18 Von der Konstruktion bis zur Dokumentation: Loll Feinmechanik hat mit einer Cax-plattform einen durchgängigen Datenfluss verwirklicht, der auch die hochgenaue Fräsbearbeitung einschließt und an das Erp-system angebunden ist.
Von der Konstruktion bis zur Dokumentation: Loll Feinmechanik hat mit einer Cax-plattform einen durchgängigen Datenfluss verwirklicht, der auch die hochgenaue Fräsbearbeitung einschließt und an das Erp-system angebunden ist. Welche Vorteile das bringt, da
HANSEATISCHES Understatement ist eine Tugend, die offenbar auch im Umland von Hamburg gepflegt wird – in diesem Fall von der Loll Feinmechanik Gmbh in Tornesch. Denn die Feinmechanik macht nur einen Teil des Aufgabenbereiches aus, in dem das Unternehmen tätig ist.
Zu den Fertigungstechnologien gehören das simultane 5-Achsen-fräsen, das Erodieren anspruchsvoller Werkstoffe, die Multitasking-bearbeitung auf Drehzentren und das Cnc-profilschleifen. Die rund 210 Mitarbeiter stellen auch komplette Baugruppen für anspruchsvolle Kunden her. Dabei ist das Spektrum der Referenzobjekte und -branchen sehr vielfältig. Es reicht von Strukturbaugruppen für die Luftfahrt über Spezialpumpen für die Öl- und Gasindustrie und Messzellen für die Mess- und Prüftechnik bis zu kompletten Fertigungsanlagen.
Jens Loll, seit 1995 in zweiter Generation Geschäftsführer des Unternehmens kommentiert: „Wir arbeiten gern und viel für Marktführer mit hohen Technologieansprüchen. Ihnen liefern wir komplette und funktionsfähige Module und Geräte, die aus bis zu 300 Einzelteilen bestehen.“
Start der Prozesskette
Am Anfang eines jeden Projektes steht zumeist – nach dem Grundsatz „Build-toprint“die Idee oder das Konzept eines Kunden:„wir fertigen nach den Zeichnungen der Kunden. Oft aber beginnt die Zusammenarbeit schon früher und wir entwickeln das komplette Bauteil oder Gerät im Kundenauftrag.“Für diese Aufgabe gibt es eine leistungsfähige Entwicklungsabteilung mit sechs Konstrukteuren.
Ob Auftragsfertigung oder Eigenentwicklung: Nahezu jedes Projekt startet mit Solidworks. Jens Loll erläutert: „Vielfach arbeiten unsere Konstrukteure und die Kunden parallel mit den Dateien, die Kunden geben dann die Zeichnungen im Pdm-system frei. Das beschleunigt die Arbeit in der Konstruktionsphase.“
Ziel: Durchgängige Prozesskette
Nicht nur die Konstrukteure nutzen seit knapp fünfzehn Jahren Solidworks. Insgesamt gibt es im Unternehmen zehn weitere komplette Solidworks-arbeitsplätze und vierzehn Solidworks-pdm-pakete. Damit kann der gesamte Workflow in der 3D-cad-software abgebildet werden, und genau das ist das Ziel, wie der
Geschäftsführer erklärt: „Wir streben eine komplett durchgängige Prozesskette in der Konstruktion und Fertigung an – mit Solidworks als führendes System.“
Dieses Ziel ist ebenso einleuchtend wie herausfordernd. Denn die Fertigungsprozesse sind komplex: „Jedes einzelne Bauteil durchläuft mindestens fünf oder sechs Arbeitsgänge in der Produktion, bei einigen sind es bis zu 30. Dazu gehören auch Bearbeitungsschritte bei externen Dienstleistern.“Aus diesem Grund kommt dem Pdm-system große Bedeutung zu und auch der Anbindung an die kaufmännische Seite, sprich an das Erp-system: „Über eine Schnittstelle können wir die Datensätze aus Solidworks PDM in unser ERP bringen, sodass auch hier ein durchgängiger Prozess gewährleistet ist.“
Programmierung in Fertigung und Werkzeugbau
Damit ist die Prozesskette aber noch nicht vollständig beschrieben. Auf der Shopfloor-ebene, die bei Loll Feinmechanik in mehrere Hallen gegliedert ist, befinden sich allein 62 CNC-DREH- und Fräszentren. Zum Maschinenpark gehören darüber hinaus auch Anlagen für das Drahterodieren, Profilschleifen, Entgraten und weitere Prozesse. Alle sind für High-end-anwendungen geeignet, und bei sämtlichen Cam-prozessen erfolgt die Programmierung mit Solidcam.
Das gilt sowohl für die produzierten Kundenbauteile als auch für den Vorrichtungsbau. Jens Loll kommentiert: „Wir haben sehr gut ausgebildetes und engagiertes Personal, das die 5-Achs-fräsprogrammierung in der Regel selbst übernimmt – mit Ausnahme von Projekten etwa für die Luft
fahrtindustrie, bei denen hohe regulatorische Anforderungen zu erfüllen sind.“Dafür nutzen die Mitarbeiter die zehn Solidcam-arbeitsplätze.
Aktuelles Projekt: PDM mit Fertigungsdaten anreichern
Aktuell arbeiten die Verantwortlichen daran, das Pdm-system noch stärker mit Fertigungsdaten anzureichern. Ziel ist es, eine komplette und bauteilspezifische Dokumentation zu hinterlegen, die etwa die Programmierung, die Schnittwerte und die verwendeten Werkzeuge beinhaltet. Dann wird es für jedes einzelne Fertigungsteil – auch im Sinne der Rückverfolgbarkeit – eine individuelle Dokumentation geben.
PDM oder ERP – welches System ist führend?
Offen ist dabei noch die Frage, wie die „Arbeitsteilung“zwischen PDM und ERP gestaltet wird, wenn die Dokumentation auf diese Weise quasi selbsttätig erstellt wird. Hier werden sich die Projektverantwortlichen kurzfristig für ein Leitsystem entscheiden. Das wird aber erst geschehen, wenn die Entscheidung für ein neues Werkzeugmanagementsystem – das ebenfalls in den Datenfluss einbezogen werden soll – gefallen ist. Aus Sicht von DPS Software, Loll-partner für die Solidworks-welt, sind hier alle Optionen offen. Jörg Rudig, Leiter des CAM Competence Centers bei DPS, das Loll Feinmechanik betreut, erklärt: „Solidcam bietet Schnittstellen zu den gängigen Werkzeugmanagementsystemen.“
Ein weiteres aktuelles Projekt betrifft die Nutzung von Postprozessoren. Sie setzen die in Neutralformat generierten Daten in maschinenlesbaren Code der jeweiligen Maschine um. Auch hier ist wieder die Flexibilität das treibende Moment. Jens Loll: „Mit den Postprozessoren können wir das Frästeil erst frei programmieren und dann situationsabhängig entscheiden, mit welcher Maschine wir das Teil fertigen.“So lässt sich die Maschinenauslastung besser steuern. Zehn Postprozessoren für die Fünfachs-fräsbearbeitung sind schon länger im Einsatz, jetzt kommen weitere für das Drehen/ Fräsen hinzu. Aktuell sind bereits zwanzig Maschinen entsprechend eingebunden.
Kosten beim Fräsen sparen
Zu den Materialien, die Loll bearbeitet, gehören sehr schwer zerspanbare Werkstoffe wie hochlegierte Nickel-kobaltstähle, Inconel und Titan. Hier spielt, vor allem beim Fräsen, die Bearbeitungsstrategie eine entscheidende Rolle – schon aus Kostengründen. Jens Loll: „Der Werkzeugverschleiß kann 10 Prozent der Produktionskosten ausmachen. Und wenn die Frässtrategie nicht optimal ist, sind es noch mehr.“Deshalb hat das Unternehmen das Solidcam-modul imachining eingeführt, das den Fräsvorgang plant und optimiert. Der Erfolg ist deutlich: Bei der Bearbeitung von kleineren Bauteilen, etwa für die Medizintechnik, konnte Loll so die die Werkzeugstandzeit um den Faktor 2 bis 3 steigern.
„All inclusive“– einschließlich der internen Dokumentation
Das Ziel der durchgängigen Datenhaltung gilt bei Loll Feinmechanik auch für die Dokumentation und weitere, intern genutzte Dokumente. Jens „Wir generieren in und mit Solidworks auch interne Fertigungs- und Montageanweisungen für die jeweiligen Bauteile. Und die eigenen Prüfanlagen dokumentieren wir ebenfalls auf diese Weise.“, erklärt Loll. Auch die Freigabeprozesse für bestimmte Kundenbranchen wie Medizintechnik und Luftfahrt sind im PDM hinterlegt. So ist zum Beispiel im Workflow festgehalten, in welcher Form Änderungen dokumentiert werden. Auf diese Weise hilft
Wir arbeiten für Marktführer mit hohen Technologieansprüchen und liefern ihnen komplette und funktionsfähige Module und Geräte, die aus bis zu
300 Einzelteilen bestehen.“,
GESCHÄFTSFÜHRER JENS LOLL.
die Durchgängigkeit auch bei der Einhaltung der branchenspezifischen Anforderungen und Normen.
Software-auswahl: Flexibilität entscheidet
Aus Sicht von Loll Feinmechanik bringt die Entscheidung für eine durchgängige und umfassend nutzbare Cax-lösung deutliche Vorteile. „Es gibt ja für jede Aufgabe immer auch Spezial- und Insellösungen. Wir setzen aber auf eine universelle Software, die unternehmensweit im Einsatz ist und die jeder Mitarbeiter – auch wenn er mal an einer anderen Maschine arbeitet – beherrscht. Damit gewinnen wir Flexibilität in der Fertigung und auch in der Konstruktion. Diesen Vorteil bietet uns die Solidworks-plattform.“, schließt Loll.
Gerald Scheffels ist freier Journalist in Wuppertal.