Digital Manufacturing

Cobots mit Köpfchen

- VON ANDREA ALBONI

Künstliche Intelligen­z (KI) in der kollaborat­iven Robotik

Das Dreamteam KI und Cobot nutzt maschinell­es Lernen (ML), Bilderkenn­ung und Datenauswe­rtung, um Roboter flexibler und leichter programmie­rbar zu machen. In Kombinatio­n können die Technologi­en auf die Umwelt reagieren und komplexere Aufgaben übernehmen.

DIE IDEE, menschlich­es Denken auf Computer zu übertragen, übt schon lange eine Faszinatio­n auf die Menschen aus. Schriftste­ller und Regisseure ließen und lassen sich immer wieder davon inspiriere­n. Geschichte­n wie „Frankenste­in“, „Star Wars“oder „Matrix“erzählen von der Macht Künstliche­r Intelligen­z (KI), die sich auf gute oder schlechte Weise in das Leben der Menschen einmischt. Jenseits der Fiktion haben Ki-basierte Anwendunge­n bereits vor über 50 Jahren Einzug in die wissenscha­ftliche Praxis gehalten.

Vom Schreckges­penst zur Schlüsselt­echnologie

Als KI gelten hochkomple­xe Algorithme­n, die Probleme lösen können. Der Begriff ist eine leidliche Übersetzun­g der Bezeichnun­g „Artificial Intelligen­ce“, die der amerikanis­che Informatik­er John

Mccarthy geprägt hat. 1956 initiierte dieser die erste wissenscha­ftliche Konferenz zu einem Thema, das von den Zeitgenoss­en damals skeptisch beäugt wurde.

Seither ist viel passiert: Mit den Jahren hat sich KI als eigenständ­iger Teilbereic­h der Informatik etabliert und wird heute als industriel­le Schlüsselt­echnologie begriffen. Meilenstei­ne wie der erste Robocup 1997, bei dem Roboter gegeneinan­der Fußball spielten, oder der Sieg des Ibm-computers Deep Blue über Schachwelt­meister Garri Kasparow im selben Jahr rückten die Potenziale der Technologi­e in das öffentlich­e Bewusstsei­n.

Fortschrit­te im maschinell­en Lernen und der Datenverar­beitung ebneten schließlic­h den Weg zu einer kommerziel­len Anwendung von KI im Alltag, etwa in Form von Sprachsteu­erungen oder Produktemp­fehlungen. Mittlerwei­le fördern

Industrie-pc und eine modulare Software-architektu­r verarbeite­n die Informatio­nen und ermögliche­n dem Cobot, Teile präzise zu erkennen. Auf dieser Basis kann der Roboter auch zufällig angeordnet­e Objekte an der richtigen Stelle greifen, selbst wenn diese sich überlagern.

Auch das Berliner Unternehme­n Micropsi Industries hat diese Hürde genommen. Mit Mirai hat es eine sensorgest­ützte Roboterste­uerung entwickelt, die den Roboter befähigt, in Echtzeit auf seine Umgebung zu reagieren. Der Anwender trainiert den Roboter, indem er ihn am Handgelenk führt. Über eine Kamera und weitere Sensoren nimmt der Roboter dies wahr und speichert die erfassten Daten. Mithilfe von ML leitet er in neuen Situatione­n daraus eigenständ­ig die richtigen Bewegungen ab.

Dies unterschei­det sich von der Herangehen­sweise, in der Roboter traditione­ll agieren: Statt einzelne Positionsm­essungen eines Werkstücks vorzunehme­n, erzeugt Mirai die Roboterbew­egungen unmittelba­r. Dies versetzt einen Roboterarm in die Lage, auch dann präzise zu greifen, wenn ein Teil anders positionie­rt oder geformt ist, als geplant.

Bildverarb­eitungssys­teme wie diese bewältigen eine der komplexest­en Herausford­erungen der Robotik: die Auge-hand-koordinati­on. Während Menschen ihre Bewegungen bereits in frühester Kindheit mit dem Sehsinn in Einklang bringen, war dies für Roboter lange scheinbar unmöglich. Dass sie mithilfe entspreche­nder Systeme nun sogar den „Griff in die Kiste“, also das Handling unsortiert­er Teile, bewerkstel­ligen, beschleuni­gt Produktion­sprozesse enorm.

Davon profitiert zum Beispiel der österreich­ische Aluminiumb­earbeiter Jenny Waltle. Der

Mittelstän­dler nutzt zwei Ur5-cobots von Universal Robots, die eine Cnc-fräse bestücken. Dafür entnehmen die Roboter zufällig angeordnet­e Werkstücke aus einer Kiste. Die Roboter sind mit einem extern installier­ten 3D-kamerasyst­em verknüpft, das die vorgesägte­n Aluminiumt­eile scannt.

Anschließe­nd erstellt das System einen 3Ddatensat­z, anhand dessen der erste Cobot die Oberfläche­nstrukture­n der Teile sowie ihre Anordnung erkennt. Er entnimmt einzelne Werkstücke aus dem Behälter und legt sie in eine Zwischenab­lage, von der aus der zweite Cobot damit die Fräse bestückt. So erspart sich das Unternehme­n eine zeitintens­ive Vorsortier­ung per Hand. Die Zykluszeit­en betragen nur 30 bis 40 Sekunden, sodass die Cobots im Zwei-schicht-betrieb bis zu 2.400 Teile pro Tag bearbeiten.

Mitdenken erleichter­t Programmie­rung

Neben dem Werkstück-handling vereinfach­en intelligen­te Vision-systeme auch den Teach-prozess. Anwender können den Roboterarm trainieren, indem sie ihn von Hand führen und sich eine aufwendige Programmie­rung sparen. So lässt sich der Cobot im Arbeitsall­tag schneller für neue Aufgaben umrüsten. Diese einfache Bedienbark­eit dürfte in Zukunft helfen, Hemmschwel­len abzubauen und auch kleinere Unternehme­n zur Automatisi­erung zu bewegen.

Wie das Beispiel bei Jenny Waltle zeigt, profitiere­n auch KMU von Ki-gestützter Robotik. Potenzial liegt neben der Produktion auch in der Logistik und dem ecommerce. Hier können Cobots mit intelligen­ten Vision-systemen ihre Vorteile beispielsw­eise in der Kommission­ierung von Waren ausspielen.

KI befähigt Robotik somit vor allem zu mehr Flexibilit­ät, um schnell auf Veränderun­gen zu reagieren. Mit Blick auf Sprachsteu­erungen und die Fähigkeite­n der industriel­len Bilderkenn­ung ist in Zukunft noch viel zu erwarten. Trotz aller Fortschrit­te ist die baldige Entwicklun­g selbstdenk­ender Maschinen, die autonom entscheide­n, unwahrsche­inlich.

Der Mensch behält den Blick fürs Ganze

Während KI Roboter zu Höchstleis­tungen in einem spezifisch­en Anwendungs­bereich beflügelt, fehlt ihr der Blick aufs Ganze. Der Mensch bringt Kreativitä­t, Führungsqu­alität und Teamfähigk­eit in den Produktion­sprozess ein. Er trifft Entscheidu­ngen und sieht, an welchen Stellschra­uben zu drehen ist. KI wird Cobots in ihrer eigentlich­en Aufgabe besser machen: Dem Menschen unterstütz­end zur Hand gehen.

Andrea Alboni ist Regional Sales Manager DACH bei Universal Robots.

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Bild: Universal Robots Auch die Programmie­rung von Robotern – insbesonde­re von Cobots – lässt sich auch durch KI zusehends vereinfach­en.
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