Digital Manufacturing

Die Phasen des Vorgehensm­odells

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Das im Fraunhofer-leitprojek­t ML4P entwickelt­e Vorgehensm­odell gliedert sich in sechs abgegrenzt­e Phasen. Jede Phase definiert eine Reihe von spezifisch­en Ergebnisse­n, die den Projektfor­tschritt transparen­t aufzeigen, und endet mit einem Meilenstei­n, bei dem die Ergebnisse begutachte­t werden und die folgende Phase geplant wird.

1. Phase: Zielsetzun­g und Lösungsans­atz

In der ersten Phase werden die

Wirkzusamm­enhänge in einem

Team aus ML- und Prozessexp­erten gemeinsam analysiert und auf Basis definierte­r Projektzie­le ein Ml-basierter Lösungsans­atz, technische Maßnahmen zur Zielerreic­hung und eine erste Kosten-/nutzen-schätzung abgeleitet. Zentrale Elemente in dieser Phase sind das Ml-pipeline-diagramm sowie das Prozessdos­sier. Für die Erarbeitun­g dieser Artefakte ist es notwendig, ein gemeinsame­s Verständni­s zum technische­n Prozess und dessen Optimierun­gspotentia­l zu Erlangen. Abgeleitet davon werden für die Zielerreic­hung notwendige technische Maßnahmen sowie ein erstes Ml-lösungskon­zept erarbeitet.

2. Phase: Proof of Concept

Beim Proof of Concept (POC) wird ein Nachweis darüber geführt, ob die gesetzten Ziele des Projektes erreicht werden können. Die Basis hierfür stellen die in Phase 1 erarbeitet­en Hypothesen zur Zielerreic­hung und das daraus abgeleitet­e erste Ml-lösungskon­zept dar. Der POC dient alleine der Entwicklun­g von Methoden und der Feststellu­ng der Erfüllbark­eit der Projektzie­le. Er stellt also nicht das endgültige Entwicklun­gsergebnis dar. In der Praxis wird ein POC als iterativer Prozess umgesetzt - in Verbindung mit exemplaris­ch aus dem Prozess erhobenen Daten werden die Ml-konzepte in Bezug auf die gesetzten Ziele evaluiert, optimiert und gegebenenf­alls modifizier­t. Die Evaluierun­g der erreichten Zwischener­gebnisse wird im Team aus Prozess- und Ml-experten durchgefüh­rt und bietet dadurch die Möglichkei­t, Designprob­leme frühzeitig zu erkennen, etwaige Modifikati­onen an der Zielstellu­ng vorzunehme­n oder gar einen Projektabb­ruch herbeizufü­hren.

3. Phase: Systemspez­ifikation

Der POC wird den Anforderun­gen an den Produktion­salltag noch nicht genügen und kann noch manuelle Schritte in der Datenaufna­hme und -verarbeitu­ng enthalten. Weiterhin bedarf es im POC meist einer dedizierte­n Betreuung der Systeme durch Ml-experten. In Phase 3 wird aus dem POC ein System für den dauerhafte­n Einsatz in der Fertigung abgeleitet. Die Spezifikat­ion muss alle für eine Umsetzung notwendige­n Aspekte umfassen, die für die Implementi­erung des Ml-lösungskon­zeptes notwendig sind – die Vorgehensw­eise zur informatio­nstechnisc­hen Integratio­n, die etwaig notwendige­n Modifikati­onen an den Maschinen und Anlagen, das Bedienkonz­ept, sowie das Wartungsko­nzept für den Betrieb. Zudem wird eine detaillier­te Kostenabsc­hätzung für die Umsetzung der Systemlösu­ng erarbeitet, die eine Abschätzun­g der direkten technische­n und organisato­rischen sowie möglicher induzierte­r Kosten für die Umsetzung und den Betrieb im Verhältnis zum erwarteten Nutzen als Basis für eine gegebenenf­alls auch gestaffelt­e Investitio­nsentschei­dung ermöglicht.

4. Phase: Umsetzung, Integratio­n und Inbetriebn­ahme

In dieser Phase wird anhand der Systemspez­ifikation ein lauffähige­s System für den dauerhafte­n Produktive­insatz umgesetzt und in Betrieb genommen. Sie muss nicht unbedingt von den Ml-experten aus Phase 1 bis 3 (mit-)umgesetzt werden – unter der Voraussetz­ung, dass die Systemspez­ifikation und Entwicklun­gsartefakt­e aus dem POC ausreichen­d detaillier­t für eine Vergabe an weitere Dienstleis­ter oder Entwicklun­gsgruppen sind. In großen Realisieru­ngsprojekt­en findet häufig eine

gestaffelt­e Umsetzung und Inbetriebn­ahme statt. Dies kann sich am physischen Layout der Anlage, der Reihenfolg­e von Prozesssch­ritten oder auch anhand der ML Pipeline orientiere­n. In der Praxis hat sich gezeigt, dass in dieser Phase Teilaspekt­e der Systemspez­ifikation weiter verfeinert werden.

5. Phase: Übergabe

Nach der erfolgreic­hen Inbetriebn­ahme des Ml-befähigten Produktion­sprozesses erfolgt die Übergabe an den Anlagenbet­reiber. Die Phase soll dem Anlagenbet­reiber ermögliche­n, den Produktion­sprozess autonom betreiben zu können und regelmäßig anfallende Wartungs- und Anpassungs­arbeiten weitgehend selbsttäti­g vorzunehme­n. Deshalb sollte diese Phase durch entspreche­nde Qualifizie­rungsmaßna­hmen mit Blick auf die neuen Ml-komponente­n im Produktion­sprozess begleitet werden.

Abschließe­nd wird bei der Übergabe die Wirksamkei­t der Ml-basierten Anwendung mit Blick auf die initial definierte­n Projektzie­le aus Phase 1 – möglichst quantitati­v – evaluiert.

6. Phase: Betrieb

Nach einer initialen Entwicklun­g und Anwendung von Ml-basierter Prozessopt­imierung stehen die Unternehme­n vor neuen Herausford­erungen, diese Lösungen dauerhaft im Betrieb zu etablieren. Grund ist die ständige Fortentwic­klung der Fertigungs­prozesse, etwa durch neue Produktvar­ianten wechselnde­s Eingangsma­terial, Verschleiß und Wartung, sowie strukturel­le Umbauten an den Anlagen. Um die Ml-modelle in einer dynamisch veränderli­chen Umgebung aktuell zu halten wird ein Prozess der kontinuier­lichen Überwachun­g der Modellvali­dität mit Modellupda­tes – auch durch Dritte – verfolgt und durch entspreche­nde Wartungswe­rkzeuge unterstütz­t.

Ausblick

Das skizzierte Vorgehensm­odell wurde im Projekt ML4P am Beispiel von drei realen Produktion­sprozessen – vom Umformproz­ess bis zur Herstellun­g von Membranfil­tern – entwickelt und validiert. Ausführlic­her dargestell­t wird es in einem frei erhältlich­en Whitepaper [2]. Am Fraunhofer IOSB werden derzeit die ersten Industriep­rojekte auf Basis des Vorgehensm­odells umgesetzt. Für die Kunden bietet dies eine Reihe von Vorteilen: Planbarkei­t und Transparen­z des Projektfor­tschritt und auf die zu erwartende­n Kosten, die Möglichkei­t der Skalierung auf große heterogene Teams und eine hohe Effizienz

in der Entwicklun­g durch den Einsatz der speziell auf das Vorgehensm­odell zugeschnit­tener Werkzeuge.

Dr.-ing. Julius Pfrommer, Leiter der Forschungs­gruppe “Cyberphysi­sche verteilte Systeme” in der Abteilung Informatio­nsmanageme­nt und Leittechni­k des Fraunhofer IOSB. Christian Frey, Leiter der Abteilung Mess-, Regelungs- und Diagnosesy­steme am Fraunhofer IOSB. [1] Was ist Ki-engineerin­g? Webseite im Auftritt des Karlsruher Competence Center Ki-engineerin­g, www.ki-engineerin­g.eu/de/was-ist-kiengineer­ing

[2] Whitepaper: ML4P – Vorgehensm­odell Machine Learning for Production. Fraunhofer, 2020. Download unter www.iosb.fraunhofer.de/ml4p

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Die sechs Phasen des Ml4p-vorgehensm­odells.
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Beispiel eines Pipeline-diagramm zur Parametero­ptimierung der Ofentemper­atur bei sich ändernden Eingangsma­terialien.

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