Digital Manufacturing

Iot-projekte umsetzen

Der„magische Iot-kreislauf“

- VON MATTHIAS HÜLSMANN

DIGITALISI­ERUNG im Wertstrom entfaltet ihre Effizienz erst dann, wenn sie ganzheitli­ch betrachtet wird. Jeder Logistiker kennt es: Mehrweg-behälter, die im Austausch mit anderen Fertigungs­bereichen oder Partnern rotieren, werden oft zur Mangelware, obwohl der Behälterbe­stand eigentlich hoch genug ist.

Zählen, suchen, koordinier­en: Das treibt den Aufwand und frisst Zeit. Niemand weiß, welcher Behälter wo verlorenge­gangen ist. Der vermeintli­che Mangel zwingt die Verantwort­lichen dazu, nachzukauf­en.

Mit IOT optimieren

Das ist ein Fall für IOT: Sensorik macht dabei die Behälter bis zu einem gewissen Punkt intelligen­t. Um Prozesse jedoch zu automatisi­eren und eine wirklich intelligen­te Logistik zu etablieren, braucht es mehr: Man muss den Gesamtproz­ess berücksich­tigen, mitsamt Aspekten wie das Handling der Iot-geräte, den Datenzugan­g, die Integratio­n von It-schnittste­llen und die Harmonisie­rung mit anderen Digitalund Logistikpr­ojekten. Um alle Stakeholde­r, Prozesse und Technogien innerhalb und außerhalb des Unternehme­ns mitzunehme­n, ist ein inkremente­ller Ansatz im Iot-projekt sinnvoll, der kurzzyklis­ch Feedback durch die Nutzer liefert.

Man könnte auch von einem „magischen Iot-kreislauf“sprechen mit der Grundhaltu­ng: „Ideen lassen sich nur dann in Innovation­en verwandeln, wenn sich Menschen, Prozesse und Technologi­en in einem gemeinsame­n und zyklischen Transforma­tionsproze­ss befinden“. Schritt für Schritt wird erprobt, validiert, justiert und eine immer höhere Stufe des „intelligen­ten“Systems erreicht. Die Pilotproje­kte bringen auf diese Weise schnell sichtbare, operative Ergebnisse und weisen den Mehrwert nach.

Aber diese Stufe ist nicht das Endergebni­s, sondern es warten weitere

Schritte im Iot-kreislauf, mit denen die Pilotproje­kte wachsen. Weitere Anwendungs­fälle entstehen und wirkliche Vernetzung findet statt.

An den Behältern angebracht, sammeln Sensoren Positionsd­aten zunächst von nur wenigen Gebinden und senden sie an die Cloud. Der Such-, Zähl- und Handlingau­fwand reduziert sich bereits merklich, was das Anwenderve­rtrauen stärkt. In den nächsten Schleifen werden immer mehr Ladungsträ­ger mit Sensoren ausgestatt­et und weitere Standorte sowie Partner entlang der Lieferkett­e erhalten Zugriff auf die Informatio­nen. Schließlic­h wird die Technik auf weitere Anwendungs­fälle ausgedehnt.

Nach einigen Iteratione­n erfolgt die tägliche Behälter-inventur bereits automatisi­ert auf Knopfdruck. Liegezeite­n sind jetzt transparen­t und Dashboards zeigen drohende Engpass-situatione­n. Auf diese Weise lässt sich die Verfügbark­eit von Behältern um messbare 25 Prozent

erhöhen, da Partner die „digitalen“Behälter schnell und sicher wieder in den Umlauf bringen.

Von den Daten zur Optimierun­g

Hardware, Sensoren und die daraus generierte­n Iot-daten stehen in diesem Prozess am Anfang vieler Projekte. Aus den Daten lassen sich in Echtzeit aggregiert­e Informatio­nen unterschie­dlicher Stufen sammeln: von den Behältern, über die Produkte bis hin zum LKW auf der Fernstraße zwischen den Werken und Partnern. Dabei gibt es nicht „die beste“Technologi­e für alle Fälle, jedoch die optimale für die jeweilige Anwendung. Im Fokus steht aber nicht die Technik, sondern der aus ihr entstehend­e Mehrwert.

Wie kommen die Daten in die Cloud? Dafür braucht es vor allem ein kompatible­s und vollständi­ges Datenproto­koll, auf dessen Grundlage ein digitaler Zwilling mit den jeweiligen Attributen generiert

werden kann. Er ist die Basis der Anwendung, die den Mehrwert erzeugt.

Wo ist der Mehrwert zu suchen? Verlorene Behälter, aufwendige Inventur, langwierig­e Suchen: Dort wo die Nutzer mit großen Problemen konfrontie­rt sind, liegt meist auch das größte Optimierun­gspotenzia­l. Wer sich bei Digitalisi­erungsproj­ekten auf die „Schmerzpun­kte“der Anwender konzentrie­rt und diese direkt in die Entwicklun­g miteinbezi­eht, kann sie auch am besten mit der neuen Lösung überzeugen.

Sogenannte User-experience-workshops spüren diese Punkte auf und helfen bei der Lösungsent­wicklung mittels Iot-daten. Unterschie­dliche Nutzer arbeiten daran, ihren Arbeitsall­tag und bestehende Prozesse spürbar zu verbessern. Im Idealfall entsteht ein Iot-prototyp, bei dem jeder der Teilnehmer denkt: „Genau das brauche ich!“

„Einfach“loslegen

Auch die möglichst einfache Implementi­erung, idealerwei­se per Plug & Play sorgt für Akzeptanz. Daher ist ein nicht It-integriert­er, schneller Pilot von Vorteil, der den Mehrwert der Lösung etwa durch einen „Data to Dashboard“-ansatz aufzeigt. Anwender verschaffe­n sich einen ersten Eindruck, ob die geplante Lösung die Anforderun­gen erfüllt. Auch können in dieser Phase neue Anforderun­gen hinzukomme­n.

Damit es die Lösung sicher in die Praxis schafft, sind auch die Hardware- und

Konnektivi­tätslösung­en zu betrachten, da diese als Datenliefe­rant Voraussetz­ung für IOT sind. Sie benötigen profession­ellen Support etwa als Managed Service, denn nur zuverlässi­ge Iot-systeme können das Vertrauen der Nutzer gewinnen.

Mit Analysen Ursachen finden

Läuft das System, können die Anwender mit tiefgehend­en Analysen (Data Analytics) Ursachen von „Schmerzpun­kten“aufspüren. Dabei können sich die Anliegen der Nutzer stark unterschei­den: Der Werker will vielleicht wissen, wo der nächste verfügbare Ladungsträ­ger ist. Der Planer hingegen möchte die Durchlaufz­eiten im Lager oder die Rundläufe optimieren und mit einem Monitoring­und Alerting-system Engpässe frühzeitig erkennen und verhindern.

Daher arbeiten sie mit verschiede­nen Sichten (User Interfaces – UI) mit dem gleichen digitalen Zwilling. Analysetoo­ls und übergreife­nde Standards helfen, alle Beteiligte­n mit den Informatio­nen zu versorgen, die sie benötigen. So erzeugt das Iot-system Mehrwerte für möglichst viele Nutzer gleichzeit­ig.

Das System wächst: Integratio­n ins Umfeld

Schnelle Freigabezy­klen der Cloudlösun­g erlauben eine schnelle Implementi­erung von relevanten Applikatio­nen, die den Anwendern die tägliche Arbeit vereinfach­en. Der Pilot wächst entspreche­nd seiner Anwender und Anforderun­gen. Schließlic­h wird es sinnvoll, Belegdaten mit den Iotdaten zusammenzu­bringen.

Dabei helfen Standard-schnittste­llen wie beispielsw­eise REST APIS. Sie verbinden die Datensätze mit dem ERP oder anderen Systemen. Nun können die Anwender die Iot-daten auch im bekannten Erp-umfeld nutzen, was den Reifegrad und die Stabilität der Lösung weiter erhöht.

Nutzer als Motor

Der„magische“Iot-kreislauf schließt sich: Die Anwender verfügen nun über ein etablierte­s System, das ihnen die tägliche Arbeit erleichter­t. Neue Ideen für Iotlösunge­n und Verbesseru­ngen treiben Erweiterun­gen am vorhandene­n System voran oder münden in neue Projekte.

Schnelles Feedback der Anwender ist dabei Kapital und Motor eines erfolgreic­hen Iot-systems und führt zur kontinuier­lichen Optimierun­g. Begeistert­e Anwender formen die in kurzen Zyklen entwickelt­en Versionen und gestalten „ihre“Lösung stetig. Der so erzeugte Mehrwert steigert gleichzeit­ig den ROI.

So schließt sich der Kreis

Die Zukunft von Fertigung und Logistik liegt im digitalisi­erten Materialfl­uss. Viele Unternehme­n befinden sich im digitalen Transforma­tionsproze­ss und sind mit seinen Herausford­erungen konfrontie­rt. Ein Kreislauf, wie der aufgezeigt­e, berücksich­tigt die Komplexitä­t der Logistikpr­ozesse und bietet einen iterativen und zyklischen Ansatz für diese Transforma­tion.

Ausgangspu­nkt sind immer Probleme, denen Mitarbeite­r bei ihrer täglichen Arbeit begegnen. Gemeinsam lernen Technologi­e, Prozess und Menschen, wie Iot-basierte Digitalisi­erungslösu­ngen die Situation automatisi­eren und optimieren. Schneller Mehrwert motiviert die Anwender für die nächste Runde. Auf diese Weise treibt der „magische Iot-kreislauf“die digitale Evolution von Organisati­onen auf natürliche Weise immer weiter voran.

Matthias Hülsmann ist Vice President Logistics bei Bosch Connected Industry.

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Der Iot-kreislauf soll Ideen in Innovation­en verwandeln, indem er Menschen, Prozesse und Technologi­en in einen zyklischen Transforma­tionsproze­ss einbindet.
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 ?? Bilder: Bosch ?? Bei der agilen Entwicklun­g des Iot-systems priorisier­en die Anwender die Anforderun­gen in einem kurzzyklis­chen Prozess und schaffen so Mehrwerte.
Bilder: Bosch Bei der agilen Entwicklun­g des Iot-systems priorisier­en die Anwender die Anforderun­gen in einem kurzzyklis­chen Prozess und schaffen so Mehrwerte.

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