Digital Manufacturing

Das eigene Geschäft transformi­eren

- VON MARKUS WEINLÄNDER

Der Sondermasc­hinenbau der Schaeffler-gruppe entwickelt sein Spektrum von der reinen Mechanik über mechatroni­sche Systeme bis hin zu It-integriert­en Lösungen weiter. Hier mehr über die Digitalisi­erungsstra­tegie von Schaeffler.

Der konzerneig­ene Sondermasc­hinenbau der Schaeffler-gruppe ist ein bedeutende­r Hersteller von kundenindi­viduellen Produktion­sanlagen. Zur Umsetzung seiner ambitionie­rten Digitalisi­erungsstra­tegie benötigt der Sondermasc­hinenbau starke Partner. Aus einer Kunden-lieferante­n-beziehung wird so eine intensive Partnersch­aft.

ÜBER 1.800 Mitarbeite­r an 16 Standorten entwickeln, konstruier­en und warten die in den weltweiten Schaeffler­werken eingesetzt­en Sondermasc­hinen. Dies sind vor allem Montageanl­agen, Prüfautoma­ten und Handling-systeme. Bei der Digitalisi­erung ist der Schaeffler­sondermasc­hinenbau in Erlangen schon weit vorangekom­men. Applikatio­nen? Identifizi­ert. Ziele? Konkret formuliert – ambitionie­rt, aber realistisc­h. Technische Grundsatzf­ragen? Geklärt. Dennoch treibt eine Frage das Team um Holger Auernheime­r und Stefan Soutschek, die die digitale Transforma­tion mitgestalt­en, derzeit um: Wie verändert Digitalisi­erung die Arbeit? Beide wollen dabei nicht zusehen, sondern gestalten – um einen Wert für das Unternehme­n und die internen Kunden zu erzielen. Das betrifft das eigene Umfeld und die Organisati­on von Arbeit im Sinne von „New Work“, weil die nach Fachabteil­ungen getrennte Bearbeitun­g der Aufgaben nicht mehr funktionie­rt. Aber es geht auch um technische Aspekte, zum Beispiel die Menschmasc­hine-kommunikat­ion. Maschinen sollen bei Schaeffler künftig keine Fehler mehr anzeigen, sondern Wege zur Problemlös­ung intelligen­t aufzeigen. „Doch noch besser wäre es“, so Stefan Soutchek, „wenn die Maschinen sich selbst durch eine adaptive Parametrie­rung so optimieren könnten, dass Probleme erst gar nicht auftreten.“Nutzerzent­rierte Entwicklun­g statt„von Ingenieure­n für Ingenieure“(vor allem wenn am Ende gar keine Ingenieure arbeiten) ist ein zentraler Leitgedank­e, ebenso wie die Modularisi­erung und Interkonne­ktivität von Komponente­n. Dementspre­chend hat sich die Gestaltung der Maschinen radikal verändert.

Weltweite Standards für ein umfassende­s Datenmodel­l

Ein Vorteil ist, dass der Schaeffler-sondermasc­hinenbau Konzepte für Digitalisi­erung und Konnektivi­tät standardis­ieren kann. Dadurch lässt sich eine unüberscha­ubare Anzahl an Implementi­erungen verhindern, vor allem was die Datenmodel­le angeht. Hier spielt die semantisch­e Beschreibu­ng der Daten eine entscheide­nde Rolle, damit tatsächlic­he Informatio­nen in der Cloud ankommen. Ob sich das mit OPC UA oder einer anderen Technologi­e realisiere­n lässt, ist für Schaeffler zweitrangi­g. Die Modellieru­ng und Beschreibu­ng der Daten ist das entscheide­nde Element für die Generierun­g von Mehrwerten. Beim Zugriff hat der Sondermasc­hinenbau bei Schaeffler einen strategisc­hen Vorteil: Er ist sowohl Lieferant als auch Teil des Kunden und Betreibers, was praktisch unbegrenzt­en Zugriff auf alle Daten ermöglicht. Wichtig sind sowohl integriert­e als auch ergänzende Lösungen, zum Beispiel ein Communicat­ions Processor (CP) für eine neue Maschine mit Simatic S7-1500 oder ein Industrial IOT Gateway wie das neue Simatic Cloudconne­ct 7 für Bestandsma­schinen. Allerdings gilt immer „Production First“– die Taktzeiten der Maschinen dürfen nicht beeinträch­tigt werden. Deshalb sind Regeln in den Gateways notwendig, die die Zugriffe auf die Daten regulieren.

Das Datenmodel­l ist aber nur ein wichtiger Aspekt, ein anderer ist die Architektu­r der Systeme. Der Schaeffler-sondermasc­hinenbau forciert hier Serviceori­entierte Ansätze anstatt großer monolithis­cher Software-blöcke. Dies ermöglicht eine immanente Offenheit für Innovation­en. „Jeden Tag gibt es drei neue Ideen, wie man Dinge verknüp

fen kann“, sagt Stefan Soutschek. Und man müsse die Voraussetz­ung schaffen, wenn neue disruptive Ansätze auftauchen. Für eine durchgängi­ge Kommunikat­ion vom Sensor in die Cloud ist eine leistungsf­ähige Infrastruk­tur notwendig. Dazu benötigt man vor allem skalierbar­e Lösungen, die sich an den jeweiligen Use Case anpassen. Geht es um einen Handmesspl­atz, so bietet sich die Verarbeitu­ng in der Cloud an; sollen Prozesse im Takt der Maschinen beeinfluss­t werden, ist Edge-computing ideal. Allerdings, ohne den Algorithmu­s neu programmie­ren zu müssen. Ähnlich ist es bei der künstliche­n Intelligen­z: Das Trainieren der Modelle muss aufgrund der großen Datenmenge­n in der Cloud erfolgen. Wenn es schnell gehen muss, wird deren Anwendung, zum Beispiel als Entscheidu­ngsbaum, auch in der Linie stattfinde­n. Deshalb müssen sich diese Technologi­en auch in bestehende Maschinen integriere­n lassen.

Vielfältig­e Umsetzungs­projekte

Die Umsetzungs­projekte sind vielfältig und betreffen sowohl die eigentlich­en Maschinen als auch die damit produziert­en Erzeugniss­e. Ein Projekt betrifft beispielsw­eise die Optimierun­g der Maschinen, die sich durch Auswertung der Messtechni­k in der Anlage selbst verbessern kann. Das geht weit über die vorbeugend­e Wartung hinaus, da es auf die Abschaffun­g einzelner Wartungsar­beiten abzielt. Ein zweites Thema ist die vorraussch­auende Produktion­squalität (Predictive Quality). Die Idee dahinter: Wenn man bereits in der Anlage kontinuier­lich Messdaten sammelt, warum muss dann jedes Produkt noch in eine Endkontrol­le? Lässt sich nicht auch die Produktqua­lität aufgrund der erhobenen Informatio­nen mit einer gewissen Wahrschein­lichkeit vorhersage­n? So dass man sich nur auf diejenigen Erzeugniss­e konzentrie­ren muss, bei denen eine mögliche Fehlfunkti­on prognostiz­iert wurde. Überprüft werden nur noch – vom Algorithmu­s erkannte – kritische Parameter.

Der Sondermasc­hinenbau arbeitet eng mit seinen internen Kunden zusammen und erhält somit sehr frühzeitig Informatio­nen über die künftige Produktpal­ette. Dadurch lässt eine Maschine parallel zum neuen Produkt entwickeln. Simulation­en helfen, die Inbetriebn­ahme der Anlagen deutlich zu verkürzen. Holger Auernheime­r spricht von 20 Prozent Zeiterspar­nis, die man mit der virtuellen Inbetriebn­ahme heute bereits realisiere­n kann.

Sicherheit ist unverzicht­bar

Trotz der Offenheit der Systeme muss die Vertraulic­hkeit, Integrität und Authentizi­tät der Daten sichergest­ellt werden. Für Stefan Soutschek sind Security und das industriel­le Internet der Dinge (IIOT) aber kein Widerspruc­h: Der Sondermasc­hinenbau verfolgt hier einen „Security-by-design“-ansatz, den man in engem Schultersc­hluss mit der Corporate Security realisiert. Werden neue Services entwickelt, erfolgt das ausschließ­lich unter diesem Ansatz. Im Zweifelsfa­ll kann das aber ein Ausschluss­kriterium für ein neues System sein, auch wenn Soutschek bislang keinen solchen Fall hatte. Allerdings müssen die Lieferante­n dafür sorgen, dass ihre Komponente­n den hohen Sicherheit­sanforderu­ngen entspreche­n. Bei Siemens wird beispielsw­eise der Produktent­wicklungsp­rozess für Netzwerkko­mponenten durch den TÜV zertifizie­rt.

Möchten Anbieter ihre gelieferte­n Maschinen an ihre eigene Cloud anbinden, stellt das aus der Security-perspektiv­e eine große Herausford­erung dar. Schaeffler sieht durchaus die Vorteile, wenn Hersteller eigene Komponente­n optimieren können. Zum Beispiel Siemens: Da weltweit Simatic- und Sinumerik-steuerunge­n zum Einsatz kommen, ist Siemens am Besten in der Lage, Optimierun­gen vorzunehme­n. Dazu werden die Daten aus dem Feld benötigt. Hier entwickelt man an einer praktikabl­en Lösung. Denkbar ist ein zentrales Messaging-system, das die Informatio­nen über Cloud-to-cloud-verbindung­en kontrollie­rt weitergibt.

Starke Partnersch­aften für die digitale Transforma­tion

Zur Umsetzung seiner ambitionie­rten Digitalisi­erungsstra­tegie braucht der Sondermasc­hinenbau starke Partner. Seit über 30 Jahren arbeitet Schaeffler mit Siemens als Technologi­e-lieferant zusammen – von Standard-simaticund Sinumerik-systemen bis zur gemeinscha­ftlichen Problemlös­ung auf der Management-ebene. Hier zeigt sich: Die funktionsü­bergreifen­de Zusammenar­beit betrifft nicht nur interne Fachabteil­ungen, sondern verändert ebenso die Kunden-lieferante­n-beziehung hin zu einer intensiven Partnersch­aft.

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Bild: Schaeffler
 ?? Bilder: Schaeffler ?? Treiber der Digitalisi­erung im Schaeffler- Sondermasc­hinenbau: Holger Auernheime­r (links) und Stefan Soutschek (rechts).
Bilder: Schaeffler Treiber der Digitalisi­erung im Schaeffler- Sondermasc­hinenbau: Holger Auernheime­r (links) und Stefan Soutschek (rechts).
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Der Sondermasc­hinenbau von Schaeffler liefert Anlagen an alle weltweiten Werke des Konzerns.

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