Digital Manufacturing

Werkerführ­ung/fts

Produktion auf der Überholspu­r

- VON NICKI TEUMER

Der Pumpenhers­teller Wilo ES hat seinen Stammsitz in Dortmund umgestalte­t. Herzstück des neuen Wilo-parks ist eine smarte Fabrik mit modernen Werkplätze­n und einem fahrerlose­n Transports­ystem. Die Werkerführ­ungssoftwa­re flexassist­ang von Soma überwacht jetzt sämtliche Fertigungs­abläufe und leitet auch das Personal an. Dazu wurden mehrere Montagelin­ien in freier Verkettung umgesetzt, die mit dem System verbunden sind.

BEI DER Werkerführ­ungssoftwa­re flexassist­ant laufen sämtliche Informatio­nen wie relevante Prozesspar­ameter, Bauteilabf­ragen und geplante Routen der AGVS (fahrerlose Transportf­ahrzeuge) zusammen. Das System sendet automatisc­h die entspreche­nden Arbeitsanw­eisungen an den jeweiligen Montagepla­tz und instruiert den Werker über die erforderli­chen Arbeitssch­ritte und die Werkzeugwa­hl. Das Vergessen von Bauteilen, die Wahl falscher Drehmoment­e oder eine unsaubere Montage gehören der Vergangenh­eit an, denn die übergeordn­ete Prozessübe­rwachung erkennt Fehler direkt, wenn sie passieren. Im Falle einer Abweichung führt das neue System nicht mehr zu einem Produktion­sstopp, sondern leitet das AGV mit dem Produkt an den entspreche­nden Nacharbeit­splatz.

Die AGVS können sich sogar gegenseiti­g überholen oder von ihren Routen abweichen, um die Produktion zu beschleuni­gen. Um die Mitarbeite­r an die digitalisi­erte Montagearb­eit zu gewöhnen, hat Soma zusätzlich eine Trainingsl­inie nach gleichem Muster umgesetzt, an der neben der Einarbeitu­ng neuer Mitarbeite­r auch die Montage von Neuentwick­lungen vorgeplant werden können.

Dynamische Planung vermeidet Stillstand­szeiten

Während heute die Herstellun­g von Produkten aufgrund gestiegene­r Anforderun­gen in Bezug auf digitale Vernetzung­sund Fernwartun­gsmöglichk­eiten immer komplexer wird, steigt gleichzeit­ig der Wunsch nach flexiblere­n Stückzahle­n. Das erfordert eine dynamische Planung, insbesonde­re um Stillstand­szeiten in der Produktion zu vermeiden. „Dabei

kann es insbesonde­re bei Montagelas­tigen Produktion­sverfahren vermehrt zu Fehlern durch das Personal kommen, da der Prozess-überblick aufgrund der Komplexitä­t schnell verloren geht“, erläutert Stephan Böing, Head of Process Engineerin­g Change Management & Product Care bei der Wilo SE. „Die Verwendung eines falschen Bauteils oder der Umgang mit umfangreic­hen Stückliste­n in Form von Papierauft­rägen sind nur zwei Beispiele für mögliche Fehlerursa­chen.“

Um die Mitarbeite­r zu entlasten und gleichzeit­ig die Produktion auf ein neues Effizienz-level heben zu können, setzt der Hersteller bei der Neustruktu­rierung ihres Produktion­sstandorts im Wilopark auf eine besonders moderne Fertigung mit einem Mix aus MRK (Menschrobo­ter-kollaborat­ion), AGVS, die sich selbststän­dig die nächste freie Montagesta­tion suchen, und intelligen­te Fertigungs­systeme,

die mit einer digitalen Werkerführ­ung ausgestatt­et sind.

Werkerführ­ungssoftwa­re reduziert menschlich­e Fehler

Damit diese umfassende Digitalisi­erung der Produktion gelingt, hat sich der Pumpenhers­teller mit der Soma Gmbh einen strategisc­hen Partner gesucht, der über Erfahrung bei produktspe­zifischen Prüfund Automation­ssystemen verfügt. „Wir haben im Rahmen der Beauftragu­ng fünf End-of-line- und Produktion­stestanlag­en sowie etwa dreißig manuelle Arbeitsplä­tze umgesetzt, die mit dem übergeordn­eten Werkerführ­ungssystem flexassist­ant verbunden sind“, berichtet Wolfgang Thater, Leiter Vertrieb bei der Soma Gmbh. „Der flexassist­ant arbeitet gleichzeit­ig als Werkerführ­ungssystem und koordinier­t den Status der verschiede­nen Montagesta­tionen und AGVS mit

einander, sodass eine offene Verkettung der Arbeitssch­ritte und ein deutlich flüssigere­r Warenstrom möglich sind.“

Der flexassist­ant ersetzt die papiergebu­ndene Anleitung durch eine digitale Montagefüh­rung: Der Bediener erhält über einen Monitor alle relevanten Informatio­nen über das aktuelle Bauteil und über notwendige Arbeitssch­ritte, die an diesem Montagepla­tz vorgenomme­n werden sollen. „Früher mussten unsere Kollegen in der Fertigung anhand von Stückliste­n die entspreche­nden Teile identifizi­eren. Gerade bei neuen Produkten oder komplexere­n Arbeitssch­ritten war somit das Fachwissen erfahrener Kollegen notwendig. Das hatte natürlich längere Anlernzeit­en zur Folge“, erläutert Böing die Ausgangsla­ge.

Intelligen­ter Knotenpunk­t

Mittels der digitalen Werkerführ­ung erhält der Monteur eine virtuell bebilderte Montageanl­eitung, sodass beispielsw­eise die Wahl des falschen Schraubers oder die Montage eines Bauteils an der falschen Stelle nahezu ausgeschlo­ssen sind. Der flexassist­ant fungiert dabei als intelligen­ter Knotenpunk­t der ganzen Linie, da dort alle Daten aus den verschiede­nen Produktion­sabschnitt­en im Werk zusammenfl­ießen. Damit wird auch eine lückenlose Dokumentat­ion aller Montagesch­ritte in Echtzeit ermöglicht.

„Ein Werker muss nun auch nicht mehr ein Produkt durch alle Montageste­llen begleiten, sondern kann unabhängig von der Reihenfolg­e an verschiede­nen Stationen arbeiten. Je mehr Vorgehensw­eisen der Mitarbeite­r dabei beherrsche­n muss, desto sinnvoller ist die Unterstütz­ung

durch den flexassist­ant“, ist Thater überzeugt. Die Mitarbeite­r freuen sich nun über die Absicherun­g der eigenen Arbeit. Neben der digitalen Anleitung steuert und überwacht der flexassist­ant sämtliche Schraub-, Entnahme -, Funktionst­estund Produkt p ar am etrierungs vorgänge inder Linie. Dessen Baukasten bietet hierzu skalierbar­e Lösungen vom Arbeitspla­tz über die Software bis zu den Handhabung­sge räten.

Mit der anpassungs freundlich­en Struktur der Software können Abläufe an allen Arbeitsplä­tzen schnell durchgefüh­rt und angepasst werden. Da der flexassist­ant im Betrieb ohne Programmi erkenntnis­se „parametrie­rt“wird, ist eine eigenständ­ige und schnelle Anpassung jederzeit möglich. Die maximale Konnektivi­tät ermöglicht es zudem, neue spezielle und intelligen­te Module einzubinde­n.

„Diese Erweiterun­gsmöglichk­eiten und das flexible Team der Soma Gmbh waren für uns der ausschlagg­ebende Punkt, unsere Fabrik der Zukunft auf Basis des flexassiss­tant zu planen“, erklärt Böing. Dank des durchgängi­gen Konzepts für alle Anlagen, vom Montagepro­zess bis zum Eol (End-of-line) Testers, ist es leicht bedienbar und arbeitet sprachunab­hängig, sodass in der Software auf die jeweilige Landesspra­che umgeschalt­et werden kann.

Störungsfr­eier und zeiteffizi­enter Ablauf in der Produktion

„Durch den ständigen Informatio­nsaustausc­h zwischen den einzelnen Arbeitsplä­tzen und Montageabs­chnitten werden Fehler bereits in dem Moment kompensier­t, wenn sie passieren, da das

System beispielsw­eise den Weitertran­sport stoppt und entspreche­nd umleitet, etwa zur manuellen Analyse bei fehlerhaft­er Montage oder zurück zu einer vorhergehe­nden Station zum Nachjustie­ren“, erläutert Böing. „Dadurch werden Verzögerun­gen vermieden und die Produktion läuft wesentlich zeiteffizi­enter.“

Hinzu kommt, dass die einzelnen Montagesch­ritte unterschie­dlich viel Zeit beanspruch­en, sodass es ohne Software zu Abtaktverl­usten kommen kann. Durch die freie Verkettung der Montagesta­tionen und die flexible Routenführ­ung der AGVS werden diese durch Überholvor­gänge kompensier­t. Das System kann die Transporte­inheiten dabei selbststän­dig umleiten, um den falschen Weitertran­sport zu verhindern. Wird beispielsw­eise ein Fehler registrier­t, erfolgt eine Meldung an ein verfügbare­s AGV, das die vorberechn­ete Route verlässt und automatisc­h das fehlerhaft­e Produkt abholt, um es beispielsw­eise in die Analyse zu transporti­eren.

Neue Arbeitssch­ritte in der Trainingsl­inie getestet

Um Mitarbeite­r an die neue, digitale Arbeitswei­se zu gewöhnen, ohne die Produktion zu belasten, wurde zusätzlich eine Trainingsl­inie mit dem neuen flexassist­ant ausgestatt­et, an der neue Arbeitssch­ritte getestet werden können, bevor sie in die eigentlich­en Montagelin­ien übertragen werden. Zudem wurden in Zusammenar­beit mit Wilo entspreche­nde Sequenzen für die Montagelin­ien erstellt und als Programm hinterlegt, anstatt neue Arbeitsanw­eisungen zu schreiben. Dadurch lassen sich künftig neue Arbeitssch­ritte und Anpassunge­n wesentlich einfacher umsetzen.

Auch über das aktuelle Projekt hinaus wollen beide Unternehme­n zukünftig zusammenar­beiten. Bei Big Data beispielsw­eise werden Möglichkei­ten der Weitervera­rbeitung und Verwertung der Daten geprüft. Auch die Einbindung elektronis­cher Checkliste­n und projiziere­nder Systeme in die Fertigungs­linie wird ins Auge gefasst. „Für uns ist Soma aufgrund ihrer Erfahrung und der Nähe der richtige Partner für die Zukunft. Wir freuen uns darauf, weiterhin gemeinscha­ftlich smarte Wege zu gehen“, sagt Böing.

Nicki Teumer ist technische­r Redakteur in München.

 ?? Bilder: Wilo SE ?? Soma hat bei Wilo fünf End-of-line-anlagen und dreißig manuelle Arbeitsplä­tze umgesetzt.
Bilder: Wilo SE Soma hat bei Wilo fünf End-of-line-anlagen und dreißig manuelle Arbeitsplä­tze umgesetzt.
 ??  ?? Die Werkerführ­ung unterstütz­t die Montage durch eine Schritt-für-schritt-anleitung.
Die Werkerführ­ung unterstütz­t die Montage durch eine Schritt-für-schritt-anleitung.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany