Weniger Datenraten im Hörfunk: ARD schaltet Radiotransponder ab
Mit Ende 2021 gehört der ARD-Radiotransponder der Geschichte an. Inzwischen haben die ARD-Hörfunkwellen neue Transponder auf Astra 19,2 Grad Ost bezogen. Nicht gerade zu ihrem Vorteil.
Seit 19. August 2005 werden die ARD-Hörfunkprogramme auf dem Astra-Transponder 93 auf 12,266 GHz horizontal (SR 27 500; FEC 3/4; DVB-S/QPSK) gemeinsam mit ARD Alpha und dem SR Fernsehen in SD ausgestrahlt. Mit Ende dieses Jahres wird der ARD-Radiotransponder abgeschaltet. Künftig erfolgt die Übertragung der ARDHörfunkwellen auf zwei für HD-TV genutzten DVB-S2-Transpondern. Bereits zum 1. Juli 2021 wurden auf Transponder 39 auf 11,053 GHz horizontal die Programme des BR, SWR, WDR, NDR, sowie RB und des SR und auf 10,891 GHz horizontal jene des HR, MDR und RBB, vorerst als Probebetrieb bis zum 20.7.2021, aufgeschaltet. Beide Transponder nutzen dieselben Übertragungsparameter: Symbolrate 22 000, FEC 2/3, DVB-S2/8PSK.
Zeitgemäße Übertragungstechnik
Auf dem ARD-Radiotransponder werden die Hörfunkprogramme im MPEG-1 Layer2-Audioformat, kurz MP2, übertragen. Dieses erfüllt zwar nach wie vor bestens seine Aufgabe, gilt aber längst als überholt. MP2 ist ein Vorläufer von MP3 (MPEG-1 Audio Layer 3) und verfügt im Vergleich zu neueren Standards nur über eine geringe Effizienz, weshalb für hervorragendes Audio auch vergleichsweise hohe Bitraten
benötigt werden. Die neue Übertragungstechnik DVB-S2, sowie das effektivere Komprimierungsverfahren MPEG-4 sorgen gemeinsam mit der Audiocodierung AACLC für eine deutlich effizientere Übertragung, die unter Beibehaltung der gleichen Audioqualität nur noch die halben Datenrate dafür benötigt. Nüchtern betrachtet geht es ausschließlich darum, Übertragungskosten einzusparen, indem die ARD künftig mit einem Satellitentransponder weniger das Auslangen findet. Die auf der 12,266 GHz horizontal aufgeschalteten Programme werden einfach auf andere ARD-Transponder umgeschichtet. Allzu viel Platz ist auf ihnen allerdings nicht mehr frei. Das sichtbarste Zeichen dafür ist ARD Alpha, dessen Stationskennung mit Juli auf der 12,266 GHz horizontal auf „ARD-alpha bis 14.12.2021 zu HD wechseln“geändert wurde. Womit bei diesem Sender heimlich still und leise auch die SD-Abschaltung mit 14. Dezember vollzogen wird. Das SR Fernsehen in SD hat inzwischen auf dem ARD-Transponder auf 12,422GHz horizontal (SR 27500, FEC 3/4, DVB-S) eine neue Übergangsheimat gefunden.
Qualität
Laut ARD sorgt AAC-LC für eine sehr gute Audioqualität bei niedrigen Bitraten. Aus
Erfahrungen aus der Vergangenheit weiß man, dass diese etwa auf die Hälfte im Vergleich zu MPEG-1 Layer-2 reduziert werden könnten. Auf dem alten Radiotransponder kommen die ARD-Radios mit Ausnahme einiger Infosender durchweg mit einer Datenrate von 320 kBit/s. Die 5.1-Surround-Kanäle der Klassiksender werden zusätzlich in Dolby Audio mit 448 kBit/s ausgestrahlt. Beides sorgt für eine beispiellos gute Audioqualität.
Auf den neuen Transpondern kommen die ARD-Wellen im Durchschnitt mit Datenraten um 120 kBit/s. Diese sind nicht konstant, sondern sind leichten Schwankungen in der Größenordnung von etwa plus/ minus 5 kBit/s unterworfen. Manche Receiver können im Übrigen deutlich größere Schwankungsbandbreiten, von etwa 110 bis über 180 kBit/s, anzeigen. Gegenchecks mit der PC-Empfangssoftware 4T2 Content Analyser, TS Analyser und EBS Pro belegen das allerdings nicht. Nachdem die neuen Übertragungsparameter etwa doppelt so effizient wie auf dem alten Radiotransponder sind, müssten die neuen Datenraten jedenfalls bei 160 kBit/s liegen, um eine vergleichbare Audioqualität bieten zu können. Die mit 120 kBit/s erreichte liegt klanglich jedenfalls unter dem, wofür die ARD-Radios bislang so hohe Anerkennung geerntet hatten.
Mit Ausnahme von BR-Klassik sind alle Kulturwellen auf den neuen Transpondern nur noch mit einem Audiokanal präsent. Dieser belegt eine durchschnittliche Datenrate von etwa 250 kBit/s. Zumindest hier gibt das Audio keinen Grund zur Klage. Die unter Berücksichtigung der effizienteren Übertragungsparameter dennoch erfolgte Reduzierung der Bitrate kann auch als Zeichen verstanden werden, dass die ARD der Verbreitung ihrer Hörfunkwellen künftig weniger Beachtung beimisst. Als Rechtfertigung kann sie den doch recht geringen Anteil der Radiohörer via Astra heranziehen. Diese bewegt sich im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Am Ende werden es gerade jene sein, die besonderen Wert auf guten Ton legen. Dass diese allgemein in der Minderheit sind, ist bekannt. Schade, dass sie am Ende doch stiefmütterlich behandelt werden.
Zunächst Tests
Die Aufschaltung der ARD-Radios auf die beiden neuen Transponder sorgte anfangs bei den Hörern für ziemliches Kopfzerbrechen. Denn während der bis 20. Juli andauernden Testphase wurden erst die Übertragungsparameter der einzelnen Programme so angepasst, dass sie auch leicht empfangbar wurden. Anfangs war die Wiedergabe auf den meisten Ka
nälen meist stark bis extrem gestört, indem das Audio bis zu mehrere Male pro Sekunde kurz aussetzen konnte. Bei den Programmen des HR musste man zudem bis über 30 Sekunden warten, bis nach dem Kanalwechsel überhaupt ein gestörtes Audio zu hören war. Wobei nicht jede Box gleich stark betroffen war. Einige hatten nur bei einer Handvoll Programmen Probleme, mit anderen waren alle ARDRadios unhörbar. Erst im Laufe von etwa einer Woche bekamen die ARD-Anstalten diese Unzulänglichkeiten in den Griff. Zu bemängeln ist lediglich die etwas unüberlegte Vorgehensweise, die Programme auf dem Radiotransponder bereits mit „alt“zu markieren, während diese auf den neuen Frequenzen noch nicht funktionierten.
Benötigtes Equipment
Mit der alten DVB-S-Box wird man die ARD-Radios über Astra ab dem 14. Dezember 2021 nicht mehr hören können. Nachdem auf den neuen Frequenzen in DVB-S2 gesendet wird, braucht es zwingend einen HD-Receiver. Unseren Erfahrungen nach kommt es zumindest bei älteren HD-Boxen auf die aufgespielte Software-Version an. So war es uns etwa mit einem alten Dr.HD F15 mit der Softwareversion 1.16 vom April 2011 nicht möglich, die ARD-Radios auf den neuen Transpondern zu hören. Sie wurden zwar eingelesen, schaltete man aber auf deren Wiedergabe, wurde man mit der Bildschirmeinblendung „kein Audio/kein Video“konfrontiert und bekam nichts zu hören. Mit den letzten veröffentlichten Softwareversionen klappt auch mit dem F15 die Wiedergabe.
Mit zumindest halbwegs aktuellen HDoder UHD-Receivern klappt der Empfang einwandfrei. Neue HD-Boxen, selbst solche von Markenherstellern, gibt es inzwischen für kleines Geld. Mitunter kosten diese nicht einmal 30 Euro. Womit es heute absolut keinen Grund mehr gibt, der alten DVB-S-Box weiter die Treue zu halten. Schließlich bekommt man mit einem HD-Receiver nicht nur weiter die ARD-Radios, sondern auch viele frei empfangbare deutschsprachige TV-Programme in HD-Qualität.
Fazit
Die ARD betreibt auf Astra 19,2 Grad Ost fünf Transponder in DVB-S2 für HD-Fernsehen. Da sei die Frage erlaubt, ob man die Hörfunkkanäle nicht auf mehrere als zwei Transponder hätte aufteilen können? Denn am Ende ist es ja egal, ob die Programme nun über zwei oder drei oder vier Transponder kommen. Könnte man so die Datenrate bei den Programmen soweit anheben, dass ihre Audioqualität auch künftig dem entsprechen würde, womit wir während der letzten 15 Jahre verwöhnt worden waren, hätte sich der Aufwand gelohnt. So jedenfalls hat der
Wechsel der ARD-Radios auf die beiden neuen Transponder einen eher zweifelhaften Charme.