Vernetzung
Kontaktlos – Daten und Energie für mobile Roboter
Sew-eurodrive, Hersteller von Antriebssystemen, ist auf energieeffiziente Antriebs- und Automatisierungskomponenten spezialisiert. In Kooperation mit dem Maschinenbauer EMAG aus Salach entwickelte das Unternehmen einen Portalroboter, der ohne verschleißanfällige Energieführungsketten auskommt. Diese Technik revolutioniert die maschineninterne Logistik.
PRODUKTE automatisch erkennen, sicher greifen und zügig ans Ziel bringen: Diese Aufgabe übernehmen Portalroboter. Die intelligenten Helfer sind daher ein probates Mittel für den intralogistischen Materialfluss innerhalb einer Maschine oder einer Applikation. Gemeinsam mit der Sew-eurodrive konzipierte der Maschinenbauer EMAG aus Salach derartige Portalroboter.
Um deren Effizienz und Flexibilität zu erhöhen, hat man sowohl Antriebstechnik als auch Kommunikation von der Kette genommen, und das im wahrsten Sinn des Wortes. Während Energieführungsketten bislang standardmäßig in den meisten Portalsystemen verbaut worden sind, gehören sie durch die aktuellen Entwicklungen weitgehend der Vergangenheit an. Möglich machen dieses Novum optische und induktive Wege der Signalund Energieübertragung.
Leiser, dynamischer, flexibler
Auf der SPS 2018 wurde diese Innovation dem interessierten Fachpublikum vorgestellt. Am Unternehmensstand von Sew-eurodrive konnten sich die Besucher anhand eines kartesischen Portals über vollständig integrierte Lösungspakete informieren, die intelligente Software mit zuverlässiger Mechatronik verbinden. Was auf den ersten Blick auffällt, ist das Antriebskonzept, mit dem die Portalroboter auf der Schiene unterwegs sind: Mehrere Roboter bewegen sich dabei auf der gleichen, horizontalen Strecke weit gehend frei. Die überlappenden Abschnitte, die dabei entstehen, ermöglichen eine enorme Freiheit bei den Logistikabläufen.
„Solche Abläufe wären mit Energieführungsketten nicht so einfach möglich“, erläutert Klaus Just. Der Gruppenleiter Systemplanung bei Sew-eurodrive verweist auf die höheren Massen, die in Systemen mit Energieführungsketten ständig mit zu bewegen sind. Sie erzeugen Lärm, ver
schleißen, vergrößern die Massenträgheit und wirken sich insgesamt negativ auf die Dynamik sowie die Energieeffizienz als Folge der Reibung aus. Weitere Vorteile der neuen Lösung: Einschränkungen in Hinblick auf den Bauraum fallen weg, ebenso Kabelbruch oder limitierte Zykluszahlen – alles Folgen der Energieführungskette und der bewegten Kabel. Möglich wurde dieser Aufbau durch die induktive Energieübertragung Movitrans mit dem dezentralen Einspeisemodul TES. Je nach Ausführung liefern diese Module Übertragungsleistungen zwischen drei und acht Kilowatt.
Das Spannende an dieser Logistiklösung: Über den kompletten Lastzyklus nimmt der Roboter weniger als 500 Watt mithilfe des Übertragerkopfs auf, obwohl allein die Horizontalachse beim Beschleunigen mehr als drei Kilowatt Beschleunigungsleistung benötigt. Gespeist wird der kurzzeitige Energiebedarf aus dem Dps-speicher von Sew-eurodrive, einem Doppelschicht-kondensator-paket, das die primäre Stromversorgung der Roboter mit 100 Volt (Gleichstrom) Zwischenkreisspannung übernimmt. Bei dem Fahrprofil eines Portalroboters wechseln sich Beschleunigungsund Abbremsphasen ab.
Speichern der Bremsenergie
Das Besondere daran: Die beim Bremsen erzeugte, generatorische Energie der Portalroboter wird nicht über Widerstände abgeführt, sondern im Prozess zu behalten. Der Energiespeicher DPS nimmt diese Bremsenergie auf und wirkt zudem als Booster, wenn die Antriebe des Portals mit 6 m/s² beschleunigen. Der Aufbau arbeitet dabei so wirkungsvoll, dass nur noch die mechanischen Wirkungsgradverluste im Energieverbund über Movitrans auszugleichen sind, in Summe rund 500 Watt. „Im Gegensatz zum bekannten Gleichstrom-zwischenkreisverbund von Mehrachsanwendungen im zentralen Schaltschrank, versetzen wir jede Einheit in die Lage, für sich selber die Energie zu speichern. Das macht es sehr einfach, solch ein System zu skalieren“, erklärt Klaus Just.
Die berührungslose Energieübertragung mit dem Verzicht auf limitierende Kabel setzt sich innerhalb des Roboterportals bei der Kommunikation fort. Zum Einsatz kommt eine Datenlichtschranke für Ethercat. Sie überträgt die interpolierten Lagesollwerte im 1-ms-raster von der zentralen Sew-steuerung an die vier Servoregler in der mitfahrenden Sewgehäusebox. Die Berechnung der komplexen Roboter-motion-control übernimmt ein Movi-c-controller – und zwar für bis zu vier Roboter gleichzeitig. Teil der Bewegungsführung sind Berechnungen zur Kollisionsvermeidung sowie die Koordinierung des Roboterverbundes mit Blick auf ein produktives Ganzes.
Benötigt eine Maschine innerhalb eines Produktionsverbundes die doppelte Materialflussleistung, lässt sich im Portalsystem ein Roboter aus einem anderen Bereich flexibel abziehen. Werden hingegen Handlingseinheiten über eine Energieführungskette versorgt, sind sie an ihren Bereich gebunden. „Wir nehmen Maschinenbereiche von der Kette, machen die damit verbundenen Ressourcen beweglich und Anlagen insgesamt für die Zukunft flexibler und produktiver“, bringt es Klaus Just auf den Punkt. Damit verbunden sind entsprechend hohe Anforderungen an die Kommunikation.
Optische Echtzeitkommunikation
Sew-eurodrive setzt im Portal auf das Echtzeit-ethernet-protokoll Ethercat – ebenfalls ohne Kabel, mittels einer optischen Verbindung zu den mobilen Einheiten. Per Datenlichtschranke werden die Antriebsdaten kaskadierbar an die Roboter übergeben. „Wir verzichten damit auf eine gesonderte Steuerung in jedem Roboter“, erklärt Klaus Just. Bei der Übertragung der interpolierten Lagesoll-werte an die Regler sowie die Rückmeldung der entsprechenden Ist-werte weist das optische System mit einer Zykluszeit
von einer Millisekunde praktisch keine Latenzzeit auf.
Auf gleichem Weg erfolgt die Kommunikation für die funktionale Sicherheitstechnik. Bei dieser Applikation setzte Sew-eurodrive eine zentrale Sicherheitssteuerung für alle Roboter und die Gesamtmaschine ein. Diese kommuniziert per Ethercat direkt mit dem Movi-c-automation Controller und verwendet dafür das Ethercat-safety-protokoll FSOE (Fail Safe over Ethercat). Dieser Aufbau ermöglicht den einfachen Datenaustausch zwischen beiden Steuerungen, vereinfacht die Programmerstellung deutlich und bietet mit seiner Informationsdichte sehr gute Rahmenbedingungen für Diagnose und Debugging.
Die nahtlose Integration des Fsoe-safety-masters oder der Ethercat-datenlichtschranke in die Automatisierungswelt von Sew-eurodrive macht deutlich, welchen Weg die Bruchsaler gehen, wenn sie von Maxolution Maschinenautomatisierung sprechen. Hierbei spielen standardisierte Schnittstellen ebenso eine große Rolle wie vorbereitete Softwarebausteine oder applikationsspezifische Funktionsmodule.