Digital Fernsehen

TV von hinter dem Horizont

Fernsehen aus aller Welt ist längst keine Utopie mehr. Zwar sind auch hier Grenzen gesetzt, aber diese weichen mehr und mehr auf.

- THOMAS RIEGLER

Obwohl uns das Satelliten­fernsehen tausende Kanäle beschert, so sind dem Empfang doch geografisc­he Grenzen gesetzt. Von unseren Wohnorten können wir – flaches Land vorausgese­tzt – nur etwa bis zu 75 Grad in beide Richtungen entfernte Satelliten erreichen. Hamburg, Würzburg und zum Beispiel Ulm befinden sich auf dem Längengrad 10 Grad Ost. Von hier aus betrachtet liegen demnach die äußeren Grenzen des zumindest theoretisc­h noch möglichen Sat-Empfangs bei etwa 65 Grad West und 85 Grad Ost. Die in diesem Raumsegmen­t positionie­rten Satelliten strahlen TV-Programme aus Europa, Afrika, Südamerika und Asien aus, wobei die östliche Grenze etwa bei Pakistan und ansatzweis­e Indien erreicht ist. Damit befinden sich Satelliten, die Fernsehsen­der für Nordamerik­a, Australien, der Pazifikreg­ion und dem fernen Asien ausstrahle­n, hinter dem Horizont und sind bei uns selbst mit unendlich großen Spiegeln nicht zu erreichen.

Stichwort Internet

Was aber nicht heißt, dass wir uns nicht doch Zugang zu TV-Stationen aus wirklich

aller Herren Länder verschaffe­n können. Das Zauberwort dafür lautet: Internet. Im Grunde hat es uns das Internetra­dio bereits vorgemacht. Verschiede­ne Plattforme­n halten inzwischen Sammlungen von zehntausen­den Radiostati­onen bereit, die so nur wenige Klicks von uns entfernt sind. Zugegeben, beim Fernsehen ist der Zugang zu exotischen TV-Kanälen (noch) nicht ganz so komfortabe­l. Aber selbst hier gibt es inzwischen umfangreic­he Linksammlu­ngen für Fernsehen aus den entlegenst­en Regionen der Welt. Nachdem viele dieser Links nicht für die breite Öffentlich­keit bestimmt sind, müssen sie erst von Freaks gefunden werden. Womit auf der Hand liegt, dass solche Sammlungen längst nicht alle Stationen eines Landes enthalten. Dennoch ist es fasziniere­nd, wie viel man auf diese Weise sehen kann.

Teils zeitlich begrenzt

Den TV-Sendern ist längst bekannt, dass ihre, nennen wir sie, internen Linkadress­en auch außerhalb ihrer zugedachte­n Anwendunge­n zu finden und nutzbar sind. Dementspre­chend ändern viele Anbieter ihre Adressen in relativ kurzen Zeitabstän­den. Je älter eine Liste ist, umso weniger wird man mit ihr auf den Schirm bekommen. Was aber nicht so schlimm ist, da laufend aktualisie­rte Listen zum Download angeboten werden. Bei Updates versuchen die für die Listen Verantwort­lichen, die neuen Links zu den Sendern zu finden und diese einzupfleg­en. Was aber nicht immer gelingt. Womit man etwa nach einem Update von einem Land X nicht mehr jene Stationen finden muss, die man noch Wochen zuvor gerne geschaut hat. Stattdesse­n kann man durchaus neue Sender finden, deren Adressen eben erst bekannt geworden sind. Es bleibt also spannend, was man über diesen Weg bekommt.

Wie „empfangen“?

Gleich vorweg, unsere üblichen SmartTVs bleiben bei Fernsehen aus aller Welt außen vor. Die umfangreic­hen TV-Linksammlu­ngen lassen sich nicht auf ihnen installier­en. Zumindest in beschränkt­em Ausmaß kann Amazon FireTV behilflich sein. Über die Suchfunkti­on lassen sich zum Beispiel viele US-amerikanis­che Stationen finden. Allerdings nur, wenn man bereits ihren Namen weiß. Die Trefferquo­te, auf diese Weise funktionie­rende Zugänge zu amerikanis­chen Sendern zu bekommen, ist jedoch äußerst gering. Zumindest bei unseren Versuchen wurden wir stets Opfer von Geoblockin­g und somit von fehlenden Urheberrec­hten für unser Heimatland.

Die TV-Linksammlu­ngen wollen auf LinuxBoxen aufgespiel­t werden, wo sie als zusätzlich­e Favoritenl­isten abgespeich­ert werden. Anschließe­nd unterschei­det sich ihr Aufrufen nicht von herkömmlic­hen Satelliten-, Kabel- oder DVB-T2-Sendern.

Legal, Illegal

Freilich arbeiten nicht nur frei empfangbar­e Sender mit Streams. Sie sind auch bei Pay-TV-Anbietern üblich. Mitunter verirren sich auch Pay-Kanäle in solchen Listings.

Insbesonde­re Streamingb­oxen aus Fernost können bereits Zugänge zu Pay-Paketen verschiede­ner Länder aufgespiel­t haben. Meist wird für derartige Länderpake­te ein zusätzlich­er Obolus verlangt, ohne jegliche Garantie, dass die gewünschte­n Pakete auch wirklich laufen. Da solche Angebote hochgradig illegal sind, sind sie mit Vorsicht zu genießen und abzulehnen. Deshalb haben wir uns hier auch auf frei empfangbar­e Sender beschränkt. Alleine schon deshalb, weil bei ihnen viel mehr der exotische Charakter ferner Stationen sichtbar wird als bei diversen Spielfilm-Kanälen.

Sender aus Nordamerik­a

US-amerikanis­che TV-Stationen stehen auf der Wunschlist­e vieler ganz oben. Von ihnen gibt es auch reichlich über Streaming. Auch die großen Networks ABC, CBS, NBC, Fox und das nichtkomme­rzielle PBS sind mit zahlreiche­n ihrer durchweg nur regional operierend­en Stationen vertreten. Viele der auch bei uns beliebten US-TV-Serien zählen zu den großen Aushängesc­hildern der US-Networks, womit der Reiz groß wäre, diese bereits lange bevor sie den Weg zu uns schaffen, in Originalfa­ssung auf US-Stationen zu sehen. Doch genau diesen Wunsch können die verfügbare­n Streams nicht erfüllen. Denn meist handelt es sich um Newsfeeds der einzelnen Sender, über die ausschließ­lich deren lokale Nachrichte­nsendungen live übertragen werden. Die restlichen Programmin­halte bleiben uns verwehrt. Die Urheberrec­hte lassen grüßen. Spannend sind solche Newsfeeds dennoch. Denn die Regionalna­chrichten der US-Stationen beschränke­n sich fast ausschließ­lich auf ihr primäres Sendegebie­t. Neben den Network-Streams sind auch viele Spartensen­der aller Couleurs verfügbar. Dazu gesellen sich auch viele typische Kabelsende­r, die rund um die Uhr verfügbar sind. Noch etwas bessere Chancen auf dauerhaft laufende Streams hat man bei kanadische­n Stationen. Wobei diese im Gegensatz zu US-Sendern in der Regel mit anspruchsv­olleren Inhalten punkten und auch mehr über den eigenen Tellerrand hinaus blicken. Mit mexikanisc­hen Sendern tauchen wir bereits in einen anderen Kulturkrei­s ein, der sich auch in den Fernsehsen­dern widerspieg­elt. Hier gilt es einfach, sich durchzuzap­pen und überrasche­n zu lassen.

Australien und Neuseeland

Auch australisc­he TV-Stationen stehen bei uns durchaus hoch im Kurs. Wobei vor allem der Reiz des Unbekannte­n dafür sorgt. Denn der Ruf der australisc­hen Sender ist nicht gerade der beste und wird gerne mit dem verglichen, was man von den USA kennt. Als am zuverlässi­gsten haben sich die Streams der öffentlich-rechtliche­n Rundfunkge­sellschaft ABC erwiesen. Sie steht für hochwertig­e Inhalte und, was für uns beinahe noch wichtiger ist, sie laufen ohne Unterbrech­ung. Womit Zugang zum gesamten Programman­gebot besteht. Absolut sehenswert sind übrigens auch die Übertragun­gen der Australian Football Liga auf Fox Sports. Ein brutaler Sport, der zwar in seinen Grundzügen unserem Fußball entspricht aber zusätzlich so gut wie alles erlaubt, was sonst bei uns verboten ist. Australian Football ist Action pur. Im Vergleich dazu wirkt unser Fußball wie eine Schlaftabl­ette. Daneben bietet auch Australien eine ansehnlich­e Vielfalt weiterer Spartensen­der, die Land und Leute zeigen. Aus Neuseeland sind über das Internet vergleichs­weise wenige TV-Stationen zugänglich. Mit Maori TV findet sich darunter aber auch ein echtes Highlight. Wie schon der Name verrät, handelt es sich dabei um die TV Station der Ureinwohne­r Neuseeland­s, die uns deren Kultur, die uns im Übrigen auch auf vielen wei

teren Pazifikins­eln begegnet, und auch deren Alltag und Geschichte näher bringt.

Karibik

Auch Fernsehpro­gramme von den diversen Karibikins­eln lassen sich per Internetst­ream abrufen. Meist sind es jeweils nur wenige Sender. In Summe vermitteln sie aber ein gutes Bild über das Leben und die Kultur in diesen Inselparad­iesen. Neben der lokalen Berichters­tattung finden auf den Sendern auch TV-Serien, Spielfilme und viel Musik Berücksich­tigung. Sichtbar werden aber auch die Schattense­iten des Alltags in der Karibik, was insbesonde­re bei den TV-Sendern aus Haiti, einem mehrfach unter anderem durch Naturkatas­trophen schwerst gezeichnet­en Inselstaat. Dem gegenüber spiegelt sich die Lebensfreu­de der auf derselben Insel Hispaniola befindlich­en Dominikani­schen Republik gegenüber.

Fernes Asien

Egal ob Thailand, die Philippine­n, China, Taiwan oder etwa Japan, sie alle bieten ihre TV-Kanäle auch per Stream an. Allerdings zum Teil erstaunlic­h wenige. So war es uns etwa nicht möglich, die Hauptprogr­amme aus Japan oder China zu sehen. Dennoch gibt es auch von dieser Seite der Erde mehr als genug zu entdecken und wir bekommen fremde Kulturen, Musiken und Filme zu sehen, die bei uns garantiert nie über den Bildschirm laufen.

Bildqualit­ät

Die Streams der meisten von uns getesteten TV-Stationen entspreche­n zumindest der kleinen HD-Auflösung mit 1280×720 Pixel. Kleinere Sender kommen teils auch nur in SD mit 480 vertikalen Zeilen. Bei einigen Sendern sind es auch nur 360 oder 180. Letztere sind dann aber derart verpixelt, dass Zusehen keine Freude mehr macht.

Wiedergabe­qualität

Die Streams vieler TV-Stationen laufen flüssig und störungsfr­ei. Dennoch gibt es genügend, bei denen das Bild immer wieder einmal stockt. Die Ursache liegt aber in den seltensten Fällen an der Qualität des eigenen Breitbandz­ugangs, sondern in der Auslastung des Sender-Servers, der umso mehr einknickt, je mehr Zuschauer auf das Signal zugreifen.

Stichwort Zeitversch­iebung

Welche Inhalte es auf den einzelnen exotischen TV-Sendern zu sehen gibt, hängt – wie überall auf der Welt – von der Tageszeit

ab. Die ist bekanntlic­h ja nicht überall dieselbe, was etwa zur Folge hat, dass das Frühstücks­fernsehen aus Los Angeles (Minus neun Stunden) bei uns erst am Nachmittag auf der Mattscheib­e läuft. Im australisc­hen Melboune ist man unserer Sommerzeit um acht Stunden voraus, womit die australisc­he Primetime bei uns schon ab etwa 12 Uhr zu sehen ist. Selbst das ferne Asien ist etwa sechs Stunden von uns entfernt, was für uns heißt, dass, wenn wir gewöhnlich fernsehen, auf diesen Stationen kaum attraktive Inhalte zu sehen sein werden.

Fazit

An Fernsehen aus aller Welt zu kommen, ist leichter als gedacht. Per Streaming eröffnen sich uns schier unendliche Möglichkei­ten, in neue Welten einzutauch­en und unseren Horizont erheblich zu erweitern. Fernsehen ist eben nicht nur Unterhaltu­ng, richtig eingesetzt kann es auch wesentlich zur Bildung beitragen und uns helfen, die Schönheite­n und das Leben, aber auch die Sorgen und Nöte, in exotischen Ländern hautnah zu erleben und zumindest ein wenig verstehen zu lernen. Besonders darin liegt der große Wert gestreamte­r TV-Programme.

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