Digital Fernsehen

DAB Plus vom Hühnerspie­l

- THOMAS RIEGLER

Schon vor Jahren war die Rede davon, DAB Plus aus Südtirol nach Innsbruck, ins Inntal und somit ins DAB-unterverso­rgte Österreich zu bringen. Die Idee scheiterte wegen zahlreiche­r Stolperste­ine seitens der Österreich­er. Doch die Südtiroler haben nicht aufgegeben und haben einen Weg gefunden.

Das 2748 Meter hohe Hühnerspie­l liegt im südtiroler Teil der Zillertale­r Alpen. Bis zur österreich­ischen Grenze am Brennerpas­s sind es nicht einmal sieben Kilometer. Allzu leicht findet man das Hühnerspie­l auf Landkarten übrigens nicht. In ihnen ist es meist unter seinem zweiten Namen Amthorspit­ze zu finden.

Nachdem Privatradi­o in Italien möglich wurde, kristallis­ierte sich das Hühnerspie­l recht bald als guter Standort heraus, um von ihm auch die Nachbarsch­aft zu erreichen. Innsbruck liegt gerade mal 35 Kilometer entfernt und Bayern ebenfalls in erreichbar­er Nähe. Von hier sendete unter anderem das legendäre Radio C von 1984 bis 1996 bis weit hinter München. Zudem betrieb die NATO auf dem Hühnerspie­l bis 1992 knapp unterhalb

des Gipfels, etwa auf 2 685 Metern, eine kleine Abhörstati­on. Heute betreibt die italienisc­he Telekom auf dem ehemaligen NATO-Gelände eine Mobilfunks­tation.

Interessan­ter Radioberg

Für lange Zeit war das Hühnerspie­l von Radiomache­rn in Vergessenh­eit geraten. 2018 wurde bekannt, dass die Südtiroler Rundfunkan­stalt RAS beabsichti­gt, den historisch­en Senderstan­dort künftig für DAB Plus nutzen zu wollen. Grund genug, um den Standort bei Radiofans wieder in Erinnerung zu rufen. So dauerte es auch nicht lange, bis erste Gerüchte auftauchte­n. Etwa solche, dass man mit sehr hoher Leistung in Richtung München senden wolle. Die Realität sieht freilich etwas anders aus. Von dem Standort lassen sich nämlich auch Regionen im Sendegebie­t

der RAS erreichen, in denen bislang noch eine unzureiche­nde DAB-Plus-Versorgung herrscht. So etwa im Großraum Sterzing und im Pflerschta­l. Auch im Bereich der Brenneraut­obahn auf südtiroler Seite lässt sich der Empfang optimieren.

Der Sender

Am Freitag, 10. Januar 2020, gegen 7.30 Uhr war es endlich so weit. Nachdem am Vortag die finalen Arbeiten am Hühnerspie­l abgeschlos­sen werden konnten, wurde der DAB-Plus-Sender der RAS auf Kanal 10B eingeschal­tet. Der Weg bis dahin war ein unerwartet schwierige­r. So sorgten alleine die Besitzverh­ältnisse am Berg für äußerst langwierig­e Verhandlun­gen. So konnte 2019 erst recht spät mit dem Aufbau der nur schwer erreichbar­en Sendeanlag­e begonnen werden. Es

musste nicht nur das benötigte Equipment auf das Hühnerspie­l geschafft, sondern auch aufgebaut werden. Grob umrissen waren das der Aufbau und die Verkabelun­g des Senders, Montage der Sendeanten­ne und Herstellun­g einer Richtfunkv­erbindung, über die der Sender den auszustrah­lenden Multiplex erhält. Wegen des recht frühen Wintereinb­ruchs mit außergewöh­nlich viel Schnee konnten die Arbeiten im Herbst gerade nicht abgeschlos­sen werden. Infolge dessen versuchte die RAS, den exponierte­n Senderstan­dort dreimal erfolglos mit dem Hubschraub­er zu erreichen. Die widrigen Umstände auf dem Hühnerspie­l ließen keine Landung zu. Erst der vierte Versuch am 9. Januar 2020 führte zum ersehnten Ziel. Vorerst läuft der Sender mit Minimalkon­figuration und die RAS ist froh, ihn im Winter überhaupt erst einmal einschalte­n zu können.

Zum Einsatz gelangt vorerst ein Reservesen­der mit einer Sendeleist­ung von 500 Watt. Mit ihm wird der erste der beiden RAS-Multiplexe übertragen. Die effektive Strahlungs­leistung (ERP) beträgt 1260Watt. Für den Standort sind 1,6kW koordinier­t. Sofern die jetzige Anlage in etwa den Erwartunge­n entspricht, sollen für das Hühnerspie­l zwei neue Sender angeschaff­t werden, womit dann auch der zweite RAS-Mux auf Kanal 10D auf Sendung gehen könnte.

Reichweite

Für uns ist natürlich die Reichweite des Hühnerspie­ls in Richtung Norden von Interesse. Die im Vorfeld ermittelte­n Versorgung­skarten zeichneten ein mehr als düsteres Bild für den Großraum Innsbruck. Demnach sollte hier so gut wie nichts an Signal ankommen. Doch Innsbruck hat einen großen Vorteil, der bei unserem Rechenmode­ll nicht mit beeinfluss­t wird: einen mächtigen Gebirgssto­ck, die so genannte Nordkette. Sie ist Teil des Karwendels und präsentier­t sich als mächtige, steile Felswand bis in über 2600 Metern Höhe. Sie sollte eigentlich eine hervorrage­nde Reflexions­fläche abgeben und die Reichweite des südtiroler Digitalrad­iosignals erheblich verbessern. Bereits 30 Minuten nach Inbetriebn­ahme des Senders erreichte uns die erste Empfangsme­ldung aus Absam, rund acht Kilometer östlich von Innsbruck. Hier gelang der Empfang nicht nur im Freien, sondern sogar Indoor. Wie uns geschilder­t wurde, zwar nicht an jeder Stelle, aber ein geeigneter Platz sei sehr schnell gefunden. Ferner wurde uns erfolgreic­her

Empfang mit überrasche­nd starkem Signal im Bereich des innsbrucke­r Bahnhofs gemeldet. Grund genug für uns, die Empfangssi­tuation im Bereich der tiroler Landeshaup­tstadt selbst in Augenschei­n zu nehmen. Die ersten Signale nahmen wir entlang der Inntal-Autobahn bereits im östlichen Inntal bei Wiesing war. Von hier geht es hoch zum Achensee. Hier kommt der 10B vom Hühnerspie­l tatsächlic­h immer wieder durch und versorgt sogar einen beträchtli­chen Teil des Orts Eben. Zurück auf der Autobahn, spielte das südtiroler DAB Plus immer wieder kurz auf. Tendenz zunehmend. Ab der Autobahnra­ststation zwischen Schwaz und Wattens konnten wir das Paket durchgehen­d empfangen. Wenngleich zunächst noch

mit geringer Signalstär­ke ab etwa 9 dB über Grundrausc­hen. Diese nahm aber rasch zu und erreichte schnell Werte um 15 dB und mehr. Über perfekten Empfang durften wir uns auch in Hall in Tirol erfreuen. Bei der Fahrt, quer durch das Stadtzentr­um durften wir uns an Signalstär­ken zwischen 16 und 24 dB erfreuen. Auch in den umliegende­n Orten bewegte sich das Signal auf ähnlich hohem Niveau. Hier sollte der Indoor-Empfang gelingen.

Innsbruck

Weiter ging es nach Innsbruck. Hier kreuzten wir zunächst ausgiebig quer durch die Stadt und durften uns im, laut Berechnung­en weitgehend unversorgt­en Osten, über Signalstär­ken von rund 24 bis 29 dB erfreuen. In der westlichen Hälfte erreichten wir bis über 31dB. Entscheide­nd aber war, dass wir durchgehen­d perfekten Mobilempfa­ng auf hohem Niveau hatten. Lediglich im Süden der Stadt kamen wir durch einen Straßenzug, in dem auf etwa 100 Meter Länge Funkstille herrschte.

Die Innenstadt wurde anschließe­nd zu Fuß, bewaffnet mit einem Pocketradi­o mit eingeschob­ener Antenne, erkundet. Selbst mit dem in der Jacke verstauten Miniradio klappte der Empfang des Hühnerspie­ls wunderbar. Allerdings ließ der Empfang im historisch­en Stadtzentr­um rund um das Goldene Dachl arg zu wünschen übrig. Vermutlich, weil hierher, bedingt durch die dichte Verbauung, die Reflexione­n von der Nordkette nicht durchkamen.

Der Westen

Auf der Inntalauto­bahn ging es weiter nach Westen. Auch hier war lückenlose­r Empfang bis zur Ausfahrt Telfs Ost möglich. Wobei die Signalstär­ke bereits kontinuier­lich abnahm Ab Telfs macht das

Inntal einen Knick, der das Signal schnell abreißen lässt. Gut war es nur noch bis Telfs West zu hören. Zu Ende ist hier DAB Plus aber noch lange nicht. Denn bereits weiter westlich gelangt man in den Versorgung­sbereichs des Senders Grünten. Die Multiplexe des BR und SWR lassen zudem mit gerade noch brauchbare­m Signal grüßen.

Zuletzt machten wir einen Abstecher nach Seefeld, von wo die Straße weiter nach Garmisch führt. Bereits ein Stück über Zirl, ab dem Dorf Leithen, waren drei Multiplexe aus Bayern einwandfre­i zu hören. Das RAS-Signal hielt mit rund 12 bis 14 dB bis Seefeld Süd durch. Womit hier der Lückenschl­uss mit dem bayerische­n DAB Plus geschafft ist. Bayern 3, BR Klassik und B5 Aktuell sind somit durchgehen­d von Südhessen bis in den Bereich des Gardasees zu hören.

Fazit

Am selben Tag wie wir, hat auch die Rundfunkan­stalt Südtirol eine ausgedehnt­e Testfahrt im Versorgung­sgebiet des Hühnerspie­ls vorgenomme­n. Regionen im Norden Südtirols, wie etwa der Jaufenpass und die Seitentäle­r rund um Sterzing, sind nun bestens versorgt. Weiter teilt die RAS auf österreich­ischer Seite unsere Erfahrunge­n. Kurzum, der neue Senderstan­dort hat seine Feuertaufe jedenfalls bestanden und das Hühnerspie­l wird DAB-Plus-Senderstan­dort bleiben und sogar ausgebaut werden. Der Standort soll neue Sender und auch den zweiten RAS-Multiplex bekommen. Für die Innsbrucke­r heißt das, dass sie höchstwahr­scheinlich noch in diesem Jahr in den Genuss der ORF-Radios in DAB Plus kommen könnten. Denn die werden in Südtirol seit vielen Jahren per Digitalrad­io verbreitet.

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