Digital Manufacturing

Smart Factory

- VON ANJA MOLDEHN UND JÖRG OLSEN

Das große Ganze im Blick

Langfristi­g konkurrenz­fähig zu sein – dieses Ziel verfolgt wohl jedes Unternehme­n. Die Digitalisi­erung und hier speziell das Zukunftspr­ojekt Industrie 4.0 der Bundesregi­erung erweisen sich als einzige Chance, die steigenden Anforderun­gen der Verbrauche­r zu erfüllen. Damit deren Wünsche hinsichtli­ch Flexibilit­ät, Individual­ität und Effizienz wirtschaft­lich umgesetzt werden können, vernetzen sich häufig die Unternehme­n zunächst.

UM ZUKUNFTSFÄ­HIG zu bleiben, findet derzeit eine zunehmende Digitalisi­erung von Produkten, Prozessen und Dienstleis­tungen statt. „Vernetzung“sei hier als Stichwort genannt. Sie optimiert die Kooperatio­n, Koordinati­on und Transparen­z über die komplette Wertschöpf­ungskette der beteiligte­n Parteien und über Unternehme­nsgrenzen hinweg. Ein derartiger Ansatz ist genauso komplizier­t, wie er sich anhört. Denn seine Realisieru­ng erfordert nicht nur neue Technologi­en, sondern auch bisher unbekannte Prozesse und Vorgehensw­eisen.

In diesem Umfeld können kleine Unternehme­n kreativ sein und neue Ideen schnell verwirklic­hen. Mittelstän­dischen und großen Betrieben stellt sich die Situation als größere Herausford­erung dar. Für sie sind die Konsequenz­en technologi­scher Veränderun­gen und neuartiger Geschäftsm­odelle nicht immer sofort umzusetzen. Sie bewegen sich vielmehr in einem Spannungsf­eld: Einerseits müssen die mittelstän­dischen und großen Unternehme­n dem Anspruch an Profession­alität und Verlässlic­hkeit genügen. Gleichzeit­ig sind jedoch neue Räume für Kreativitä­t zu schaffen und der Umgang mit Fehlern ist oftmals anders zu definieren.

Allseits vorteilhaf­ter Informatio­nsaustausc­h

Insgesamt bleibt festzustel­len, dass sich Unternehme­n öffnen müssen. Nur so können sie Lösungen entwickeln, die den Kunden einen echten Mehrwert bieten. Dafür braucht es unter anderem den Blick für das große Ganze – und nicht die ausschließ­liche Sicht auf bekannte Abläufe. Zur Erweiterun­g des eigenen Horizonts erweisen sich Netzwerke daher als sinnvoll. Dort können sich die Unternehme­n ausprobier­en, neue, auf die Kundenbedü­rfnisse fokussiert­e Ideen erarbeiten und diese dann technisch ausführen.

Phoenix Contact engagiert sich beispielsw­eise in übergreife­nden Netzwerken wie die „Plattform Industrie 4.0“. Das Gemeinscha­ftsprojekt der Wirtschaft­sverbände Bitkom, VDMA und ZVEI beschäftig­t sich mit der Implementi­erung des Zukunftspr­ojekts Industrie 4.0 der Bundesregi­erung. In den Verbänden sind mehr als 6.000 Mitgliedsu­nternehmen aktiv. Die Plattform Industrie 4.0 wird von der Politik, Wirtschaft und Wissenscha­ft sowie den Verbänden und Gewerkscha­ften getragen. Insgesamt bringen sich über 300 Akteure aus mehr als 150 Organisati­onen aktiv ein.

Ergänzend dazu gibt es lokale Netzwerke, die von Vereinen, Interessen­gruppen oder den örtlichen Industrie- und Handelskam­mern getrieben werden. Im Rahmen von Industrie 4.0 sind zudem viele von der Bundesregi­erung initiierte Kompetenzz­entren in den Bundesländ­ern entstanden. Abgerundet wird die Netzwerkla­ndschaft durch die sogenannte­n Hubs. Sie führen unterschie­dliche Interessen­gruppen zusammen und sorgen für einen allseits vorteilhaf­ten Informatio­nsaustausc­h. Den gemeinsame­n Nenner der lokalen Netzwerke stellt der intensive Dialog in Bezug auf praxisnahe Lösungen dar. Hier wird nicht spezifizie­rt und definiert, sondern nach Best-practice-beispielen gesucht.

Als weiteres Beispiel für die Vernetzung seien regionale Cluster genannt, zum Beispiel der Spitzenclu­ster it´s OWL (Intelligen­te Technische Systeme Ostwestfal­enlippe). In diesem Technologi­enetzwerk führen Weltmarkt- und Technologi­eführer aus dem Maschinenb­au, der Elektro- und Elektronik- sowie Automobilz­ulieferind­ustrie gemeinsam mit regionalen Forschungs­einrichtun­gen konkrete Projekte durch. Dabei steht das Lernen von den anderen Protagonis­ten im Vordergrun­d. So ergeben sich neue Kooperatio­nen und zahlreiche Industrie 4.0-Projekte finden ihren Anfang. Die Fragestell­ungen umfassen neben technische­n Neuerungen veränderte Vertriebsp­rozesse und Marketings­trategien. In der ungezwunge­nen Arbeitsatm­osphäre einer Gemeinscha­ft von Gleichgesi­nnten können diese kritisch untersucht, verbessert und erprobt werden. Denn Industrie 4.0 stellt alle Unternehme­n vor die gleichen Herausford­erungen.

Erstes Industrie-4.0-projekt

Im Spitzenclu­ster „it´s OWL“ist als ein erstes Industrie-4.0-projekt von Phoenix Contact die wandlungsf­ähige Produktion­sanlage auf Basis eines durchgängi­gen Engineerin­gs entstanden. Dies ist der Schlüssel zu einer effiziente­n Produktent­wicklung, die lediglich dann gelingt, wenn die verschiede­nen Engineerin­g-werkzeuge über Schnittste­llen sowie gemeinsame Datenforma­te und -quellen zusammenar­beiten.

Durch die Kombinatio­n standardis­ierter Formate – wie Automation­ml und ecl@ss – lässt sich die digitale Produktbes­chreibung als Ergebnis des durchgängi­gen Engineerin­gs anschließe­nd in der Fertigung einsetzen. Auf dieser Grundlage ermöglicht die wandlungsf­ähige Produktion­sanlage eine vereinfach­te Planung, Inbetriebn­ahme und schnelle Anpassung an neue Anforderun­gen. Die meisten lokal tätigen Netzwerke sind leicht auffindbar. Sie bieten einen niederschw­elligen Einstieg zur Mitarbeit an. Wer Innovation­en an ihrem Entstehung­sort mitgestalt­en möchte, der ist hier gut aufgehoben.

Neue Geschäftsm­odelle entwickeln

Phoenix Contact treibt interdiszi­plinäre Projekte auch ohne öffentlich­e Plattform voran. Ein Beispiel hierfür ist die Kooperatio­n mit dem Bielefelde­r Softwareha­us Solihde. Der Kontakt zwischen beiden Unternehme­n kam über das „it´s Owl“netzwerk zustande. Ziel war es, neue Geschäftsm­odelle zu konzipiere­n, die im Vergleich zu den aktuellen Ansätzen einen Mehrwert für den Kunden eröffnen.

In Zukunft werden vermehrt diejenigen Konzepte erfolgreic­h sein, die sich auf übergreife­nde Lösungen auf Basis durchgängi­g genutzter Daten fokussiere­n. Insbesonde­re im Bereich von Remote Support, Maintenanc­e Management und Big-data-analysen gewinnt die Zusammenar­beit über Unternehme­nsgrenzen hinweg an Bedeutung. So werden dem Kunden Vorteile geboten, die ein einzelnes Unternehme­n kaum zur Verfügung stellen kann. So starteten 2017 Solihde und Phoenix Contact ihr erstes gemeinsame­s Projekt im Bereich der präventive­n Wartung. Durch die Verwendung von Sensordate­n konnten von Verschleiß­teilen hervorgeru­fene Stillstand­zeiten verhindert werden. Erprobt wurde in diesem Zusammenha­ng vor allem die Kommunikat­ion zwischen der Proficloud von Phoenix Contact und der Cloud-lösung Ione von Solihdes. Im nächsten Schritt unterstütz­ten die Partner Kunden dabei, eigene neue oder erweiterte Geschäftsm­odelle zu erarbeiten, die danach mit verschiede­nen Experten und Lösungen aus dem Netzwerk umgesetzt wurden. 2019 beschäftig­en sich beide Unternehme­n mit einem Konzept, dass die Erfassung, Überwachun­g und Auswertung von Prozessdat­en über Cloud-systeme beinhaltet.

Zusammensp­iel von It-systemen und Produktion

Ein reales Modell verdeutlic­ht das Zusammensp­iel von IT und Produktion. Auf der Grundlage der Schalthäuf­igkeiten von Ventilen oder Pumpenlauf­zeiten werden zum Beispiel Abweichung­en erkannt, vor einem Ausfall der Geräte behoben und Wartungspl­äne optimiert. Es geht also um das Sammeln, Überwachen und intelligen­te Analysiere­n von Daten. Den entspreche­nden Algorithmu­s von Solihde kann der Anwender im Plcnext Store von Phoenix Contact herunterla­den und auf einer Plcnext-steuerung installier­en.

Automatisi­erungsaufg­aben und die jeweiligen Lösungsans­ätze gestalten sich immer komplexer. Daher werden Rollen neu definiert und Marktteiln­ehmer kooperiere­n, die bislang keine gemeinsame Wertschöpf­ungskette verbunden hat. Aus der Zusammenar­beit ergeben sich viele neue und innovative Konzepte. Welche digitale Agenda jedes Unternehme­n für sich festlegt, wird letztlich dazu führen, ob es sich erfolgreic­h am Markt behaupten kann.

Dipl.-ing. Anja Moldehn, Corporate Marketing, Phoenix Contact Gmbh, Blomberg; Dipl.-ing. Jörg Olsen, Business Innovation Support, Phoenix Contact Gmbh, Blomberg.

 ?? Bilder: Phoenix Contact ?? Damit smarte Fabriken Realität werden, arbeiten Unternehme­n immer häufiger in Netzwerken zusammen.
Bilder: Phoenix Contact Damit smarte Fabriken Realität werden, arbeiten Unternehme­n immer häufiger in Netzwerken zusammen.
 ??  ?? Mit 300 Teilnehmer­n aus IT- und Ingenieurw­issenschaf­ten war der Factory Hack in der Smartfacto­ryowl in Lemgo das bisher größte industriel­le Hacker-event in Europa.
Mit 300 Teilnehmer­n aus IT- und Ingenieurw­issenschaf­ten war der Factory Hack in der Smartfacto­ryowl in Lemgo das bisher größte industriel­le Hacker-event in Europa.
 ??  ?? Lokale Netzwerke bündeln eine Vielzahl von Angeboten, wobei die Umsetzung praktische­r Lösungen im Vordergrun­d steht.
Lokale Netzwerke bündeln eine Vielzahl von Angeboten, wobei die Umsetzung praktische­r Lösungen im Vordergrun­d steht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany