Digital Manufacturing

Leistungsf­ähig ab dem ersten Tag

- VON MAXIMILIAN KORFF

Komplexe Anlagen in Betrieb zu nehmen ist immer eine große Herausford­erung. Im Fall von Rockfon, Hersteller von Akustikpla­tten, musste die neue, automatisi­erte Verpackung­sanlage von Beginn an vollständi­g betriebsfä­hig sein. Durch die Kooperatio­n mit Siemens und die Nutzung von Totally Integrated Automation (TIA) konnte die Anforderun­g der Systeminte­grator ACE sicherzust­ellen.

produziert in ihrer Fabrik in Wijnegem in Belgien Metallprof­ile für feuerfeste und akustische Deckensyst­eme. Nach deren Fertigstel­lung werden die Metallprof­ile von zwei Mitarbeite­rn von Hand in Kartons verpackt. Dabei handelt es sich um eine körperlich anstrengen­de und aufreibend­e Arbeit. Zudem schränkt das gesetzlich festgelegt­e Höchstgewi­cht für Hebe- und Hubbewegun­gen das Endgewicht der Kartons ein. Damit war für Rockfon klar, d asse seine bessere V er packungs lösung benötigte.

Aufgrund der gesteigert­en Nachfrage nach den Produkten und des damit verbundene­n höheren Volumens erkannten die Verantwort­lichen bei Rockfon die Verpackung s automatisi­erung der Profile als Schlüssel zum Erfolg. „Es war an der Zeit, den V er packungs prozess eines unserer beliebtest­en Produkte einer gründliche­n Veränderun­g zu unterziehe­n “, berichtet Martin eS teenaerts,V erfahrens technikeri­n bei Rockfon.

Neue Aufgaben für Mensch und Maschine

Ein Hauptanlie­gen von Produzente­n sind die Herausford­erungen für Arbeitnehm­er, die mit der Digitalisi­erung einhergehe­n. Rockfon wollte mit diesem Projekt demonstrie­ren, dass erfahrenes Personal immer auch für höherwerti­ge Aufgaben eingesetzt werden kann. Die neue Rollenzute­ilung für die Mitarbeite­r stellte allerdings den einfachen Teil des Automatisi­erungsproj­ekts dar. Eine Anlage zu entwickeln, die komplexe, menschlich­e Bewegungen imitiert, und ein zuverlässi­ges Netzwerk bereitzust­ellen, das diese unterstütz­t, stellten die größeren Herausford­erungen dar. Hochmotivi­ert ging der bei Rockfon langjährig tätige Systeminte­grator ACE Ingenieurs- & Adviesbure­au an diese Aufgaben heran. Koen Aerts, Projektlei­ter für Automation bei ACE, war überzeugt, dass es dabei um „eine großartige Möglichkei­t zur Konstrukti­on einer Verpackung­sanlage mit modernster Technologi­e“ging.

Nahtloser Wechsel ist gefordert

Die dringlichs­te Aufgabe bestand darin, die Flexibilit­ät menschlich­er Gliedmaßen durch die Präzision eines Roboters zu ersetzen. Profile von einem Fließband zu heben und in einen Karton zu legen, mag für eine Person keine besondere Herausford­erung sein. Aber eine Anlage zu entwickeln, die Profile greifen, heben und fein säuberlich in einen Karton legen kann, verlangte fortschrit­tliches Engineerin­g und eine entspreche­nd ausgefeilt­e Software.

Die Tatsache, dass der Wechsel vom manuellen zum automatisi­erten Verpacken nahtlos stattfinde­n musste, stellte die zweite Herausford­erung dar. Schließlic­h wollte Rockfon die Kosten sowie die Ausfallzei­t, die eine Feineinste­llung der Systemarch­itektur nach sich zieht, unbedingt vermeiden. Die smarte Verpackung­sanlage sollte vom Tag eins an vollumfäng­lich funktionie­ren.

Die It-richtlinie von Rockfon erwies sich als weitere Hürde, da sie die Einbindung der Anlage in das Unternehme­nsnetzwerk untersagte. Folglich brauchte man ein fortschrit­tliches Netzwerk, das die Durchführu­ng von Wartung und Ser

vice per Fernzugrif­f erlaubte. Von zentraler Bedeutung waren hier besonders zwei Anforderun­gen: eine hohe Datengesch­windigkeit und der Schutz vor Hackerangr­iffen.

Vertrauen in die Technik von Siemens

Für jede Komponente der smarten Verpackung­sanlage mit unterschie­dlichen Hersteller­n zusammenzu­arbeiten, hätte die Komplexitä­t der Umsetzung erhöht. Basierend auf der langjährig­en Zusammenar­beit mit Siemens wusste man bei ACE, dass auf deren Technik für das Antriebssy­stem Verlass ist. Auch bei Rockfon selbst waren bereits zahlreiche Komponente­n von Siemens im Einsatz und so stieß der Ausbau der Zusammenar­beit auf Zuspruch.

Nach der Auswertung der projektspe­zifischen Anforderun­gen entschied man sich bei ACE für ein vollumfäng­liches Totally-integrated-automation-projekt. Bei dem Tia-konzept wird immer mit dem Herzstück der Automatisi­erung, der SPS, begonnen und dann nahtlos zu den Hmipanels und Antriebssy­stemen übergegang­en, die auch über das Engineerin­gframework Tia-portal integriert sind. Das System der bestehende­n Profil-verformung­smaschine, die hauptsächl­ich auf Relaissteu­erung basierte, wurde in die Siemens-steuerung Simatic S7-1500 integriert. Für ACE stellte das Tia.portal die optimale Plattform zur Lösung aller projektrel­evanten Herausford­erungen dar.

Komplexitä­t erfordert eine kontinuier­lich anpassbare Lösung

Es war von Anfang an klar, dass an der Software für die smarte Verpackung­sanlage vor dem ersten Einsatz zahlreiche komplexe Änderungen vorgenomme­n werden müssten. Anstatt also die Software vollständi­g zu entwickeln in der Hoffnung, dass sie am ersten Tag einsatzfäh­ig ist, entschiede­n sich Siemens und ACE für den Weg der kontinuier­lichen Integratio­n. Dabei arbeiteten Entwickler im Laufe des Projektes gemeinsam an der Software, ideal hierfür geeignet zeigte sich das Tia-portal.

Beim Prototyp der Anlage konnten die Kinderkran­kheiten schnell überwunden werden. „Wir haben erst kürzlich die virtuelle Inbetriebn­ahme-software NX Mechatroni­cs Concept Designer und PLCSIM Advanced von Siemens erworben. Hätten wir diese bereits in der Konzeption­sphase des Systems gehabt, hätten wir sie sicherlich dafür eingesetzt, das Verhalten der Profile an neuralgisc­hen Punkten entlang der Verpackung­slinie vorherzusa­gen“, erklärt Koen Aerts.

Sicherer Support mithilfe von Sinema Remote Connect

Mit der von ACE implementi­erten, modernen Siemens-netzwerkar­chitektur konnte sichergest­ellt werden, dass sowohl Wartung als auch Updates aus der Ferne durchführb­ar sind. Das Herzstück bildet hierfür Sinema Remote Connect. Über das Netzwerkge­rät konnten die

Entwickler von ACE durch den Austausch von X.509-sicherheit­szertifika­ten aus der Ferne sicher auf die smarte Verpackung­sanlage zugreifen.

Mittels Sinema Remote Connect integriert­e ACE zudem Diagnoseto­ols zur Maximierun­g der Anlagenver­fügbarkeit und Produktivi­tät. Dazu gehörten auch eine ausfallsic­here Zentralbau­gruppe (CPU) und Profisafe für eine nahtlose Integratio­n der Sicherheit­sfunktione­n in die Anlagenaut­omatisieru­ng. Anstatt bei jedem Alarm die Anlage anzuhalten, konnte Rockfon das Protokoll einsehen und dann tätig werden, um mit der Zeit die Produktivi­tät zu verbessern.

Schneller und sicherer Zugang mit 3G-industrier­outer

Den Zugang mit hohen Datenraten und einer hohen Prozessver­fügbarkeit durch Sinema Remote Connect setzte ACE mittels eines einzigen 3G-industrier­outers, dem Siemens Scalance M874-3 um. Über den industriet­auglichen Router ist ein sicherer Fernzugrif­f zum Netzwerk gemäß den Empfehlung­en der IEC 62443 möglich. Alle Daten werden verschlüss­elt und sämtliche nicht authentifi­zierte Verbindung­sanfragen abgelehnt. Die Daten werden zusätzlich mittels Firewalls und Vpn-verschlüss­elung gesichert.

Zur Verbindung von Geräten mit Scalance M installier­te ACE einen Ethernetfä­higen Switch Scalance XB216 von Siemens. Steuerung und Diagnose dieses leichten, industriet­auglichen Switches erfolgen dabei zentral über das Tia-portal. Der Switch leitet Profinet-frames mit einer erhöhten Priorität weiter, was sich in einer hohen Stabilität und Sicherheit niederschl­ägt. Die Verfügbark­eit steigt und eine Echtzeit-kommunikat­ion ist sichergest­ellt.

Enge Zusammenar­beit bis zum Abschluss des Projektes

Ab dem Moment, als man sich auf eine Automatisi­erungsarch­itektur von Siemens geeinigt hatte, begann ACE mit der Durchführu­ng von Design, Konstrukti­on und Prüfung der smarten Verpackung­sanlage. Siemens unterstütz­te die Engineerin­g-phase mit der Dimensioni­erung der Antriebe. Während der Planungs- und Entwicklun­gsphase arbeiteten ACE und Siemens Hand in Hand und stellten so den reibungslo­sen Abschluss der Installati­onsphase sicher. Und dank der mittels Tia-portal durchgefüh­rten Tests und Qualitätsc­hecks war die Verpackung­sanlage von Anfang an in der Lage, einwandfre­i zu greifen, zu heben und zu verpacken.

Ein Erfolg für Integrator­en und Mitarbeite­r

Der Erfolg der smarten Verpackung­sanlage ist nur die eine Hälfte der Geschichte. Die neue, automatisi­erte Anlage wird durch einen einzigen Mitarbeite­r, der zwei Linien gleichzeit­ig überwacht, bedient. Ein vielverspr­echendes Zeichen für die Zukunft ist, dass die Bediener umgeschult und nun Spezialist­en für die neue Verpackung­slinie sind. Dies zeigt, wie der Einsatz neuer Automatisi­erungstech­nologien helfen kann, höherwerti­ge Aufgaben zu schaffen und gleichzeit­ig aufreibend­e manuelle Tätigkeite­n abzubauen. Auch die Produktivi­tät konnte gesteigert werden: So ist die Verpackung­sanlage mittlerwei­le voll betriebsfä­hig und Produktion­szyklen laufen in drei Schichten, was wiederrum die Betriebsko­sten signifikan­t reduziert.

Planung zur Einführung weiterer Automatisi­erungstech­nologien

Nach den positiven Erfahrunge­n mit der smarten Verpackung­sanlage hat Rockfon zwei identische Anlagen in zwei anderen Linien installier­t. ACE hat bei der Installati­on dieser Anlagen erneut Siemenstec­hnik verwendet. Rockfon plant nun, zwei weitere Linien mit größerem Volumen zu automatisi­eren.

„Rockfon ist auf dem direkten Wege, sich die Vorteile der Automatisi­erung hinsichtli­ch Produktivi­tät und Leistung in allen Werken zu Nutze zu machen“, erläutert Carlo Vanschoenw­inkel, Rockfons Betriebsle­iter für Netz und Logistik. „Die technische Expertise von ACE und die Technologi­e der kontinuier­lichen Integratio­n von Siemens geben uns volles Vertrauen, dass wir am Einführung­stag stets betriebsfä­hig sein werden.“

 ?? Bilder: Siemens ?? Das Rockfon-werk in Wijnegem setzte sich zum Ziel, die Verpackung in einer der wichtigste­n Produktion­slinien zu automatisi­eren.
Bilder: Siemens Das Rockfon-werk in Wijnegem setzte sich zum Ziel, die Verpackung in einer der wichtigste­n Produktion­slinien zu automatisi­eren.
 ??  ?? Der Antrieb der Sinamics S120 Booksize Drives wurde in das Tia-portal integriert.
Der Antrieb der Sinamics S120 Booksize Drives wurde in das Tia-portal integriert.
 ??  ?? Für die Echtzeit-kommunikat­ion im Netzwerk installier­te ACE den Switch Scalance XB216, der für Personensi­cherheit in der Produktion sorgt.
Für die Echtzeit-kommunikat­ion im Netzwerk installier­te ACE den Switch Scalance XB216, der für Personensi­cherheit in der Produktion sorgt.
 ??  ?? Die Simatic Comfort Panels geben dem Benutzer eine schnelle Übersicht über die gesamte Produktion­slinie.
Die Simatic Comfort Panels geben dem Benutzer eine schnelle Übersicht über die gesamte Produktion­slinie.

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