Das eigene Geschäft transformieren
Der Sondermaschinenbau der Schaeffler-gruppe entwickelt sein Spektrum von der reinen Mechanik über mechatronische Systeme bis hin zu It-integrierten Lösungen weiter. Hier mehr über die Digitalisierungsstrategie von Schaeffler.
Der konzerneigene Sondermaschinenbau der Schaeffler-gruppe ist ein bedeutender Hersteller von kundenindividuellen Produktionsanlagen. Zur Umsetzung seiner ambitionierten Digitalisierungsstrategie benötigt der Sondermaschinenbau starke Partner. Aus einer Kunden-lieferanten-beziehung wird so eine intensive Partnerschaft.
ÜBER 1.800 Mitarbeiter an 16 Standorten entwickeln, konstruieren und warten die in den weltweiten Schaefflerwerken eingesetzten Sondermaschinen. Dies sind vor allem Montageanlagen, Prüfautomaten und Handling-systeme. Bei der Digitalisierung ist der Schaefflersondermaschinenbau in Erlangen schon weit vorangekommen. Applikationen? Identifiziert. Ziele? Konkret formuliert – ambitioniert, aber realistisch. Technische Grundsatzfragen? Geklärt. Dennoch treibt eine Frage das Team um Holger Auernheimer und Stefan Soutschek, die die digitale Transformation mitgestalten, derzeit um: Wie verändert Digitalisierung die Arbeit? Beide wollen dabei nicht zusehen, sondern gestalten – um einen Wert für das Unternehmen und die internen Kunden zu erzielen. Das betrifft das eigene Umfeld und die Organisation von Arbeit im Sinne von „New Work“, weil die nach Fachabteilungen getrennte Bearbeitung der Aufgaben nicht mehr funktioniert. Aber es geht auch um technische Aspekte, zum Beispiel die Menschmaschine-kommunikation. Maschinen sollen bei Schaeffler künftig keine Fehler mehr anzeigen, sondern Wege zur Problemlösung intelligent aufzeigen. „Doch noch besser wäre es“, so Stefan Soutchek, „wenn die Maschinen sich selbst durch eine adaptive Parametrierung so optimieren könnten, dass Probleme erst gar nicht auftreten.“Nutzerzentrierte Entwicklung statt„von Ingenieuren für Ingenieure“(vor allem wenn am Ende gar keine Ingenieure arbeiten) ist ein zentraler Leitgedanke, ebenso wie die Modularisierung und Interkonnektivität von Komponenten. Dementsprechend hat sich die Gestaltung der Maschinen radikal verändert.
Weltweite Standards für ein umfassendes Datenmodell
Ein Vorteil ist, dass der Schaeffler-sondermaschinenbau Konzepte für Digitalisierung und Konnektivität standardisieren kann. Dadurch lässt sich eine unüberschaubare Anzahl an Implementierungen verhindern, vor allem was die Datenmodelle angeht. Hier spielt die semantische Beschreibung der Daten eine entscheidende Rolle, damit tatsächliche Informationen in der Cloud ankommen. Ob sich das mit OPC UA oder einer anderen Technologie realisieren lässt, ist für Schaeffler zweitrangig. Die Modellierung und Beschreibung der Daten ist das entscheidende Element für die Generierung von Mehrwerten. Beim Zugriff hat der Sondermaschinenbau bei Schaeffler einen strategischen Vorteil: Er ist sowohl Lieferant als auch Teil des Kunden und Betreibers, was praktisch unbegrenzten Zugriff auf alle Daten ermöglicht. Wichtig sind sowohl integrierte als auch ergänzende Lösungen, zum Beispiel ein Communications Processor (CP) für eine neue Maschine mit Simatic S7-1500 oder ein Industrial IOT Gateway wie das neue Simatic Cloudconnect 7 für Bestandsmaschinen. Allerdings gilt immer „Production First“– die Taktzeiten der Maschinen dürfen nicht beeinträchtigt werden. Deshalb sind Regeln in den Gateways notwendig, die die Zugriffe auf die Daten regulieren.
Das Datenmodell ist aber nur ein wichtiger Aspekt, ein anderer ist die Architektur der Systeme. Der Schaeffler-sondermaschinenbau forciert hier Serviceorientierte Ansätze anstatt großer monolithischer Software-blöcke. Dies ermöglicht eine immanente Offenheit für Innovationen. „Jeden Tag gibt es drei neue Ideen, wie man Dinge verknüp
fen kann“, sagt Stefan Soutschek. Und man müsse die Voraussetzung schaffen, wenn neue disruptive Ansätze auftauchen. Für eine durchgängige Kommunikation vom Sensor in die Cloud ist eine leistungsfähige Infrastruktur notwendig. Dazu benötigt man vor allem skalierbare Lösungen, die sich an den jeweiligen Use Case anpassen. Geht es um einen Handmessplatz, so bietet sich die Verarbeitung in der Cloud an; sollen Prozesse im Takt der Maschinen beeinflusst werden, ist Edge-computing ideal. Allerdings, ohne den Algorithmus neu programmieren zu müssen. Ähnlich ist es bei der künstlichen Intelligenz: Das Trainieren der Modelle muss aufgrund der großen Datenmengen in der Cloud erfolgen. Wenn es schnell gehen muss, wird deren Anwendung, zum Beispiel als Entscheidungsbaum, auch in der Linie stattfinden. Deshalb müssen sich diese Technologien auch in bestehende Maschinen integrieren lassen.
Vielfältige Umsetzungsprojekte
Die Umsetzungsprojekte sind vielfältig und betreffen sowohl die eigentlichen Maschinen als auch die damit produzierten Erzeugnisse. Ein Projekt betrifft beispielsweise die Optimierung der Maschinen, die sich durch Auswertung der Messtechnik in der Anlage selbst verbessern kann. Das geht weit über die vorbeugende Wartung hinaus, da es auf die Abschaffung einzelner Wartungsarbeiten abzielt. Ein zweites Thema ist die vorrausschauende Produktionsqualität (Predictive Quality). Die Idee dahinter: Wenn man bereits in der Anlage kontinuierlich Messdaten sammelt, warum muss dann jedes Produkt noch in eine Endkontrolle? Lässt sich nicht auch die Produktqualität aufgrund der erhobenen Informationen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorhersagen? So dass man sich nur auf diejenigen Erzeugnisse konzentrieren muss, bei denen eine mögliche Fehlfunktion prognostiziert wurde. Überprüft werden nur noch – vom Algorithmus erkannte – kritische Parameter.
Der Sondermaschinenbau arbeitet eng mit seinen internen Kunden zusammen und erhält somit sehr frühzeitig Informationen über die künftige Produktpalette. Dadurch lässt eine Maschine parallel zum neuen Produkt entwickeln. Simulationen helfen, die Inbetriebnahme der Anlagen deutlich zu verkürzen. Holger Auernheimer spricht von 20 Prozent Zeitersparnis, die man mit der virtuellen Inbetriebnahme heute bereits realisieren kann.
Sicherheit ist unverzichtbar
Trotz der Offenheit der Systeme muss die Vertraulichkeit, Integrität und Authentizität der Daten sichergestellt werden. Für Stefan Soutschek sind Security und das industrielle Internet der Dinge (IIOT) aber kein Widerspruch: Der Sondermaschinenbau verfolgt hier einen „Security-by-design“-ansatz, den man in engem Schulterschluss mit der Corporate Security realisiert. Werden neue Services entwickelt, erfolgt das ausschließlich unter diesem Ansatz. Im Zweifelsfall kann das aber ein Ausschlusskriterium für ein neues System sein, auch wenn Soutschek bislang keinen solchen Fall hatte. Allerdings müssen die Lieferanten dafür sorgen, dass ihre Komponenten den hohen Sicherheitsanforderungen entsprechen. Bei Siemens wird beispielsweise der Produktentwicklungsprozess für Netzwerkkomponenten durch den TÜV zertifiziert.
Möchten Anbieter ihre gelieferten Maschinen an ihre eigene Cloud anbinden, stellt das aus der Security-perspektive eine große Herausforderung dar. Schaeffler sieht durchaus die Vorteile, wenn Hersteller eigene Komponenten optimieren können. Zum Beispiel Siemens: Da weltweit Simatic- und Sinumerik-steuerungen zum Einsatz kommen, ist Siemens am Besten in der Lage, Optimierungen vorzunehmen. Dazu werden die Daten aus dem Feld benötigt. Hier entwickelt man an einer praktikablen Lösung. Denkbar ist ein zentrales Messaging-system, das die Informationen über Cloud-to-cloud-verbindungen kontrolliert weitergibt.
Starke Partnerschaften für die digitale Transformation
Zur Umsetzung seiner ambitionierten Digitalisierungsstrategie braucht der Sondermaschinenbau starke Partner. Seit über 30 Jahren arbeitet Schaeffler mit Siemens als Technologie-lieferant zusammen – von Standard-simaticund Sinumerik-systemen bis zur gemeinschaftlichen Problemlösung auf der Management-ebene. Hier zeigt sich: Die funktionsübergreifende Zusammenarbeit betrifft nicht nur interne Fachabteilungen, sondern verändert ebenso die Kunden-lieferanten-beziehung hin zu einer intensiven Partnerschaft.