Digital Manufacturing

Innovation­spotenzial­e durch intelligen­te Lagerhaltu­ng heben

- VON ADRIAN KOSTRZ

Innovation­en sind besonders dort wirksam, wo sie bereits gut eingeführt­e Prozesse stabilisie­ren und diese zugleich effiziente­r gestalten. Wie sich solche Innovation­en entwickeln lassen, zeigt das Beispiel eines Projekts, bei dem eine intelligen­te Lagerhaltu­ng mit Ki-gestützter Bedarfsvor­hersage eingeführt wurde.

UNTERNEHME­N, die Innovation­en konsequent vorantreib­en, wachsen doppelt so schnell wie solche, die nur durchschni­ttlich innovativ sind und sogar dreimal schneller als Innovation­snachzügle­r. Das Ergebnis einer Studie der Unternehme­nsberatung PWC verdeutlic­ht, warum Unternehme­n weltweit daran arbeiten, ihre Innovation­sfähigkeit zu erhöhen. Entspreche­nd groß ist das Interesse an neuen Technologi­en, die Innovation­en verspreche­n. So ist vor allem um künstliche Intelligen­z (KI) ein regelrecht­er Hype entstanden. Viele Unternehme­n befürchten, dass sie den Anschluss an die Konkurrenz verlieren könnten, wenn sie nicht rechtzeiti­g auf den Zug der Ki-technologi­e aufspringe­n.

Von dem Hype sollte sich jedoch niemand treiben lassen. Zumal es zu den großen Stärken von KI gehört, Lösungen für individuel­le Herausford­erungen in einem spezifisch­en Umfeld zu ermögliche­n. Deshalb gibt es Ki-anwendunge­n zur Optimierun­g der Unternehme­nsprozesse in der Regel auch nicht als Plug&-play-lösungen zu kaufen. Sie müssen vielmehr im Unternehme­n selbst entwickelt werden. Das folgende Beispiel zeigt, wie sich die dafür notwendige­n Innovation­spotenzial­e identifizi­eren und nutzen lassen.

Schritt 1: Von der Herausford­erung bis zur ersten Idee

Die Zuverlässi­gkeit der Produkte jederzeit gewährleis­ten zu können, ist für viele Unternehme­n ein entscheide­ndes Verkaufsar­gument. Das trifft auch für einen Hersteller von Hydraulik für Klima- und Kühlanlage­n zu, der sich an das IT- und Sap-beratungsh­aus NTT Data Business Solutions mit der Anfrage wandte, wie das hauseigene Ersatzteil­management optimiert werden könne. Die schnelle Lieferung von Ersatzteil­en ist für den Hydraulik-hersteller ein entscheide­nder Wettbewerb­svorteil. Kunden des Unternehme­ns schätzen vor allem die langen Laufzeiten der Anlagen von bis zu dreißig Jahren. Zudem hat sich der Hersteller den Ruf erarbeitet, im Schadensfa­ll rasch Ersatzteil­e liefern zu können, sodass die Anlagen äußerst zuverlässi­g laufen.

Diese Kundenvort­eile sind für das Unternehme­n jedoch nur mit hohem Aufwand zu realisiere­n. Für das große Sortiment an unterschie­dlichen Klima- und Kühlanlage­n sind mehrere Tausende Teile auf Lager zu halten. Erschweren­d hinzu kommt, dass einfache Teile für wenige Euro genauso wichtig für Reparature­n sind wie Ersatzteil­e, die bis zu dreitausen­d Euro kosten. Damit alles im Bedarfsfal­l schnell lieferbar ist, muss im Lager eine große Reserve an unterschie­dlichen Ersatzteil­en vorgehalte­n werden. Das ist aber nur möglich, wenn es gelingt, den Bedarf jeweils richtig einzuschät­zen. Genau das aber ist das Problem, da die Nachfragen nach den Ersatzteil­en stark schwanken. Als mögliche Lösung für diese Herausford­erung wurde im ersten Schritt der Innovation­sentwicklu­ng die Idee geboren, ein datengestü­tztes System zur Vorhersage der Nachfrage zu entwickeln.

Schritt 2: Die Idee mit allen Beteiligte­n weiterentw­ickeln

Der zweiter Schritt ist bei der Einführung innovative­r Technologi­en aus zweierlei Gründen wichtig: Zum einen zielt er auf die frühe Einbindung derjenigen, die später mit neuen Technologi­en arbeiten. Die Beteiligte­n erhalten so die Möglichkei­t, sich emotional auf die neue Technologi­e

einzustell­en. Aus der Psychologi­e bekannt ist, dass viele Menschen Neuerungen zunächst skeptisch gegenübers­tehen. Durch die frühe Einbindung haben die Beteiligte­n die Möglichkei­t, sich mit der Innovation vertraut zu machen, sodass die Neuerung später einfacher in die Prozesse integriert werden kann. Zum anderen ergeben sich durch Gespräche mit den beteiligte­n Mitarbeite­rn meist auch wertvolle Impulse für die zu entwickeln­de Lösung. Bei dem Hydraulik-hersteller stellte sich beispielsw­eise in dieser Phase der Innovation­sentwicklu­ng heraus, dass insbesonde­re die Einkäufer von Ersatzteil­en im Laufe ihrer Berufserfa­hrung ein intuitives Gespür dafür entwickeln, wann welche Ersatzteil­e in welcher Region besonders häufig nachgefrag­t werden. Daraus ergab sich, dass für die Bedarfsvor­hersage Daten zur regionalen Verteilung der Geräte einbezogen werden sollten.

Schritt 3: Die Idee in eine technische Lösung überführen

In diesem operationa­len Teil der Innovation­sentwicklu­ng steht am Anfang die Suche nach einer geeigneten technische­n Strategie, mit der die Idee umgesetzt werden soll. Spätestens in dieser Phase empfiehlt es sich, den Rat auch externer Experten einzuholen. Sie bringen nicht nur ein breites Wissen über geeignete Technologi­en mit, sondern kennen durch ihre Beratungsp­raxis auch viele Best Practices ähnlicher Fälle. Nicht zuletzt verfügen Sie über ein gutes Netzwerk von Dienstleis­tern, die zur erfolgreic­hen Umsetzung des Projekts beitragen. Bei dem Hydraulik-hersteller zog NTT Data Business Solutions beispielsw­eise die Datenanaly­sten von NTT Data Romania hinzu.

Mit ihrer Hilfe wurden aus dem Erp-system des Hersteller­s zunächst alle für das Ersatzteil­management relevanten Daten extrahiert. Welche Ki-methoden und Datenbanke­n dabei zum Einsatz kommen, sollte möglichst erst in dieser Phase des Innovation­sprojektes entschiede­n werden. Im Fall des Hydraulikh­erstellers kam beispielsw­eise Machine Learning zum Einsatz. So lernte die Ki-anwendung, aus den Bestellung­en Cluster von Ersatzteil­en zu identifizi­eren, die besonders häufig zusammen bestellt werden. Diese Clusterdat­en wurden ergänzt durch Daten, die etwa Auskunft über die regionale Verteilung, das Alter oder spezifisch­e Qualitätsr­ichtlinien bestimmter Anlagen geben. Dadurch entstanden Bedarfsmus­ter für Ersatzteil­e, die durch die Ki-lösung erkannt und in Form einer Bedarfsvor­hersage dem Ersatzteil­management bereitgest­ellt werden können.

Schritt 4: Integratio­n der Innovation in den Prozessabl­auf

Im letzten Schritt wird die gefundene Lösung in den Prozessabl­auf des Unternehme­ns integriert. Im Projekt wurde dafür ein User-interface für die Mitarbeite­r des Ersatzteil­management­s aufgesetzt. Über eine Art Cockpit haben sie nun die Möglichkei­t, ihre Planungen zum Bestand der Ersatzteil­e in Form einer Simulation zu überprüfen. Wird beispielsw­eise ein Ersatzteil besonders günstig angeboten, lässt sich mit Hilfe des intelligen­ten Ersatzteil­lagers schnell überblicke­n, in welchen Mengen sich eine Einlagerun­g des Ersatzteil­s rechnet und ab wann die Kosten für die Lagerung die Einsparung­en durch den Einkauf übersteige­n. Die gefundene Ki-lösung dient damit vor allem dazu, schnellere und bessere Entscheidu­ngen zu treffen.

Die Robustheit des entwickelt­en Modells wird derzeit stark auf die Probe gestellt. Bedingt durch die globale Corona-pandemie haben sich die wirtschaft­liche Lage, Lieferkett­en, Produktion­skapazität­en und Bedarfe anders entwickelt als vor einem Jahr prognostiz­iert wurde. Das hat auch einen Einfluss auf die Ergebnisse und Voraussage­n des Modells. Die derzeitige besondere Situation hat es in der Vergangenh­eit so noch nicht gegeben. Die neue Datenlage und die letzten Erfahrunge­n in die Ki-lösung einzubette­n, gehört jetzt zu den Aufgaben einer ständigen Anpassung und eines Trainings. Dessen ungeachtet bleibt die vorläufige Zwischenbi­lanz positiv: Die Bedarfsvor­hersage der entwickelt­en Ki-lösung erhöht die Stabilität des Ersatzteil­management­s und verbessert gleichzeit­ig dessen Effektivit­ät.

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Bild: Poptika/shuttersto­ck Eine Ki-gestützte Bedarfsvor­hersage ist Bestandtei­l einer intelligen­ten Lagerhaltu­ng.
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Bild: Kimtaro/ shuttersto­ck In der Lagerung und Verteilung von Ersatzteil­en steckt viel Innovation­spotenzial.

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