Mit KI die Daten verbessern
Digitalisierung trotz mangelnder Datenqualität
Viele Fertigungsbetriebe lassen sich durch ihre vermeintlich schlechte Datenqualität von Digitalisierungsvorhaben abhalten. Doch häufig reicht der vorhandene Datenbestand aus, um wirkungsvolle Planungstools einzuführen. Künstlicher Intelligenz hilft, das Datenniveau zu heben und somit die Planungsgenauigkeit zu steigern.
WIRD DIE Fertigungsplanung komplexer, stoßen gängige Erp-systeme an ihre Grenzen. Gerade in der variantenreichen Einzel- und Kleinserienfertigung oder im Maschinen- und Anlagenbau ist dies oft der Fall. Intelligente Aps-systeme (Advanced Planning and Scheduling) schaffen Abhilfe. Während klassische Erp-systeme Daten lediglich verwalten, treffen diese Tools flexibel Planungs- und Dispositionsentscheidungen und schlagen optimale Handlungsempfehlungen vor. Dies funktioniert, weil Aps-systeme in der Lage sind, ein Netz von Fertigungsaufträgen mit den real verfügbaren Kapazitäten abzugleichen und zu terminieren. Sie planen also gegen begrenzte Ressourcen und unter Berücksichtigung aller Materialverfügbarkeiten. So entsteht ein realistischer Produktionsplan – immer dynamisch angepasst an den jeweils aktuellen Stand.
Um solche Tools erfolgreich zu integrieren, ist zunächst eine gut aufbereitete Datengrundlage vonnöten, denn als Addon-system bauen sie auf dem bereits vorhandenen Erp-system auf und speisen sich aus dessen Informationen. Nur wenn diese gepflegt sind, kann das Aps-system eine präzise Planung zulassen. Vielen Planern jedoch verursacht der Zustand ihres Datenbestandes Bauchschmerzen. In einer Studie des Beratungsunternehmens Sopra Steria Consulting gab 2018 nur jedes vierte befragte Unternehmen an, über eine gute Datenqualität zu verfügen. Fast die Hälfte klagte über eine widersprüchliche, unvollständige oder veraltete Datengrundlage. Viele Unternehmen fürchten daher, dass die Integration intelligenter Planungssoftware bei ihnen nicht funktioniert, und schieben diesen wichtigen Schritt in der Digitalisierung ihrer Fertigung auf die lange Bank. Dabei handelt es sich bei dieser Einschätzung oft um einen Trugschluss, wie näheres Hinsehen zeigt.
Schätzwerte reichen meist für genaue Planung aus
Grundsätzlich bezeichnet der Begriff Datenqualität, bis zu welchem Grad sich ein Datenbestand für damit geplante Aktivitäten eignet. Dabei spielen Faktoren wie Aktualität, Vollständigkeit, Relevanz, Konsistenz oder Verfügbarkeit der Informationen eine Rolle. Für ein Aps-system sind nun aber nicht alle Daten gleichermaßen bedeutsam – ein Aspekt, den viele Unternehmen übersehen. Zudem gehen sie oft davon aus, dass ihr Datenbestand nicht umfangreich genug sei. Dabei sind die Grunddaten für eine tagesgenaue Fertigungsplanung und Reihenfolgebildung bei den meisten Betrieben schon vorhanden. Damit verfügen sie über die Basis, um im Vorfeld realistische Termine für die Auftragsbearbeitung zu vergeben.
Prinzipiell braucht ein Aps-system Daten zu Bearbeitungs- und Rüstzeiten, den involvierten Ressourcen und der herzustellenden Menge, um planen zu können. Auch Informationen zu Lieferterminen laufender Bestellungen und aktuellen Lagerbeständen sind relevant. Entgegen verbreiteter Annahmen reichen in den betrachteten Branchen meist Schätzwerte für eine hinreichend genaue Planung aus. Die vom Erp-system ermittelten Ecktermine für Fertigungsaufträge und Arbeitsgänge hingegen haben wenig Bedeutung, weil sie in der Regel zu Beginn des Fertigungsprozesses bestimmt worden sind und sich oft in seinem Verlauf überholt haben. Sie müssen daher nicht extra bereinigt werden, sondern werden im Aps-system automatisch aktuell gehalten oder angepasst.
Übergangszeiten oft überbewertet
Auch die Übergangszeiten zwischen einzelnen Bearbeitungsschritten sind für ein gutes Aps-system größtenteils irrelevant, weil nicht zwischen „Planungspuffern“und tatsächlich notwendigen Übergangszeiten beispielsweise Transportzeit, Trockenzeit oder Ähnlichem unterschieden wird. Häufig ermitteln Betriebe eine durchschnittliche Übergangszeit zwischen zwei Arbeitsplätzen aufwendig aus Vergangenheitsdaten und ziehen sie als
feste „Pufferzeit“in die Planung ein. Tatsächlich jedoch handelt es sich dabei um eine Variable, die durch den Planungsprozess gezielt beeinflusst werden soll – also nicht um eine Eingangs-, sondern um eine Ausgangsgröße. Kommt zum Beispiel ein Eilauftrag herein, werden dessen Arbeitsgänge schnell hintereinander abgearbeitet. Die Übergangszeit dazwischen ist daher minimal und entspricht nicht mehr dem ermittelten Wert. Vielleicht wird ein anderer Auftrag dadurch bewusst zurückgestellt, was dessen Übergangszeiten wiederum verlängert. Im Sinne der Feinplanung muss die Übergangszeit also im Vorfeld gezielt variiert werden, um Ressourcen optimal zu nutzen und alle Aufträge termingerecht fertigzustellen.
Nach diesem Prinzip plant und terminiert ein intelligentes Aps-system jeden einzelnen Arbeitsgang im gesamten Auftragsnetz dynamisch. Da es dabei dank enormer Rechenkapazitäten alle relevanten Faktoren und Zusammenhänge im Blick behält, kann es die vorhandenen Kapazitäten bestmöglich auslasten und so für größtmögliche Effizienz sorgen. Dafür ist es entscheidend, die Gesamtstruktur der realen Arbeitsgänge genau in das System zu übertragen. Abgestimmte Prozesse sind daher letztlich relevanter als genaue Daten.
Datenpflege verstetigen
Am Anfang jeder Aps-einführung muss dennoch immer eine zugehörige Datenbereinigung stehen. Diese geht allerdings schneller vonstatten, als viele Unternehmen denken. Zwar können Anwender an vielen Stellen Fehler manuell korrigieren. Schneller geht es jedoch, wenn der entsprechende Lösungsanbieter frühzeitig hinzugezogen wird. So vermeiden Unternehmen, Zeit auf die Bereinigung von Daten zu verschwenden, die letztlich für das System keine Rolle spielen. Zudem verfügen Anbieter über Tools, die den gesamten Datenbestand schnell und gezielt auf Fehler durchleuchten, so dass Anwendern eine aufwendige Suche erspart bleibt.
Datenbereinigung funktioniert allerdings nicht als Hauruck-aktion. Um die Datenqualität nachhaltig zu verbessern, muss ihre Pflege fester Bestandteil der Prozesskette werden. Dies impliziert, abteilungsübergreifend ein entsprechendes Bewusstsein und eine einheitliche Planungsphilosophie zu entwickeln. Der Vorteil von Optimierungssoftware liegt an dieser Stelle darin, neu auftretende Fehler direkt zu erkennen und dem jeweiligen Verantwortlichen aufzuzeigen. Durch die transparenteren Prozesse machen Aps-systeme außerdem strukturelle Fehler sichtbar. So erreicht die Datenqualität ein anhaltend hohes Niveau.
Genaue Terminermittlung durch KI
Doch selbst gepflegte Daten können fehlerhaft sein, wenn beispielsweise ein Lieferant unwissentlich einen falschen Liefertermin angibt. Daher ist es sinnvoll, die eigenen Daten stetig zu prüfen. Bereits heute spielen hier Machine-learning-algorithmen eine große Rolle. Als Teil von Aps-systemen überprüfen sie Datenbestände auf Muster und Zusammenhänge und leiten daraus Schlüsse ab. So sagen sie zum Beispiel auf Basis vergangener Bestelldaten Lieferzeiten für Kaufteile vorher – allerdings nicht als festen Wert, sondern als dynamische Funktion, abhängig von den jeweils aktuellen Rahmenbedingungen. Das ermöglicht eine präzisere Terminermittlung und eine zuverlässigere Planung.
Anstatt sich zu viele Gedanken um ihren Datenbestand zu machen und den Anschluss zu verpassen, sollten Unternehmen anstehende Digitalisierungsprojekte gemeinsam mit einem professionellen Lösungsanbieter in Angriff nehmen. Schnell wird sich zeigen, dass an vielen Stellen weit weniger präzise Daten benötigt werden als angenommen und der eigene Datenbestand bereits einiges hergibt. Mit der richtigen Unterstützung ist auch die Bereinigung weniger aufwendig als gedacht. Ist diese erst einmal geschafft, sorgen intelligente Aps-systeme für eine nachhaltige Verstetigung der Datenpflege, von der das Unternehmen über das einzelne Projekt hinaus profitiert.
Am 6. September 2019 gibt Inform ein Webinar zu diesem Thema, die Anmeldung ist möglich unter www.informsoftware.de/veranstaltungen.