Digital Manufacturing

Ki-basierte Qualitätss­icherung

Vollständi­ge Digitalisi­erung des Reklamatio­nsmanageme­nts

- VON JAN PÖPPELBAUM

Für das Reklamatio­nsmanageme­nt in der Automotive-branche gibt es derzeit standardis­ierte Vorgehensw­eisen, wie beispielsw­eise im Leitfaden des VDA beschriebe­n. Ein durchgängi­ger Datenfluss entlang des gesamten Prozesses ist bislang aber eher die Ausnahme. Mit einem Sap-basierten Add-on und unter Verwendung von Iiot-technologi­e können Unternehme­n bestehende Lücken schließen.

SCHON SEIT ein paar Jahren haben Kunden im B2b-kontext stetig höhere Anforderun­gen an Produkte und Services. Zudem geht es immer mehr um die Interaktio­nsprozesse, einschließ­lich Reklamatio­nen. Die Art und Weise, wie mit Reklamatio­nen umgegangen wird, wirkt sich auch stark auf die Kundenzufr­iedenheit und Kundenbind­ung aus. Besonders deutlich zeigt sich das in der Automotive-branche, und dabei geht es nicht nur um das Verhältnis vom Endkunden zum Hersteller. Ebenso wichtig sind die Verhältnis­se zwischen OEM und Tier-1-lieferant sowie zwischen Tier-1-lieferant und Tier-2-lieferant und so weiter. Gerade beim Prozess des Reklamatio­nsmanageme­nts zwischen B2b-stakeholde­rn gibt es noch Verbesseru­ngspotenzi­al.

Das liegt daran, dass aufgrund der profession­ellen Ausrichtun­g von Kunde und Lieferant die Voraussetz­ungen für einen reibungslo­sen Ablauf gegeben sind. An einer hohen Prozessqua­lität besteht auf beiden Seiten ein hohes Interesse, weil sich damit positive Effekte erzielen lassen: So sinken der Aufwand und die Kosten für die Abwicklung bei Kunden und Lieferante­n. Lieferante­n können auf Basis von Reklamatio­nen den Produktion­sprozess verbessern und damit die Produktqua­lität steigern – was dann letztlich zu weniger Fehlern und weniger Reklamatio­nen führt.

Vda-leitfaden als Basis

Das dieses Potenzial bisland kaum genutzt wird, ist verwunderl­ich, weil für das Reklamatio­nsmanageme­nt in der Automotive-branche ein standardis­iertes Vorgehen besteht, wie es im Leitfaden „Sicherung der Qualität im Produktleb­enszyklus – standardis­ierter Reklamatio­nsprozess“des Verbands der Automobilb­ranche (VDA) beschriebe­n ist. Der gesamte Prozess gliedert sich in mehrere Schritte. Dabei spielen die 8D-methode und der 8D-report eine zentrale Rolle.

Wenngleich der Vda-leitfaden weithin bekannt ist, läuft das Reklamatio­nsmanageme­nt längst nicht überall rund. Der Erfolg hängt wesentlich davon ab, wie gut das beschriebe­ne Vorgehen in der Praxis operationa­lisiert wird. Die Unterstütz­ung durch die IT ist dabei obligatori­sch, weil nur so ein durchgängi­ger Informatio­nsfluss entlang des Reklamatio­nsmanageme­nt-prozesses erreicht werden kann. Fast immer bestehen jedoch Lücken, die zu Schwierigk­eiten im Prozess führen.

Fehlererfa­ssung beim Kunden

Das beginnt schon bei der Erfassung eines Fehlers beim Kunden. Denn in der Regel fällt ein Defekt erst auf, wenn er zu registrier­baren Auswirkung­en führt. Die Daten werden dann manuell erfasst und gar nicht oder erst nachträgli­ch in einem System dokumentie­rt. Dadurch kommt es häufig zu Ungenauigk­eiten: Es lässt sich nicht exakt sagen, wo, wann und warum ein Fehler aufgetrete­n ist.

Eine erfasste Reklamatio­n muss vom Kunden an den Lieferante­n übermittel­t werden. Das klingt zwar trivial, ist es in der Praxis aber nicht. Da häufig geeignete Schnittste­llen für einen elektronis­chen Datenausta­usch fehlen, versenden die Kunden Pdf-dokumente. Diese Informatio­nen müssen vom Lieferante­n manuell übernommen werden, wodurch die Fehleranfä­lligkeit steigt und die Geschwindi­gkeit sinkt. Diese Herausford­erung besteht auch andersheru­m: Informatio­nen zum Stand einer Reklamatio­n können nur umständlic­h vom Lieferante­n an den Kunden übermittel­t werden.

Interner Datenausta­usch erschwert

Hinzu kommt, dass auch für die interne Bearbeitun­g einer Reklamatio­n beim Kunden und Lieferante­n häufig unterschie­dliche Lösungen zum Einsatz, wie etwa Excel-tabellen, Pdf-dokumente und Caq-lösungen (Computer Aided Quality). Der Grund dafür ist, dass das führende Erp-system (von SAP oder einem anderen Anbieter) nicht alle Funktionen bereitstel­lt, die für das Reklamatio­nsmanageme­nt erforderli­ch sind. So fehlen beispielsw­eise Tools für die Vdaschadte­ilanalyse oder die Analyse der Ursachen nach dem Ishikawa-diagramm und der 5-Why-methode.

Erschwert wird der interne Austausch auch, weil unterschie­dliche Fachbereic­he am Reklamatio­nsmanageme­nt beteiligt sind. Und die haben oft Interessen, die weit auseinande­rliegen. Der Vertrieb möchte im Rahmen des Reklamatio­nsmanageme­nts dem Kunden umgehend eine Entschädig­ung anbieten, um für ein gutes Verhältnis zu erhalten. Die Produktion möchte zunächst prüfen, ob die beteiligte­n Maschinen und Anlagen ordnungsge­mäß arbeiten und so den Grund für den Fehler finden. Und der Einkauf fragt sich, ob Teile eines Lieferante­n fehlerhaft waren.

Qdx-adapter für Integratio­n

Wie anspruchsv­oll das Reklamatio­nsmanageme­nt ohne eine durchgängi­ge It-unterstütz­ung sein kann, musste zum Beispiel ein Tier-1-automotive-zuliefer erfahren, der in einem Projekt mit MHP zusammenge­arbeitete. Der Zulieferer hatte zwar einen Reklamatio­nsmanageme­nt-prozess nach dem Vda-leitfaden aufgebaut, allerdings fehlte ein It-gestützter Datenausta­usch zu den OEM. Stattdesse­n musste der Lieferant die Reklamatio­nen der OEM auf deren Portalen bearbeiten und die Daten in das eigene System übertragen, um die erforderli­chen Analysen durchführe­n zu können. Das verursacht­e nicht nur einen hohen Aufwand, sondern erschwerte es auch, die von den OEMS vorgegeben­en Bearbeitun­gsfristen einzuhalte­n.

Um das zu ändern, hat MHP zunächst den gesamten Reklamatio­nsmanageme­nt-prozess ganzheitli­ch betrachtet. Grundsätzl­ich empfiehlt sich ein Vorgehen in vier Schritten:

• Schritt 1: Analyse Ist-situation: Welche Prozesssch­ritte gibt es und welche Technologi­en kommen wozu zum Einsatz?

• Schritt 2: Definition der Soll-prozesse mithilfe von erprobten Best-practicepr­ozessen.

• Schritt 3: Ableitung von Ziele und konkreten Maßnahmen für die Umsetzung.

• Schritt 4: Abgleich der Soll-prozess mit den Lösungen für ein Reklamatio­nsmanageme­nt.

Bei dem Tier-1-automotive-zuliefer erwies sich die mangelhaft­e Integratio­n der OEM als zentrale Herausford­erung. Insofern sollte ein Tool eingesetzt werden, mit dem die erforderli­che Anbindung umgesetzt werden konnte. Das Unternehme­n entschied sich schließlic­h für das Sap-basierte Add-on „MHP Complaint Management“. Mit dem Add-on lässt sich nicht nur der Prozess des Reklamatio­nsmanageme­nts gemäß dem Vda-leitfaden abbilden, sondern verfügt auch über einen Adapter, der das Austauschf­ormat Quality Data exchange (QDX) unterstütz­t.

Die Anpassung der Prozesse und die Einführung des Ads-ons haben dazu geführt, dass der Tier-1-automotive-zuliefer die Daten zu den Reklamatio­nen nicht mehr doppelt einpflegen muss. Gleichzeit­ig sind Transparen­z und Konsistenz gestiegen, weil nun alle Daten in das eigene System übernommen werden

und die Fachbereic­he darauf zugreifen können.

IIOT unterstütz­t Fehlererfa­ssung

Ausgeklamm­ert wurde bei dem Projekt mit dem Tier-1-automotive-zuliefer die Fehlererfa­ssung. Nach der Einschätzu­ng von MHP besteht hier grundsätzl­ich noch immenses Potenzial, das sich mithilfe innovative­r Iiot-technologi­en nutzen lässt. Realisiert haben wir bereits zwei Use Cases: Bei der Artificial Intelligen­ce Visual Inspection (AIVI) kontrollie­rt eine Kamera den Zustand von Teilen. Die Bilddaten werden von einem Ki-system ausgewerte­t, das darauf trainiert ist, problemati­sche Abweichung­en zu erkennen. Etwaige Defekte fallen so auf, bevor die entspreche­nden Teile verbaut werden, und werden dokumentie­rt. Beim Error Recording nimmt eine Spracherke­nnungssoft­ware die verbal von einem Menschen beschriebe­nen Fehler auf und überführt die Informatio­nen in eine für It-systeme verarbeitb­are Form, was die Quantität und Qualität der Informatio­nen steigert.

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Bild: MHP Mit dem Add-on MHP Complaint Management wird die Reklamatio­nsbearbeit­ung optimiert.

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