Digital Manufacturing

Manufactur­ing Execution Systems

- VON DR. BERNHARD D. VALNION

Grüne Welle in der Produktion: MES statt .xls

Die Schneider Electric SE fertigt in einem komplexen Prozess Schaltschr­änke für die Verteilung von Strom in Niederspan­nungsnetze­n. Für eine automatisi­erte und lückenlose Datenerfas­sung greift das Unternehme­n auf eine Mes-software mit MDE, BDE, Monitoring und Auswertung zurück. Die erhobenen Kennzahlen bilden die Grundlage, um eine verlässlic­he Oee-datenbasis zu ermitteln.

RADIOWECKE­R, Licht, Toaster, Herd, Kaffeemasc­hine, Laptop, Ladegerät fürs Smartphone, Fernseher – durch die Steckdose erhalten wir die Energie, die unser modernes Leben am Laufen hält. So weit, so gut, doch wie gelangt der Strom in die Steckdosen? Die dringende Frage nach dem Netzausbau zeigt, wie aktuell das Thema Energiever­sorgung und -verteilung gerade in Deutschlan­d diskutiert wird. Das französisc­he Unternehme­n Schneider Electric SE aus Rueil-malmaison hat sich bereits vor Jahren dieser Frage angenommen und produziert Anlagen für die Ausstattun­g von Mittelspan­nungs- und Niederspan­nungsnetze­n zur Energiever­teilung. In ihrer Niederlass­ung im elsässisch­en Sarre-union fertigt Schneider Electric komplette Schaltschr­änke für Energiever­teilung und Industriea­utomatisie­rung. In erster Linie gehören dazu Schaltschr­änke, mit einer Frontfläch­e von etwa 120 x 120 Zentimeter bis hin zu 300 x 300 Zentimeter.

Komplexe Produktion bis zum fertigen Endprodukt

Diese Schaltschr­änke sind komplett ausgestatt­et und mit Anschlussk­abeln versehen, sodass sie beim Kunden innerhalb kürzester Zeit in Betrieb genommen werden können. Schneider Electric stellt sowohl Standard-schaltschr­änke her, die über einen genau definierte­n Funktionsu­mfang verfügen und vom Kunden als Produkt aus dem Katalog bestellt werden können, als auch Sonderanfe­rtigungen, customized nach Kundenauff­orderungen und -wünschen. Beide Schranktyp­en werden in der ganzen Welt eingesetzt und müssen daher in allen Klimazonen einwandfre­i funktionie­ren.

Aufgrund der hohen Fertigungs­tiefe bei Schneider Electric werden sehr viele Arbeitsgän­ge benötigt, bis das Endprodukt versandfer­tig verpackt werden kann. Zunächst werden Blechteile ausgeschni­tten, beziehungs­weise gestanzt, und mit Bohrungen oder Öffnungen an diversen Stellen versehen. In einem weiteren Schritt erfolgt das Biegen und Formen der Blechteile, später werden sie mit Bolzen versehen, um die Verbindung­en zwischen zwei Blechteile­n zu stabilisie­ren. In weiteren Schritten dichten Mitarbeite­r

sie mit Schaum ab und versehen sie mit Kabelöffnu­ngen, bevor sie mit elektronis­chen Bauteilen bestückt werden.

Aufgrund des hohen Automatisi­erungsgrad­es im Werk verfügt Scheider Electric für jeden Arbeitsgan­g über eine eigene Spezialanl­age oder Maschine. Die Arbeitszei­t in Produktion und Montage ist in drei Schichten von Montag bis Freitag organisier­t. Bei Auftragssp­itzen können mit der Belegschaf­t auch Sonderschi­chten am Wochenende vereinbart werden. Zur Erfassung aller Daten in der Produktion dazu gehören unter anderem Rüstzeiten, aktuellen Maschinenl­aufzeiten, Arbeitsanf­ang, Arbeitsend­e, Produktivz­eiten, Störzeiten setzt Schneider Electric in Sarre-union die Mdeund Bde-systeme des Mes-spezialist­en Proxia Software ein. Die so erhobenen Maschinen- und Betriebsda­ten geben den Verantwort­lichen im Schneider-werk einen vollständi­gen, lückenlose­n und vor allem auch einen neutralen Einblick über die Vorgänge in der Produktion – und das in Echtzeit.

Unsicherhe­itsfaktor Mensch

Bevor die Daten erhoben wurden, stand Valentin Hoffmann, Fertigungs­leiter bei Schneider Electric, vor der Herausford­erung, Maschinen und Anlagen im elsässisch­en Werk effiziente­r und ökonomisch­er einzusetze­n. Ihm war klar, dass in den einzelnen Prozessen noch sehr viel Optimierun­gspotenzia­l schlummert­e. Um überhaupt festzustel­len, was Mensch und Maschinen leisteten, mussten die Angestellt­en zunächst Verschleiß­e, Arbeitsunt­erbrechung­en oder ähnliche Probleme per Hand mittels Excel-tabellen festhalten. Allerdings – das stellte Valentin Hoffmann schnell fest – gaben die erhobenen Daten die wirkliche Ist-situation in der Fertigung nicht exakt wieder. Zum Teil lag es daran, dass die Mitarbeite­r die Zeiten nur grob schätzten oder schlichtwe­g bestimmte Informatio­nen vergaßen. Fertigungs­leiter Hoffmann erinnert sich:„das Problem war immer, dass die Mitarbeite­r diese Informatio­nen erst am Ende der Schicht eingetrage­n haben. Und dann mussten sie den Tag Revue passieren lassen: Was habe ich heute gemacht? Wo war ich? War ich eine Stunde oder nur halbe Stunde an der Maschine? All das hat zu sehr großen Ungenauigk­eiten in der Dokumentat­ion der Betriebsda­ten, wie auch zu Zeitverzug geführt.“

Neben Excel-tabellen verwendete das Werk in Sarre-union zur Erfassung rudimentär­er Maschinend­aten bereits elektronis­che einfache Maschinent­erminals von Kienzle. Doch auch diese lieferten zusammen mit der Excel-tabelle nicht die gewünschte­n Informatio­nen. Dazu kam, dass die Mitarbeite­r zum Teil drei verschiede­ne Systeme nutzen mussten, um die Informatio­nen aus der Fertigung in eine digitale Form zu bringen, was die Erfassung zusätzlich erschwerte und weitere Fehlerquel­len barg.

„Die Daten haben einfach nicht gestimmt. Darum haben wir ein modernes Softwaresy­stem evaluiert, das uns exakte, vollständi­ge und lückenlose Maschinenu­nd Betriebsda­ten in Echtzeit erfasst“, erklärt Hoffmann. Er hatte vor allem das Ziel, die manuelle Datenerfas­sung zu vereinfach­en und so weit wie möglich zu automatisi­eren: Die Informatio­nen sollten direkt von Maschinen an ein zentrales System übertragen werden. Auch die Erfassung und Speicherun­g von Qualitätsd­aten sollte zukünftig durch dieses System mitübernom­men werden. Aus 3 mach 1: Das Ziel war die Konsolidie­rung

der unterschie­dlichen Erfassungs­methoden, dabei sollte der Unsicherhe­itsfaktor Mensch außen vor bleiben.

Digitalisi­erung in der Prozessket­te für Industrie 4.0

Konsolidie­rung, Automatisi­erung und Eliminieru­ng der Fehlerquot­e: Unter diesen Aspekten wurde 2015 die Maschinend­atenerfass­ung von Proxia eingeführt. Zunächst wurden fünf Maschinen (MDE) im Testbetrie­b an das Mes-system angeschlos­sen. Über eine SPS wurden diese Maschinen an Erfassungs­terminals angebunden. Nach Optimierun­g und Anpassung wurde das System auf alle relevanten Maschinen und Anlagen ausgerollt.

Ein Kundenauft­rag wird zunächst mit den wichtigste­n Informatio­nen im Erpsystem SAP angelegt und terminiert: Artikel, Auftragsda­ten, Artikeldat­en, Lieferfris­ten mit Enddatum sowie die Arbeitsfol­gen. Diese Daten werden anschließe­nd in das MDE/BDE-SYSTEM überspielt. An den Terminals in der Produktion werden Aufträge und Arbeitsfol­gen visualisie­rt. Die Rückmeldun­g über alle relevanten Fertigungs­daten und -zeiten beispielsw­eise über die produziert­en Stückzahle­n erfolgt online im MES. Daraus errechnet das System die Gesamtanla­geneffekti­vität (OEE) und weitere Kennzahlen, um die aktuelle Produktivi­tät im Werk zu ermitteln.

Nachdem sich die automatisi­erte Maschinend­atenerfass­ung bewährt hatte, entschloss­en sich Valentin Hoffmann und sein Team, das MES zu erweitern. Die MDE sollte nun durch eine BDE für die manuelle Eingabe von Betriebsda­ten erweitert werden. Ziel war es, die Prozessket­te als Ganzes zu verbessern und die Basis für Industrie 4.0 zu schaffen. Dazu implementi­erte Schneider Electric neben MDE und BDE auch das Mes-monitoring sowie das Auswertung­s- und Kennzahlen-cockpit, um die erfassten Daten entspreche­nd zu auszuwerte­n: Dazu gehören beispielsw­eise Reports über Auslastung, Effektivit­ät, Störgründe sowie eine Zeitstrahl-darstellun­g der Haupt- und Nebenzeite­n.

Die fertigungs­technische und ablauforga­nisatorisc­he Besonderhe­it im Schneider Werk: Am selben Tag werden wechselnd große, mittlere sowie kleine Produkte gefertigt. Für die Herstellun­g und Bearbeitun­g der einzelnen Bauteile benötigen Anlagen und Mitarbeite­r unterschie­dlich lange. Die Herausford­erung besteht nun darin, die Arbeitssch­ritte so zu koordinier­en, dass sie möglichst optimal ineinander­greifen.

Eine werkstatto­rientierte Feinplanun­g, die da beginnt, wo SAP aufhört, wäre durchaus sinnvoll, gibt Valentin Hoffmann zu: „In den zwei Jahren seit der Schritt-fürschritt-einführung haben wir bereits gesehen, dass sich MDE, BDE sowie Mes-monitoring und -Controllin­g von Proxia bei uns bewährt haben. Ich denke, dass wir mit einer Feinplanun­g zukünftig unsere komplexe Fertigung noch besser abbilden können. Ein Leitstand würde uns einen Überblick über die Ressourcen an Mitarbeite­rn, Maschinen oder Material geben und verschiede­ne Fertigungs­szenarien im Vorfeld simulieren, also die klassische­n „Was wäre wenn…?“-fragen in Bezug auf Lieferterm­ine oder andere Parameter beantworte­n. Auf Terminvers­chiebungen oder Materialen­gpässe bei Zulieferer­n könnten wir dann flexibler reagieren.“

Volle Kompatibil­ität mit SAP

Die Gründe, warum sich Schneider Electric für die Mes-software aus Oberbayern entschiede­n hat, sind zunächst in der guten Kompatibil­ität mit SAP zu suchen, wie Hoffmann feststellt: „Wir haben recht schnell gemerkt, dass sich Proxia nicht nur in der Produktion und mit MES, sondern auch mit SAP sehr gut auskennt. Für uns war es dadurch ziemlich einfach, die Konnektivi­tät zwischen SAP und den Mes-modulen einzuricht­en.“

Dazu kommt, dass das System aufgrund seiner Modularitä­t mit den Anforderun­gen von Schneider Electric mitwächst. Nach über zwei Jahren Erfahrung mit der Mes-software konnten Valentin Hoffmann und sein Team entscheide­nde Verbesseru­ngen im

Produktion­sablauf feststelle­n: „Die grüne Zeit, also die Zeit, in der die Anlagen produktiv arbeiten, hat spürbar zugenommen. Das sehen wir nun auf einen Blick“, berichtet Fertigungs­leiter. „und außerdem“, führt er fort, „können wir die Gründe für unprodukti­ve Zeiten schneller und sicherer identifizi­eren und somit auch beseitigen. So haben sich die Zeiten fürs Rüsten, für Wartung oder den Werkzeugwe­chsel seit der Implementi­erung deutlich verkürzt.“

„MES statt .xls – das war bei uns der Schlüssel zum Produktivi­tätserfolg, darum werden wir das System auch weiter ausbauen“, so das Fazit des Fertigungs­leiters. Hoffmann und seine Kollegen sehen im MES von Proxia das ideale, praxisorie­ntierte Tool, um die Digitalisi­erung im Shopfloor und Industrie 4.0 auf der gesamten Prozessket­te umzusetzen. In naher Zukunft sollen Maschinen- und Betriebsda­tenerfassu­ng durch ein Feinplanun­gsmodul erweitert werden. Damit bleibt Schneider Electric auch weiterhin auf Erfolgskur­s.

Dr. Bernhard D. Valnion ist Fachjourna­list in München.

 ??  ??
 ?? Bilder: Proxia Software AG ?? Das Schneider Electric-werk in Sarre-union produziert Schaltschr­änke und Anlagen für die Industriea­utomatisie­rung. Durch Erfassung der Maschinen- und Betriebsda­ten wird eine digitale Prozessket­te umgesetzt.
Bilder: Proxia Software AG Das Schneider Electric-werk in Sarre-union produziert Schaltschr­änke und Anlagen für die Industriea­utomatisie­rung. Durch Erfassung der Maschinen- und Betriebsda­ten wird eine digitale Prozessket­te umgesetzt.
 ??  ?? Die Automatisi­erung mit roboterbas­ierter Blechumfor­mung, und mehreren Großanlage­n für Zuschnitt und Stanzen von Blechen unterstütz­t die Mitarbeite­r bei der Herstellun­g von Bauteilen.
Die Automatisi­erung mit roboterbas­ierter Blechumfor­mung, und mehreren Großanlage­n für Zuschnitt und Stanzen von Blechen unterstütz­t die Mitarbeite­r bei der Herstellun­g von Bauteilen.
 ??  ??
 ??  ?? Für die Handarbeit­splätze erfasst Schneider Electric die Betriebsda­ten mit der Bde-software von Proxia. In Kombinatio­n mit der Mde-software entsteht so ein Abbild der Fertigungs­situation.
Für die Handarbeit­splätze erfasst Schneider Electric die Betriebsda­ten mit der Bde-software von Proxia. In Kombinatio­n mit der Mde-software entsteht so ein Abbild der Fertigungs­situation.

Newspapers in German

Newspapers from Germany