DAB Plus vom Hühnerspiel
Schon vor Jahren war die Rede davon, DAB Plus aus Südtirol nach Innsbruck, ins Inntal und somit ins DAB-unterversorgte Österreich zu bringen. Die Idee scheiterte wegen zahlreicher Stolpersteine seitens der Österreicher. Doch die Südtiroler haben nicht aufgegeben und haben einen Weg gefunden.
Das 2748 Meter hohe Hühnerspiel liegt im südtiroler Teil der Zillertaler Alpen. Bis zur österreichischen Grenze am Brennerpass sind es nicht einmal sieben Kilometer. Allzu leicht findet man das Hühnerspiel auf Landkarten übrigens nicht. In ihnen ist es meist unter seinem zweiten Namen Amthorspitze zu finden.
Nachdem Privatradio in Italien möglich wurde, kristallisierte sich das Hühnerspiel recht bald als guter Standort heraus, um von ihm auch die Nachbarschaft zu erreichen. Innsbruck liegt gerade mal 35 Kilometer entfernt und Bayern ebenfalls in erreichbarer Nähe. Von hier sendete unter anderem das legendäre Radio C von 1984 bis 1996 bis weit hinter München. Zudem betrieb die NATO auf dem Hühnerspiel bis 1992 knapp unterhalb
des Gipfels, etwa auf 2 685 Metern, eine kleine Abhörstation. Heute betreibt die italienische Telekom auf dem ehemaligen NATO-Gelände eine Mobilfunkstation.
Interessanter Radioberg
Für lange Zeit war das Hühnerspiel von Radiomachern in Vergessenheit geraten. 2018 wurde bekannt, dass die Südtiroler Rundfunkanstalt RAS beabsichtigt, den historischen Senderstandort künftig für DAB Plus nutzen zu wollen. Grund genug, um den Standort bei Radiofans wieder in Erinnerung zu rufen. So dauerte es auch nicht lange, bis erste Gerüchte auftauchten. Etwa solche, dass man mit sehr hoher Leistung in Richtung München senden wolle. Die Realität sieht freilich etwas anders aus. Von dem Standort lassen sich nämlich auch Regionen im Sendegebiet
der RAS erreichen, in denen bislang noch eine unzureichende DAB-Plus-Versorgung herrscht. So etwa im Großraum Sterzing und im Pflerschtal. Auch im Bereich der Brennerautobahn auf südtiroler Seite lässt sich der Empfang optimieren.
Der Sender
Am Freitag, 10. Januar 2020, gegen 7.30 Uhr war es endlich so weit. Nachdem am Vortag die finalen Arbeiten am Hühnerspiel abgeschlossen werden konnten, wurde der DAB-Plus-Sender der RAS auf Kanal 10B eingeschaltet. Der Weg bis dahin war ein unerwartet schwieriger. So sorgten alleine die Besitzverhältnisse am Berg für äußerst langwierige Verhandlungen. So konnte 2019 erst recht spät mit dem Aufbau der nur schwer erreichbaren Sendeanlage begonnen werden. Es
musste nicht nur das benötigte Equipment auf das Hühnerspiel geschafft, sondern auch aufgebaut werden. Grob umrissen waren das der Aufbau und die Verkabelung des Senders, Montage der Sendeantenne und Herstellung einer Richtfunkverbindung, über die der Sender den auszustrahlenden Multiplex erhält. Wegen des recht frühen Wintereinbruchs mit außergewöhnlich viel Schnee konnten die Arbeiten im Herbst gerade nicht abgeschlossen werden. Infolge dessen versuchte die RAS, den exponierten Senderstandort dreimal erfolglos mit dem Hubschrauber zu erreichen. Die widrigen Umstände auf dem Hühnerspiel ließen keine Landung zu. Erst der vierte Versuch am 9. Januar 2020 führte zum ersehnten Ziel. Vorerst läuft der Sender mit Minimalkonfiguration und die RAS ist froh, ihn im Winter überhaupt erst einmal einschalten zu können.
Zum Einsatz gelangt vorerst ein Reservesender mit einer Sendeleistung von 500 Watt. Mit ihm wird der erste der beiden RAS-Multiplexe übertragen. Die effektive Strahlungsleistung (ERP) beträgt 1260Watt. Für den Standort sind 1,6kW koordiniert. Sofern die jetzige Anlage in etwa den Erwartungen entspricht, sollen für das Hühnerspiel zwei neue Sender angeschafft werden, womit dann auch der zweite RAS-Mux auf Kanal 10D auf Sendung gehen könnte.
Reichweite
Für uns ist natürlich die Reichweite des Hühnerspiels in Richtung Norden von Interesse. Die im Vorfeld ermittelten Versorgungskarten zeichneten ein mehr als düsteres Bild für den Großraum Innsbruck. Demnach sollte hier so gut wie nichts an Signal ankommen. Doch Innsbruck hat einen großen Vorteil, der bei unserem Rechenmodell nicht mit beeinflusst wird: einen mächtigen Gebirgsstock, die so genannte Nordkette. Sie ist Teil des Karwendels und präsentiert sich als mächtige, steile Felswand bis in über 2600 Metern Höhe. Sie sollte eigentlich eine hervorragende Reflexionsfläche abgeben und die Reichweite des südtiroler Digitalradiosignals erheblich verbessern. Bereits 30 Minuten nach Inbetriebnahme des Senders erreichte uns die erste Empfangsmeldung aus Absam, rund acht Kilometer östlich von Innsbruck. Hier gelang der Empfang nicht nur im Freien, sondern sogar Indoor. Wie uns geschildert wurde, zwar nicht an jeder Stelle, aber ein geeigneter Platz sei sehr schnell gefunden. Ferner wurde uns erfolgreicher
Empfang mit überraschend starkem Signal im Bereich des innsbrucker Bahnhofs gemeldet. Grund genug für uns, die Empfangssituation im Bereich der tiroler Landeshauptstadt selbst in Augenschein zu nehmen. Die ersten Signale nahmen wir entlang der Inntal-Autobahn bereits im östlichen Inntal bei Wiesing war. Von hier geht es hoch zum Achensee. Hier kommt der 10B vom Hühnerspiel tatsächlich immer wieder durch und versorgt sogar einen beträchtlichen Teil des Orts Eben. Zurück auf der Autobahn, spielte das südtiroler DAB Plus immer wieder kurz auf. Tendenz zunehmend. Ab der Autobahnraststation zwischen Schwaz und Wattens konnten wir das Paket durchgehend empfangen. Wenngleich zunächst noch
mit geringer Signalstärke ab etwa 9 dB über Grundrauschen. Diese nahm aber rasch zu und erreichte schnell Werte um 15 dB und mehr. Über perfekten Empfang durften wir uns auch in Hall in Tirol erfreuen. Bei der Fahrt, quer durch das Stadtzentrum durften wir uns an Signalstärken zwischen 16 und 24 dB erfreuen. Auch in den umliegenden Orten bewegte sich das Signal auf ähnlich hohem Niveau. Hier sollte der Indoor-Empfang gelingen.
Innsbruck
Weiter ging es nach Innsbruck. Hier kreuzten wir zunächst ausgiebig quer durch die Stadt und durften uns im, laut Berechnungen weitgehend unversorgten Osten, über Signalstärken von rund 24 bis 29 dB erfreuen. In der westlichen Hälfte erreichten wir bis über 31dB. Entscheidend aber war, dass wir durchgehend perfekten Mobilempfang auf hohem Niveau hatten. Lediglich im Süden der Stadt kamen wir durch einen Straßenzug, in dem auf etwa 100 Meter Länge Funkstille herrschte.
Die Innenstadt wurde anschließend zu Fuß, bewaffnet mit einem Pocketradio mit eingeschobener Antenne, erkundet. Selbst mit dem in der Jacke verstauten Miniradio klappte der Empfang des Hühnerspiels wunderbar. Allerdings ließ der Empfang im historischen Stadtzentrum rund um das Goldene Dachl arg zu wünschen übrig. Vermutlich, weil hierher, bedingt durch die dichte Verbauung, die Reflexionen von der Nordkette nicht durchkamen.
Der Westen
Auf der Inntalautobahn ging es weiter nach Westen. Auch hier war lückenloser Empfang bis zur Ausfahrt Telfs Ost möglich. Wobei die Signalstärke bereits kontinuierlich abnahm Ab Telfs macht das
Inntal einen Knick, der das Signal schnell abreißen lässt. Gut war es nur noch bis Telfs West zu hören. Zu Ende ist hier DAB Plus aber noch lange nicht. Denn bereits weiter westlich gelangt man in den Versorgungsbereichs des Senders Grünten. Die Multiplexe des BR und SWR lassen zudem mit gerade noch brauchbarem Signal grüßen.
Zuletzt machten wir einen Abstecher nach Seefeld, von wo die Straße weiter nach Garmisch führt. Bereits ein Stück über Zirl, ab dem Dorf Leithen, waren drei Multiplexe aus Bayern einwandfrei zu hören. Das RAS-Signal hielt mit rund 12 bis 14 dB bis Seefeld Süd durch. Womit hier der Lückenschluss mit dem bayerischen DAB Plus geschafft ist. Bayern 3, BR Klassik und B5 Aktuell sind somit durchgehend von Südhessen bis in den Bereich des Gardasees zu hören.
Fazit
Am selben Tag wie wir, hat auch die Rundfunkanstalt Südtirol eine ausgedehnte Testfahrt im Versorgungsgebiet des Hühnerspiels vorgenommen. Regionen im Norden Südtirols, wie etwa der Jaufenpass und die Seitentäler rund um Sterzing, sind nun bestens versorgt. Weiter teilt die RAS auf österreichischer Seite unsere Erfahrungen. Kurzum, der neue Senderstandort hat seine Feuertaufe jedenfalls bestanden und das Hühnerspiel wird DAB-Plus-Senderstandort bleiben und sogar ausgebaut werden. Der Standort soll neue Sender und auch den zweiten RAS-Multiplex bekommen. Für die Innsbrucker heißt das, dass sie höchstwahrscheinlich noch in diesem Jahr in den Genuss der ORF-Radios in DAB Plus kommen könnten. Denn die werden in Südtirol seit vielen Jahren per Digitalradio verbreitet.