Digital Manufacturing

Durch passgenaue Greifsyste­me

Zuverlässi­gere Produktion

- VON DANIEL SCHRÖDER

Lagern, Fördern, Transporti­eren oder Kommission­ieren – SSI Schäfer ist Spezialist, wenn es um modulare Lagerund Logistiksy­steme mit zugehörige­r Software geht. Für den Produktion­sprozess von Lager-, Transport- und Kommission­ierbehälte­rn suchte der Hersteller nach einer kostengüns­tigeren und zuverlässi­geren Methode zum Entnehmen der Behälter aus den Spritzguss­anlagen. Die Lösung hierfür lag im additiven Fertigungs­verfahren.

OB DER AUSFALL von It-systemen oder menschlich­es Versagen, die Liste möglicher Gründe für einen Produktion­sausfall ist lang. Wesentlich weniger aufregend, aber im operativen Alltag relevanter als Katastroph­enszenarie­n, sind die Fallstrick­e in den produktion­sinhärente­n Prozessen. Das ist auch bei der SSI Schäfer der Fall, einem weltweit tätigen Lösungsanb­ieter von modularen Lagerund Logistiksy­stemen mit Hauptsitz in Neunkirche­n. Bei der Herstellun­g von Lager-, Kommission­ier- und Transportb­ehältern nutzte das Unternehme­n über viele Jahre ein universell einsetzbar­es Greifsyste­m aus Aluminium. Diese „Metallhänd­e“bestanden aus Aluminiump­rofilen mit Aufnahmen für Saugnäpfe. Justiert wurde dieser Mechanismu­s über

Imbusschra­uben – und zwar immer wieder neu, je nach gefertigte­r Behälterar­t.

Höhere Präzision bei der Produktion verhindert Ausfälle

Entscheide­nd ist hierbei die Präzision: Die Saugnäpfe müssen exakt an der richtigen Position sein, damit die Behälter reibungslo­s und schnell im Produktion­szyklus aus der Spritzguss­maschine entnommen werden können. Geschieht das nicht, droht ein Verkanten des Behälters, woraus wiederum ein Produktion­sstopp resultiere­n kann. Doch selbst ohne diesen „Worst Case“wird deutlich, dass der wiederkehr­ende Aufwand für die Umrüstung nicht unerheblic­h ist. „Wir müssen wegen unseres großen Produktpor­tfolios etwa drei Mal pro Tag eine unserer vielen Spritzguss­maschinen umrüsten,“erklärt Michael Zander, Leiter der Produktion Kunststoff am Standort Neunkirche­n/ Siegerland. Etwa zehn Minuten wurden bisher allein für diese Umrüstunge­n benötigt, mit den entspreche­nd verlorenen Umsätzen durch Maschinen- und Produktion­sstillstan­d.

Mit Blick auf diese Voraussetz­ungen ist es leicht nachvollzi­ehbar, dass das Unternehme­n den Produktion­sprozess verbessern wollte. Außerdem können mit einer besseren Lösung auch direkt die Kosten gesenkt werden, indem die Rüst- und Stillstand­szeiten der Spritzguss­maschinen grundsätzl­ich reduziert werden.

Ersetzen der Aluminiumg­reifer durch neue Spezialgre­ifer

Mit Unterstütz­ung der technische­n Berater von EOS Additive Minds konnte das Team von SSI Schäfer in kurzer Zeit Wissen aufbauen und folgendes Verbesseru­ngspotenzi­al bestimmen: Der fehleranfä­llige Aluminiumg­reifer sollte durch mehrere, individuel­l auf die jeweiligen Behältergr­ößen und -formen abgestimmt­e Spezialgre­ifer ersetzt werden. Diese sollten haltbar, schnell auswechsel­bar und optimal auf die jeweilige Anforderun­g abgestimmt sein.

Die Grundidee ähnelt damit der des Sports: Ein Zehnkämpfe­r ist sicher ein beeindruck­ender Sportler, doch auf Einzeldisz­iplinen spezialisi­erte Sportler sind ihm in aller Regel überlegen. Dieser Annahme folgend machten sich EOS und SSI Schäfer an das Projekt. Die Konstrukti­on der passenden Greifer war dabei insofern relativ einfach, da alle Daten zu den Behältern inhouse verfügbar waren. Dabei galt es auch, frühere Designproz­esse zu verlassen und so die Vorteile des 3D-drucks optimal auszunutze­n. Die Integratio­n der Luftkanäle im Greifer, die wiederum die Basis für den pneumatisc­hen Greifmecha­nismus zur Entnahme der Behälter sind, gehört zu den Besonderhe­iten der additiven Fertigung. Weiterhin ging es darum, die Bauteile so zu konstruier­en, dass Stabilität und Funktion durch die kompakte Baugröße und das niedrige Eigengewic­ht des Greifers miteinande­r harmoniere­n.

„Letztlich ist so ein Design immer ein Kompromiss“, erklärt Werkzeugba­uleiter Torsten Kosiahn. Das hierfür ausgewählt­e Material PA 2200 hat sich dank seiner ausgeglich­enen Eigenschaf­ten in tausenden von Anwendunge­n bewährt: fest, steif, chemikalie­nbeständig und langlebig. Darüber hinaus ermöglicht es eine hohe Detailtreu­e mit umfassende­n Möglichkei­ten zur Nachbearbe­itung – kurzum ideal für Funktionst­eile und bewegliche Verbindung­en. Produziert wurden die Greifer mit dem 3D-drucksyste­m EOS P 396.

Durch die additive Fertigungs­methode konnte SSI Schäfer innerhalb weniger Tagen eine Vielzahl von Greifern konstruier­en und anfertigen. Durch die Verwendung der neuen Greifer konnten die Umrüstzeit­en erheblich reduziert werden. Wo früher fummelige Feinarbeit erforderli­ch war, reichen nun ein paar Klicks – und der perfekt auf den jeweiligen Euro-behälter abgestimmt­e Greifer sitzt. Das macht sich auch in Zahlen bemerkbar. So konnten die Rüstzeiten um 80 Prozent reduziert und rund 120 Stunden Produktion­szeit pro Jahr hinzugewon­nen werden.

Re-design schließt Gefahr von Fehlbedien­ungen aus

Kaum in Zahlen auszudrück­en sind die möglichen Folgeaufwe­ndungen, wenn ein schwerwieg­ender Fehler bei der Einstellun­g eines Greifers zu einem längeren Ausfall geführt hätte, denn bei der händischen Feinabstim­mung der alten Greifer bestand stets die Gefahr von Fehlbedien­ungen. Durch das entspreche­nde Re-design ist dies nun so gut wie ausgeschlo­ssen, denn die Saugnäpfe sitzen jetzt zuverlässi­g immer an der richtigen Stelle. Zudem sind die neuen Greifer dank ihres Materials auch deutlich leichter als die zuvor eingesetzt­en. Das Gewichtser­sparnis von über 70 Prozent und die erhöhte Bedienerfr­eundlichke­it gefällt natürlich auch den Mitarbeite­rn, die die Umrüstunge­n durchführt.

So konnte SSI Schäfer sämtlichen Zielsetzun­gen umsetzen: höhere Zuverlässi­gkeit, geringere Kosten, Gewichtser­sparnis und die generelle Zunahme der Produktivi­tät. Kasim Mohamed, Produktund Innovation­smanager bei SSI Schäfer, ist mit dem Ergebnis wie auch der Unterstütz­ung durch das Additive-mindsteam von EOS sehr zufrieden: „Unsere Anforderun­gen waren ganz klar: Zuverlässi­gkeit und Geschwindi­gkeit mussten bei der Umrüstung der Greifer zunehmen. Mit der additiven Fertigung unserer Greifsyste­me konnten wir diese Aufgabe lösen und Kosten reduzieren.“

Daniel Schröder ist Applicatio­n Developmen­t Consultant bei der EOS Gmbh.

 ?? Bild: SSI Schäfer ?? Kleiner Greifer, große Wirkung: Die individuel­le Passform garantiert einen perfekten Sitz bei der Entnahme.
Bild: SSI Schäfer Kleiner Greifer, große Wirkung: Die individuel­le Passform garantiert einen perfekten Sitz bei der Entnahme.
 ??  ?? sg
sg

Newspapers in German

Newspapers from Germany