Titelstory: Enterprise Resource Planning (ERP)
Offenheit und Flexibilität als Standard
Wer seit 17 Jahren ein Erp-system nutzt, ohne den Drang zum Wechseln zu spüren, muss fast alles richtig gemacht haben. Ein schwäbischer Spezialmaschinenhersteller hat so die Vergangenheit erfolgreich gemeistert, bewältigt die Gegenwart und fühlt sich für die Zukunft gut gerüstet.
DER INTERNATIONAL tätige Hersteller von Premiumwerkzeugen Gedore ist in 70 Ländern aktiv. Mit mehr als 16.000 Produkten bietet das Familienunternehmen eines der breitesten Angebote aller europäischen Werkzeughersteller. Gedore Torque Solutions in Vaihingen an der Enz bündelt die Kompetenz des Unternehmens im Bereich der Hochdrehmoment-schraubtechnik. Dort entwickeln und fertigen 50 Spezialisten drehmomentpräzise Hochmomentschrauber für den Bereich von 60 bis 54.000 Nm. Die Schrauber kommen vor allem im Maschinen- und Anlagenbau, in der Schwerindustrie, der Wasserwirtschaft sowie beim Bau von Kraftwerken, Windanlagen und beim Verschrauben von Bahngleisen zum Einsatz.
Die Hochmomentschrauber gibt es mit Akku-, Elektro-, Pneumatik- und Hydraulikantrieb. Außerdem stellt man in Vaihingen neben sogenannten Schiebermaschinen zum sanften Öffnen und Schließen von Schiebern auch Prüfstände für Hochmomentschraubtechnik her. „Sew-eurodrive, ein Hersteller von Antriebstechnik, der auch große Industriegetriebe zusammenbaut, verschraubt mit unseren Hydraulikgeräten ebenso wie mit unserem Highseller, den Akkumaschinen. Auch der klassische Stahlbau gehört zu unseren Kunden, etwa die Dachkonstruktion des Stadions in Hoffenheim“, nennt Standortleiter Marco Bruhns Anwendungsbeispiele. Vertrieben werden die Produkte in Deutschland durch Handelsvertreter. Im Ausland knüpfen die Gedore-niederlassungen die Kontakte.
Erfolgreicher Erp-standard
Im Jahr 2003 führte man das erste Erp-system ein. „Vorher lief alles tatsächlich ein wenig ohne System. Damals führten wir nach dem üblichen Auswahlverfahren den Erp-standard caniaserp von IAS ein“, erzählt Nicole Gsenger, zuständig für Vertrieb und Organisation bei Gedore. Und seit dieser Zeit ist das Erp-system von IAS Industrial Application Software aus Karlsruhe im Einsatz. „Wir arbeiten wirklich schon sehr lange und erfolgreich mit diesem System und haben in all den Jahren nur einen Release-wechsel mitgemacht. Unsere individuellen Anpassungen machten mehr einfach nicht notwendig“, offenbart Gsenger. Gesteuert werden mit caniaserp die Lagerwirtschaft, also Wareneingang, Warenausgang und Bestellungen, sowie der Vertrieb mit Angeboten, Auftragsbestätigungen, Lieferscheinen und Rechnungen. Nach dem Release-wechsel hat man auch die Produktion mit eingebunden. Stücklisten, Arbeitspläne und Fertigungsaufträge liefen vorher alle außerhalb des Erp-systems.
In der Produktion gab es keine Individualisierungen des Standards, denn: „Stücklisten und Arbeitspläne, das ändert sich auch in 3.000 Jahren nicht. Die Struktur, die grundlegende Idee, die dahintersteckt, ändert sich nicht“, ist sich Nicole Gsenger sicher. Dagegen hat man im Vertrieb einige Änderungen vorgenommen. „Die Tatsache, dass sich caniaserp so gut auf unsere Bedürfnisse anpassen lässt, ist natürlich ein Riesenvorteil. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das in anderen Systemen ähnlich einfach funktioniert“, konstatiert die Vertriebsverantwortliche. So musste die Provisionsabrechnung für die Handelsvertreter detailliert und gründlich angepasst werden. „Zwar bietet caniaserp bereits im Standard eine Vertreterabrechnung, die ist aber nicht so komplex und spezifisch, wie wir sie für unseren Vertrieb brauchen“, erläutert der Standortleiter Marco Bruhns, „Die Offenheit der Software ermöglichte aber eine detaillierte, exakte Anpassung an unseren Bedarf.“
Firmenspezifische Programmierung
Eine weitere individuelle Anpassung ist eine von Nicole Gsenger so genannte Verbrauchsdatenbank: Man gibt den Artikel ein und erhält so etwas wie eine Verbrauchshistorie des Artikels über die letzten Jahre – etwa bezüglich der Aufträge oder Auslieferungen. Das hatte der Erp-standard in dieser Form nicht ermöglicht, dass allein durch Eingabe der Artikelnummer alle vorhandenen Informationen über den Artikel aufgelistet wurden. Die Informationen sind jedoch wichtig, da man unter anderem jeden Artikel, bevor er neu produziert wird, auf seinen Verbrauch und Bedarf überprüft. Vor der Anpassung mussten diese Informationen aus dem Erp-system extrahiert und in Excel-tabellen umständlich mit Formeln ermittelt werden. Zudem war diese Excel-lösung oft bis zu vier Wochen alt, da man die Daten nur einmal im Monat erhoben hat. „Jetzt können wir dank der Möglichkeit der raschen, problemlosen Anpassung von caniaserp neben der gesamten Artikel-historie tagesaktuell die benötigten Losgrößen feststellen, und ob wir kleinere oder größere Stückzahlen produzieren müssen. Und alles mit einer einzigen Transaktion “, erklärt Marco Bruhns.
Themen wie die digitale Transformation oder Konzepte wie Industrie 4.0 spielen zurzeit bei Gedore Torque Solutions keine zentrale Rolle, sodass ein Software-upgrade momentan keine Priorität hat. „Für die Produktion sind diese Themen nicht relevant, und mit unseren Geschäftspartnern sind wir ganz klassisch per Telefon und E-mail vernetzt“, berichtet Bruhns. Die Spezialisten in der Zentrale erhalten die Daten der Kunden per Telefon oder E-mail, leiten sie an die Konstruktion weiter, die daraus eine adäquate Lösung erarbeitet, die wiederum die Basis für ein Angebot darstellt. „Bei uns kommen die Anfragen meist sehr individuell und spezifisch, oft mit einem erhöhten Gesprächs- oder Beratungsbedarf. Und wir stellen keine Massenprodukte her, sodass auch nicht so viele Bestellungen eingehen, dass sie eine digitale Verarbeitung erforderten“, ergänzt Gsenger.
Die Zukunft kann kommen
Selbstverständlich weiß man bei Gedore Torque Solutions, dass die Ias-software auf die Anforderungen von Industrie 4.0, Iot-szenarien und digitaler Transformation vorbereitet ist. „Wir befassen uns schon mit der Zukunft unseres Unternehmens, unter anderem mit Erweiterungen des Geschäftsmodells wie Predictive Maintenance und Pay-per-use-modellen, die wir dann auch selbst betreuen wollen. Da ist es gut, zu wissen, dass wir einen It-partner haben, der uns mit seiner Software und seinen Experten in dieser Richtung kompetent supporten kann“, zeigt sich Bruhns zuversichtlich und bekennt: „Wir sind auch getrieben durch die Digitalisierung. Jeder hat heute ein
Handy mit einem großen Display in der Tasche. So etwas möchten die Kunden auch an ihrer Schraubmaschine sehen.“Diesen Wünschen ist die Konstruktion nachgekommen und hat mit den entsprechenden Partnern eine Maschine mit einem großen Display entwickelt, um die Live-daten, also das, was beim Schrauben passiert, erfassen zu können. „Damit sind wir für Iot-szenarien und eventuelle neue Geschäftsmodelle maschinenseitig schon mal gut gerüstet“, zeigt sich Bruhns zuversichtlich.
Auch das Reporting funktioniert einwandfrei wie Marco Bruhns weiß: „Wir können relativ viele Auswertungen direkt aus dem System heraus erstellen.“Und Nicole Gsenger erläutert:„wir fragen alles über Sql-scripts ab, die ich über die Jahre angelegt habe. Es gibt aber auch immer wieder Momente, da verlangt die Geschäftsführung eine Auswertung, die es bislang noch nicht gab. Das können wir dann immer individuell zusammenstellen.“Beide sind sich auf jeden Fall darin einig, dass caniaserp als offenes und ausgesprochen flexibles System erstklassig dafür geeignet ist, individuelle, firmenspezifische Prozesse abzubilden und sich an neue Gegebenheiten anpassen zu lassen. „IAS und unser Erp-system helfen uns dabei, unseren hohen Qualitätsanspruch als Premium-hersteller innovativ und zuverlässig, heute und künftig für unsere Kunden umzusetzen“, fasst Standortleiter Bruhns zusammen.