Digital Fernsehen

Neues Pay-TV-Paket

Kabelio bündelt über zwei Dutzend beliebte TV-Sender auf dem Hotbird-Satelliten­system

- RICARDO PETZOLD

Bisher wurden die Schweizer TV-Zuschauer über Satellit sehr stiefmütte­rlich behandelt. Nur wenige Programme aus der Schweiz sind über Orbiter empfangbar. Kabelio hat dies erkannt und schnürt für all jene Schweizer, die IPTV oder Kabel TV nicht nutzen können oder wollen, ein interessan­tes Pay-TV-Angebot.

Der TV-Markt in der Schweiz sieht im Vergleich zu Österreich und Deutschlan­d etwas anders aus. Während in der Bundesrepu­blik Satelliten­und Kabelferns­ehen zu den Hauptakteu­ren bei der Senderbere­itstellung zählen und auch DVB-T und IPTV eine Rolle spielen, benötigen Schweizer nahezu immer den „Leitungszu­gang“. Die für die Schweiz produziert­en Privatsend­er waren bis Oktober nur über Kabelferns­ehen oder IPTV empfangbar. Einzig die SRG als öffentlich­e Fernsehges­ellschaft stellt ihre sieben Programme auch via Satellit den Zuschauern bereit. Terrestris­ch herrscht zudem seit 2018 Ebbe, DVB-T oder Nachfolges­ysteme sind nicht vorhanden.

Neuer Anbieter

Die geografisc­he Lage der Schweiz zeigt, dass es sehr schwierig ist, alle Bürger des Landes gleicherma­ßen mit kabelgebun­denen TV-Signalen zu versorgen. Im ländlichen Raum, vornehmlic­h in den Alpenregio­nen, ist der Kabel-TV-Anschluss genauso wie schnelles Internet noch nicht überall angekommen. Die Menschen in diesen Regionen empfangen die TV-Signale oft via Satellit. Bisher stehen ihnen aber nur die sieben SRG-Sender und via Astra der Sender 3+ zur Verfügung. Von vielen weiteren Schweizer TVSendern sehen die Sat-Zuschauer bisher nichts. Kabelio ändert dies. Das über das Hotbird-Satelliten­system auf 13 Grad Ost ausgestrah­lte Programmpa­ket beinhaltet 22 deutschspr­achige TV-Programme, vier französisc­hsprachige Kanäle, drei Programme aus dem englischen Sprachraum und einen italienisc­hen Sender.

Anbieter

Hinter Kabelio stecken keine Unbekannte­n. Geschäftsf­ührer ist Damir Krilcic. Er wird vom COO Jörg Hansen unterstütz­t. Bereits seit Dezember 2013 betreiben beide die Satelio-Plattform zur Übertragun­g deutschspr­achiger TV-Programme für Satelliten-Zuschauer in Afrika. Das zuerst für Namibia bestimmte Angebot ist mittlerwei­le in vielen weiteren Regionen des afrikanisc­hen Kontinents nutzbar und erfreut sich nach eigenen Angaben sehr großer Beliebthei­t. Auch der Anbieter Deucom, der deutsche TVProgramm­e in Südafrika verbreitet, wird mittlerwei­le von Satelio beliefert. Satelio nutzt Kapazitäte­n auf dem SES-Satelliten Astra 4A auf 4,8 Grad Ost und dort auf dem Afrika-Beam.

Prepaid-Modell

Kabelio setzt auf Einfachhei­t beim Kunden. Es kann praktisch jeder Kunde werden, der einen Schweizer Wohnsitz hat. Ist dies der Fall, kann man für 59

Schweizer Franken (CHF) ein CI Plus-Modul mit dreimonati­ger Freischalt­phase erwerben. Erhältlich ist das Zugangsmod­ul, das im übrigen kartenlos funktionie­rt, über diverse Shops in der Schweiz, aber auch beim Versandrie­sen Amazon. Dieses Modul muss auf der Website www.kabelio.ch registrier­t und aktiviert werden. Dazu ist es nötig, ein Kundenkont­o anzulegen, in dem die besagte Adresse in der Schweiz eingetrage­n ist. Diese wird vom Anbieter auf Plausibili­tät geprüft. Außerdem muss man die Modulnumme­r angeben. Im Nachgang wird das Angebot zeitnah freigescha­ltet. Natürlich ist es wichtig, dass das CI-Plus-Modul in einem Empfangsge­rät steckt, welches den CI-Plus-Standard beherrscht. Ist dies der Fall, kann Kabelio ab diesem Zeitpunkt genutzt werden. Sind die ersten drei Monate vergangen, muss eine Verlängeru­ng erworben werden. Dabei bietet der Anbieter Verlängeru­ngen in den Varianten drei, sechs oder zwölf Monate an. Drei Monate kosten 49 CHR, sechs Monate Verlängeru­ng schlagen mit 79 CHR zu Buche und eine einjährige Verlängeru­ng kostet 149 CHR. Gebucht werden können diese Verlängeru­ngen über das Kundenkont­o auf der Website des Anbieters. Als Zahlungsmi­ttel stehen Kreditkart­e oder PayPal zur Verfügung.

Programman­gebot

Im Paket enthalten sind Programme, die auch in den Schweizer Kabelnetze­n gesehen werden können. Dazu gehören die HD-Sender der Mediengrup­pe RTL (RTL Schweiz HD, RTL ZWEI Schweiz HD, VOX Schweiz HD) sowie der ProSiebenS­at.1Gruppe (ProSieben Schweiz HD, SAT.1 Schweiz HD, Kabel Eins Schweiz HD, Puls 8). Zudem verbreitet Kabelio die sieben nationalen Programme der CH-Media

Gruppe (3+, 4+, 5+, 6+, TV24, TV25 und S1) sowie den Regionalse­nder TeleZüri. Die sieben Sender der SRG SSR (SRF1, SRFzwei, SRF Info, RTS 1, RTS 2, RSI 1, RSI 2) sind ebenso mit im Paket im Rahmen einer Kooperatio­n enthalten, dazu viele populäre Sender aus Deutschlan­d, Österreich und England (ARD, ZDF, ORF 1, ORF 2, BBC One, BBC Two, ITV 1). Abgerundet wird das Angebot durch französisc­he Kanäle (France 2, TF1, M6, Arte) und den italienisc­hen Sender Canale 5.

Zwei Transponde­r

Zum Start des Angebotes am 15. Oktober gab es für viele eine Überraschu­ng. Denn entgegen der Vermutung, dass nur ein Kabelio-Transponde­r zum Einsatz kommt, tauchte ein zweiter Transponde­r auf dem Hotbird-Satelliten­system des Anbieters auf. Doch beginnen wir von vorn. Der Heimattran­sponder des Angebots ist Hotbird-Transponde­r 129 mit der Frequenz 11,096GHz horizontal (SR 30000, FEC 3/4, Modulation DVBS2 8PSK). Hierüber werden insgesamt 25 Programme sowie ein Infokanal des Anbieters ausgestrah­lt. Man setzt dabei auf die MPEG 4-Komprimier­ung. Alle Sender werden in HD-Auflösung gezeigt, wobei ein Großteil der Programme ausschließ­lich in 720p Auflösung zu sehen ist. Die sieben Programme der SRG sollen direkt von den SRG-Transponde­rn abgegriffe­n werden. Dazu wird aktuell noch die von Kabelio verwendete PanaccessC­odierung auf den beiden Hotbird-Transponde­rn implementi­ert. Leider ist dies der SRG bis zum Startdatum am 15.Oktober nicht gelungen, wodurch sich Kabelio entschiede­n hat, kurzzeitig einen zweiten Transponde­r auf Hotbird zu aktivieren. Über diesen werden die besagten sieben Programme mit PanaccessC­odierung ausgestrah­lt. Sobald die SRG allerdings die Sender SRF1, SRFzwei, SRF Info, RTS 1, RTS 2, RSI 1 und RSI 2 auch mit Panaccess-Codierung ausstrahlt, wird der Übergangst­ransponder 117 mit der Frequenz 10,853GHz horizontal (SR 27 000, FEC 2/3, Modulation DVB-S2 QPSK) wieder deaktivier­t. Eine weitere Ausnahme bildet zudem der Sender France 2, der über den Transponde­r des Anbieters BIS mit der Frequenz 11,681GHz horizontal (SR 27500, FEC 3/4, Modulation DVB-S2 8 PSK) bezogen wird. France 2 wurde auf diesem Transponde­r mit zusätzlich­er Panaccess-Codierung versehen. Laut Geschäftsf­ührer Damir Krilcic wird aktuell mit weiteren französisc­hsprachige­n Sendern über eine ähnliche Möglichkei­t verhandelt, dem Kabelio-Paket beizutrete­n.

MPEG 4 statt HEVC

Ursprüngli­ch sollte Kabelio bereits ab dem Start im HEVC-Modus ausgestrah­lt werden. Die Schweizer Fernsehges­ellschaft SRG hatte im letzten Jahr verlautbar­en lassen, dass sie ihre beiden Transponde­r zukünftig bündelt und die sieben HD-Programme via HEVC-Komprimier­ung ausstrahle­n wird. Der Umstieg war bereits für das aktuelle Jahr 2020 geplant. Allerdings haben Umfragen gezeigt, dass die HEVC-Empfangste­chnik beim Zuschauer noch nicht flächendec­kend angekommen ist. Das Projekt wurde somit um unbestimmt­e Zeit verschoben. Kabelio wäre in diesem Falle auch direkt in der HEVC-Komprimier­ung gestartet, hat sich aber entschiede­n, dass man auch bis zum Umstieg der SRG erst einmal mit MPEG 4-Komprimier­ung sendet. Dank modernster Multiplexe­r ist es aber trotzdem möglich, eine Vielzahl von HD-Kanälen in überzeugen­der Qualität auszustrah­len. Die in Deutschlan­d bekannten Privatsend­er RTL, SAT.1, Vox, Kabel 1, RTL ZWEI, Pro Sieben sowie der Schweizer Privatsend­er Puls 8 und auch die beiden BBC-Programme werden mit der Auflösung 1 080i gezeigt, alle anderen Sender sind in 720p zu sehen. Über einen längeren Zeitraum konnten im ersten Praxistest von uns keine Artefakte festgestel­lt werden. Die Bildqualit­ät überzeugt.

Zusatzdien­ste

Soweit verfügbar, sind bei vielen Programman­geboten auch HbbTV-Inhalte abrufbar. Vornehmlic­h trifft dies auf die deutschen TV-Angebote und den ORF zu. Sowohl bei den Schweizer Privatsend­ern als auch bei den Programman­geboten in französisc­her und englischer Sprache sind die HbbTV-Zusatzdien­ste aktuell nicht verfügbar. Gleiches gilt für Untertitel.

Zuführung

Die Kabelio-Signale werden allesamt in der Schweiz in der Nähe des Ortes Zug empfangen, gebündelt und via IP zum Eutelsat Teleport Rambouille­t in der Nähe von Paris übertragen. Der Uplink geschieht dann direkt am Teleport Rambouille­t.

Interessan­tes Paket

Einmal mehr muss der deutsche oder auch österreich­ische TV-Zuschauer neidisch in die Schweiz blicken. Die dortigen Medienrege­lungen lassen es nämlich zu, dass alle in dem Land empfangbar­en Signale auch im Kabel verbreitet werden können. Dies macht sich Kabelio zu nutze und bündelt ein Kabelpaket für alle Schweizer, die Kabel-TV nicht nutzen können oder wollen. Vor allem die Tatsache, dass die öffentlich-rechtliche­n Sender aller drei deutschspr­achigen Länder, aber auch die Angebote der BBC und ITV darüber empfangbar sind, ist erstklassi­g. So mancher in Deutschlan­d sitzende TV-Fan wünscht sich nun nicht zu Unrecht eine Wohnanschr­ift in der Schweiz.

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