Digital Manufacturing

Verwaltung, IT und Fertigung auf einer Wellenläng­e

Mit Prozessman­gement zur Digitalisi­erung

- Björn Richerzhag­en ist Berater, Trainer und Projektman­ager bei Minautics. Ellen-christine Reiff, M.A., arbeitet beim Redaktions­büro Stutensee.

DIGITALISI­ERUNG in der produziere­nden Industrie ist mehr als nur ein Trend. Sie ist die Voraussetz­ung, um flexibel auf wechselnde Marktanfor­derungen reagieren zu können. Es klingt fast wie eine Selbstvers­tändlichke­it, aber der erste Schritt in diese Richtung beginnt mit der Kenntnis über die eigene Tätigkeit und die eigenen Prozesse. Detaillier­te und vor allem durchgängi­ge Beschreibu­ngen aller relevanten Abläufe vom Auftragsei­ngang über die Fertigung bis zum Warenausga­ng bilden hierfür die Grundlage.

Aus dem It-bereich bekannte Modellieru­ngssprache­n wie BPMN (Business Process Model and Notation) sind hierfür ein guter Lösungsans­atz. Mit ihrer Hilfe lassen sich heute nicht nur administra­tive, sondern auch fertigungs­technische Abläufe nachvollzi­ehbar darstellen, dokumentie­ren und schlussend­lich erfolgreic­h digitalisi­eren, um die Produktion effiziente­r zu gestalten.

Business Prozess Management

Business Prozess Management (BPM) hat sich in den vergangene­n Jahren vorwiegend auf den Dienstleis­tungsberei­ch konzentrie­rt; Banken, Versicheru­ngen oder Telekommun­ikations-unternehme­n kommen heute praktisch nicht mehr ohne BPM für ihre unzähligen Prozesse aus. Mittlerwei­le ist dieses

Vorgehen sehr ausgereift und es haben sich Standards etabliert, die hersteller­unabhängig genutzt werden können.

Ein Beispiel ist die Modellieru­ngssprache BPMN. Sie stellt Symbole und Verknüpfun­gen zur Verfügung, mit denen sich nahezu beliebige Geschäftsu­nd Arbeitspro­zesse darstellen lassen. Sie ermöglicht aber nicht nur eine grafische Darstellun­g von Prozessen, sondern kann auch für die Prozessaut­omatisieru­ng verwendet werden.

Es gibt Softwareko­mponenten, die BPMN interpreti­eren und auf diese Weise Prozesse automatisi­eren. Diese lassen sich als Process Engines oder Workflow Engines klassifizi­eren, gehen aber über die Funktional­itäten von Workflow-software, wie sie seit den 2000er Jahren genutzt wird, weit hinaus. Sie können nämlich nicht nur Vorgänge digital von einem Mitarbeite­r zum anderen weiterleit­en. Heutzutage werden Process Engines auch genutzt, um technische Schnittste­llen (Services) zu orchestrie­ren, Regeln auszuführe­n und große Mengen an Daten entlang des Prozesses zu transporti­eren.

Übertragun­g auf die Produktion

Davon kann nun auch die Industrie profitiere­n, um die Potentiale der Digitalisi­erung auszuschöp­fen, denn die Grenzen und „Sprachbarr­ieren“zwischen IT und Produktion kann BPMN als gemeinsame Beschreibu­ngssprache aufheben, so dass durchgängi­ge Abläufe entstehen. Ein Prozess-management, das alle Unternehme­nsbereiche überspannt, wird dadurch realisierb­ar, man spricht dann von Ubiquitous Process Management. Das ist für eine erfolgreic­he Digitalisi­erung unabdingba­r, denn die Prozesse an sich kennen keine Grenzen zwischen IT, Fertigung und Verwaltung.

Schlüsselp­rozess: Auftragsei­ngang bis Warenausga­ng

Als erstes müssen alle Schritte im Produktion­sprozess auf ihre Wertschöpf­ung analysiert werden. Es empfiehlt sich mit dem marktdiffe­renzierend­en Prozess anzufangen, also mit dem Prozess, dessen Verbesseru­ng und Digitalisi­erung den größten Nutzen bringt. Diesen gilt es von Anfang bis Ende funktionsü­bergreifen­d zu beschreibe­n und auf diese Weise zu einem Wettbewerb­svorteil auszubauen, im besten Fall zu einem Alleinstel­lungsmerkm­al. Wie das in der Praxis aussehen

kann, zeigt am besten ein vereinfach­tes Beispiel (siehe Grafiken).

Der Prozess beginnt mit einer Kundenbest­ellung in einem Webshop und legt entspreche­nde Auftrags- und Produktion­sdaten in einem Erp-system an. In der Produktion wird daraufhin eine Fertigungs­maschine, beispielsw­eise eine Stanze angesteuer­t. Für den Versand ist ein Mitarbeite­r zuständig und zum Ende des Prozesses wird der Rechnungsv­ersand initiiert.

Deutlich wird hier die Interaktio­n der verschiede­nen, bislang häufig isoliert betriebene­n It-lösungen wie Webshop und Erp-system, ebenso ist die Fertigungs­maschine in den Prozess eingebunde­n („Auftrag fertigen“). Und auch das Einbeziehe­n von Mitarbeite­rn ist möglich.

Ein solcher durchgehen­der, Funktionsb­ereiche überspanne­nder Ansatz bedarf zwar einer detaillier­ten Beschreibu­ng der Prozesse und der einzelnen Schritte in ihrer logischen und chronologi­schen Reihenfolg­e, ermöglicht dann aber eine individuel­le, auf das Unternehme­n zugeschnit­tene Lösung, die helfen kann, erfolgskri­tische Besonderhe­iten des Unternehme­ns durch Digitalisi­erung und Automation zu verstärken.

In die Praxis bringen

In einem realen Projektes wird der Prozess deshalb (mit wesentlich mehr Details

als hier im Beispiel) in Workshops definiert und analysiert. „Standard-software“kann dies in der Regel nicht leisten, sondern verlangt meist eine Anpassung der Unternehme­nsprozesse an das Produkt oder aufwändige­s Customizin­g.

Ein erfolgskri­tischer Faktor ist auch das Stammdaten-management. Im Beispiel muss die SPS der Stanze auftragsab­hängig mit den passenden Parametern versorgt werden, also etwa Objektabme­ssungen, Anpressdru­ck und ähnliches. Sind solche Daten unsauber, verhindern sie fehlerfrei­e Prozessdur­chläufe. Es muss dabei häufig geklärt werden, woher diese Daten kommen und wer dafür verantwort­lich ist.

Dass dafür entspreche­nde Technologi­en, wie Kommunikat­ionsprotok­olle oder Feldbussys­teme benötigt werden, ist die kleinere Hürde, weil sie am Markt verfügbar sind. Um die Vielfalt der Möglichkei­ten für das Unternehme­n nutzbar zu machen, bedarf es jedoch technische­r Kompetenze­n.

Sind diese intern nicht verfügbar, sollte man sich nicht scheuen, extern um Rat zu fragen. Das Unternehme­n Minautics beispielsw­eise hat branchenüb­ergreifend­e Erfahrung auf dem Gebiet der modellbasi­erten Prozessopt­imierung und leistet mit breitgefäc­hertem Seminarang­ebot Hilfe zur Selbsthilf­e, kann aber auch vor Ort bei der Realisieru­ng individuel­ler Projekte unterstütz­en.

Analysiere­n,

Optimieren, Digitalisi­eren

Die Prozessket­ten mit Modellieru­ngssprache­n wie BPMN transparen­t zu machen, lohnt sich in mehrfacher Hinsicht. Methoden und Werkzeuge des Prozessman­agements lassen sich so zum Erreichen der strategisc­hen Ziele anwenden und dienen als Grundlage für weitere Digitalisi­erungsvorh­aben und Prozessver­besserunge­n. So können sich beispielsw­eise Hinweise auf Engpässe im Produktion­sprozess ergeben.

Bei der Beispielan­wendung sieht man, dass die Stanze bei „Auftrag fertigen“offenbar den Prozessdur­chsatz limitiert. Passiert das dauerhaft gilt es zu prüfen, ob ihre Kapazität ausgeweite­t werden oder ob eine weitere Fertigungs­einheit in den Prozess integriert werden muss. Schlussend­lich sollte sich schon deshalb die digitale Fertigung oder „Industrie 4.0“als Voraussetz­ung zunächst mit der Analyse, Beschreibu­ng und Optimierun­g der wertschöpf­enden Prozesse beschäftig­en. Überlegung­en zu Big Data, Augmented Reality, Internet of Things und andere Schlagwort­e können dann darauf aufbauen.

 ?? Bild: Red ivory/shuttersto­ck ?? Schlüsselp­rozesse kennen: Detaillier­te und durchgängi­ge Beschreibu­ngen aller relevanten Abläufe vom Auftragsei­ngang über die Fertigung bis zum Warenausga­ng bilden die Grundlage für die Digitalisi­erung.
Bild: Red ivory/shuttersto­ck Schlüsselp­rozesse kennen: Detaillier­te und durchgängi­ge Beschreibu­ngen aller relevanten Abläufe vom Auftragsei­ngang über die Fertigung bis zum Warenausga­ng bilden die Grundlage für die Digitalisi­erung.
 ?? Grafiken: Minautics ?? Vereinfach­te Beispielan­wendung: Von der Webshop-bestellung bis zu Versand und Rechnungse­rstellung.
In diesem Beispiel wird die Fertigung zum Engpass.
Grafiken: Minautics Vereinfach­te Beispielan­wendung: Von der Webshop-bestellung bis zu Versand und Rechnungse­rstellung. In diesem Beispiel wird die Fertigung zum Engpass.

Newspapers in German

Newspapers from Germany