Bekommt DAB Plus in Bayern mehr Leistung?
Mitte Dezember 2019 machte unter Insidern die Runde, dass der Bayerische Rundfunk offensichtlich beabsichtigt, zusätzlich zum geplanten weiteren DAB-Plus-Sendernetzausbau die Sendeleistung an manchen Standorten merklich zu erhöhen.
Dies geht aus Planungsdaten der Bundesnetzagentur (BNetzA) hervor, die am 16. und 23. Dezember 2019 veröffentlicht wurden. Demnach soll etwa der Mittelfranken-Multiplex auf Kanal 8C am Senderstandort Dillberg bei Nürnberg von 10kW auf 50kW verstärkt werden. Weiter ist für den Sender Bamberg-Oberfranken-Multiplex auf Kanal 10B eine Leistungserhöhung von bisher 25kW auf 32kW vorgesehen und am Senderstandort Alzenau könnte der Unterfranken-Multiplex auf Kanal 10A von bisher 10 kW auf 16 kW verstärkt werden. Auch für das bayernweite Paket auf Kanal 11D sind demnach entsprechende Leistungserhöhungen geplant.
Laut den Einträgen der BNetzA wären 15 Standorte von Leistungserhöhungen betroffen, wobei an zehn Standorten neben dem landesweiten Paket auf Kanal 11D auch der ortsübliche, regionale Multiplex
betroffen ist. An den restlichen Standorten wäre entweder das landesweite oder regionale Paket betroffen.
Planspiele
Die Datenbank der deutschen Bundesnetzagentur ist in Europa ohne Zweifel das am besten gepflegte internationale Senderverzeichnis. Es wendet sich aber weniger an Endverbraucher, sondern ist vielmehr ein Instrument, das zur internationalen Koordination von Senderstandorten, Frequenzen und Sendeleistungen dient. Denn Funkwellen kennen bekanntlich keine Grenzen und breiten sich ausschließlich den topografischen Gegebenheiten entsprechend aus. Frequenzen und Sendeleistungen sind so zu wählen, dass Beeinträchtigungen in benachbarten Regionen ausgeschlossen sind. Frequenzen sind schließlich ein äußerst rares Gut. Viele Einträge in der
BNetzA-Liste sind demnach Anfragen. Mit ihnen möchten Sendernetzbetreiber etwa ausloten, welche Sendeleistungen von bestimmten Standorten möglich sind. Wobei Einsprüche aus benachbarten Bundesländern ebenso zu berücksichtigen sind, wie jene ausländischer Regulierungsbehörden. Schließlich möchte jeder Staat ausreichend Frequenzen zur Verfügung haben, um die gesamte eigene Bevölkerung zuverlässig versorgen zu können. Große Reichweiten ins benachbarte Ausland oder in angrenzende Bundesländer sind dabei nicht gewollt, sondern werden bestenfalls geduldet.
Unter diesem Aspekt sind unter anderem die neuen Einträge in der BNetzA-Liste für DAB Plus zu verstehen. Freilich würden sich die Österreicher freuen, wenn der grenznahe niederbayerische Sender Brotjacklriegel anstatt mit bisher 4 kW auf Kanal 7D und 11D künftig mit 10kW senden würde. Realistisch ist das aber kaum, weil das so ganz und gar nicht nach dem Willen der Regulierungsbehörde in Wien wäre. Womit davon auszugehen ist, dass diese eingetragene Leistungserhöhung aus Österreich mit einem „Njet“bedacht wird.
Ein Einzelfall? Ganz und gar nicht. Davon weiß das kleine Österreich mehr als ein Lied zu singen. So sind selbst unbedeutende UKW-Frequenzen für Wien mit den Nachbarn in der Slowakei, Ungarn und Tschechien abzustimmen. Und dass das bundesweite alpenländische DAB Plus keine landesweite einheitliche Frequenz besitzt, ist ebenfalls eine Folge daraus.
Was bringt eine Leistungserhöhung?
Eine Leistungssteigerung von 10 auf 16 oder 25kW klingt schon fantastisch. Erst recht die in Aussicht gestellte Steigerung des Kanal 8C am Dillberg bei Nürnberg von 10 auf 50kW. Wer nun glaubt, die Reichweite verfünffacht sich etwa mit 50 anstatt mit 10 kW, der irrt gewaltig. Denn für eine Verdoppelung des versorgten Gebiets braucht es die vierfache Sendeleistung, wobei mit „versorgtem Gebiet“nicht der Radius vom Sender, sondern die ihn umgebende Fläche gemeint ist.
Nehmen wir dazu als Beispiel bei gegebener Sendeleistung einen Reichweitenradius von 50km an, was einer Fläche von 7 850 km² entspricht. 15 700 km² würden der doppelten Reichweite entsprechen. Sie würde mit einem Radius von knapp 71km erreicht werden. Soweit die Theorie.
Leistungserhöhung in der Praxis
In der Praxis würde man von einer Leistungserhöhung primär in Sendernähe, Stichwort Indoor-Empfang, profitieren. Freilich können starke Signale auch noch in großer Entfernung gehört werden. Allerdings lässt sich die durchgehende Empfangbarkeit nicht durch mehr Sendeleistung verbessern. Denn hier ist die Topografie der große Spielverderber. Funkwellen breiten sich, mit Lichtstrahlen vergleichbar, geradlinig aus. Hindernisse vermögen sie nicht zu umgehen. Mit zunehmender Entfernung, also dort, wo die Funkwellen eines Senders schon recht flach ankommen, sorgen bereits kleine Hindernisse wie Hügel für lange tote Zonen, in denen kein Empfang möglich ist. Je hügeliger die Landschaft ist, in der man einen Multiplex aus großer Entfernung hören möchte, umso mehr wird man mobil mit „geht, geht nicht, geht wieder, geht schon wieder nicht“konfrontiert sein. Gegen vom Sender abgeschattete Bereiche hilft auch mehr Sendeleistung nichts.
Mehr Schaden als Nutzen?
DAB-Plus-Multiplexe werden im SFN-Verfahren ausgestrahlt. Das heißt, dass alle Senderstandorte, die dasselbe Paket übertragen, auf einer gemeinsamen Frequenz arbeiten. Dabei ergänzen sich ihre Signale sogar gegenseitig und sorgen für stabilen Empfang, wo dies über einen einzigen Standort nicht möglich wäre.
Die Sache hat nur einen Haken: Der Empfang mehrerer Standorte funktioniert nur, wenn der Zeitunterschied ihrer hereinkommenden Signale nicht mehr als rund 0,23 Millisekunden (0,00023 Sekunden) beträgt. Das entspricht einem Maximalabstand der Senderstandorte vom Empfangsort aus gesehen von rund 67 bis 70 km. Bei zu großem Abstand kommt es zu gegenseitigen Signalauslöschungen und man hört gar nichts mehr.
Für derartige, mitunter markante Beeinträchtigungen genügen bereits schwache Restsignale entfernter Standorte. Sie treten vor allem dann auf, wenn diese eine exponierte Lage und somit eine hohe Reichweite haben. So mussten nicht nur wir bereits die Erfahrung machen, dass ein über 200km entfernter Sender den Empfang eines gut hereinkommenden Multiplexes zunichte machen kann.
Sendernetze penibel abstimmen
Damit solche gegenseitige Beeinflussungen in einem SFN-Netz nicht auftreten, müssen alle beteiligten Senderstandorte aufeinander abgestimmt werden. Das funktioniert so, dass die Sender den Multiplex mit einer, für jeden Standort exakt ermittelten Zeitverschiebung, ausstrahlen. Dieses Delay beträgt jeweils nur wenige Mikrosekunden.
Arbeitet nun plötzlich ein Sender innerhalb dieses Netzes mit einem Vielfachen seiner bisherigen Sendeleistung, steigt mit seiner Reichweite auch das Potential, andere Sender innerhalb des SFN-Netzes zu stören. Damit können empfindliche Empfangsbeeinträchtigungen bereits abseits der Kernversorgungszone auftreten.
Antennenabsenkung geplant?
Um bei hoher Sendeleistung die Reichweite und somit das Störpotential zu begrenzen, kann am Senderstandort die Abstrahlrichtung der Sendeantenne verändert werden. Die größte Reichweite wird erzielt, wenn diese die Funkwellen waagrecht abstrahlt. Alternativ kann der
Abstrahlwinkel auch so verändert werden, dass das Signal schräg nach unten abgestrahlt wird. Damit erhält der Nahbereich zwar deutlich mehr an Empfangsenergie, die Reichweite des Standorts leidet mitunter aber erheblich.