Verwaltung, IT und Fertigung auf einer Wellenlänge
Mit Prozessmangement zur Digitalisierung
DIGITALISIERUNG in der produzierenden Industrie ist mehr als nur ein Trend. Sie ist die Voraussetzung, um flexibel auf wechselnde Marktanforderungen reagieren zu können. Es klingt fast wie eine Selbstverständlichkeit, aber der erste Schritt in diese Richtung beginnt mit der Kenntnis über die eigene Tätigkeit und die eigenen Prozesse. Detaillierte und vor allem durchgängige Beschreibungen aller relevanten Abläufe vom Auftragseingang über die Fertigung bis zum Warenausgang bilden hierfür die Grundlage.
Aus dem It-bereich bekannte Modellierungssprachen wie BPMN (Business Process Model and Notation) sind hierfür ein guter Lösungsansatz. Mit ihrer Hilfe lassen sich heute nicht nur administrative, sondern auch fertigungstechnische Abläufe nachvollziehbar darstellen, dokumentieren und schlussendlich erfolgreich digitalisieren, um die Produktion effizienter zu gestalten.
Business Prozess Management
Business Prozess Management (BPM) hat sich in den vergangenen Jahren vorwiegend auf den Dienstleistungsbereich konzentriert; Banken, Versicherungen oder Telekommunikations-unternehmen kommen heute praktisch nicht mehr ohne BPM für ihre unzähligen Prozesse aus. Mittlerweile ist dieses
Vorgehen sehr ausgereift und es haben sich Standards etabliert, die herstellerunabhängig genutzt werden können.
Ein Beispiel ist die Modellierungssprache BPMN. Sie stellt Symbole und Verknüpfungen zur Verfügung, mit denen sich nahezu beliebige Geschäftsund Arbeitsprozesse darstellen lassen. Sie ermöglicht aber nicht nur eine grafische Darstellung von Prozessen, sondern kann auch für die Prozessautomatisierung verwendet werden.
Es gibt Softwarekomponenten, die BPMN interpretieren und auf diese Weise Prozesse automatisieren. Diese lassen sich als Process Engines oder Workflow Engines klassifizieren, gehen aber über die Funktionalitäten von Workflow-software, wie sie seit den 2000er Jahren genutzt wird, weit hinaus. Sie können nämlich nicht nur Vorgänge digital von einem Mitarbeiter zum anderen weiterleiten. Heutzutage werden Process Engines auch genutzt, um technische Schnittstellen (Services) zu orchestrieren, Regeln auszuführen und große Mengen an Daten entlang des Prozesses zu transportieren.
Übertragung auf die Produktion
Davon kann nun auch die Industrie profitieren, um die Potentiale der Digitalisierung auszuschöpfen, denn die Grenzen und „Sprachbarrieren“zwischen IT und Produktion kann BPMN als gemeinsame Beschreibungssprache aufheben, so dass durchgängige Abläufe entstehen. Ein Prozess-management, das alle Unternehmensbereiche überspannt, wird dadurch realisierbar, man spricht dann von Ubiquitous Process Management. Das ist für eine erfolgreiche Digitalisierung unabdingbar, denn die Prozesse an sich kennen keine Grenzen zwischen IT, Fertigung und Verwaltung.
Schlüsselprozess: Auftragseingang bis Warenausgang
Als erstes müssen alle Schritte im Produktionsprozess auf ihre Wertschöpfung analysiert werden. Es empfiehlt sich mit dem marktdifferenzierenden Prozess anzufangen, also mit dem Prozess, dessen Verbesserung und Digitalisierung den größten Nutzen bringt. Diesen gilt es von Anfang bis Ende funktionsübergreifend zu beschreiben und auf diese Weise zu einem Wettbewerbsvorteil auszubauen, im besten Fall zu einem Alleinstellungsmerkmal. Wie das in der Praxis aussehen
kann, zeigt am besten ein vereinfachtes Beispiel (siehe Grafiken).
Der Prozess beginnt mit einer Kundenbestellung in einem Webshop und legt entsprechende Auftrags- und Produktionsdaten in einem Erp-system an. In der Produktion wird daraufhin eine Fertigungsmaschine, beispielsweise eine Stanze angesteuert. Für den Versand ist ein Mitarbeiter zuständig und zum Ende des Prozesses wird der Rechnungsversand initiiert.
Deutlich wird hier die Interaktion der verschiedenen, bislang häufig isoliert betriebenen It-lösungen wie Webshop und Erp-system, ebenso ist die Fertigungsmaschine in den Prozess eingebunden („Auftrag fertigen“). Und auch das Einbeziehen von Mitarbeitern ist möglich.
Ein solcher durchgehender, Funktionsbereiche überspannender Ansatz bedarf zwar einer detaillierten Beschreibung der Prozesse und der einzelnen Schritte in ihrer logischen und chronologischen Reihenfolge, ermöglicht dann aber eine individuelle, auf das Unternehmen zugeschnittene Lösung, die helfen kann, erfolgskritische Besonderheiten des Unternehmens durch Digitalisierung und Automation zu verstärken.
In die Praxis bringen
In einem realen Projektes wird der Prozess deshalb (mit wesentlich mehr Details
als hier im Beispiel) in Workshops definiert und analysiert. „Standard-software“kann dies in der Regel nicht leisten, sondern verlangt meist eine Anpassung der Unternehmensprozesse an das Produkt oder aufwändiges Customizing.
Ein erfolgskritischer Faktor ist auch das Stammdaten-management. Im Beispiel muss die SPS der Stanze auftragsabhängig mit den passenden Parametern versorgt werden, also etwa Objektabmessungen, Anpressdruck und ähnliches. Sind solche Daten unsauber, verhindern sie fehlerfreie Prozessdurchläufe. Es muss dabei häufig geklärt werden, woher diese Daten kommen und wer dafür verantwortlich ist.
Dass dafür entsprechende Technologien, wie Kommunikationsprotokolle oder Feldbussysteme benötigt werden, ist die kleinere Hürde, weil sie am Markt verfügbar sind. Um die Vielfalt der Möglichkeiten für das Unternehmen nutzbar zu machen, bedarf es jedoch technischer Kompetenzen.
Sind diese intern nicht verfügbar, sollte man sich nicht scheuen, extern um Rat zu fragen. Das Unternehmen Minautics beispielsweise hat branchenübergreifende Erfahrung auf dem Gebiet der modellbasierten Prozessoptimierung und leistet mit breitgefächertem Seminarangebot Hilfe zur Selbsthilfe, kann aber auch vor Ort bei der Realisierung individueller Projekte unterstützen.
Analysieren,
Optimieren, Digitalisieren
Die Prozessketten mit Modellierungssprachen wie BPMN transparent zu machen, lohnt sich in mehrfacher Hinsicht. Methoden und Werkzeuge des Prozessmanagements lassen sich so zum Erreichen der strategischen Ziele anwenden und dienen als Grundlage für weitere Digitalisierungsvorhaben und Prozessverbesserungen. So können sich beispielsweise Hinweise auf Engpässe im Produktionsprozess ergeben.
Bei der Beispielanwendung sieht man, dass die Stanze bei „Auftrag fertigen“offenbar den Prozessdurchsatz limitiert. Passiert das dauerhaft gilt es zu prüfen, ob ihre Kapazität ausgeweitet werden oder ob eine weitere Fertigungseinheit in den Prozess integriert werden muss. Schlussendlich sollte sich schon deshalb die digitale Fertigung oder „Industrie 4.0“als Voraussetzung zunächst mit der Analyse, Beschreibung und Optimierung der wertschöpfenden Prozesse beschäftigen. Überlegungen zu Big Data, Augmented Reality, Internet of Things und andere Schlagworte können dann darauf aufbauen.