Smart Factory
Das große Ganze im Blick
Langfristig konkurrenzfähig zu sein – dieses Ziel verfolgt wohl jedes Unternehmen. Die Digitalisierung und hier speziell das Zukunftsprojekt Industrie 4.0 der Bundesregierung erweisen sich als einzige Chance, die steigenden Anforderungen der Verbraucher zu erfüllen. Damit deren Wünsche hinsichtlich Flexibilität, Individualität und Effizienz wirtschaftlich umgesetzt werden können, vernetzen sich häufig die Unternehmen zunächst.
UM ZUKUNFTSFÄHIG zu bleiben, findet derzeit eine zunehmende Digitalisierung von Produkten, Prozessen und Dienstleistungen statt. „Vernetzung“sei hier als Stichwort genannt. Sie optimiert die Kooperation, Koordination und Transparenz über die komplette Wertschöpfungskette der beteiligten Parteien und über Unternehmensgrenzen hinweg. Ein derartiger Ansatz ist genauso kompliziert, wie er sich anhört. Denn seine Realisierung erfordert nicht nur neue Technologien, sondern auch bisher unbekannte Prozesse und Vorgehensweisen.
In diesem Umfeld können kleine Unternehmen kreativ sein und neue Ideen schnell verwirklichen. Mittelständischen und großen Betrieben stellt sich die Situation als größere Herausforderung dar. Für sie sind die Konsequenzen technologischer Veränderungen und neuartiger Geschäftsmodelle nicht immer sofort umzusetzen. Sie bewegen sich vielmehr in einem Spannungsfeld: Einerseits müssen die mittelständischen und großen Unternehmen dem Anspruch an Professionalität und Verlässlichkeit genügen. Gleichzeitig sind jedoch neue Räume für Kreativität zu schaffen und der Umgang mit Fehlern ist oftmals anders zu definieren.
Allseits vorteilhafter Informationsaustausch
Insgesamt bleibt festzustellen, dass sich Unternehmen öffnen müssen. Nur so können sie Lösungen entwickeln, die den Kunden einen echten Mehrwert bieten. Dafür braucht es unter anderem den Blick für das große Ganze – und nicht die ausschließliche Sicht auf bekannte Abläufe. Zur Erweiterung des eigenen Horizonts erweisen sich Netzwerke daher als sinnvoll. Dort können sich die Unternehmen ausprobieren, neue, auf die Kundenbedürfnisse fokussierte Ideen erarbeiten und diese dann technisch ausführen.
Phoenix Contact engagiert sich beispielsweise in übergreifenden Netzwerken wie die „Plattform Industrie 4.0“. Das Gemeinschaftsprojekt der Wirtschaftsverbände Bitkom, VDMA und ZVEI beschäftigt sich mit der Implementierung des Zukunftsprojekts Industrie 4.0 der Bundesregierung. In den Verbänden sind mehr als 6.000 Mitgliedsunternehmen aktiv. Die Plattform Industrie 4.0 wird von der Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sowie den Verbänden und Gewerkschaften getragen. Insgesamt bringen sich über 300 Akteure aus mehr als 150 Organisationen aktiv ein.
Ergänzend dazu gibt es lokale Netzwerke, die von Vereinen, Interessengruppen oder den örtlichen Industrie- und Handelskammern getrieben werden. Im Rahmen von Industrie 4.0 sind zudem viele von der Bundesregierung initiierte Kompetenzzentren in den Bundesländern entstanden. Abgerundet wird die Netzwerklandschaft durch die sogenannten Hubs. Sie führen unterschiedliche Interessengruppen zusammen und sorgen für einen allseits vorteilhaften Informationsaustausch. Den gemeinsamen Nenner der lokalen Netzwerke stellt der intensive Dialog in Bezug auf praxisnahe Lösungen dar. Hier wird nicht spezifiziert und definiert, sondern nach Best-practice-beispielen gesucht.
Als weiteres Beispiel für die Vernetzung seien regionale Cluster genannt, zum Beispiel der Spitzencluster it´s OWL (Intelligente Technische Systeme Ostwestfalenlippe). In diesem Technologienetzwerk führen Weltmarkt- und Technologieführer aus dem Maschinenbau, der Elektro- und Elektronik- sowie Automobilzulieferindustrie gemeinsam mit regionalen Forschungseinrichtungen konkrete Projekte durch. Dabei steht das Lernen von den anderen Protagonisten im Vordergrund. So ergeben sich neue Kooperationen und zahlreiche Industrie 4.0-Projekte finden ihren Anfang. Die Fragestellungen umfassen neben technischen Neuerungen veränderte Vertriebsprozesse und Marketingstrategien. In der ungezwungenen Arbeitsatmosphäre einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten können diese kritisch untersucht, verbessert und erprobt werden. Denn Industrie 4.0 stellt alle Unternehmen vor die gleichen Herausforderungen.
Erstes Industrie-4.0-projekt
Im Spitzencluster „it´s OWL“ist als ein erstes Industrie-4.0-projekt von Phoenix Contact die wandlungsfähige Produktionsanlage auf Basis eines durchgängigen Engineerings entstanden. Dies ist der Schlüssel zu einer effizienten Produktentwicklung, die lediglich dann gelingt, wenn die verschiedenen Engineering-werkzeuge über Schnittstellen sowie gemeinsame Datenformate und -quellen zusammenarbeiten.
Durch die Kombination standardisierter Formate – wie Automationml und ecl@ss – lässt sich die digitale Produktbeschreibung als Ergebnis des durchgängigen Engineerings anschließend in der Fertigung einsetzen. Auf dieser Grundlage ermöglicht die wandlungsfähige Produktionsanlage eine vereinfachte Planung, Inbetriebnahme und schnelle Anpassung an neue Anforderungen. Die meisten lokal tätigen Netzwerke sind leicht auffindbar. Sie bieten einen niederschwelligen Einstieg zur Mitarbeit an. Wer Innovationen an ihrem Entstehungsort mitgestalten möchte, der ist hier gut aufgehoben.
Neue Geschäftsmodelle entwickeln
Phoenix Contact treibt interdisziplinäre Projekte auch ohne öffentliche Plattform voran. Ein Beispiel hierfür ist die Kooperation mit dem Bielefelder Softwarehaus Solihde. Der Kontakt zwischen beiden Unternehmen kam über das „it´s Owl“netzwerk zustande. Ziel war es, neue Geschäftsmodelle zu konzipieren, die im Vergleich zu den aktuellen Ansätzen einen Mehrwert für den Kunden eröffnen.
In Zukunft werden vermehrt diejenigen Konzepte erfolgreich sein, die sich auf übergreifende Lösungen auf Basis durchgängig genutzter Daten fokussieren. Insbesondere im Bereich von Remote Support, Maintenance Management und Big-data-analysen gewinnt die Zusammenarbeit über Unternehmensgrenzen hinweg an Bedeutung. So werden dem Kunden Vorteile geboten, die ein einzelnes Unternehmen kaum zur Verfügung stellen kann. So starteten 2017 Solihde und Phoenix Contact ihr erstes gemeinsames Projekt im Bereich der präventiven Wartung. Durch die Verwendung von Sensordaten konnten von Verschleißteilen hervorgerufene Stillstandzeiten verhindert werden. Erprobt wurde in diesem Zusammenhang vor allem die Kommunikation zwischen der Proficloud von Phoenix Contact und der Cloud-lösung Ione von Solihdes. Im nächsten Schritt unterstützten die Partner Kunden dabei, eigene neue oder erweiterte Geschäftsmodelle zu erarbeiten, die danach mit verschiedenen Experten und Lösungen aus dem Netzwerk umgesetzt wurden. 2019 beschäftigen sich beide Unternehmen mit einem Konzept, dass die Erfassung, Überwachung und Auswertung von Prozessdaten über Cloud-systeme beinhaltet.
Zusammenspiel von It-systemen und Produktion
Ein reales Modell verdeutlicht das Zusammenspiel von IT und Produktion. Auf der Grundlage der Schalthäufigkeiten von Ventilen oder Pumpenlaufzeiten werden zum Beispiel Abweichungen erkannt, vor einem Ausfall der Geräte behoben und Wartungspläne optimiert. Es geht also um das Sammeln, Überwachen und intelligente Analysieren von Daten. Den entsprechenden Algorithmus von Solihde kann der Anwender im Plcnext Store von Phoenix Contact herunterladen und auf einer Plcnext-steuerung installieren.
Automatisierungsaufgaben und die jeweiligen Lösungsansätze gestalten sich immer komplexer. Daher werden Rollen neu definiert und Marktteilnehmer kooperieren, die bislang keine gemeinsame Wertschöpfungskette verbunden hat. Aus der Zusammenarbeit ergeben sich viele neue und innovative Konzepte. Welche digitale Agenda jedes Unternehmen für sich festlegt, wird letztlich dazu führen, ob es sich erfolgreich am Markt behaupten kann.
Dipl.-ing. Anja Moldehn, Corporate Marketing, Phoenix Contact Gmbh, Blomberg; Dipl.-ing. Jörg Olsen, Business Innovation Support, Phoenix Contact Gmbh, Blomberg.