Werkerführung/fts
Produktion auf der Überholspur
Der Pumpenhersteller Wilo ES hat seinen Stammsitz in Dortmund umgestaltet. Herzstück des neuen Wilo-parks ist eine smarte Fabrik mit modernen Werkplätzen und einem fahrerlosen Transportsystem. Die Werkerführungssoftware flexassistang von Soma überwacht jetzt sämtliche Fertigungsabläufe und leitet auch das Personal an. Dazu wurden mehrere Montagelinien in freier Verkettung umgesetzt, die mit dem System verbunden sind.
BEI DER Werkerführungssoftware flexassistant laufen sämtliche Informationen wie relevante Prozessparameter, Bauteilabfragen und geplante Routen der AGVS (fahrerlose Transportfahrzeuge) zusammen. Das System sendet automatisch die entsprechenden Arbeitsanweisungen an den jeweiligen Montageplatz und instruiert den Werker über die erforderlichen Arbeitsschritte und die Werkzeugwahl. Das Vergessen von Bauteilen, die Wahl falscher Drehmomente oder eine unsaubere Montage gehören der Vergangenheit an, denn die übergeordnete Prozessüberwachung erkennt Fehler direkt, wenn sie passieren. Im Falle einer Abweichung führt das neue System nicht mehr zu einem Produktionsstopp, sondern leitet das AGV mit dem Produkt an den entsprechenden Nacharbeitsplatz.
Die AGVS können sich sogar gegenseitig überholen oder von ihren Routen abweichen, um die Produktion zu beschleunigen. Um die Mitarbeiter an die digitalisierte Montagearbeit zu gewöhnen, hat Soma zusätzlich eine Trainingslinie nach gleichem Muster umgesetzt, an der neben der Einarbeitung neuer Mitarbeiter auch die Montage von Neuentwicklungen vorgeplant werden können.
Dynamische Planung vermeidet Stillstandszeiten
Während heute die Herstellung von Produkten aufgrund gestiegener Anforderungen in Bezug auf digitale Vernetzungsund Fernwartungsmöglichkeiten immer komplexer wird, steigt gleichzeitig der Wunsch nach flexibleren Stückzahlen. Das erfordert eine dynamische Planung, insbesondere um Stillstandszeiten in der Produktion zu vermeiden. „Dabei
kann es insbesondere bei Montagelastigen Produktionsverfahren vermehrt zu Fehlern durch das Personal kommen, da der Prozess-überblick aufgrund der Komplexität schnell verloren geht“, erläutert Stephan Böing, Head of Process Engineering Change Management & Product Care bei der Wilo SE. „Die Verwendung eines falschen Bauteils oder der Umgang mit umfangreichen Stücklisten in Form von Papieraufträgen sind nur zwei Beispiele für mögliche Fehlerursachen.“
Um die Mitarbeiter zu entlasten und gleichzeitig die Produktion auf ein neues Effizienz-level heben zu können, setzt der Hersteller bei der Neustrukturierung ihres Produktionsstandorts im Wilopark auf eine besonders moderne Fertigung mit einem Mix aus MRK (Menschroboter-kollaboration), AGVS, die sich selbstständig die nächste freie Montagestation suchen, und intelligente Fertigungssysteme,
die mit einer digitalen Werkerführung ausgestattet sind.
Werkerführungssoftware reduziert menschliche Fehler
Damit diese umfassende Digitalisierung der Produktion gelingt, hat sich der Pumpenhersteller mit der Soma Gmbh einen strategischen Partner gesucht, der über Erfahrung bei produktspezifischen Prüfund Automationssystemen verfügt. „Wir haben im Rahmen der Beauftragung fünf End-of-line- und Produktionstestanlagen sowie etwa dreißig manuelle Arbeitsplätze umgesetzt, die mit dem übergeordneten Werkerführungssystem flexassistant verbunden sind“, berichtet Wolfgang Thater, Leiter Vertrieb bei der Soma Gmbh. „Der flexassistant arbeitet gleichzeitig als Werkerführungssystem und koordiniert den Status der verschiedenen Montagestationen und AGVS mit
einander, sodass eine offene Verkettung der Arbeitsschritte und ein deutlich flüssigerer Warenstrom möglich sind.“
Der flexassistant ersetzt die papiergebundene Anleitung durch eine digitale Montageführung: Der Bediener erhält über einen Monitor alle relevanten Informationen über das aktuelle Bauteil und über notwendige Arbeitsschritte, die an diesem Montageplatz vorgenommen werden sollen. „Früher mussten unsere Kollegen in der Fertigung anhand von Stücklisten die entsprechenden Teile identifizieren. Gerade bei neuen Produkten oder komplexeren Arbeitsschritten war somit das Fachwissen erfahrener Kollegen notwendig. Das hatte natürlich längere Anlernzeiten zur Folge“, erläutert Böing die Ausgangslage.
Intelligenter Knotenpunkt
Mittels der digitalen Werkerführung erhält der Monteur eine virtuell bebilderte Montageanleitung, sodass beispielsweise die Wahl des falschen Schraubers oder die Montage eines Bauteils an der falschen Stelle nahezu ausgeschlossen sind. Der flexassistant fungiert dabei als intelligenter Knotenpunkt der ganzen Linie, da dort alle Daten aus den verschiedenen Produktionsabschnitten im Werk zusammenfließen. Damit wird auch eine lückenlose Dokumentation aller Montageschritte in Echtzeit ermöglicht.
„Ein Werker muss nun auch nicht mehr ein Produkt durch alle Montagestellen begleiten, sondern kann unabhängig von der Reihenfolge an verschiedenen Stationen arbeiten. Je mehr Vorgehensweisen der Mitarbeiter dabei beherrschen muss, desto sinnvoller ist die Unterstützung
durch den flexassistant“, ist Thater überzeugt. Die Mitarbeiter freuen sich nun über die Absicherung der eigenen Arbeit. Neben der digitalen Anleitung steuert und überwacht der flexassistant sämtliche Schraub-, Entnahme -, Funktionstestund Produkt p ar am etrierungs vorgänge inder Linie. Dessen Baukasten bietet hierzu skalierbare Lösungen vom Arbeitsplatz über die Software bis zu den Handhabungsge räten.
Mit der anpassungs freundlichen Struktur der Software können Abläufe an allen Arbeitsplätzen schnell durchgeführt und angepasst werden. Da der flexassistant im Betrieb ohne Programmi erkenntnisse „parametriert“wird, ist eine eigenständige und schnelle Anpassung jederzeit möglich. Die maximale Konnektivität ermöglicht es zudem, neue spezielle und intelligente Module einzubinden.
„Diese Erweiterungsmöglichkeiten und das flexible Team der Soma Gmbh waren für uns der ausschlaggebende Punkt, unsere Fabrik der Zukunft auf Basis des flexassisstant zu planen“, erklärt Böing. Dank des durchgängigen Konzepts für alle Anlagen, vom Montageprozess bis zum Eol (End-of-line) Testers, ist es leicht bedienbar und arbeitet sprachunabhängig, sodass in der Software auf die jeweilige Landessprache umgeschaltet werden kann.
Störungsfreier und zeiteffizienter Ablauf in der Produktion
„Durch den ständigen Informationsaustausch zwischen den einzelnen Arbeitsplätzen und Montageabschnitten werden Fehler bereits in dem Moment kompensiert, wenn sie passieren, da das
System beispielsweise den Weitertransport stoppt und entsprechend umleitet, etwa zur manuellen Analyse bei fehlerhafter Montage oder zurück zu einer vorhergehenden Station zum Nachjustieren“, erläutert Böing. „Dadurch werden Verzögerungen vermieden und die Produktion läuft wesentlich zeiteffizienter.“
Hinzu kommt, dass die einzelnen Montageschritte unterschiedlich viel Zeit beanspruchen, sodass es ohne Software zu Abtaktverlusten kommen kann. Durch die freie Verkettung der Montagestationen und die flexible Routenführung der AGVS werden diese durch Überholvorgänge kompensiert. Das System kann die Transporteinheiten dabei selbstständig umleiten, um den falschen Weitertransport zu verhindern. Wird beispielsweise ein Fehler registriert, erfolgt eine Meldung an ein verfügbares AGV, das die vorberechnete Route verlässt und automatisch das fehlerhafte Produkt abholt, um es beispielsweise in die Analyse zu transportieren.
Neue Arbeitsschritte in der Trainingslinie getestet
Um Mitarbeiter an die neue, digitale Arbeitsweise zu gewöhnen, ohne die Produktion zu belasten, wurde zusätzlich eine Trainingslinie mit dem neuen flexassistant ausgestattet, an der neue Arbeitsschritte getestet werden können, bevor sie in die eigentlichen Montagelinien übertragen werden. Zudem wurden in Zusammenarbeit mit Wilo entsprechende Sequenzen für die Montagelinien erstellt und als Programm hinterlegt, anstatt neue Arbeitsanweisungen zu schreiben. Dadurch lassen sich künftig neue Arbeitsschritte und Anpassungen wesentlich einfacher umsetzen.
Auch über das aktuelle Projekt hinaus wollen beide Unternehmen zukünftig zusammenarbeiten. Bei Big Data beispielsweise werden Möglichkeiten der Weiterverarbeitung und Verwertung der Daten geprüft. Auch die Einbindung elektronischer Checklisten und projizierender Systeme in die Fertigungslinie wird ins Auge gefasst. „Für uns ist Soma aufgrund ihrer Erfahrung und der Nähe der richtige Partner für die Zukunft. Wir freuen uns darauf, weiterhin gemeinschaftlich smarte Wege zu gehen“, sagt Böing.
Nicki Teumer ist technischer Redakteur in München.