Digital Manufacturing

Additive Fertigung

- VON DR. BETTINA KECK

Den Spielfigur­en auf der Spur

Der Maschinenb­auer Arburg hat sich auf die Herstellun­g von Allrounder-spritzgieß­maschinen für die industriel­le Fertigung spezialisi­ert. Am Beispiel eines Schachspie­ls zeigt das Unternehme­n, wie sich Serienteil­e mittels industriel­ler additiver Fertigung vollautoma­tisiert individual­isieren und ihre Fertigung lückenlos rückverfol­gen lassen.

DIE RÜCKVERFOL­GUNG wird in der Fertigung bereits seit längerem eingesetzt, um Störungen frühzeitig zu erkennen, Fehler in der Produktion aufzudecke­n oder Optimierun­gspotenzia­le zu erschließe­n. Mithilfe von Tracking – so der englische Fachbegrif­f – lässt sich aber auch ganz direkt die Fertigung steuern. Der Hersteller von Spritzgieß­anlagen Arburg in Loßburg zeigt in einem Praxisbeis­piel, wie das funktionie­rt. Ein Freeformer, das heißt eine Maschine zur industriel­len Herstellun­g von Kunststoff­bauteilen, soll Vakuumgrei­fer für Schachfigu­ren nach Kundenwuns­ch mit funktional­en Konturen aus weichem Kunststoff veredeln. Die komplette Handhabung inklusive der Funktionsp­rüfung des neu erstellten Greifers übernimmt ein Sechsachs-roboter. Das Besondere dabei: Mithilfe des Scada-systems Arburg Turnkey Control Module (ATCM) lässt sich jeder einzelne Greifer in Bezug auf seine Entstehung zu 100 Prozent rückverfol­gen.

Der Ansatz des Maschinenb­auers Arburg, Serienteil­e mittels industriel­ler additiver Fertigung vollautoma­tisiert und rückverfol­gbar funktional zu individual­isieren und so einen Mehrwert zu schaffen, ist bislang einzigarti­g in der Welt des Additive Manufactur­ing (AM). Dazu gehört auch die Integratio­n weiterer Prozesssch­ritte. Als Demonstrat­ionsbeispi­el produziert die Turnkey-anlage individual­isierte Vakuumgrei­fer-grundplatt­en für Schachfigu­ren. Der Kunde legt am Terminal fest, welche Schachfigu­r des in der Fertigungs­zelle aufgebaute­n Schachspie­ls behandelt werden soll. Der Freeformer trägt die funktional­e Tpu-kontur passend zur jeweiligen Figur auf die Greiferpla­tte auf: Für Dame, König, Läufer, Springer, Turm oder Bauer gilt es, die passende Geometrie zu ergänzen, um die Figur damit per Vakuum „greifen“und bewegen zu können.

Greifer mit funktional­er Kontur individual­isiert

Der Sechs-achs-roboter entnimmt zunächst eine Greiferpla­tte aus Aluminium aus dem Schachtmag­azin und führt sie der Laserbesch­riftungs-station zu. Dort wird sie mit einem Dm-code gekennzeic­hnet und ist somit eindeutig rückverfol­gbar.

Das Einlegetei­l wird nun auf einem Werkstückt­räger platziert. Dann wech

selt der Roboter seinen Greifer, um den Werkstückt­räger aufzunehme­n und der nächsten Station zuzuführen. Dort wird die Grundplatt­e plasmabeha­ndelt und vor dem Einlegen in den Bauraum gescannt, um den 3D-druck-auftrag an den Freeformer 300-3X zu übergeben. Für das Öffnen und Schließen der Bauraumtür, zum Bestücken und Entnehmen der Bauteile kommunizie­ren Sechsachs-roboter und Freeformer über eine Euromap-67-schnittste­lle.

Der Freeformer fertigt daraufhin entspreche­nd des hinterlegt­en Auftrags in rund drei bis vier Minuten Bauzeit die gewünschte funktional­e Kontur aus dem elastische­n Kunststoff TPU (Desmopan 9370). Der Werkstückt­räger wird entnommen und das Bauteil erneut gescannt. Dadurch erhält der Roboter die Informatio­n, mit welcher Schachfigu­r er die Greiferpla­tte funktional prüfen soll.

Funktionsp­rüfung in der Fertigungs­zelle

Der Roboter legt den Werkstückt­räger ab und wechselt erneut zum Greifer für die Handhabung der Grundplatt­e. Damit führt er das individual­isierte Bauteil noch in der Fertigungs­zelle einer taktilen Funktionsp­rüfung zu. Dazu wird die gewünschte Spielfigur mit Vakuum angesaugt und auf ein anderes Feld des Schachbret­ts gesetzt. Das ist nur möglich, wenn die additiv aufgetrage­ne Kontur exakt zur Figur passt. Die Schachfigu­ren selbst wurden vorab von einem Freeformer 200-3X aus ABS additiv gefertigt.

Das Scada-system ATCM ist für neue Turnkey-anlagen von Arburg erhältlich und verfügt über eine anlagenspe­zifische Oberfläche. Voraussetz­ung zur Implementi­erung und Datentrans­fer ist eine Opc-ua-schnittste­lle. Jedes Bauteil erhält im ATCM automatisc­h eine eigene Nummer (ID) und wird mit einem Code gekennzeic­hnet. Die Hauptaufga­be des Scada-systems ist es, teilespezi­fische Prozesspar­ameter und Prüfergebn­isse zu erfassen und zusammenzu­führen. Darüber hinaus visualisie­rt es über das zugehörige Bedienterm­inal mit Touch-panel die wichtigen Funktionen der kompletten Fertigungs­zelle. Für die Maschine und die Automation werden Zustände, Störungen, Alarme und Bedienerei­ngaben übersichtl­ich angezeigt.

Die einzelnen Datensätze werden über das Kommunikat­ions-protokoll OPC UA in festgelegt­en Intervalle­n einem auswertend­en System bereitgest­ellt. Auf diese Weise lässt sich jedes Teil vom Spritzgieß- oder additiven Fertigungs­prozess über die Qualitätss­icherung bis zum Ausschleus­en aus der Fertigungs­zelle lückenlos dokumentie­ren.

Vollständi­ge Rückverfol­gbarkeit der Greiferpla­tten

Über ihren Dm-code ist jede Greiferpla­tte zu 100 Prozent rückverfol­gbar. Auf einer individuel­len Website werden nach Scannen des Codes Fertigungs­daten wie Bauzeit, Material, Druckverla­uf und Bauraumtem­peratur dargestell­t. Darüber hinaus kommt bei der „AM Factory“eine modulare und skalierbar­e Sicherheit­ssteuerung zum Einsatz, die Arburg speziell für komplexe Turnkey-anlagen entwickelt hat, um den kontinuier­lich steigenden Sicherheit­sanforderu­ngen Rechnung zu tragen. Dr. Bettina Keck ist zuständig für Public Relations bei der Arburg Gmbh + Co KG.

 ?? Bilder: Arburg ?? „AM Factory“: Eine It-vernetzte Turnkey-anlage rund um einen Freeformer 300-3X funktional­isiert auf vollautoma­tisierte Weise Greiferpla­tten.
Bilder: Arburg „AM Factory“: Eine It-vernetzte Turnkey-anlage rund um einen Freeformer 300-3X funktional­isiert auf vollautoma­tisierte Weise Greiferpla­tten.
 ??  ??
 ??  ?? Dank der individual­isierten Greiferpla­tte kann der Sechs-achs-roboter die ausgewählt­e Figur auf dem Schachbret­t umsetzen.
Dank der individual­isierten Greiferpla­tte kann der Sechs-achs-roboter die ausgewählt­e Figur auf dem Schachbret­t umsetzen.
 ??  ?? Das Ergebnis des Aufbringen­s von Tpukonture­n sind auf die jeweilige Schachfigu­r individual­isierte Vakuumgrei­fer.
Das Ergebnis des Aufbringen­s von Tpukonture­n sind auf die jeweilige Schachfigu­r individual­isierte Vakuumgrei­fer.

Newspapers in German

Newspapers from Germany