Fernsehen bald auch via DAB-Plus? Neues Projekt am Start
Fernsehen via DAB Plus? Geht das? Zumindest in eingeschränktem Maße. Dahinter steckt eine im Grunde simple, aber dennoch geniale Idee, die dem Digitalradio zu einem echten Mehrwert und noch höherer Attraktivität verhelfen kann.
Dass über DAB Plus auch Bilder übertragen werden können, ist bekannt. Bislang werden sie vor allem genutzt, um etwa das Stationslogo oder Plattencover, aber auch einfache Wettervorschau-Grafiken und Nachrichten-Schlagzeilen aufs Radiodisplay zu bringen. Diese Zusatzdaten werden gemeinsam mit dem Audiosignal übertragen. Wobei je nach Programm etwa zwei bis zehn Prozent der zur Verfügung stehenden Nettodatenrate für die Slideshow zur Anwendung kommen. Die meisten Privatsender nutzen hierzulande eine Bruttodatenrate von 72 kBit/s. Davon stehen zur Datenübertragung effektiv 65,2 kBit/s zur Verfügung. Davon entfallen etwa 62 kBit/s auf das Audio und 3,2 kBit/s für die Slideshow, wenn diese mit fünf Prozent der Nettodatenrate übertragen wird. Was einem in Deutschland durchaus üblichen Wert entspricht. Die Übertragungsdauer eines Bildes dauert dann etwa eine Minute. Da zwischen einzelnen Bildern auch Wartezeiten üblich sind oder beim Umschalten gerade der Anfang einer Bildübertragung verpasst wurde, kann es durchaus bis zu zwei Minuten dauern, bis ein neues Bild am Display erscheint. Mit höheren Datenraten können Inhalte sicherer übertragen werden, was besonders bei schlechten Empfangssituationen von Vorteil ist. Die während der Bildübertragung etwas verminderte Audioqualität fällt kaum auf.
Einige Hintergründe
Der DAB Plus-Standard erlaubt die Verbreitung von Bildern in den Dateiformaten JPG und PNG, deren Auflösung maximal 320×240 Pixel (QVGA-Format) betragen soll. Diese Größe wird von allen Digitalradiodisplays korrekt dargestellt. Höhere Auflösungen, wie 640×480 Pixel (VGA) wären zwar auch möglich. Allerdings können solche hochauflösenden Bilder in der Regel nur von großen Autoradiodisplays dargestellt werden, während alle anderen Digitalradios passen müssen. Auch kleinere als QVGA-Auflösungen machen wenig Sinn, weil diese von den meisten Geräten nach den Richtlinien nicht hochskaliert werden dürfen und daher auf den schon sehr kleinen Displays nicht einmal Briefmarkengröße erreichen.
Audio- und Bildinformationen werden üblicherweise bei DAB Plus in einem gemeinsamen Datenstrom übertragen.
Bewegtbilder sind im aktuellen Digitalradio-Standard nicht mehr vorgesehen, nachdem diese mit dem DMB-Standard am Markt kläglich gescheitert waren.
Es geht auch anders
Heute wird nur ein geringer Prozentsatz der von einem Programm belegten Übertragungskapazität zur Ausstrahlung von Slides verwendet. Der überwiegende Teil kommt dem Audio zugute. Wobei das Verhältnis von den Anbietern individuell festgelegt werden kann. Sollen Slides möglichst schnell auf das Display gelangen, wird man dafür eine höhere Teildatenrate vorsehen, als wenn man der Bildübertragung nur wenig Augenmerk beimisst.
Mit anderen Worten: Je öfter Bilder übertragen werden, umso schlechter wird die Tonqualität. Diese spielt aber nicht immer die tragende Rolle. Stellen wir uns dazu einen Nachrichtensender vor. Auf diesem dominiert das gesprochene Wort. Dafür genügen Mono und eine vergleichsweise geringe Datenrate. Vor allem im Ausland gibt es längst Radioprogramme auf DAB Plus, die ihrem Audio kaum mehr als 30 kBit/s spendieren und trotzdem überraschend gut klingen. Freilich erfüllen sie nicht mehr höchsten HiFi-Anforderungen. Dennoch kann man sie ohne weiteres auch über Stunden eingeschaltet haben, ohne dass diese nerven. Und darauf kommt es an. Bilder können mit einer
maximalen Datenrate von rund 70 kBit/s übertragen werden. Das genügt, um zwei Bilder pro Sekunde mit einer Größe von 3,5 Kilobyte zu übertragen. Was mit JPG zu bewerkstelligen ist. Für das Audio werden weitere rund 30 kBit/s benötigt. Somit bewegt man sich bei einer Gesamtdatenrate von etwa 100 kBit/s. Zur Ausstrahlung würde für ein solches Programm eine Bruttodatenrate in der Größenordnung von etwa 104 bis 128 kBit/s benötigt werden. Was nicht mehr ist, als heute schon von verschiedenen öffentlich-rechtlichen Radioprogrammen über DAB Plus ausgestrahlt wird.
Bloße Theorie?
Nein, das ist bereits funktionierende Praxis! Wenn bislang auch nur unter Laborbedingungen und ohne Ausstrahlung über ein DAB Plus-Sendernetz. Dana Diezemann von Regionalradio-BW befindet sich gerade in der Antragsphase für einen terrestrischen technischen Betriebsversuch im Großraum Heilbronn-Stuttgart und wird hier mit weiterführenden Versuchen tiefer ins Detail gehen. Denn DAB Plus bietet auch die Möglichkeit, Bilder und Audio getrennt zu übertragen. Am Ende bleibt es spannend, was die heutigen Endgeräte alles unterstützen. Ihre Vision ist es, nicht einfach nur weitere Radioprogramme auszustrahlen, sondern das Medium Radio mit neuen Innovationen wieder attraktiv zu machen. DAB Plus bietet dafür großes Potential. Es muss nur erkannt und auch genutzt werden.
Fast Fernsehen via DAB Plus
Mit zwei Bildern pro Sekunde lässt sich kein echtes Fernsehen übertragen. Was damit aber funktioniert ist, etwa bei TVNachrichtensendern das jeweils passende Bild zum Ton am Display zu zeigen. So würde man etwa Nachrichtensprecher, Interviewpartner, den Wetterbericht, vor allem aber aktuelle Bilder, wenn in der Welt gerade etwas Großes, Wichtiges, passiert, auch am Radio zu sehen bekommen. Bei all dem kommt es nicht auf das Bewegtbild, sondern auf die schnelle, umfassende, audiovisuelle Information an. Davon abgesehen lässt sich mit zwei Bildern pro Sekunde schon ein vom Fernsehen her bekanntes Feeling erzeugen. Echtes TV ist es allerdings nicht. Nüchtern betrachtet, werden nach wie vor „nur“einzelne Standbilder, jedes unabhängig von den anderen, übertragen. Nur wegen der kurzen Zeitabstände zwischen den einzelnen Bildern empfinden wir sie bereits ein wenig wie TV.
Die Tests
Die Tests wurden mit BBC World und CNN durchgeführt, die per Satellit empfangen wurden. Per Sat-IP wurden die Streams einem PC zugeführt, wo Audio und Video voneinander getrennt und mit einem Script zehn Bilder pro Sekunde in die RAM-Disk geschrieben. Auf diese greift die OpenDigitalRadio-Software zu und holt sich, nachdem das letzte Bild vollständig übertragen wurde, das gerade aktuelle und wandelt es vom PNG-Format mit rund 60 bis 120 kByte in ein platzsparendes JPG um. Mit konstanter Qualität (CQ) konnten drei bis fünf Bilder pro Sekunde als Slideshow, kurz SLS, übertragen werden. Leider mit unzureichender Qualität und zahlreichen Klötzchen.
Außerdem stellte sich heraus, dass die Displays unserer Digitalradios nicht für schnelle Bildwechsel vorgesehen sind. Die meisten schaffen zumindest zwei Bilder pro Sekunde. Einige schaffen nur ein Bild pro Sekunde, weil das Display zu langsam angesteuert wird. Die Slides stapeln sich dann im internen Speicher und sorgen am Ende für einen Tonversatz. Aus Sicherheitsgründen zeigen zudem einige Autoradios nur alle fünf Sekunden ein neues Bild. Mit einigen Modifizierungen der Open-Source-Tools konnte eine konstante Bildgröße von 8 kByte generiert werden, die sich in exakt einer Sekunde übertragen lässt. Was genügt, um einen bildhaften Eindruck zum Ton zu erhalten. Weitere Versuche, wie die Übertragung eines Regenradars, welches die Wolkenbewegung zeigt, mag für DAB Plus einen innovativen Mehrwert darstellen.
Großes Potential
DAB Plus ist gerade dabei, auch die visuelle Komponente zu erobern. Über Jahre waren Digitalradios mit Textdisplay allgemein üblich. Erst seit der jüngeren Vergangenheit werden sie im großen Stil und in allen Preisklassen mit großen Farbdisplays angeboten, über die auch übertragene Bilder dargestellt werden können. Mit der Möglichkeit, relativ schnell Bilder aufs
Radio zu bringen, kann DAB Plus auch für TV-Anbieter, allen voran Nachrichtensender, von denen es auch im deutschen Sprachraum einige gibt, interessant werden. Zudem ist die Idee, den TV-Ton im Radio zu übertragen, nicht neu. Schon seit vielen Jahrzehnten ist das etwa in den USA gängige Praxis, von der meist religiöse Stationen Gebrauch machen. Dank DAB Plus lassen sich auf diese Weise auch die TV-Bilder aufs Radio bringen. Echtes Fernsehen ist es zwar nicht, aber fast. Und, wenn man die Tests von Dana Diezemann live hat, kann man von dieser Möglichkeit nur fasziniert sein.