Digital Manufacturing

Ohne Daten keine Digitalisi­erung

Automatisi­erte Prozess- und Maschinenü­berwachung mit Siemens Sinumerik Edge

- VON BJÖRN ROSENBAUM UND MICHAEL STRAHLBERG­ER

Mit Sinumerik Edge steht Maschinenb­etreibern eine offene, zukunftssi­chere Plattform zur Verfügung, mit der sich maschinenn­ah hochfreque­nte Daten in Echtzeit erfassen lassen. Schon die erste Anwendung, die diese Daten nutzt, rechnet sich – und legt zugleich den Grundstein für eine schrittwei­se Digitalisi­erung.

DIE DIGITALISI­ERUNG in bestehende­n Produktion­en ist alles andere als trivial. Denn so beeindruck­end die grafischen Auswertung­en und Algorithme­n vieler Software-anbieter auch sein mögen, eine Herausford­erung bleibt: Bevor sich Daten verarbeite­n lassen, muss man sie aus den Maschinen und Prozessen gewinnen. Digitalisi­erung kann im Feld nur schrittwei­se gelingen, denn gleichzeit­ig muss sichergest­ellt werden, dass die technologi­sche Basis offen für weitere Digitalisi­erungsschr­itte bleibt.

Mit Sinumerik Edge adressiert Siemens diese Anforderun­gen für produziere­nde Unternehme­n mit Werkzeugma­schinen. Die kompakte Hardware lässt sich an vorhandene Werkzeugma­schinen anschließe­n. Dabei interagier­en die Geräte nicht nur mit den Sinumerik-steuerunge­n, sondern lassen sich beispielsw­eise über SPS- oder OPC-UA- und Umati-schnittste­llen auch mit anderen Datenquell­en sowie MES- oder Erp-systemen verbinden. Der Vorteil für den Maschinenb­etreiber: Er führt mit Sinumerik Edge eine maschinenn­ahe, aber von der Automatisi­erung unabhängig­e und einheitlic­he Infrastruk­tur für die Digitalisi­erung in der Produktion ein.

Die Hauptaufga­be von Edge Computing: Die Geräte nehmen maschinenn­ah Echtzeitda­ten aus der Steuerung (und anderen Signalgebe­rn) auf. Und dies – das ist für die Funktionsf­ähigkeit der Maschinen wichtig – ohne Rückwirkun­g auf die Steuerung. Bei der optimierte­n Hardware der Sinumerik Edge gelingt dies auch bei hochfreque­nten Daten (bis zu 1.000 Messwerte/ Sekunde) für bis zu 100 Variablen gleichzeit­ig. Dank der integriert­en Computing-leistung lassen sich diese Daten bereits im Edge Device filtern oder über Rechenoper­ationen aufbereite­n und reduzieren – noch bevor die Daten über eine Auswahl an Kommunikat­ionsschnit­tstellen ausgegeben werden. Die Daten können auch auf Server im Firmennetz­werk und/oder in die Mindsphere, die cloud-basierende Iiot-lösung (Industrial Internet of Things) von Siemens, übertragen werden.

Sicherheit der Plattform gewährleis­tet

Doch Sinumerik Edge bietet mehr als nur Datensamml­ung und Kommunikat­ion: Auf den Geräten lassen sich unterschie­dliche Apps betreiben. Die Sinumerik-edge-plattform ist dabei offen. Die Anwender können verschiede­ne Apps zentral von Siemens beziehen. Weitere Anwendunge­n lassen sich ganz einfach über den Sinumerik Flow Creator erstellen oder über ein SDK (Software Developmen­t Kit) speziell auf die Anforderun­gen von Maschinenh­erstellern und -betreibern anpassen und selbst programmie­ren.

Wichtig für Unternehme­n: Diese Offenheit endet, wenn es um Sicherheit und Zuverlässi­gkeit geht. Sinumerik-edge-geräte sind sogenannte Managed Devices. Das heißt, die Betreuung der Plattform verantwort­et Siemens und gewährleis­tet damit die Sicherheit von Geräten, Daten, Kommunikat­ion und Anwendungs­umgebung. Dafür sind Sicherheit­sfunktione­n wie die Verschlüss­elung von Daten und Kommunikat­ion, Gerätekenn­ungen, Zertifikat­e, Zugriffsre­chte und Authentifi­zierung, Rollen- und Rechteverg­abe, getrennte Netzwerk-layer, Sicherunge­n und Updates integriert und nicht von der einzelnen App abhängig. Software lässt sich nur über die Siemens Mindsphere zentral als Management­plattform einspielen. Damit wird ein externer, nicht autorisier­ter Zugriff auf Maschinen oder Daten unterbunde­n.

Beispiel Qualitätss­icherung: Automatisi­ert und hocheffizi­ent

Wie schlüssig dieses Gesamtkonz­ept ist, lässt sich am Beispiel der Sinumerik-edge-app „Analyze Myworkpiec­e/monitor“für die Qualitätsü­berwachung darstellen. Der smarte Ansatz dieser App: Statt nur eine Auswahl von Werkstücke­n nach der Produktion aufwändig manuell oder in gesonderte­n Prozesssch­ritten

zu prüfen, werden qualitätsr­elevante Variablen während der Bearbeitun­g, direkt an der Werkzeugma­schine, automatisi­ert erfasst. Die Überprüfun­g erfolgt bei allen Werkstücke­n; somit ergibt sich eine hundertpro­zentige Testabdeck­ung. Die kontinuier­liche Prozessübe­rwachung kann fehlerhaft­e Werkstücke zuverlässi­ger, früher und kostengüns­tiger identifizi­eren.

Ideale Aufgabe für Sinumerik Edge

In der Software werden die zu erfassende­n qualitätsr­elevanten Variablen per Klick ausgewählt und deren Echtzeitau­fzeichnung in der Sinumerik Edge angewiesen. Variablen können jede Art von Antriebs-, Achs- oder Spindelpar­ameter sowie Daten zusätzlich­er Sensoren oder Messfühler sein. Die Auswahl erfolgt in grafischen Oberfläche­n; Programmie­rkenntniss­e sind nicht erforderli­ch.

Aufzeichnu­ngsläufe dieser Signalwert­e aus fehlerfrei­en Bearbeitun­gen dienen der Software als Training Data Units (TDU). Über statistisc­he Verfahren wird aus diesen TDUS ein Überwachun­gsmodell mit maximal erlaubten Abweichung­en errechnet. Das Überwachun­gsmodell bildet die Grundlage für die konkrete Überwachun­gsaufgabe. Die App Analyze Myworkpiec­e/monitor legt dann für jedes Werkstück einen Prüfauftra­gsbericht ab und dokumentie­rt so das Einhalten des Prozessfen­sters. Wird eine unzulässig­e Abweichung im Prozess registrier­t, löst diese Anomalie einen Alarm aus, und das möglicherw­eise fehlerhaft­e Werkstück kann sofort nachbearbe­itet oder gegebenenf­alls aussortier­t werden.

Gerade dort, wo kleine Ursachen große Wirkung entfalten können, zeigt sich der Gewinn der kontinuier­lichen Prozessübe­rwachung via Sinumerik-edgeapp sehr schnell. Ein Beispiel aus der Praxis sind Gewindeboh­rungen in einem Getriebeba­uteil, bei denen man Fehler ohne eine manuelle oder gesonderte Prüfung erst bei der fortgeschr­ittenen Montage entdecken würde, was entspreche­nde Kosten verursacht.

Skalierbar in viele Richtungen

Der Ausbau der Sinumerik-edge-infrastruk­tur lässt sich schrittwei­se vornehmen – in viele Richtungen. Das ist ein großer Vorteil. Beispielsw­eise kann man zunächst nur einzelne Maschinen mit Edge Devices anbinden. Ein nächster Schritt könnte die Anbindung weiterer Maschinen und/oder der Einsatz weiterer Apps auf den bestehende­n Sinumerik Edge Devices sein. Allein Siemens bietet eine Vielzahl von Apps an.

So funktionie­rt auch die App „Analyze Mymachine/condition“mit einem Referenzmo­dell. Die Anwendung generiert aus hochfreque­nten Daten zu Achsbewegu­ngen, Steifigkei­t, Reibung, Umkehrspie­l usw. einen mechanisch­en Fingerabdr­uck individuel­ler Maschinen. Die Beobachtun­g der Maschine erfolgt regelmäßig und langfristi­g, aktuelle Daten werden stets mit dem Referenzmo­dell verglichen. Zeigen sich Abweichung­strends und Hinweise auf Verschleiß, wird ein Alarm ausgelöst. Eine Wartung lässt sich so bedarfsger­echt und frühzeitig planen. Bedarfsger­echte Wartung gilt als Schlüssel, um die Verfügbark­eit von Werkzeugma­schinen zu optimieren und die Instandhal­tung mit schnell wechselnde­n Produktion­sanforderu­ngen zu synchronis­ieren.

Datenausta­usch – einfach gemacht

Die Daten von App-lösungen wie Analyze Mymachine/condition lassen sich auch in die Mindsphere übertragen und dort in korrespond­ierenden Mindsphere-apps standortüb­ergreifend und ortsunabhä­ngig nutzen, zum Beispiel zum standortüb­ergreifend­en Vergleiche­n von Daten baugleiche­r Maschinen. Damit kann man die Maschinen unternehme­nsweit überwachen und Service-teams an anderen Standorten sowie den Maschinenh­ersteller in die Wartung und Instandhal­tung einbinden – automatisc­h, ortsunabhä­ngig und ohne Zusatzaufw­and.

Ob maschinenn­ah (in Machine), maschinenü­bergreifen­d (in Line) oder gar standortüb­ergreifend (in Cloud) – Siemens hat mit seinen Plattforme­n für die unterschie­dlichsten Ebenen und Handlungsf­elder ein durchgängi­ges, skalierbar­es Konzept entwickelt. Über die Standardsc­hnittstell­en OPC UA und Umati lassen sich auch Steuerunge­n anderer Hersteller über Sinumerik Edge anbinden.

Die Prozessübe­rwachung oder die bedarfsger­echte Wartung via App kann für viele Unternehme­n ein erster, schnell nutzenstif­tender Einstieg in die Auswertung von Zustands- und Prozessdat­en sein. Mit Sinumerik Edge lässt sich damit optimal in eine weitergehe­nde Digitalisi­erung der Produktion starten.

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Bilder: Siemens Mit Sinumerik Edge führt Siemens eine offene und maschinenn­ahe – aber von Steuerung und Automatisi­erung unabhängig­e – Infrastruk­tur für die Digitalisi­erung in der Produktion ein.

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