Das Zeug zum Game Changer
Künstliche Intelligenz in der Robotik
Die Komplexität steigt: Bei immer kleineren Losgrößen und Fachkräftemangel müssen Roboter in der Lage sein, selbstständig und flexibel neue Aufgaben zu erlernen und zu übernehmen. Künstliche Intelligenz (KI) hilft bei der Realisierung einer zukunftssicheren Produktion.
MASCHINELLES LERNEN und KI ermöglichen es, gesammelte Daten in nützliche Informationen umzuwandeln, sodass Roboter langfristig autonom, selbstlernend und letztendlich selbstoptimierend sind. Dabei soll kein menschliches Verhalten kopiert werden. Das Hauptaugenmerk liegt darauf, Roboter in die Lage zu versetzen, in unstrukturierten Umgebungen zu arbeiten. Dazu ist es wichtig, dass sie bestimmte Muster erkennen und in der Lage sind, ihre Fehler selbstständig zu korrigieren. KI ist hier ein entscheidender Schlüssel, um Fabriken effizienter, zuverlässiger und produktiver zu gestalten, wovon am Ende alle Mitarbeitende und das Unternehmen selbst profitieren.
Auch wenn sich KI in Produktionssteuerungsprozessen noch in den Anfängen befindet, gibt es bereits Ansätze – beispielsweise im Bereich der Bildverarbeitung – bei denen bereits neuronale Netze genutzt werden, um optische Qualitätsprobleme zu erkennen.
Die KI unterstützt, der Mensch kombiniert
Allen voran gilt: Am wichtigsten sind die Menschen in der Produktion, die Probleme identifizieren und darauf basierend die geeignete Technologie auswählen. Die existierende Fach- und Branchenexpertise ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Implementierung von Ki-lösungen.
Diese können in der Fabrik der Zukunft vielfältig eingesetzt werden. Etwa für das autonome Greifen durch die Kombination von Bildverarbeitungssystemen und Ki-algorithmen, die einem Roboter helfen, die Größe und Form des Objekts sowie die richtige Greiferposition und den richtigen Druck zum Greifen zu verstehen. Roboter können mit Ki-unterstützung arbeiten, ohne mit anderen Objekten und Robotern zu kollidieren. Möglich ist auch die Navigation von Robotern in einer dynamischen Umgebung.
Die Bedeutung der Mensch-roboterzusammenarbeit und der Einsatz verschiedener Robotertypen nehmen hier
stetig zu. Dabei unterstützt KI Mitarbeitende bei ihrer Arbeit, macht sie produktiver und versetzt sie in die Lage, sich auf wichtigere Aufgaben zu konzentrieren.
Durch maschinelles Lernen und KI besteht die Möglichkeit, die Kollaboration zwischen Mensch und Roboter weiterzuentwickeln und Roboter innerhalb festgelegter Parameter autonomer zu machen. Die Zusammenarbeit ermöglicht es Menschen und Robotern, maximale Flexibilität und Effizienz sicherzustellen, sich die gleichen Arbeitsbereiche zu teilen und sogar an den gleichen Aufgaben zu arbeiten, ohne Geschwindigkeit und Sicherheit zu gefährden. Die Stärke von künstlicher Intelligenz ist es, sehr große Datenmengen zu erfassen und zu verarbeiten, um spezifische Probleme zu lösen. Der Mensch jedoch ist unschlagbar in seiner generischen Intelligenz, um neue Probleme zu analysieren und mit Kreativität zu lösen – wie etwa ein Maschinenstillstand mit unbekannter Ursachen.
Chancen künstlicher Intelligenz für die autonome Produktion
Die Kombination von Robotern und anderen Maschinen, fortschrittlichen Bildverarbeitungssystemen und KI bringt viele Vorteile. Dazu zählen etwa die größere Effizienz durch selbstoptimierende Leistung, erhöhte Zuverlässigkeit durch vorausschauende Wartung oder Echtzeit-datenanalysen zur Verbesserung von Qualität und Prozessen.
Darüber hinaus hilft KI auch dabei, flexiblere Fertigungssysteme zu schaffen, zum Beispiel durch den Einsatz von fahrerlosen Transportsystemen (FTS). Mit KI ausgestattete FTS helfen bei der Umgestaltung der Produktionsschritte, indem sie eine Verlagerung von festen Montagelinien und großen, dedizierten Logistikbereichen zu flexibleren Automatisierungsinseln ermöglichen, die durch eine kleinere, beweglichere Logistik ergänzt werden.
Grundsätzlich löst KI immer nur spezifische Probleme, keine generischen. Die ersten Ki-anwendungen haben daher einen engen Fokus. Dem Menschen wird dabei weiterhin die Aufgabe der Steuerung und Kontrolle solcher spezifischen Ki-lösungen zufallen. Beispielsweise wird ein Roboter hierbei die Autonomie haben, eine spezifische Anwendung zu optimieren, aber nicht plötzlich neue Anwendungen außerhalb seiner Programmierung auszuprobieren.
Roboter sind dank KI, ausgefeilten Greifern und Bildverarbeitung (deren Kern auch KI ist) in der Lage, unterschiedliche Päckchen zu vereinzeln.
Autonome Ki-lösungen in der Produktion heute
ABB bietet bereits mehrere Anwendungen, die Robotik und maschinelles Lernen kombinieren. So überwacht die Plattform Ability Connected Services den Zustand und die Leistung einzelner Roboter oder ganzer Flotten – heute schon über 9.000 angeschlossene Roboter in mehr als 1.000 Fabriken weltweit. Service-experten können Probleme lösen, die zu einem kostspieligen ungeplanten Stillstand führen könnten, bevor sie auftreten. Auch der Ability Connected Atomizer für die Fahrzeuglackierung verwendet maschinelles Lernen, um die Leistung und Qualität auf der Grundlage von Daten ohne menschlichen Eingriff zu optimieren.
Neben der Produktion besteht bedeutendes Potenzial für Ki-fähige Robotiklösungen in einem breiten Spektrum von Anwendungen, darunter Logistik, Lagerhaltung sowie Paket- und Postsortierung. Deshalb hat ABB mit dem Startup Covariant eine Partnerschaft geschlossen, um Ki-fähige Robotiklösungen auf den Markt zu bringen, beginnend mit einer vollständig autonomen Lösung für die Auftragsabwicklung im Lager. Die KI von Covariant ermöglicht es den Robotern, die Welt um sich herum zu sehen und Aufgaben zu erfüllen, die für herkömmlich programmierte Roboter zu komplex und vielfältig sind.
Mittels Reinforcement Learning passen sich die Roboter selbstständig an neue Aufgaben an und erweitern ständig die Palette der Objekte, die sie aufnehmen können. Die erste Installation der Ki-fähigen Lösung von ABB und Covariant kommt bereits in den Niederlanden zum Einsatz.
Die Produktion der Zukunft ist modular und intelligent
KI hält zunehmend Einzug in die Roboterapplikationsebene. Hierdurch lassen sich semi-autonome Automatisierungszellen schaffen. Ein Trend, der in einer sich weiter spezialisierenden Produktion mit kleinen Losgrößen und „Produktion on Demand“weiter zuspitzen wird.
Wagen wir einen Blick in die Zukunft, wird die Produktion anstelle von seriellen Fertigungsstationen aus einem Netz semi-autonomer Zellen bestehen, die durch FTS flexibel miteinander verknüpft sind. Nur so werden Unternehmen auch künftig in der Lage sein, die Wünsche ihrer Kunden uneingeschränkt zu bedienen. Die Produktionsmitarbeiter wiederum werden durch eine Reihe von Smart Apps unterstützt, und können somit dank ihrer Kreativität die Anlage noch besser optimieren, vorausschauend warten und einfacher steuern.
Jörg Reger ist Leiter des Geschäftsbereichs Robotik und Fertigungsautomation bei ABB in Deutschland.