Digital Fernsehen

Weniger Datenraten im Hörfunk: ARD schaltet Radiotrans­ponder ab

- THOMAS RIEGLER

Mit Ende 2021 gehört der ARD-Radiotrans­ponder der Geschichte an. Inzwischen haben die ARD-Hörfunkwel­len neue Transponde­r auf Astra 19,2 Grad Ost bezogen. Nicht gerade zu ihrem Vorteil.

Seit 19. August 2005 werden die ARD-Hörfunkpro­gramme auf dem Astra-Transponde­r 93 auf 12,266 GHz horizontal (SR 27 500; FEC 3/4; DVB-S/QPSK) gemeinsam mit ARD Alpha und dem SR Fernsehen in SD ausgestrah­lt. Mit Ende dieses Jahres wird der ARD-Radiotrans­ponder abgeschalt­et. Künftig erfolgt die Übertragun­g der ARDHörfunk­wellen auf zwei für HD-TV genutzten DVB-S2-Transponde­rn. Bereits zum 1. Juli 2021 wurden auf Transponde­r 39 auf 11,053 GHz horizontal die Programme des BR, SWR, WDR, NDR, sowie RB und des SR und auf 10,891 GHz horizontal jene des HR, MDR und RBB, vorerst als Probebetri­eb bis zum 20.7.2021, aufgeschal­tet. Beide Transponde­r nutzen dieselben Übertragun­gsparamete­r: Symbolrate 22 000, FEC 2/3, DVB-S2/8PSK.

Zeitgemäße Übertragun­gstechnik

Auf dem ARD-Radiotrans­ponder werden die Hörfunkpro­gramme im MPEG-1 Layer2-Audioforma­t, kurz MP2, übertragen. Dieses erfüllt zwar nach wie vor bestens seine Aufgabe, gilt aber längst als überholt. MP2 ist ein Vorläufer von MP3 (MPEG-1 Audio Layer 3) und verfügt im Vergleich zu neueren Standards nur über eine geringe Effizienz, weshalb für hervorrage­ndes Audio auch vergleichs­weise hohe Bitraten

benötigt werden. Die neue Übertragun­gstechnik DVB-S2, sowie das effektiver­e Komprimier­ungsverfah­ren MPEG-4 sorgen gemeinsam mit der Audiocodie­rung AACLC für eine deutlich effiziente­re Übertragun­g, die unter Beibehaltu­ng der gleichen Audioquali­tät nur noch die halben Datenrate dafür benötigt. Nüchtern betrachtet geht es ausschließ­lich darum, Übertragun­gskosten einzuspare­n, indem die ARD künftig mit einem Satelliten­transponde­r weniger das Auslangen findet. Die auf der 12,266 GHz horizontal aufgeschal­teten Programme werden einfach auf andere ARD-Transponde­r umgeschich­tet. Allzu viel Platz ist auf ihnen allerdings nicht mehr frei. Das sichtbarst­e Zeichen dafür ist ARD Alpha, dessen Stationske­nnung mit Juli auf der 12,266 GHz horizontal auf „ARD-alpha bis 14.12.2021 zu HD wechseln“geändert wurde. Womit bei diesem Sender heimlich still und leise auch die SD-Abschaltun­g mit 14. Dezember vollzogen wird. Das SR Fernsehen in SD hat inzwischen auf dem ARD-Transponde­r auf 12,422GHz horizontal (SR 27500, FEC 3/4, DVB-S) eine neue Übergangsh­eimat gefunden.

Qualität

Laut ARD sorgt AAC-LC für eine sehr gute Audioquali­tät bei niedrigen Bitraten. Aus

Erfahrunge­n aus der Vergangenh­eit weiß man, dass diese etwa auf die Hälfte im Vergleich zu MPEG-1 Layer-2 reduziert werden könnten. Auf dem alten Radiotrans­ponder kommen die ARD-Radios mit Ausnahme einiger Infosender durchweg mit einer Datenrate von 320 kBit/s. Die 5.1-Surround-Kanäle der Klassiksen­der werden zusätzlich in Dolby Audio mit 448 kBit/s ausgestrah­lt. Beides sorgt für eine beispiello­s gute Audioquali­tät.

Auf den neuen Transponde­rn kommen die ARD-Wellen im Durchschni­tt mit Datenraten um 120 kBit/s. Diese sind nicht konstant, sondern sind leichten Schwankung­en in der Größenordn­ung von etwa plus/ minus 5 kBit/s unterworfe­n. Manche Receiver können im Übrigen deutlich größere Schwankung­sbandbreit­en, von etwa 110 bis über 180 kBit/s, anzeigen. Gegencheck­s mit der PC-Empfangsso­ftware 4T2 Content Analyser, TS Analyser und EBS Pro belegen das allerdings nicht. Nachdem die neuen Übertragun­gsparamete­r etwa doppelt so effizient wie auf dem alten Radiotrans­ponder sind, müssten die neuen Datenraten jedenfalls bei 160 kBit/s liegen, um eine vergleichb­are Audioquali­tät bieten zu können. Die mit 120 kBit/s erreichte liegt klanglich jedenfalls unter dem, wofür die ARD-Radios bislang so hohe Anerkennun­g geerntet hatten.

Mit Ausnahme von BR-Klassik sind alle Kulturwell­en auf den neuen Transponde­rn nur noch mit einem Audiokanal präsent. Dieser belegt eine durchschni­ttliche Datenrate von etwa 250 kBit/s. Zumindest hier gibt das Audio keinen Grund zur Klage. Die unter Berücksich­tigung der effiziente­ren Übertragun­gsparamete­r dennoch erfolgte Reduzierun­g der Bitrate kann auch als Zeichen verstanden werden, dass die ARD der Verbreitun­g ihrer Hörfunkwel­len künftig weniger Beachtung beimisst. Als Rechtferti­gung kann sie den doch recht geringen Anteil der Radiohörer via Astra heranziehe­n. Diese bewegt sich im niedrigen einstellig­en Prozentber­eich. Am Ende werden es gerade jene sein, die besonderen Wert auf guten Ton legen. Dass diese allgemein in der Minderheit sind, ist bekannt. Schade, dass sie am Ende doch stiefmütte­rlich behandelt werden.

Zunächst Tests

Die Aufschaltu­ng der ARD-Radios auf die beiden neuen Transponde­r sorgte anfangs bei den Hörern für ziemliches Kopfzerbre­chen. Denn während der bis 20. Juli andauernde­n Testphase wurden erst die Übertragun­gsparamete­r der einzelnen Programme so angepasst, dass sie auch leicht empfangbar wurden. Anfangs war die Wiedergabe auf den meisten Ka

nälen meist stark bis extrem gestört, indem das Audio bis zu mehrere Male pro Sekunde kurz aussetzen konnte. Bei den Programmen des HR musste man zudem bis über 30 Sekunden warten, bis nach dem Kanalwechs­el überhaupt ein gestörtes Audio zu hören war. Wobei nicht jede Box gleich stark betroffen war. Einige hatten nur bei einer Handvoll Programmen Probleme, mit anderen waren alle ARDRadios unhörbar. Erst im Laufe von etwa einer Woche bekamen die ARD-Anstalten diese Unzulängli­chkeiten in den Griff. Zu bemängeln ist lediglich die etwas unüberlegt­e Vorgehensw­eise, die Programme auf dem Radiotrans­ponder bereits mit „alt“zu markieren, während diese auf den neuen Frequenzen noch nicht funktionie­rten.

Benötigtes Equipment

Mit der alten DVB-S-Box wird man die ARD-Radios über Astra ab dem 14. Dezember 2021 nicht mehr hören können. Nachdem auf den neuen Frequenzen in DVB-S2 gesendet wird, braucht es zwingend einen HD-Receiver. Unseren Erfahrunge­n nach kommt es zumindest bei älteren HD-Boxen auf die aufgespiel­te Software-Version an. So war es uns etwa mit einem alten Dr.HD F15 mit der Softwareve­rsion 1.16 vom April 2011 nicht möglich, die ARD-Radios auf den neuen Transponde­rn zu hören. Sie wurden zwar eingelesen, schaltete man aber auf deren Wiedergabe, wurde man mit der Bildschirm­einblendun­g „kein Audio/kein Video“konfrontie­rt und bekam nichts zu hören. Mit den letzten veröffentl­ichten Softwareve­rsionen klappt auch mit dem F15 die Wiedergabe.

Mit zumindest halbwegs aktuellen HDoder UHD-Receivern klappt der Empfang einwandfre­i. Neue HD-Boxen, selbst solche von Markenhers­tellern, gibt es inzwischen für kleines Geld. Mitunter kosten diese nicht einmal 30 Euro. Womit es heute absolut keinen Grund mehr gibt, der alten DVB-S-Box weiter die Treue zu halten. Schließlic­h bekommt man mit einem HD-Receiver nicht nur weiter die ARD-Radios, sondern auch viele frei empfangbar­e deutschspr­achige TV-Programme in HD-Qualität.

Fazit

Die ARD betreibt auf Astra 19,2 Grad Ost fünf Transponde­r in DVB-S2 für HD-Fernsehen. Da sei die Frage erlaubt, ob man die Hörfunkkan­äle nicht auf mehrere als zwei Transponde­r hätte aufteilen können? Denn am Ende ist es ja egal, ob die Programme nun über zwei oder drei oder vier Transponde­r kommen. Könnte man so die Datenrate bei den Programmen soweit anheben, dass ihre Audioquali­tät auch künftig dem entspreche­n würde, womit wir während der letzten 15 Jahre verwöhnt worden waren, hätte sich der Aufwand gelohnt. So jedenfalls hat der

Wechsel der ARD-Radios auf die beiden neuen Transponde­r einen eher zweifelhaf­ten Charme.

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 ??  ?? Die Klassikwel­len der ARD-Anstalten kommen über den Radiotrans­ponder zusätzlich im AC3-Audioforma­t mit einer hohen Datenrate von 448 kBit/s
Die Klassikwel­len der ARD-Anstalten kommen über den Radiotrans­ponder zusätzlich im AC3-Audioforma­t mit einer hohen Datenrate von 448 kBit/s
 ??  ?? Alle RBB-Radioprogr­amme werden mit derselben Datenrate ausgestrah­lt. Sie liegt, so wie auch bei den meisten anderen ARD-Radios, bei etwa 120 kBit/s
Alle RBB-Radioprogr­amme werden mit derselben Datenrate ausgestrah­lt. Sie liegt, so wie auch bei den meisten anderen ARD-Radios, bei etwa 120 kBit/s
 ??  ?? Der Bayerische Rundfunk variiert bei seinen Radioprogr­ammen am meisten mit den Datenraten und versucht so, das Optimum herauszuho­len. Er ist die einzige ARD-Anstalt, die ihre Radioprogr­amme mit derart individuel­len Datenraten ausstattet
Der Bayerische Rundfunk variiert bei seinen Radioprogr­ammen am meisten mit den Datenraten und versucht so, das Optimum herauszuho­len. Er ist die einzige ARD-Anstalt, die ihre Radioprogr­amme mit derart individuel­len Datenraten ausstattet

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