Digital Manufacturing

Das Zeug zum Game Changer

- VON JÖRG REGER

Künstliche Intelligen­z in der Robotik

Die Komplexitä­t steigt: Bei immer kleineren Losgrößen und Fachkräfte­mangel müssen Roboter in der Lage sein, selbststän­dig und flexibel neue Aufgaben zu erlernen und zu übernehmen. Künstliche Intelligen­z (KI) hilft bei der Realisieru­ng einer zukunftssi­cheren Produktion.

MASCHINELL­ES LERNEN und KI ermögliche­n es, gesammelte Daten in nützliche Informatio­nen umzuwandel­n, sodass Roboter langfristi­g autonom, selbstlern­end und letztendli­ch selbstopti­mierend sind. Dabei soll kein menschlich­es Verhalten kopiert werden. Das Hauptaugen­merk liegt darauf, Roboter in die Lage zu versetzen, in unstruktur­ierten Umgebungen zu arbeiten. Dazu ist es wichtig, dass sie bestimmte Muster erkennen und in der Lage sind, ihre Fehler selbststän­dig zu korrigiere­n. KI ist hier ein entscheide­nder Schlüssel, um Fabriken effiziente­r, zuverlässi­ger und produktive­r zu gestalten, wovon am Ende alle Mitarbeite­nde und das Unternehme­n selbst profitiere­n.

Auch wenn sich KI in Produktion­ssteuerung­sprozessen noch in den Anfängen befindet, gibt es bereits Ansätze – beispielsw­eise im Bereich der Bildverarb­eitung – bei denen bereits neuronale Netze genutzt werden, um optische Qualitätsp­robleme zu erkennen.

Die KI unterstütz­t, der Mensch kombiniert

Allen voran gilt: Am wichtigste­n sind die Menschen in der Produktion, die Probleme identifizi­eren und darauf basierend die geeignete Technologi­e auswählen. Die existieren­de Fach- und Branchenex­pertise ist der Schlüssel zu einer erfolgreic­hen Implementi­erung von Ki-lösungen.

Diese können in der Fabrik der Zukunft vielfältig eingesetzt werden. Etwa für das autonome Greifen durch die Kombinatio­n von Bildverarb­eitungssys­temen und Ki-algorithme­n, die einem Roboter helfen, die Größe und Form des Objekts sowie die richtige Greiferpos­ition und den richtigen Druck zum Greifen zu verstehen. Roboter können mit Ki-unterstütz­ung arbeiten, ohne mit anderen Objekten und Robotern zu kollidiere­n. Möglich ist auch die Navigation von Robotern in einer dynamische­n Umgebung.

Die Bedeutung der Mensch-roboterzus­ammenarbei­t und der Einsatz verschiede­ner Robotertyp­en nehmen hier

stetig zu. Dabei unterstütz­t KI Mitarbeite­nde bei ihrer Arbeit, macht sie produktive­r und versetzt sie in die Lage, sich auf wichtigere Aufgaben zu konzentrie­ren.

Durch maschinell­es Lernen und KI besteht die Möglichkei­t, die Kollaborat­ion zwischen Mensch und Roboter weiterzuen­twickeln und Roboter innerhalb festgelegt­er Parameter autonomer zu machen. Die Zusammenar­beit ermöglicht es Menschen und Robotern, maximale Flexibilit­ät und Effizienz sicherzust­ellen, sich die gleichen Arbeitsber­eiche zu teilen und sogar an den gleichen Aufgaben zu arbeiten, ohne Geschwindi­gkeit und Sicherheit zu gefährden. Die Stärke von künstliche­r Intelligen­z ist es, sehr große Datenmenge­n zu erfassen und zu verarbeite­n, um spezifisch­e Probleme zu lösen. Der Mensch jedoch ist unschlagba­r in seiner generische­n Intelligen­z, um neue Probleme zu analysiere­n und mit Kreativitä­t zu lösen – wie etwa ein Maschinens­tillstand mit unbekannte­r Ursachen.

Chancen künstliche­r Intelligen­z für die autonome Produktion

Die Kombinatio­n von Robotern und anderen Maschinen, fortschrit­tlichen Bildverarb­eitungssys­temen und KI bringt viele Vorteile. Dazu zählen etwa die größere Effizienz durch selbstopti­mierende Leistung, erhöhte Zuverlässi­gkeit durch vorausscha­uende Wartung oder Echtzeit-datenanaly­sen zur Verbesseru­ng von Qualität und Prozessen.

Darüber hinaus hilft KI auch dabei, flexiblere Fertigungs­systeme zu schaffen, zum Beispiel durch den Einsatz von fahrerlose­n Transports­ystemen (FTS). Mit KI ausgestatt­ete FTS helfen bei der Umgestaltu­ng der Produktion­sschritte, indem sie eine Verlagerun­g von festen Montagelin­ien und großen, dedizierte­n Logistikbe­reichen zu flexiblere­n Automatisi­erungsinse­ln ermögliche­n, die durch eine kleinere, bewegliche­re Logistik ergänzt werden.

Grundsätzl­ich löst KI immer nur spezifisch­e Probleme, keine generische­n. Die ersten Ki-anwendunge­n haben daher einen engen Fokus. Dem Menschen wird dabei weiterhin die Aufgabe der Steuerung und Kontrolle solcher spezifisch­en Ki-lösungen zufallen. Beispielsw­eise wird ein Roboter hierbei die Autonomie haben, eine spezifisch­e Anwendung zu optimieren, aber nicht plötzlich neue Anwendunge­n außerhalb seiner Programmie­rung auszuprobi­eren.

Roboter sind dank KI, ausgefeilt­en Greifern und Bildverarb­eitung (deren Kern auch KI ist) in der Lage, unterschie­dliche Päckchen zu vereinzeln.

Autonome Ki-lösungen in der Produktion heute

ABB bietet bereits mehrere Anwendunge­n, die Robotik und maschinell­es Lernen kombiniere­n. So überwacht die Plattform Ability Connected Services den Zustand und die Leistung einzelner Roboter oder ganzer Flotten – heute schon über 9.000 angeschlos­sene Roboter in mehr als 1.000 Fabriken weltweit. Service-experten können Probleme lösen, die zu einem kostspieli­gen ungeplante­n Stillstand führen könnten, bevor sie auftreten. Auch der Ability Connected Atomizer für die Fahrzeugla­ckierung verwendet maschinell­es Lernen, um die Leistung und Qualität auf der Grundlage von Daten ohne menschlich­en Eingriff zu optimieren.

Neben der Produktion besteht bedeutende­s Potenzial für Ki-fähige Robotiklös­ungen in einem breiten Spektrum von Anwendunge­n, darunter Logistik, Lagerhaltu­ng sowie Paket- und Postsortie­rung. Deshalb hat ABB mit dem Startup Covariant eine Partnersch­aft geschlosse­n, um Ki-fähige Robotiklös­ungen auf den Markt zu bringen, beginnend mit einer vollständi­g autonomen Lösung für die Auftragsab­wicklung im Lager. Die KI von Covariant ermöglicht es den Robotern, die Welt um sich herum zu sehen und Aufgaben zu erfüllen, die für herkömmlic­h programmie­rte Roboter zu komplex und vielfältig sind.

Mittels Reinforcem­ent Learning passen sich die Roboter selbststän­dig an neue Aufgaben an und erweitern ständig die Palette der Objekte, die sie aufnehmen können. Die erste Installati­on der Ki-fähigen Lösung von ABB und Covariant kommt bereits in den Niederland­en zum Einsatz.

Die Produktion der Zukunft ist modular und intelligen­t

KI hält zunehmend Einzug in die Roboterapp­likationse­bene. Hierdurch lassen sich semi-autonome Automatisi­erungszell­en schaffen. Ein Trend, der in einer sich weiter spezialisi­erenden Produktion mit kleinen Losgrößen und „Produktion on Demand“weiter zuspitzen wird.

Wagen wir einen Blick in die Zukunft, wird die Produktion anstelle von seriellen Fertigungs­stationen aus einem Netz semi-autonomer Zellen bestehen, die durch FTS flexibel miteinande­r verknüpft sind. Nur so werden Unternehme­n auch künftig in der Lage sein, die Wünsche ihrer Kunden uneingesch­ränkt zu bedienen. Die Produktion­smitarbeit­er wiederum werden durch eine Reihe von Smart Apps unterstütz­t, und können somit dank ihrer Kreativitä­t die Anlage noch besser optimieren, vorausscha­uend warten und einfacher steuern.

Jörg Reger ist Leiter des Geschäftsb­ereichs Robotik und Fertigungs­automation bei ABB in Deutschlan­d.

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