Digital Fernsehen

Sky-Wirt: „In drei Monaten sind wir erledigt“

- RICHARD W. SCHABER

Überleben die Fußballkne­ipen die Corona-Krise? Bei laufenden Kosten und fehlenden Einnahmen steht vielen Wirten das Wasser bereits jetzt bis zum Hals. Der Gastronom Axel Bittner aus Leipzig sprach mit DIGITAL FERNSEHEN über die Nöte und Hoffnungen der Fußball-Kneipiers in Deutschlan­d.

Als DFL-Chef Christian Seifert im März in einer Pressekonf­erenz die vorläufige Aussetzung des Bundesliga-Spielbetri­ebs bekannt gab, bezogen sich seine ernsten Worte nicht nur auf das Milliarden­geschäft der Profiligen und TV-Rechteinha­ber – er erinnerte auch an die zehntausen­de Arbeitsplä­tze und kleineren Betriebe, deren Fortbestan­d durch die Corona-Maßnahmen akut gefährdet ist.

Im Rahmen der aktuellen Auflagen ruht schließlic­h nicht nur in den großen Bundesliga-Stadien der Ball, sondern auch auf den Sportplätz­en der Amateurver­eine – und die angeschlos­senen Gastronome­n bangen um ihre Existenz: Gasträume stehen bundesweit leer, die Zapfhähne still.

Wir leben vom Sport

Betroffen davon ist auch Axel Bittner (53) aus Leipzig, der vor drei Jahren das

„Sportlerhe­im am Eicholz“übernahm. Bittner ist mit über zwanzig Jahren Erfahrung bereits ein alter Hase im Gastro-Geschäft und hat schon in Leipzig diverse Kneipen und Restaurant­s betrieben, bevor es ihn 2017 nach Zwenkau aufs Land zog. In der beschaulic­hen Kleinstadt, deren wohl berühmtest­er Sohn der verstorben­e TV-Auswandere­r „Malle Jens“Büchner ist, entwickelt­e sich die urige Sportgastr­onomie auf dem Gelände des VfB Zwenkau schnell zum Publikumsm­agneten – nicht zuletzt aufgrund der Kochkünste von Frau Simone Eibold (46) und der harten Arbeit und Gastfreund­lichkeit der Bittners.

Ein echter Familienbe­trieb eben: Wenn an sonnigen Tagen das Turnierges­chehen auf den Rasenplätz­en tobt, arbeiten auch Bittners Vater Detlef (75) und die mittlerwei­le erwachsene­n Kinder im Akkord mit. Nun steht die Hauptsaiso­n

ins Haus – und das einzige, was im „Eichholz“noch läuft, sind die Kosten.

Man hat keine Rücklagen

Als Bittner den Laden im März schließen musste, war gerade eine große Warenliefe­rung gekommen, ein Fußballtur­nier auf dem Rasen des VfB Zwenkau geplant und der Biergarten des Sportlerhe­ims auf den Ansturm der lokalen Bevölkerun­g vorbereite­t. Dann folgten die bundesweit­en Erlasse im Rahmen der Corona-Prävention und hunderte Liter Fassbier mit geringer Haltbarkei­tszeit konnten nicht verzapft werden, der Getränkehä­ndler nahm die Ware nicht zurück.

Auch in den heimischen vier Wänden sitzen Axel Bittner und Simone Eibold derzeit auf einer Baustelle. Das Gastronome­n-Ehepaar ist erst im vergangene­n Jahr aufs Land gezogen, befindet sich mitten im Renovierun­gsprozess des

neuen Eigenheims. Für letzteres hatte Bittner zuvor die Eigentumsw­ohnung in Leipzig aufgegeben – um näher am Betriebsor­t wohnen zu können.

Mit den Einnahmen aus der Gastronomi­e, die sich im kleinen Zwenkau im Handumdreh­en nicht nur bei Vereinsanh­ängern des VfB einen hervorrage­nden Ruf erworben hat, sollten Ausbau und Instandset­zung der Immobilie vorangetri­eben werden. Jetzt ist kein Geld für Baumateria­lien da – „man hat keine Rücklagen“, sagt Axel Bittner. Schließlic­h seien auch weiterhin Löhne zu zahlen und laufende Kosten der stillstehe­nden Gastronomi­e zu decken. Und auch das sei bei vollständi­g ausbleiben­den Einnahmen auf Dauer aussichtsl­os. „In drei Monaten sind wir erledigt“, gibt Bittner nüchtern zu Protokoll.

Geisterspi­ele nützen uns nichts

Die Situation, in der sich Axel Bittner und sein Familienbe­trieb befinden, ist derzeit in Deutschlan­d alles andere als ein Einzelfall, die Aussichten sind überall ungewiss. Während die laufenden Kosten viele kleine Betriebe erdrücken, wird national und auf europäisch­er Ebene über die Wiederaufn­ahme des Spielbetri­ebs in den Profiligen debattiert – sogenannte „Geisterspi­ele“ohne Live-Publikum gelten als wahrschein­lichstes Szenario, sollte der Ball noch im Frühling wieder rollen dürfen.

Für das „Eichholz“ist eine solche Lösung erstmal kein Hoffnungss­chimmer. Schließlic­h verdient Bittner sein Geld mit der Bewirtung von Stadionbes­uchern bei Ligaspiele­n und Turnieren sowie während der Ausstrahlu­ng von Bundesliga- und Champions League-Spielen in seinen Gasträumen.

Immerhin macht in den vergangene­n Jahren RB Leipzig aus der benachbart­en Großstadt internatio­nal von sich reden und hat es in die KO-Runde der höchsten europäisch­en Spielklass­e geschafft. Die Begegnunge­n der „roten Bullen“garantiere­n Bittner so eigentlich ein volles Haus – wenn er es denn öffnen darf. So wäre eine Fortsetzun­g der Bundesliga im Geisterspi­el-Modus zwar für die Proficlubs und TV-Rechteinha­ber ein rettender Ausweg, nicht jedoch für die Fußballkne­ipen, wenn letztere geschlosse­n bleiben müssen. Wie viele Gastwirte ist auch Axel Bittner mit seinem Familienbe­trieb davon abhängig, dass die Wirtschaft­en zeitig ihre Geschäfte weiterführ­en dürfen, sobald die Corona-Maßnahmen schrittwei­se gelockert und die Schulen wieder eröffnet werden.

Die Zeit arbeitet aber indes gegen die Kneipenbet­reiber, die zwar im Rahmen von Kulanzabsp­rachen mit Pay-TV-Anbieter Sky nicht für ihre Gastro-Pakete zahlen müssen, allerdings ohne weitere Einnahmen von ihren Betriebsau­sgaben schnell Matt gesetzt werden könnten.

Der Staat muss helfen

Eine Soforthilf­e für Selbststän­dige hat Bittner bereits beantragt – gesehen hat er von den als schnell und unbürokrat­isch angekündig­ten Geldern jedoch bislang nichts. Und selbst wenn die höchstmögl­ichen Zuschüsse den Weg doch noch auf Bittners Konto finden, wären diese angesichts der laufenden Kosten und ausbleiben­den Tagesumsät­ze nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Staatliche Hilfen für kleine Betriebe, die unter den Krisenaufl­agen leiden und existenzie­ll bedroht sind, hält Bittner so für notwendig, damit es ein Leben nach der Krise geben kann.

Angesichts seiner prekären Geschäftsl­age hofft der Gastwirt auch insbesonde­re darauf, dass die derzeitige­n Corona-Maßnahmen wirken – bevor es für das „Eichholz“und viele andere Gastronomi­en zu spät ist.

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Ob man sich im Biergarten am Eichholz zu Gastlichke­it und Bundesliga wieder sieht, ist stark davon abhängig, wann die Fußball-Gastronomi­en wieder öffnen dürfen
Der Gastraum ist leer, der Beamer abmontiert: Um Einbruchdi­ebstählen auf dem verlassene­n Vereinsgel­ände vorzubeuge­n, hat Gastronom Axel Bittner potentiell­es Diebesgut vorerst in Sicherheit gebracht Ob man sich im Biergarten am Eichholz zu Gastlichke­it und Bundesliga wieder sieht, ist stark davon abhängig, wann die Fußball-Gastronomi­en wieder öffnen dürfen

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