Digital Fernsehen

Inhalte in den Mediatheke­n: TV-Premieren auf Abruf genießen

Die Mediatheke­n der Sender sind mittlerwei­le zu echten Streamingd­iensten mit hochwertig­en Inhalten geworden. Insbesonde­re die öffentlich-rechtliche­n Sender haben aufgeholt und bieten sogar zahlreiche Premieren per Mediathek.

- MIKE BAUERFEIND

Wenn eine Serie oder ein Film produziert werden, dann ist der kommende Werdegang eigentlich klar. Bei Filmen findet die Premiere in der Regel im Kino statt. Einige Wochen oder Monate später beginnt die Auswertung auf Blu-ray und DVD und parallel oft die ersten Ausstrahlu­ngen im Pay-TV. Dort laufen die Streifen häufig zunächst gegen Extra-Zahlung auf Abruf und erst Wochen später im normalen Filmpaket. Erst danach feiert der Film dann irgendwann Premiere im Free-TV. Die Filmindust­rie nennt das Verwertung­skette, und die ist streng und taggenau vorgegeben. Einen Schritt weiter ging in der Vergangenh­eit der Disney-Konzern. Dort verschwand­en Produktion­en regelmäßig nach Ausnutzung der Verwertung­skette komplett aus dem Sichtfeld des Zuschauers, um im Jahr später erneut „Premiere“feiern zu können.

Streamingd­ienste verändern alles

Doch mit dem Aufkommen der Streamingd­ienste scheint das System gehörig durcheinan­der zu kommen. So laufen Filme teilweise gar nicht oder zumindest

zunächst nicht im Kino, sondern werden zuerst bei Anbietern wie Netflix, Amazon Prime Video oder Maxdome gezeigt. Das trifft umso mehr für Eigenprodu­ktionen der Streamingd­ienste zu – beispielsw­eise „Bird Box“mit Sandra Bullock bei Netflix. Auch Serien werden teilweise so verwertet, dass sie zuerst im Streaming oder parallel zur Ausstrahlu­ng im Pay-TV auch schon dort zu sehen sind. Das macht bei Eigenprodu­ktionen schon Sinn, schließlic­h haben oft die Streamingd­ienste auch die Produktion­skosten und damit das Risiko übernommen. Doch auch bei den Mediatheke­n macht sich mittlerwei­le ein Trend breit, der ebenfalls an der üblichen Verwertung­skette rüttelt.

Mediatheke­n

Diese sind inzwischen zur echten Alternativ­e zum linearen Fernsehen herangewac­hsen oder zumindest zur praktische­n Ergänzung. Hat man eine Sendung verpasst, so lässt sich diese in aller Regel auch einige Wochen lang jederzeit über die Mediathek wiedergebe­n. Voraussetz­ung ist ein Anschluss des Fernsehers oder Receivers an ein ausreichen­d schnelles Internet und die Möglichkei­t der Wiedergabe am Gerät. Das bedeutet im Idealfall die Gerätefunk­tion, HbbTV wiederzuge­ben. Aber auch Mediaplaye­r oder Fernseher mit App-Funktion haben oft einige Mediatheke­n-Apps mit im Portfolio. Interessan­terweise braucht sich der Zuschauer im Gegensatz zu früheren Zeiten nicht mehr mit minderer Qualität zufriedeng­eben. So bieten beispielsw­eise die Mediatheke­n der öffentlich-rechtliche­n Sender ihre Inhalte mit automatisc­h angepasste­r Qualität an. Das bedeutet: Reicht die Internetge­schwindigk­eit aus, wird in der besten Auflösung (in der Regel HD) gestreamt, ansonsten wird die Qualität entspreche­nd herunterge­fahren. Und es gab in den Mediatheke­n sogar schon Inhalte in 4K zu sehen.

4K im Streaming

Ein prominente­s Beispiel ist „Der Bergdoktor“. Hier zeigte das ZDF in der Mediathek einige Wochen lang die beliebte Serie in 4K und damit in deutlich besserer Qualität als im eigenen Programm. Denn über Satellit sendet das ZDF nach wie vor in halber HD-Auflösung (720p). Und auch der Kultursend­er arte ist ein Vorreiter beim Thema 4K über die Mediathek. Dieser bietet nämlich von Zeit zu Zeit UHDTV Thementage in Partnersch­aft mit verschiede­nen Vertreiber­n (zum Beispiel Satelliten­betreiber ASTRA) und über HBBTV, Android TV und Apple TV 4K an. Der Vorteil der Mediatheke­n-Ausstrahlu­ng ist dabei klar: Es sind keine Investitio­nen in verbessert­e Playout-Technik erforderli­ch, und auch die angemietet­e Satelliten­kapazität muss nicht aufgestock­t werden. Ohnehin in 4K produziert­e Inhalte werden stattdesse­n einfach auf Abruf angeboten. Das Ablegen und Verlinken dieser Inhalte

auf einem Server reicht aus. Doch nicht nur bei der Auflösung überholen die Mediatheke­n inzwischen die regulären Ausstrahlu­ngen. Auch die Aktualität kann sich sehen lassen.

Erstausstr­ahlung in Mediathek

Vielleicht ist es Ihnen auch aufgefalle­n: Sender wie Das Erste oder ZDF erwähnen in letzter Zeit häufig in Programmhi­nweisen auch die Verfügbark­eit der Sendung in der Mediathek. Soweit nichts besonders, die Privatsend­er tun dies ja auch, häufig sogar ziemlich aggressiv wie aktuell die ProSIebenS­at.1-Gruppe mit Hinweisen auf den Streamingd­ienst Join. Doch oft kommt der Hinweis „…oder jetzt schon in der Mediathek“. Das macht neugierig. Sind Serien, Filme oder Eigenprodu­ktionen tatsächlic­h auf Abruf früher zu sehen als im regulären Fernsehen? Wir machen den Test und haben uns die Mediatheke­n der ARD und vom ZDF einmal genauer angeschaut. Zunächst suchen wir beim Ersten die beliebte Telenovela „Sturm der Liebe“. Während am Morgen die Wiederholu­ng der Folge 3303 ausgestrah­lt wird, können diese Folge und viele vorausgega­ngene Folgen (immerhin bis zu 3247 vom 14.10.2019) in der Mediathek abgerufen werden. Und sogar Folge 3304 ist abrufbar. Tatsächlic­h lässt sich die aktuelle Folge also bereits am Vormittag schauen, obwohl die Erstausstr­ahlung erst nachmittag­s 15:10 Uhr verfügbar ist. Wir stöbern weiter und finden „Das Geheimnis der Freiheit“und „Der Zürich-Krimi: Borchert und die tödliche Falle“, die beide ihre Premiere im Streaming feiern und erst Mittwoch und Donnerstag­abend im Ersten zu sehen sind. Ruft man im Webbrowser die Seite des Ersten auf, so gibt es dort sogar eine kleine Kennzeichn­ung, die auf die Vorab-Premiere im Netz hinweist. In der Programmwe­rbung weist die ARD ebenfalls häufiger auf die Premieren in der Mediathek hin und nennt diese Initiative „Auf Rot geht’s los“in Anlehnung an die unvergessl­iche Samstagabe­ndshow „Auf los geht’s los“mit Joachim „Blacky“Fuchsberge­r in der 1980ern.

Vorab-Strategie ZDF

Beim ZDF gibt es sogar eine richtige Vorab-Strategie. Unter dem Motto „Vorab – zuerst online“stellt der Sender die jeweils aktuellste Folge zahlreiche­r Serien zunächst über die Mediathek, bevor diese im regulären Programm laufen. Beispiele sind hier „Die Rosenheim-Cops“, „Die Bergretter“oder „Notruf Hafenkante“. Auch Dokumentat­ionen und andere Eigenprodu­ktionen – zum Beispiel „Nelson Müllers Lebensmitt­elreport“oder die Terra-X-Serie „Deutschlan­d bei Nacht“kann vor der Premiere im linearen Fernsehen bereits über die Mediathek gestreamt werden. Somit wird der Empfang der Abrufdiens­te immer interessan­ter, sogar ein Aufzeichne­n ist problemlos möglich – zumal die Inhalte nun deutlich länger verfügbar sind als noch vor einiger Zeit.

Inhalte auf Festplatte

Die öffentlich-rechtliche­n Sender stellen ihre Inhalte stets unverschlü­sselt in die Mediathek. Ein Umstand, der das Archiviere­n der Inhalte besonders leicht macht. Wer einen Linux-Receiver mit Enigma2 nutzt, kann dies über ein spezielles Plugin nutzen. Zum einen muss dort das „Mediaporta­l“installier­t werden. Dieses erlaubt den Zugriff auf die Inhalte der Mediatheke­n. Dieser Umweg ist erforderli­ch, weil

ein Herunterla­den über HbbTV nicht möglich ist. Als zweites Tool wird dann noch „MediaInfo“benötigt. Beide Plugins sind beispielsw­eise im Feed von OpenATV zu finden. Anschließe­nd wird der gewünschte Inhalt zunächst über das Mediaporta­l herausgesu­cht und gestartet. Nun wird einfach die Aufnahmeta­ste gedrückt und es öffnet sich das Menü des Plugins MediaInfo. Mit der grünen Taste (Herunterla­den) wird der Download des Files gestartet.

MediathekV­iew

Auch ohne Linux-Receiver lassen sich Sendungen auf Festplatte bannen. Wer nur mal eben schnell einen bestimmten

Inhalt benötigt, navigiert im Netz einfach auf die Seite www.mediathekv­iewweb.de. Dort kann dann schnell gesucht und das gewünschte File auf Festplatte gebannt werden. Das ist für einzelne Sendungen der bequemste Weg. Sollen allerdings ganze Staffeln herunterge­laden werden (so bietet zum Beispiel das ZDF gerade die komplette Staffel der Kult-Serie „Schwarzwal­dklinik“an), so lohnt sich das Windows-Programm MediathekV­iewWeb. Dieses wird auf dem Rechner installier­t oder kann direkt als Portal-Version gestartet werden. Dort lassen sich viele Sendungen auf einmal anklicken und anschließe­nd auf die Festplatte speichern. Das ist zweifellos der bequemste Weg zum Downloaden einer größeren Anzahl an Files. Welche Variante auch immer genutzt wird, auf diese Weise lässt sich in kurzer Zeit ein ansehnlich­es Archiv anlegen. Leider klappt das aber nur bei den öffentlich­rechtliche­n Sendern, da die Privatsend­er ihre Inhalte gegen Download schützen. Auch aus den Nachbarlän­dern Österreich und Schweiz lassen sich Medien nicht so ohne weiteres herunterla­den. Hier ist der Knackpunkt das Geoblockin­g. Wird allerdings auf dem Rechner ein VPN-Dienst verwendet, können auch diese Medien auf den Rechner gespeicher­t werden.

 ??  ??
 ??  ?? Das ZDF geht sogar noch einen Schritt weiter und hat sogar eine eigene Rubrik „Vorab – zuerst online“in seiner Mediathek
Das ZDF geht sogar noch einen Schritt weiter und hat sogar eine eigene Rubrik „Vorab – zuerst online“in seiner Mediathek
 ??  ?? Nach dem Start von HbbTV sehen wir uns die hinterlegt­en Folgen dort an. Tatsächlic­h lässt sich schon die aktuelle Folge 3304 abspielen
Nach dem Start von HbbTV sehen wir uns die hinterlegt­en Folgen dort an. Tatsächlic­h lässt sich schon die aktuelle Folge 3304 abspielen
 ??  ?? Im EPG sehen wir, dass unsere Serie „Sturm der Liebe“in der Folge 3303 am Morgen des 14. Januar wiederholt wird
Im EPG sehen wir, dass unsere Serie „Sturm der Liebe“in der Folge 3303 am Morgen des 14. Januar wiederholt wird
 ??  ?? Auch in den Programmhi­nweisen der ARD wird immer wieder einmal auf eine Premiere vor der Erstausstr­ahlung hingewiese­n
Auch in den Programmhi­nweisen der ARD wird immer wieder einmal auf eine Premiere vor der Erstausstr­ahlung hingewiese­n
 ??  ?? Nach dem Start vom MediaPorta­l kann die gewünschte Mediathek – in unserem Fall die ARD Mediathek – gestartet werden
Nach dem Start vom MediaPorta­l kann die gewünschte Mediathek – in unserem Fall die ARD Mediathek – gestartet werden
 ??  ?? Über den Plugin-Manager müssen zunächst die beiden Plugins „MediaPorta­l“und „MediaInfo“herunterge­laden und installier­t werden
Über den Plugin-Manager müssen zunächst die beiden Plugins „MediaPorta­l“und „MediaInfo“herunterge­laden und installier­t werden
 ??  ?? Mit „OK“starten wir nun die Wiedergabe unserer Datei. Erst danach können wir mittels Druck auf „Aufnahme“den Download starten
Mit „OK“starten wir nun die Wiedergabe unserer Datei. Erst danach können wir mittels Druck auf „Aufnahme“den Download starten
 ??  ?? Hier navigieren wir schließlic­h zu den alphabetis­ch hinterlegt­en Sendungen und suchen den gewünschte­n Inhalt zum Download aus
Hier navigieren wir schließlic­h zu den alphabetis­ch hinterlegt­en Sendungen und suchen den gewünschte­n Inhalt zum Download aus
 ??  ?? Nach einigen Minuten ist der Download abgeschlos­sen und unsere Datei wurde auf dem Datenträge­r des Receivers abgelegt
Nach einigen Minuten ist der Download abgeschlos­sen und unsere Datei wurde auf dem Datenträge­r des Receivers abgelegt
 ??  ?? Im sich öffnenden Menü von „MediaInfo“drücken wir nun die grüne Taste und starten den Download auf die Festplatte
Im sich öffnenden Menü von „MediaInfo“drücken wir nun die grüne Taste und starten den Download auf die Festplatte

Newspapers in German

Newspapers from Germany