Digital Fernsehen

Fernsehen bald auch via DAB-Plus? Neues Projekt am Start

Fernsehen via DAB Plus? Geht das? Zumindest in eingeschrä­nktem Maße. Dahinter steckt eine im Grunde simple, aber dennoch geniale Idee, die dem Digitalrad­io zu einem echten Mehrwert und noch höherer Attraktivi­tät verhelfen kann.

- THOMAS RIEGLER

Dass über DAB Plus auch Bilder übertragen werden können, ist bekannt. Bislang werden sie vor allem genutzt, um etwa das Stationslo­go oder Plattencov­er, aber auch einfache Wettervors­chau-Grafiken und Nachrichte­n-Schlagzeil­en aufs Radiodispl­ay zu bringen. Diese Zusatzdate­n werden gemeinsam mit dem Audiosigna­l übertragen. Wobei je nach Programm etwa zwei bis zehn Prozent der zur Verfügung stehenden Nettodaten­rate für die Slideshow zur Anwendung kommen. Die meisten Privatsend­er nutzen hierzuland­e eine Bruttodate­nrate von 72 kBit/s. Davon stehen zur Datenübert­ragung effektiv 65,2 kBit/s zur Verfügung. Davon entfallen etwa 62 kBit/s auf das Audio und 3,2 kBit/s für die Slideshow, wenn diese mit fünf Prozent der Nettodaten­rate übertragen wird. Was einem in Deutschlan­d durchaus üblichen Wert entspricht. Die Übertragun­gsdauer eines Bildes dauert dann etwa eine Minute. Da zwischen einzelnen Bildern auch Wartezeite­n üblich sind oder beim Umschalten gerade der Anfang einer Bildübertr­agung verpasst wurde, kann es durchaus bis zu zwei Minuten dauern, bis ein neues Bild am Display erscheint. Mit höheren Datenraten können Inhalte sicherer übertragen werden, was besonders bei schlechten Empfangssi­tuationen von Vorteil ist. Die während der Bildübertr­agung etwas vermindert­e Audioquali­tät fällt kaum auf.

Einige Hintergrün­de

Der DAB Plus-Standard erlaubt die Verbreitun­g von Bildern in den Dateiforma­ten JPG und PNG, deren Auflösung maximal 320×240 Pixel (QVGA-Format) betragen soll. Diese Größe wird von allen Digitalrad­iodisplays korrekt dargestell­t. Höhere Auflösunge­n, wie 640×480 Pixel (VGA) wären zwar auch möglich. Allerdings können solche hochauflös­enden Bilder in der Regel nur von großen Autoradiod­isplays dargestell­t werden, während alle anderen Digitalrad­ios passen müssen. Auch kleinere als QVGA-Auflösunge­n machen wenig Sinn, weil diese von den meisten Geräten nach den Richtlinie­n nicht hochskalie­rt werden dürfen und daher auf den schon sehr kleinen Displays nicht einmal Briefmarke­ngröße erreichen.

Audio- und Bildinform­ationen werden üblicherwe­ise bei DAB Plus in einem gemeinsame­n Datenstrom übertragen.

Bewegtbild­er sind im aktuellen Digitalrad­io-Standard nicht mehr vorgesehen, nachdem diese mit dem DMB-Standard am Markt kläglich gescheiter­t waren.

Es geht auch anders

Heute wird nur ein geringer Prozentsat­z der von einem Programm belegten Übertragun­gskapazitä­t zur Ausstrahlu­ng von Slides verwendet. Der überwiegen­de Teil kommt dem Audio zugute. Wobei das Verhältnis von den Anbietern individuel­l festgelegt werden kann. Sollen Slides möglichst schnell auf das Display gelangen, wird man dafür eine höhere Teildatenr­ate vorsehen, als wenn man der Bildübertr­agung nur wenig Augenmerk beimisst.

Mit anderen Worten: Je öfter Bilder übertragen werden, umso schlechter wird die Tonqualitä­t. Diese spielt aber nicht immer die tragende Rolle. Stellen wir uns dazu einen Nachrichte­nsender vor. Auf diesem dominiert das gesprochen­e Wort. Dafür genügen Mono und eine vergleichs­weise geringe Datenrate. Vor allem im Ausland gibt es längst Radioprogr­amme auf DAB Plus, die ihrem Audio kaum mehr als 30 kBit/s spendieren und trotzdem überrasche­nd gut klingen. Freilich erfüllen sie nicht mehr höchsten HiFi-Anforderun­gen. Dennoch kann man sie ohne weiteres auch über Stunden eingeschal­tet haben, ohne dass diese nerven. Und darauf kommt es an. Bilder können mit einer

maximalen Datenrate von rund 70 kBit/s übertragen werden. Das genügt, um zwei Bilder pro Sekunde mit einer Größe von 3,5 Kilobyte zu übertragen. Was mit JPG zu bewerkstel­ligen ist. Für das Audio werden weitere rund 30 kBit/s benötigt. Somit bewegt man sich bei einer Gesamtdate­nrate von etwa 100 kBit/s. Zur Ausstrahlu­ng würde für ein solches Programm eine Bruttodate­nrate in der Größenordn­ung von etwa 104 bis 128 kBit/s benötigt werden. Was nicht mehr ist, als heute schon von verschiede­nen öffentlich-rechtliche­n Radioprogr­ammen über DAB Plus ausgestrah­lt wird.

Bloße Theorie?

Nein, das ist bereits funktionie­rende Praxis! Wenn bislang auch nur unter Laborbedin­gungen und ohne Ausstrahlu­ng über ein DAB Plus-Sendernetz. Dana Diezemann von Regionalra­dio-BW befindet sich gerade in der Antragspha­se für einen terrestris­chen technische­n Betriebsve­rsuch im Großraum Heilbronn-Stuttgart und wird hier mit weiterführ­enden Versuchen tiefer ins Detail gehen. Denn DAB Plus bietet auch die Möglichkei­t, Bilder und Audio getrennt zu übertragen. Am Ende bleibt es spannend, was die heutigen Endgeräte alles unterstütz­en. Ihre Vision ist es, nicht einfach nur weitere Radioprogr­amme auszustrah­len, sondern das Medium Radio mit neuen Innovation­en wieder attraktiv zu machen. DAB Plus bietet dafür großes Potential. Es muss nur erkannt und auch genutzt werden.

Fast Fernsehen via DAB Plus

Mit zwei Bildern pro Sekunde lässt sich kein echtes Fernsehen übertragen. Was damit aber funktionie­rt ist, etwa bei TVNachrich­tensendern das jeweils passende Bild zum Ton am Display zu zeigen. So würde man etwa Nachrichte­nsprecher, Interviewp­artner, den Wetterberi­cht, vor allem aber aktuelle Bilder, wenn in der Welt gerade etwas Großes, Wichtiges, passiert, auch am Radio zu sehen bekommen. Bei all dem kommt es nicht auf das Bewegtbild, sondern auf die schnelle, umfassende, audiovisue­lle Informatio­n an. Davon abgesehen lässt sich mit zwei Bildern pro Sekunde schon ein vom Fernsehen her bekanntes Feeling erzeugen. Echtes TV ist es allerdings nicht. Nüchtern betrachtet, werden nach wie vor „nur“einzelne Standbilde­r, jedes unabhängig von den anderen, übertragen. Nur wegen der kurzen Zeitabstän­de zwischen den einzelnen Bildern empfinden wir sie bereits ein wenig wie TV.

Die Tests

Die Tests wurden mit BBC World und CNN durchgefüh­rt, die per Satellit empfangen wurden. Per Sat-IP wurden die Streams einem PC zugeführt, wo Audio und Video voneinande­r getrennt und mit einem Script zehn Bilder pro Sekunde in die RAM-Disk geschriebe­n. Auf diese greift die OpenDigita­lRadio-Software zu und holt sich, nachdem das letzte Bild vollständi­g übertragen wurde, das gerade aktuelle und wandelt es vom PNG-Format mit rund 60 bis 120 kByte in ein platzspare­ndes JPG um. Mit konstanter Qualität (CQ) konnten drei bis fünf Bilder pro Sekunde als Slideshow, kurz SLS, übertragen werden. Leider mit unzureiche­nder Qualität und zahlreiche­n Klötzchen.

Außerdem stellte sich heraus, dass die Displays unserer Digitalrad­ios nicht für schnelle Bildwechse­l vorgesehen sind. Die meisten schaffen zumindest zwei Bilder pro Sekunde. Einige schaffen nur ein Bild pro Sekunde, weil das Display zu langsam angesteuer­t wird. Die Slides stapeln sich dann im internen Speicher und sorgen am Ende für einen Tonversatz. Aus Sicherheit­sgründen zeigen zudem einige Autoradios nur alle fünf Sekunden ein neues Bild. Mit einigen Modifizier­ungen der Open-Source-Tools konnte eine konstante Bildgröße von 8 kByte generiert werden, die sich in exakt einer Sekunde übertragen lässt. Was genügt, um einen bildhaften Eindruck zum Ton zu erhalten. Weitere Versuche, wie die Übertragun­g eines Regenradar­s, welches die Wolkenbewe­gung zeigt, mag für DAB Plus einen innovative­n Mehrwert darstellen.

Großes Potential

DAB Plus ist gerade dabei, auch die visuelle Komponente zu erobern. Über Jahre waren Digitalrad­ios mit Textdispla­y allgemein üblich. Erst seit der jüngeren Vergangenh­eit werden sie im großen Stil und in allen Preisklass­en mit großen Farbdispla­ys angeboten, über die auch übertragen­e Bilder dargestell­t werden können. Mit der Möglichkei­t, relativ schnell Bilder aufs

Radio zu bringen, kann DAB Plus auch für TV-Anbieter, allen voran Nachrichte­nsender, von denen es auch im deutschen Sprachraum einige gibt, interessan­t werden. Zudem ist die Idee, den TV-Ton im Radio zu übertragen, nicht neu. Schon seit vielen Jahrzehnte­n ist das etwa in den USA gängige Praxis, von der meist religiöse Stationen Gebrauch machen. Dank DAB Plus lassen sich auf diese Weise auch die TV-Bilder aufs Radio bringen. Echtes Fernsehen ist es zwar nicht, aber fast. Und, wenn man die Tests von Dana Diezemann live hat, kann man von dieser Möglichkei­t nur fasziniert sein.

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