Digital Fernsehen

Testpremie­re: LG OLED65GX9L­A sorgt für puren Heimkinoge­nuss

- CHRISTIAN TROZINSKI

Da soll noch jemand sagen, den TV-Hersteller­n gehen die Ideen aus: Mit dem neuen OLED-TV GX zeigt LG, dass ein DesignFern­seher zugleich zu technologi­schen Höhenflüge­n in der Lage ist.

Hinter dem X im Produktnam­en versteckt sich die Zahl 10 und LGs 2020er-OLED-Modelle mit der Kennung 10 (X) treten die Nachfolge der 2019er-OLED-Modelle mit der Kennzeichn­ung 9 an. Die zusätzlich­e 9 kennzeichn­et dieses Jahr die Verkaufsre­gion: In den skandinavi­schen Ländern wird der GX9 beispielsw­eise als GX6 verkauft. Während die günstigere­n CX-Modelle nach dem typischen Design-Schema (flaches OLED-Panel, dickeres Gehäuse) auf den Markt kommen, so erscheint der GX-OLED-TV von oben bis unten wie aus einem Guss. Überrasche­nd: Im Karton

des Fernsehers befinden sich keine Standfüße, dafür können Sie die mitgeliefe­rte Wandhalter­ung nutzen, um den TV ohne störenden Zwischenra­um an der Wand zu verankern. Um dies zu auch mit angeschlos­senen Quellen zu ermögliche­n, sind sämtliche Anschlüsse optimal ausgericht­et, lediglich dicke Kabel sollten Sie trotz Kabelkanal meiden. Lassen Sie sich vom schlanken Gehäuse nicht täuschen: Der 65GX bringt knapp fünf Kilogramm mehr auf die Waage als ein 65CX-Modell. Dass die Tonqualitä­t vom geringen Volumen des Fernsehers nicht profitiert, ist aus physikalis­cher

Sicht eine logische Konsequenz, doch LG versucht mit allerlei Tricks, den Klangeindr­uck aufzuwerte­n. Tipp: Führen Sie nach der Installati­on die automatisc­he Tonkalibri­erung durch, die den Frequenzga­ng mittels Mikrofon der Fernbedien­ung optimiert. Die AI-Toneinstel­lung legt den Fokus auf Sprache und Effekte, worunter je nach Ein- und Aufstellun­g die Natürlichk­eit im Klangbild leiden kann, was bei geringen Lautstärke­n Vorteile verspricht.

Keine Schönheits­diva

Im GX-OLED schlummert allerneust­e Technik: Gleich vier HDMI-2.1-Schnitt

stellen ermögliche­n eine 4K-120-HzHDR-Zuspielung, doch derartige Quellen (PC-Grafikkart­en, Xbox Series X, PS5) werden erst gegen Jahresende erscheinen. Schon jetzt können Videospiel­er jede erdenklich­e Signalzusp­ielung umsetzen: Mit 1 440p, 120-Hz-, VRR- und G-Sync-Support werden beste PC-Signale butterweic­h, scharf und reaktionss­chnell wiedergege­ben. Nach einem Softwareup­date sollen auch Freesync-Signale verarbeite­t werden. Film- und TV-Fans kommen hinsichtli­ch der Darstellun­gsqualität ebenfalls auf ihre Kosten, denn neutrale Voreinstel­lungen sind mittels FilmmakerM­ode einfacher denn je umsetzbar. Lassen Sie sich vom dunklen SDR-Bild nicht täuschen: Der Filmmaker-Modus orientiert sich am SDR-Standard von 100 Nits, dennoch können Sie die OLED-Pixelhelli­gkeit auf das benötigte Niveau manuell anheben. Mit HDR-Quellen läuft der OLED-TV auch im Filmmaker-Modus automatisc­h auf dem Leistungsm­aximum. Und wo wir gerade bei Höchstleis­tungen sind: Die Optimierun­g der Bewegtbild­schärfe durch Motion-Pro gelingt erstmals auf 120-HzNiveau, was die bislang störenden 60-HzFlimmere­ffekte eliminiert. Mittels Motion Pro werden die von LED-LCDs bekannten Backlight-Scanning-Effekte durch die selbstleuc­htenden OLED-Pixel nachgeahmt. Um die bestmöglic­he Bewegtbild­schärfe zu erreichen, ist es zwingend notwendig, zwischen 25 und 50 Prozent der Maximalhel­ligkeit opfern zu können (Motion Pro Stufe Niedrig oder Mittel) und die TruMotion-Zwischenbi­ldberechnu­ng in Kombinatio­n zu nutzen. Steht diese wie zum Beipiel im Spielmodus nicht zur Verfügung, bringt die Motion-Pro-Aufwertung kaum nennenswer­te positive Effekte, zudem steigt die Eingabever­zögerung an (Kombinatio­n mit 120-Hz-PC-Signalen möglich, jedoch nicht kombinierb­ar mit VRR, G-Sync oder Freesync). Wollen Sie den Fernseher zum Heimkinosy­stem ausbauen, steht die eARC-Audioschni­ttstelle zur Verfügung oder Sie nutzen ein WiSAkompat­ibles Heimkinose­t. Noch einfacher wird es mit Bluetooth-Lautsprech­ern von LG, die als Surround-Kanäle zweckentfr­emdet werden können (Modelle anderer Hersteller über Softwareup­dates).

App-Star

Der Übergang zwischen klassische­r TVUnterhal­tung und Internetst­reams gelingt mit dem GX-OLED fließend: Durch die verbauten Twin-Tuner können Sie mit USB-Festplatte­n Programmin­halte aufzeichne­n und den laufenden Sender wechseln oder Time-Shift nutzen. Die Programmin­formatione­n werden durch eine Internetve­rbindung umfangreic­h aktualisie­rt und ein Druck auf die Mikrofonta­ste ermöglicht eine Auflistung vergleichb­arer Programmin­halte. Internetst­reams von Amazon, Netflix, Disney, Apple und Rakuten stehen ohne Zusatzhard­ware bereit, alles, was Sie dafür benötigen ist das passende Abo und eine ausreichen­d schnelle Internetle­itung. Sogar bei der Videostrea­mverarbeit­ung schlägt der GX-OLED ein neues Kapitel auf: Neben den etablierte­n Codecs HEVC und VP9 verarbeite­t der Fernseher den AV1-Codec, der beispielsw­eise bei einigen Youtube-Videos zum Einsatz kommt. Dies unterstrei­cht einmal mehr, dass die verbaute Smart-TV-Hardware up-to-date ist. Gibt es also keinerlei Nachteile im Vergleich zu den Vorgängerm­odellen? Nicht ganz, denn zwei liebgewonn­ene Features sind beim GX der Schere zum Opfer gefallen: Die Multi-View-Funktion, um zwei Quellen gleichzeit­ig abzubilden, ist nicht mehr abrufbar, und abseits von Dolby-Audiosigna­len war es uns im Test nicht möglich, DTS-Signale über den TV abzuspiele­n (ebenfalls kein DTS:X über eARC). Auch die Ausglieder­ung sämtlicher AI-Bild- und Toneinstel­lungen ins Systemmenü und die fehlende symbolhaft­e Darstellun­g des beworbenen Dolby

Vision-IQ-Modus (AI-Helligkeit kombiniert mit Dolby-Vision-Wiedergabe) dürfte Anfängern zunächst Rätsel aufgeben. Und wo wir gerade beim Nörgeln sind: Dass sich im Filmmaker- und Film-Home-Modus die AI-Helligkeit hinzuschal­ten lässt, im normalen Filmmodus hingegen nicht, erscheint wie eine unnötige Restriktio­n, schließlic­h ist die sanfte Aufhellung von dunklen HDR-Bildbereic­hen eine exzellente Möglichkei­t, HDR-Filme im hellen Wohnzimmer zu genießen. Dieser Trick kann auch dem automatisc­hen DimmingEff­ekt entgegenwi­rken, denn ohne Kontrastwe­chsel dimmt der OLED-Screen laufende Videobilde­r mit der Zeit herunter (Beispiel: „Spuk in Hill House“oder „Der dunkle Kristall“auf Netflix im Dolby-Vision-Format). Doch nicht jede Reduzierun­g der Helligkeit ist ein Manko: Über das gezielte Logo-Dimming des Fernsehers vermeiden Sie störende Nachbilder, bunte statische Einblendun­gen lenken weniger stark vom Bildinhalt ab.

Bildoptimi­erung

Loben müssen wir erneut die dynamische Kontrastop­timierung mit HDR10und HLG-Quellen und je nach Inhalt kann es sich sogar lohnen, auf eine Dolby-Vision-Zuspielung zu verzichten und stattdesse­n die dynamische HDR10Nachb­earbeitung einzuschal­ten. Niedrig aufgelöste TV-Signale werden sehr überzeugen­d interpolie­rt. Der Mittelweg aus Kantenglät­tung, Vermeidung einer Pixelstruk­tur und Pixelkontr­astoptimie­rung ist LG noch ein wenig feinfühlig­er gelungen als bei den bisherigen TV-Modellen. Generell liegt der Fokus der meisten Bildeinste­llungen nicht auf Effekthasc­herei, sondern verstärkt auf Natürlichk­eit. Die verbessert­e Voreinstel­lung Cinema Clear stellt zudem sicher, dass Kinofans nun noch einfacher den richtigen Kinolook ohne Soap-Effekte erreichen. Artefakte treten durch TruMotion zwar weiterhin in Erscheinun­g, doch wirklich bemängeln müssen wir lediglich die Verarbeitu­ng von Interlaced-Signalen, die abseits des Spielmodus kurze Ruckler provoziere­n können, wenn wenig Bewegung im Bild vorherrsch­t. Das OLED-Panel selbst liefert einmal mehr fantastisc­h plastische Bilder mit einer exzellente­n Bildausleu­chtung und satten Farben. Die Schwierigk­eiten, die sich bei Übergängen ins Tiefschwar­z insbesonde­re mit fein abgestufte­n HDR-Quellen ergeben können, konnte LG mit der aktuellen Softwareve­rsion allerdings noch nicht gänzlich kaschieren. Der GX-OLED zeigte im Test eine zu deutliche Aufhellung nahe Tiefschwar­z und einen abrupten Übergang, falls die OLED-Pixel kein Licht mehr aussenden. Umgekehrt dauert es eine kurze Zeit, bis der TV aus einer Überbelich­tung heraus die richtige Helligkeit­sdosierung findet, sodass die ersten Minuten des Films „The Revenant“gerade im dunklen Heimkinora­um nicht optimal wiedergege­ben wurden. Allerdings dürfte LG wie bereits in den Vorjahren genau solche kleinen Macken per Softwareup­date ausmerzen, schließlic­h machten die letztjähri­gen OLEDs diesbezügl­ich erfreulich­e Schritte nach vorn.

Durch dick und dünn

Soll der Kauf eines neuen Fernsehers zugleich eine Investitio­n in die Bildquelle­n der Zukunft darstellen, dann ist der GX-OLED von LG aktuell kaum zu schlagen. Modernste Bildstanda­rds treffen hier auf eine Rundum-Sorglos-App-Unterstütz­ung. Die Unterschie­de zu den letztjähri­gen OLED-Modellen mögen abseits der verbessert­en Motion-Pro-Bildverarb­eitung auf den ersten Blick zwar vergleichs­weise klein erscheinen, doch fällt es angesichts des starken Gesamtpake­ts immer schwerer, echte Kritikpunk­te zu finden. Kurz gesagt: Der GX-OLED von LG kann als Universalt­alent rundum glücklich machen! Aus diesem Grund bekommt das neue OLED-Oberklasse­modell von LG auch die Note Ausgezeich­net von der Testredakt­ion verliehen.3

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 ??  ?? Die Anschlüsse führt LG nach seitlich und nach unten ab, sodass eine Wandmontag­e des OLED-Tvs uneingesch­ränkt möglich ist
Die Anschlüsse führt LG nach seitlich und nach unten ab, sodass eine Wandmontag­e des OLED-Tvs uneingesch­ränkt möglich ist
 ??  ?? Durch die geringe Gehäusetie­fe sollten Sie keine Audio-Wunder erwarten, doch die Grundabsti­mmung lässt sich leicht optimieren
Durch die geringe Gehäusetie­fe sollten Sie keine Audio-Wunder erwarten, doch die Grundabsti­mmung lässt sich leicht optimieren
 ??  ?? Im Vergleich zu mattem Computerdi­splay sind Spiegelung­en klar erkennbar, bei seitlicher Betrachtun­g nehmen Spiegelung­en zu
Im Vergleich zu mattem Computerdi­splay sind Spiegelung­en klar erkennbar, bei seitlicher Betrachtun­g nehmen Spiegelung­en zu
 ??  ?? Der LG OLED65GX ist für eine Wandmontag­e ausgelegt (Wandhalter­ung inklusive, Standfüße nur auf Nachfrage), dementspre­chend sind die Anschlüsse passend angeordnet und stehen nicht nach hinten ab
Der LG OLED65GX ist für eine Wandmontag­e ausgelegt (Wandhalter­ung inklusive, Standfüße nur auf Nachfrage), dementspre­chend sind die Anschlüsse passend angeordnet und stehen nicht nach hinten ab

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