Innovationspotenziale durch intelligente Lagerhaltung heben
Innovationen sind besonders dort wirksam, wo sie bereits gut eingeführte Prozesse stabilisieren und diese zugleich effizienter gestalten. Wie sich solche Innovationen entwickeln lassen, zeigt das Beispiel eines Projekts, bei dem eine intelligente Lagerhaltung mit Ki-gestützter Bedarfsvorhersage eingeführt wurde.
UNTERNEHMEN, die Innovationen konsequent vorantreiben, wachsen doppelt so schnell wie solche, die nur durchschnittlich innovativ sind und sogar dreimal schneller als Innovationsnachzügler. Das Ergebnis einer Studie der Unternehmensberatung PWC verdeutlicht, warum Unternehmen weltweit daran arbeiten, ihre Innovationsfähigkeit zu erhöhen. Entsprechend groß ist das Interesse an neuen Technologien, die Innovationen versprechen. So ist vor allem um künstliche Intelligenz (KI) ein regelrechter Hype entstanden. Viele Unternehmen befürchten, dass sie den Anschluss an die Konkurrenz verlieren könnten, wenn sie nicht rechtzeitig auf den Zug der Ki-technologie aufspringen.
Von dem Hype sollte sich jedoch niemand treiben lassen. Zumal es zu den großen Stärken von KI gehört, Lösungen für individuelle Herausforderungen in einem spezifischen Umfeld zu ermöglichen. Deshalb gibt es Ki-anwendungen zur Optimierung der Unternehmensprozesse in der Regel auch nicht als Plug&-play-lösungen zu kaufen. Sie müssen vielmehr im Unternehmen selbst entwickelt werden. Das folgende Beispiel zeigt, wie sich die dafür notwendigen Innovationspotenziale identifizieren und nutzen lassen.
Schritt 1: Von der Herausforderung bis zur ersten Idee
Die Zuverlässigkeit der Produkte jederzeit gewährleisten zu können, ist für viele Unternehmen ein entscheidendes Verkaufsargument. Das trifft auch für einen Hersteller von Hydraulik für Klima- und Kühlanlagen zu, der sich an das IT- und Sap-beratungshaus NTT Data Business Solutions mit der Anfrage wandte, wie das hauseigene Ersatzteilmanagement optimiert werden könne. Die schnelle Lieferung von Ersatzteilen ist für den Hydraulik-hersteller ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Kunden des Unternehmens schätzen vor allem die langen Laufzeiten der Anlagen von bis zu dreißig Jahren. Zudem hat sich der Hersteller den Ruf erarbeitet, im Schadensfall rasch Ersatzteile liefern zu können, sodass die Anlagen äußerst zuverlässig laufen.
Diese Kundenvorteile sind für das Unternehmen jedoch nur mit hohem Aufwand zu realisieren. Für das große Sortiment an unterschiedlichen Klima- und Kühlanlagen sind mehrere Tausende Teile auf Lager zu halten. Erschwerend hinzu kommt, dass einfache Teile für wenige Euro genauso wichtig für Reparaturen sind wie Ersatzteile, die bis zu dreitausend Euro kosten. Damit alles im Bedarfsfall schnell lieferbar ist, muss im Lager eine große Reserve an unterschiedlichen Ersatzteilen vorgehalten werden. Das ist aber nur möglich, wenn es gelingt, den Bedarf jeweils richtig einzuschätzen. Genau das aber ist das Problem, da die Nachfragen nach den Ersatzteilen stark schwanken. Als mögliche Lösung für diese Herausforderung wurde im ersten Schritt der Innovationsentwicklung die Idee geboren, ein datengestütztes System zur Vorhersage der Nachfrage zu entwickeln.
Schritt 2: Die Idee mit allen Beteiligten weiterentwickeln
Der zweiter Schritt ist bei der Einführung innovativer Technologien aus zweierlei Gründen wichtig: Zum einen zielt er auf die frühe Einbindung derjenigen, die später mit neuen Technologien arbeiten. Die Beteiligten erhalten so die Möglichkeit, sich emotional auf die neue Technologie
einzustellen. Aus der Psychologie bekannt ist, dass viele Menschen Neuerungen zunächst skeptisch gegenüberstehen. Durch die frühe Einbindung haben die Beteiligten die Möglichkeit, sich mit der Innovation vertraut zu machen, sodass die Neuerung später einfacher in die Prozesse integriert werden kann. Zum anderen ergeben sich durch Gespräche mit den beteiligten Mitarbeitern meist auch wertvolle Impulse für die zu entwickelnde Lösung. Bei dem Hydraulik-hersteller stellte sich beispielsweise in dieser Phase der Innovationsentwicklung heraus, dass insbesondere die Einkäufer von Ersatzteilen im Laufe ihrer Berufserfahrung ein intuitives Gespür dafür entwickeln, wann welche Ersatzteile in welcher Region besonders häufig nachgefragt werden. Daraus ergab sich, dass für die Bedarfsvorhersage Daten zur regionalen Verteilung der Geräte einbezogen werden sollten.
Schritt 3: Die Idee in eine technische Lösung überführen
In diesem operationalen Teil der Innovationsentwicklung steht am Anfang die Suche nach einer geeigneten technischen Strategie, mit der die Idee umgesetzt werden soll. Spätestens in dieser Phase empfiehlt es sich, den Rat auch externer Experten einzuholen. Sie bringen nicht nur ein breites Wissen über geeignete Technologien mit, sondern kennen durch ihre Beratungspraxis auch viele Best Practices ähnlicher Fälle. Nicht zuletzt verfügen Sie über ein gutes Netzwerk von Dienstleistern, die zur erfolgreichen Umsetzung des Projekts beitragen. Bei dem Hydraulik-hersteller zog NTT Data Business Solutions beispielsweise die Datenanalysten von NTT Data Romania hinzu.
Mit ihrer Hilfe wurden aus dem Erp-system des Herstellers zunächst alle für das Ersatzteilmanagement relevanten Daten extrahiert. Welche Ki-methoden und Datenbanken dabei zum Einsatz kommen, sollte möglichst erst in dieser Phase des Innovationsprojektes entschieden werden. Im Fall des Hydraulikherstellers kam beispielsweise Machine Learning zum Einsatz. So lernte die Ki-anwendung, aus den Bestellungen Cluster von Ersatzteilen zu identifizieren, die besonders häufig zusammen bestellt werden. Diese Clusterdaten wurden ergänzt durch Daten, die etwa Auskunft über die regionale Verteilung, das Alter oder spezifische Qualitätsrichtlinien bestimmter Anlagen geben. Dadurch entstanden Bedarfsmuster für Ersatzteile, die durch die Ki-lösung erkannt und in Form einer Bedarfsvorhersage dem Ersatzteilmanagement bereitgestellt werden können.
Schritt 4: Integration der Innovation in den Prozessablauf
Im letzten Schritt wird die gefundene Lösung in den Prozessablauf des Unternehmens integriert. Im Projekt wurde dafür ein User-interface für die Mitarbeiter des Ersatzteilmanagements aufgesetzt. Über eine Art Cockpit haben sie nun die Möglichkeit, ihre Planungen zum Bestand der Ersatzteile in Form einer Simulation zu überprüfen. Wird beispielsweise ein Ersatzteil besonders günstig angeboten, lässt sich mit Hilfe des intelligenten Ersatzteillagers schnell überblicken, in welchen Mengen sich eine Einlagerung des Ersatzteils rechnet und ab wann die Kosten für die Lagerung die Einsparungen durch den Einkauf übersteigen. Die gefundene Ki-lösung dient damit vor allem dazu, schnellere und bessere Entscheidungen zu treffen.
Die Robustheit des entwickelten Modells wird derzeit stark auf die Probe gestellt. Bedingt durch die globale Corona-pandemie haben sich die wirtschaftliche Lage, Lieferketten, Produktionskapazitäten und Bedarfe anders entwickelt als vor einem Jahr prognostiziert wurde. Das hat auch einen Einfluss auf die Ergebnisse und Voraussagen des Modells. Die derzeitige besondere Situation hat es in der Vergangenheit so noch nicht gegeben. Die neue Datenlage und die letzten Erfahrungen in die Ki-lösung einzubetten, gehört jetzt zu den Aufgaben einer ständigen Anpassung und eines Trainings. Dessen ungeachtet bleibt die vorläufige Zwischenbilanz positiv: Die Bedarfsvorhersage der entwickelten Ki-lösung erhöht die Stabilität des Ersatzteilmanagements und verbessert gleichzeitig dessen Effektivität.