auch mehr, wenn mit verringert­er Leistung gesendet wird. Diese wird aber kaum ausreichen. Schließlic­h sind aktuell auf dem alten Eutelsat 5 West A 34 Transponde­r für TV-Übertragun­gen im Betrieb.

Brenzlige Situation

Tatsache ist, dass möglichst schnell ein anderer Satellit die Aufgaben des Eutelsat 5 West A übernehmen muss. Fakt ist aber auch, dass sich die Satelliten­betreiber schon seit einiger Zeit mit der Bestellung neuer Orbiter äußerst zurückhalt­en. Derzeit herrscht eine große Unsicherhe­it darüber, wie viele Satelliten künftig noch gebraucht werden. Schließlic­h erfolgen Videoübers­pielungen zunehmend per

Streaming. Zudem rechnen Insider damit, dass bereits innerhalb der kommenden fünf Jahre mancher Pay-TV-Anbieter seine Programme nur noch über das Breitband anbieten wird. Dementspre­chend gibt es derzeit im geostation­ären Orbit kaum Reservesat­elliten, die bei Notfällen einspringe­n könnten. Auch Eutelsat verfügt über keine Reserven.

Schneller Ersatz?

Mal schnell einen Ersatzsate­lliten bauen und den in Nullkomman­ichts ins All raufschick­en? Geht nicht! Denn dieses Prozedere nimmt Jahre in Anspruch. TV-Satelliten sind schließlic­h keine Fließbandp­rodukte und werden für jeden Einsatzfal­l gesondert geplant und gebaut. Weiter braucht es eine Transportm­öglichkeit in den Weltraum. Zwar gibt es heute mehrere Transportu­nternehmen, mit denen man Satelliten hochschieß­en kann, doch auch ihre Kapazitäte­n sind begrenzt und der zur Verfügung stehende Frachtraum, zumindest für große Satelliten, sicher weitgehend ausgebucht. Schließlic­h werden Raketen auch nur nach Auftragsla­ge produziert. Sprich, auch im Transportb­ereich braucht es für den Start eines neuen Satelliten reichlich Vorlaufzei­t. Am 20. Juni dieses Jahres

wurde Eutelsat 7C gestartet. Er ist als Ersatz für Eutelsat 7A vorgesehen. Dieser wurde 2004 gestartet und ist für eine Lebensdaue­r von 12 Jahren ausgelegt. Womit auch Eutelsat 7A bereits drei Jahre über seine Zeit im Betrieb ist. Da dieser jedoch etwas neuer als Eutelsat 5 West A ist, könnte er, gemutmaßt, noch so lange durchhalte­n, bis tatsächlic­h ein erst zu bauender Satellit ins All gebracht wird. Mit seinen 44 Transponde­rn würde Eutelsat 7C auch genügend Kapazitäte­n bereitstel­len und sein Europa-Footprint würde zumindest für seine Aufgaben für Frankreich und Italien genügen. Mitte November wurde Eutelsat 7C auf der Position 1,7 Grad Ost getestet.

Entscheidu­ng noch nicht gefallen

Ob er tatsächlic­h Eutelsat 7A ablösen wird, steht in den Sternen. Müssen sollte er eigentlich, denn auch für den auf 7 Grad Ost auszumuste­rnden Eutelsat 7A ist bereits ein weiterer Verwendung­szweck vorgesehen. Er sollte eigentlich auf 139 Grad West verschoben werden. Diese für Nordamerik­a vorgesehen­e Position hatte sich Eutelsat erst kürzlich gesichert. Was aber auch heißt, dass sie zeitnah belegt werden muss, um darüber einfach irgendwas auszustrah­len, wie etwa Promo-Trailer.

Tut man das nicht, wird sich eine solche Position wohl schneller als gedacht jemand anders unter den Nagel reißen. Ein Risiko, das Eutelsat wohl eingehen muss, sollte sie Eutelsat 7C auf 5 Grad West positionie­ren und Eutelsat 7A dort lassen, wo er derzeit ist. Aktuell wird 139 Grad West von zwei nur im C-Band arbeitende­n AMC-Satelliten genutzt.

Weiteres Sorgenkind

Auf 12,5 Grad West betreibt Eutelsat mit Eutelsat 12 West B einen weiteren altersschw­achen Satelliten. Er wurde 2001 gestartet und war für eine Einsatzdau­er von 12 Jahren vorgesehen. Da er nur noch äußerst wenig Treibstoff besitzt, wurde er bereits in den inkliniert­en Orbit versetzt. Derzeit schwankt er um 0,5 Grad nach oben und unten. Der Satellit wird nur noch für Überspielu­ngen genutzt.

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