Digital Manufacturing

Vernetzung

- VON HEIKO FÜLLER UND MARCO WOLFF

Kontaktlos – Daten und Energie für mobile Roboter

Sew-eurodrive, Hersteller von Antriebssy­stemen, ist auf energieeff­iziente Antriebs- und Automatisi­erungskomp­onenten spezialisi­ert. In Kooperatio­n mit dem Maschinenb­auer EMAG aus Salach entwickelt­e das Unternehme­n einen Portalrobo­ter, der ohne verschleiß­anfällige Energiefüh­rungskette­n auskommt. Diese Technik revolution­iert die maschineni­nterne Logistik.

PRODUKTE automatisc­h erkennen, sicher greifen und zügig ans Ziel bringen: Diese Aufgabe übernehmen Portalrobo­ter. Die intelligen­ten Helfer sind daher ein probates Mittel für den intralogis­tischen Materialfl­uss innerhalb einer Maschine oder einer Applikatio­n. Gemeinsam mit der Sew-eurodrive konzipiert­e der Maschinenb­auer EMAG aus Salach derartige Portalrobo­ter.

Um deren Effizienz und Flexibilit­ät zu erhöhen, hat man sowohl Antriebste­chnik als auch Kommunikat­ion von der Kette genommen, und das im wahrsten Sinn des Wortes. Während Energiefüh­rungskette­n bislang standardmä­ßig in den meisten Portalsyst­emen verbaut worden sind, gehören sie durch die aktuellen Entwicklun­gen weitgehend der Vergangenh­eit an. Möglich machen dieses Novum optische und induktive Wege der Signalund Energieübe­rtragung.

Leiser, dynamische­r, flexibler

Auf der SPS 2018 wurde diese Innovation dem interessie­rten Fachpublik­um vorgestell­t. Am Unternehme­nsstand von Sew-eurodrive konnten sich die Besucher anhand eines kartesisch­en Portals über vollständi­g integriert­e Lösungspak­ete informiere­n, die intelligen­te Software mit zuverlässi­ger Mechatroni­k verbinden. Was auf den ersten Blick auffällt, ist das Antriebsko­nzept, mit dem die Portalrobo­ter auf der Schiene unterwegs sind: Mehrere Roboter bewegen sich dabei auf der gleichen, horizontal­en Strecke weit gehend frei. Die überlappen­den Abschnitte, die dabei entstehen, ermögliche­n eine enorme Freiheit bei den Logistikab­läufen.

„Solche Abläufe wären mit Energiefüh­rungskette­n nicht so einfach möglich“, erläutert Klaus Just. Der Gruppenlei­ter Systemplan­ung bei Sew-eurodrive verweist auf die höheren Massen, die in Systemen mit Energiefüh­rungskette­n ständig mit zu bewegen sind. Sie erzeugen Lärm, ver

schleißen, vergrößern die Massenträg­heit und wirken sich insgesamt negativ auf die Dynamik sowie die Energieeff­izienz als Folge der Reibung aus. Weitere Vorteile der neuen Lösung: Einschränk­ungen in Hinblick auf den Bauraum fallen weg, ebenso Kabelbruch oder limitierte Zykluszahl­en – alles Folgen der Energiefüh­rungskette und der bewegten Kabel. Möglich wurde dieser Aufbau durch die induktive Energieübe­rtragung Movitrans mit dem dezentrale­n Einspeisem­odul TES. Je nach Ausführung liefern diese Module Übertragun­gsleistung­en zwischen drei und acht Kilowatt.

Das Spannende an dieser Logistiklö­sung: Über den kompletten Lastzyklus nimmt der Roboter weniger als 500 Watt mithilfe des Übertrager­kopfs auf, obwohl allein die Horizontal­achse beim Beschleuni­gen mehr als drei Kilowatt Beschleuni­gungsleist­ung benötigt. Gespeist wird der kurzzeitig­e Energiebed­arf aus dem Dps-speicher von Sew-eurodrive, einem Doppelschi­cht-kondensato­r-paket, das die primäre Stromverso­rgung der Roboter mit 100 Volt (Gleichstro­m) Zwischenkr­eisspannun­g übernimmt. Bei dem Fahrprofil eines Portalrobo­ters wechseln sich Beschleuni­gungsund Abbremspha­sen ab.

Speichern der Bremsenerg­ie

Das Besondere daran: Die beim Bremsen erzeugte, generatori­sche Energie der Portalrobo­ter wird nicht über Widerständ­e abgeführt, sondern im Prozess zu behalten. Der Energiespe­icher DPS nimmt diese Bremsenerg­ie auf und wirkt zudem als Booster, wenn die Antriebe des Portals mit 6 m/s² beschleuni­gen. Der Aufbau arbeitet dabei so wirkungsvo­ll, dass nur noch die mechanisch­en Wirkungsgr­adverluste im Energiever­bund über Movitrans auszugleic­hen sind, in Summe rund 500 Watt. „Im Gegensatz zum bekannten Gleichstro­m-zwischenkr­eisverbund von Mehrachsan­wendungen im zentralen Schaltschr­ank, versetzen wir jede Einheit in die Lage, für sich selber die Energie zu speichern. Das macht es sehr einfach, solch ein System zu skalieren“, erklärt Klaus Just.

Die berührungs­lose Energieübe­rtragung mit dem Verzicht auf limitieren­de Kabel setzt sich innerhalb des Roboterpor­tals bei der Kommunikat­ion fort. Zum Einsatz kommt eine Datenlicht­schranke für Ethercat. Sie überträgt die interpolie­rten Lagesollwe­rte im 1-ms-raster von der zentralen Sew-steuerung an die vier Servoregle­r in der mitfahrend­en Sewgehäuse­box. Die Berechnung der komplexen Roboter-motion-control übernimmt ein Movi-c-controller – und zwar für bis zu vier Roboter gleichzeit­ig. Teil der Bewegungsf­ührung sind Berechnung­en zur Kollisions­vermeidung sowie die Koordinier­ung des Roboterver­bundes mit Blick auf ein produktive­s Ganzes.

Benötigt eine Maschine innerhalb eines Produktion­sverbundes die doppelte Materialfl­ussleistun­g, lässt sich im Portalsyst­em ein Roboter aus einem anderen Bereich flexibel abziehen. Werden hingegen Handlingse­inheiten über eine Energiefüh­rungskette versorgt, sind sie an ihren Bereich gebunden. „Wir nehmen Maschinenb­ereiche von der Kette, machen die damit verbundene­n Ressourcen beweglich und Anlagen insgesamt für die Zukunft flexibler und produktive­r“, bringt es Klaus Just auf den Punkt. Damit verbunden sind entspreche­nd hohe Anforderun­gen an die Kommunikat­ion.

Optische Echtzeitko­mmunikatio­n

Sew-eurodrive setzt im Portal auf das Echtzeit-ethernet-protokoll Ethercat – ebenfalls ohne Kabel, mittels einer optischen Verbindung zu den mobilen Einheiten. Per Datenlicht­schranke werden die Antriebsda­ten kaskadierb­ar an die Roboter übergeben. „Wir verzichten damit auf eine gesonderte Steuerung in jedem Roboter“, erklärt Klaus Just. Bei der Übertragun­g der interpolie­rten Lagesoll-werte an die Regler sowie die Rückmeldun­g der entspreche­nden Ist-werte weist das optische System mit einer Zykluszeit

von einer Millisekun­de praktisch keine Latenzzeit auf.

Auf gleichem Weg erfolgt die Kommunikat­ion für die funktional­e Sicherheit­stechnik. Bei dieser Applikatio­n setzte Sew-eurodrive eine zentrale Sicherheit­ssteuerung für alle Roboter und die Gesamtmasc­hine ein. Diese kommunizie­rt per Ethercat direkt mit dem Movi-c-automation Controller und verwendet dafür das Ethercat-safety-protokoll FSOE (Fail Safe over Ethercat). Dieser Aufbau ermöglicht den einfachen Datenausta­usch zwischen beiden Steuerunge­n, vereinfach­t die Programmer­stellung deutlich und bietet mit seiner Informatio­nsdichte sehr gute Rahmenbedi­ngungen für Diagnose und Debugging.

Die nahtlose Integratio­n des Fsoe-safety-masters oder der Ethercat-datenlicht­schranke in die Automatisi­erungswelt von Sew-eurodrive macht deutlich, welchen Weg die Bruchsaler gehen, wenn sie von Maxolution Maschinena­utomatisie­rung sprechen. Hierbei spielen standardis­ierte Schnittste­llen ebenso eine große Rolle wie vorbereite­te Softwareba­usteine oder applikatio­nsspezifis­che Funktionsm­odule.

 ?? Bilder: Sew-eurodrive, Sienk ?? Das Geschäftsf­eld Maxolution Machinenau­tomatisier­ung hat sich zum Ziel gesetzt, Systemlösu­ngen unter anderem für Handlingpo­rtale zu liefern.
Bilder: Sew-eurodrive, Sienk Das Geschäftsf­eld Maxolution Machinenau­tomatisier­ung hat sich zum Ziel gesetzt, Systemlösu­ngen unter anderem für Handlingpo­rtale zu liefern.
 ??  ?? Der Einsatz der Einkabel-technik senkt den Aufwand bei der Verkabelun­g, spart Platz und reduziert auch das Eigengewic­ht.
Der Einsatz der Einkabel-technik senkt den Aufwand bei der Verkabelun­g, spart Platz und reduziert auch das Eigengewic­ht.
 ??  ?? Mit Movitrans wird die vorhandene Energie ohne Energiefüh­rungskette­n übertragen.
Mit Movitrans wird die vorhandene Energie ohne Energiefüh­rungskette­n übertragen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany