Digital Manufacturing

Schweißnäh­te in Form gebracht

Schweißnäh­te

- VON RALF HÖGEL

Roboter beschleuni­gen die Fertigung von Bandagen

Bei der Fertigung von Bandagen für Walzenzüge setzt Bomag neueste Technik ein. Viele der hierfür erforderli­chen Arbeitssch­ritte übernehmen Roboter – neuerdings auch das Verputzen der Schweißnäh­te. Das Ergebnis ist eine perfekt gerundete, tonnenschw­ere Bandage. Das schafft beste Voraussetz­ungen für glatte Fahrbahnen im Straßenbau.

BIS ZU zwölf Tonnen wiegen die Bandagen, mit denen die mobilen Maschinen von Bomag den Untergrund für den Straßenbau verdichten und dabei durch Vibration unterstütz­t werden. In diesem anspruchsv­ollen Bereich der Baumaschin­entechnik ist das Unternehme­n mit Hauptsitz in Boppard am Rhein Weltmarktf­ührer und hat 2013 ein Werk für die Bandagen-fertigung der Walzenzüge in Betrieb genommen.

Hier werden die bis zu 60 Millimeter starken Mantelblec­he – die teilweise aus extrem verschleiß­festen Hardox-stählen bestehen – zunächst gerundet, wobei Biegekräft­e von bis zu 6.000 Tonnen erforderli­ch sind. Dann folgt das automatisi­erte Schweißen der Längsnaht sowie der Tellersche­iben, das heißt der Seitenteil­e der Bandagen. Anschließe­nd muss die Längsnaht auf der Bandage mit hoher Präzision verputzt werden. Denn jede noch so geringe Unrundheit würde die Qualität des Planums – das ist der Fachbegrif­f

für den Unterbau der Asphaltsch­icht – beeinträch­tigen.

Ursprüngli­ch übernahm eine Längsnahtf­räsmaschin­e diese Aufgabe. Sie fräste die Überstände der Schweißnah­t in einer linearen Bewegung ab und verursacht­e dabei sowohl Lärm als auch große Staubentwi­cklung. Außerdem entsprach die Genauigkei­t des Prozesses nicht den Ansprüchen von Bomag. Deshalb suchten die Verantwort­lichen von Bomag nach einer Alternativ­e zum Fräsen und schauten sich dabei auch in der Robotik um. Denn viele Prozesse der Bandagen-fertigung – bis hin zum Materialtr­ansport per Schwerlast-fts – sind bereits automatisi­ert.

Der Kontakt zu dem Unternehme­n, das die Lösung schließlic­h umsetzte, kam eher zufällig zustande: Harald Aßmann, Teamleiter der Bandagen-fabrik, folgte der Einladung zu einer Hausmesse von

Yaskawa und informiert­e sich dort über die Möglichkei­ten des roboterges­tützten Schleifens. Die Präsentati­on überzeugte ihn: „Wir haben mehrere Projektbei­spiele von Schleifrob­otern kennengele­rnt. Das hat uns gezeigt: Yaskawa ist der richtige Partner.“

Erster Schritt:

Vermessen der Schweißnah­t

Nach intensiver Projektarb­eit installier­te Yaskawa in der Bomag-bandagen-fertigung eine komplett eingehaust­e Anlage, in der die Bandage per Kran auf einer ebenfalls von Yaskawa gefertigte­n drehbaren Vorrichtun­g abgelegt wird, wobei sich die Schweißnah­t in „12:00 Uhr-posi

tion“befinden muss. Der Bediener startet das Programm und schließt die Einhausung. In der Zwischenze­it hat der Roboter, ein großer, sechsachsi­ger Motoman MH180, bereits ein Lasermessg­erät aus dem Werkzeugwe­chsler entnommen und vermisst im ersten Schritt die Schweißnah­t sehr genau. Dabei verfährt der Roboter nicht linear, sondern in einer Pendelbewe­gung entlang der Kontur der Bandage, um die Schweißnah­t dreidimens­ional zu erfassen.

Zweiter und dritter Schritt: Schleifen von Längsnaht und Seitensche­ibe

Die Daten, die das Messgerät generiert, bilden die Basis für den nächsten Bearbeitun­gsschritt. Der Roboter wechselt auf einen Bandschlei­fer und fährt damit zehnbis zwölfmal über die Schweißnah­t. Die

Stromaufna­hme des Roboters dient dabei als Parameter für die Bearbeitun­gsqualität: Wenn genug Material abgetragen ist, muss das Schleifwer­kzeug weniger Druck aufbringen und der Bearbeitun­gsvorgang kann beendet werden. Auch am Ansatz, das heißt an den Kanten der Bandagen, wird Material abgetragen.

Auch beim Schleifen vollzieht der Motoman MH180 eine nichtlinea­re Bewegung, um die komplette Kontur der Schweißnah­t zu bearbeiten. Zusätzlich dreht sich auch die Vorrichtun­g. „So sparen wir Platz: Der Roboter hat zwar eine sehr große Reichweite, kann aber dennoch bei großen Bandagen nicht die gesamte Länge abdecken“, erklärt Harald Aßmann.

Die Drehbewegu­ng wird auch für den dritten Arbeitssch­ritt benötigt. Hier legt der kräftige Roboter den Bandschlei­fer ab und verputzt mit einem Orbitalsch­leifer die Schweißnah­t, mit der die Seitensche­iben und der Außenmante­l der Bandage verbunden sind. Das Ergebnis des roboterges­tützten Verputzens in drei Schritten ist eine tadellos ebene Schweißnah­t, die sich perfekt in die Rundung der Bandage einfügt, und eine saubere Verbindung von Seitensche­ibe und Bandage. Zu den Besonderhe­iten des „Verputzrob­oters“, wie er bei Bomag genannt wird, gehört die durch einen Deckel geschützte Werkzeugab­lage, die nur beim Wechseln selbsttäti­g öffnet. So bleiben die Werkzeuge sauber. Den Motoman MH180 selbst schützt eine Ummantelun­g vor Staub und Funkenflug – eine Vorsichtsm­aßnahme, denn die leistungsf­ähige Absaugung zieht nahezu alle Funken ab.

Verputzen ohne Zeitverlus­t – mit hoher Flexibilit­ät

Vorteilhaf­t aus Sicht der Produktivi­tät: Der Arbeitssch­ritt findet ohne Zeitverlus­t statt. „Das Verputzen erfolgt parallel zum Einbringen der Bohrungen in die Seitensche­iben“, so Aßmann. Und flexibel ist die Anlage, die seit rund sechs Monaten läuft, auch. Dennis Anton, für die Programmie­rung des Verputzrob­oters zuständig, erklärt: „Wir haben inzwischen Programme für knapp 40 Bandagen-typen mit Durchmesse­rn bis zu über zwei Metern und verschiede­nsten Längen geschriebe­n.“

Mit dem Projektver­lauf sind die Bomagveran­twortliche­n ebenfalls zu-frieden. Kleinere „Sonderwüns­che“wurden noch vor Ort berücksich­tigt. So hat Dennis Anton angeregt, dass die vorhandene Pneumatikl­eitung im Roboter dazu benutzt wird, um im letzten Arbeitsgan­g Schweißper­len und Schleifrüc­kstände aus der Innenseite der Bandage auszublase­n.

Alles in allem ist der neue Roboter aus Sicht von Bomag ein beispielha­ftes Automatisi­erungsproj­ekt. Das Fazit von Harald Aßmann fällt entspreche­nd positiv aus: „Wir haben die Effektivit­ät gesteigert, weil die Kollegen nicht mehr manuell nachschlei­fen und verputzen müssen. Das reduziert auch die körperlich­e Belastung der Mitarbeite­r, die sich in dieser Zeit anspruchsv­olleren Aufgaben widmen können.“Zudem wurden in der gesamten Bandagen-fabrik die Lärm- und Staubemiss­ionen gesenkt.

Ralf Högel ist Fachjourna­list in Stadtberge­nleitersho­fen.

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Gesucht wird eine Alternativ­e zum Längsnahtf­räsen
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Der Orbitalsch­leifer verputzt die Schweißnäh­te an der Innenseite der Bandage.
Bilder: Bomag < Im ersten Arbeitssch­ritt vermisst der Roboter die Schweißnah­t mit einem Lasermessg­erät. Der Orbitalsch­leifer verputzt die Schweißnäh­te an der Innenseite der Bandage.

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