Agile Entwicklung im Fokus
Aus einem Projekt heraus hat WSW Software ein komplett neues Manufacturing Execution System (MES) mit lückenloser Produkt-rückverfolgung entwickelt. Das besondere ist zudem, dass es einen konsequenten Low-code-ansatz verfolgt.
NACH SONDIERUNG des Marktes entschied sich ein Kunststoffverarbeiter 2019 für die Neuentwicklung eines MES durch WSW, einem Software-spezialist und Sap-partner für die Logistik und die Fertigung. Daraus entstand das webbasierte Manufacturing Execution System (MES) Valeris, das heute produktiv im Einsatz ist und von WSW als branchenneutrale Standard-lösung angeboten wird.
Das System bietet eine lückenlose Produktund Prozess-rückverfolgung, ist frei konfigurier- und parametrisierbar und bietet eine intuitive Bedienung. Dabei kann das MES ohne große It-kenntnisse implementiert sowie eingerichtet werden und spart damit wertvolle It-ressourcen und -Budgets.
Entstanden aus einem Projekt
Den Anstoß für die Neuentwicklung gab ein international aufgestellter Kunststoffverarbeiter mit über 150 Werken und Entwicklungszentren. Das Unternehmen produziert unter anderem Kunststoffkarosserieaußenteile und Kraftstofftanks für Autos im Just-in-sequence-(jis)-verfahren. Die Anforderungen an das lückenlose Tracking und Tracing sowie an Prozessverriegelungen (Interlockingfunktionen) sind daher hoch. Und das ganz besonders beim sensiblen Kernprozess, bei dem zwei Tankhälften inklusive vormontierter Teile zusammengeschweißt werden.
Das seinerzeit eingesetzte MES war nicht in der Lage, eine lückenlose, transparente Rückverfolgung für diesen wichtigen Kernprozess abzubilden. Die Rückverfolgung war mit sehr hohen manuellen Aufwänden verbunden: Die Produktparameter wurden Sps-seitig auf einer Sd-karte in einer Csv-datei gespeichert.
In regelmäßigen Abständen erfolgte ein manueller Abzug der Datei. Bei Nachfragen musste diese Datei analysiert und zugeordnet werden. Ein Zustand, der spätestens mit einer Kundenanforderung, für eine durchgängige Rückverfolgbarkeit des Herstellungsprozesses zu sorgen, nicht mehr tragbar war.
MES ohne langfristige Abhängigkeit
Das Unternehmen machte sich auf die Suche nach einem neuen MES, das seine Produktionsprozesse durchgängig automatisiert abbildet. Es sollte von einem Fachmitarbeiter auch ohne große It-kenntnisse konfiguriert und parametrisiert werden können. Denn man wollte sich langfristig nicht von einem Itdienstleister abhängig machen.
Jedoch erfüllte keines der angeschauten Systeme die Erwartungen. Der Kunststoffverarbeiter entschied, ein MES neu entwickeln zu lassen, das alle Wünsche erfüllen sollte. Als Entwicklungspartner wurde das Unternehmen WSW ausgewählt, das 2016 die Jislösung Lojistix eingeführt hatte. Durch die bestehende Zusammenarbeit war das nötige Vertrauen vorhanden, dass das WSW-TEAM ein derart komplexes Projekt stemmen kann.
Ein besonderes Entwicklungsprojekt
Eine webbasierte Standard-lösung sollte es werden – gemeinschaftlich konzipiert und entwickelt. Gewählt wurde die Form der agilen Softwareentwicklung, die im Vergleich zu herkömmlichen Methoden entscheidende Vorteile bringt.
Dabei kamen die Beteiligten Unternehmen ohne ein umfangreiches Pflichtenheft aus. Vielmehr startete das Projekt mit der Entwicklung von einigen wenigen Basisfunktionen. In einem iterativen Prozess flossen Änderungen ein, die sofort umgesetzt wurden; parallel definierten die Beteiligten neue Funktionen.
Diese agile Entwicklung gemeinsam mit dem Kunden hat dem MES nicht nur den praktischen Bezug gegeben, sondern die Entwickler konzentrierten sich in jeder Phase immer genau auf das, was tatsächlich von Nutzen war. Der agile An
satz fand hohe Akzeptanz beim Anwender. Neben der Projektleitung wurden Fachkräfte aus der lokalen IT, Sps-techniker, System-nutzer und Schulungsbeauftragte des Anwenderunternehmens miteinbezogen.
Seit Ende 2019 produktiv
Das neue MES ist seit Ende 2019 produktiv im Einsatz und wird mit der agilen Methode kontinuierlich weiterentwickelt. Der sensible Kernprozess, wie er in 70 weiteren Anlagen vorherrscht, wird wie folgt unterstützt:
1 An der Blas-anlage werden Ventile, Sensoren, Schläuche und der Schwalltopf in einen Core gelegt, die Tankhülle geblasen und dann zusammengeschweißt. Die Ventile bestehen aus Zukaufteilen, die in einem Vorprozess zusammengebaut werden. Sämtliche Bauteile – auch die der Zulieferer – werden vollständig im MES erfasst. Alle im Rahmen der Produkthaftung zu dokumentierenden Parameter werden automatisch ins MES übertragen.
2 An der Verwiegestation wird das aktuelle Tankgewicht ermittelt. Das MES vergleicht das Gewicht mit dem konfigurierten Toleranzbereich sowie mit den Prozessparametern der Vorprozesse und entscheidet über den io/nio-status des Tanks.
3 In der Qualitätssicherung erfolgt die Sichtprüfung auf Beschädigungen. Gleichzeitig wird die Tankdichte artikelabhängig an verschiedenen Messpunkten gemessen und in das MES übertragen. Es erfolgt ein Abgleich der Messdaten mit den Vorgabewerten, die den io- beziehungsweise den Nio-status definieren.
4 Im Finishing wird der Tank gereinigt und entgratet. Auch hier hat der Mitarbeiter die Möglichkeit, über den Werkerdialog den Tank-status von io auf NIO zu setzen und als Ausschuss zu kennzeichnen.
5 Mit Fertigstellung des Tanks erfolgt eine automatisierte Rückmeldung der verbrauchten Materialien und des erstellten Tanks an das führende Sap-system.
6 Das MES stellt sicher, dass nur Mitarbeiter mit gültigen Unterweisungsnachweisen an der Anlage arbeiten dürfen.
Entlastung der Werker
Wurden früher Strichlisten der Ausschussmengen von der Produktionslinie auf Papier geführt, gesammelt und manuell ausgewertet, sind heute alle Daten automatisiert im MES erfasst. Die Auswertung erfolgt auf Knopfdruck direkt im System.
Das ergab eine spürbare Entlastung der Werker von „nicht wertschöpfenden“Tätigkeiten – ganz im Sinne von Lean Production. Auch dem Backoffice stehen nun aktuelle Daten für das Reporting und die Kennzahlenermittlung direkt aus dem System zur Verfügung.
Roll-out in Eigenregie
Der große Meilenstein, die Abbildung der lückenlosen Rückverfolgung der komplexen Produktionslinie mit dem neuen MES, ist erreicht. Valeris wird nun sukzessive in 70 Produktionslinien weltweit ausgerollt. Und das ohne fremde Hilfe, kosten- und ressourcensparend in Eigenregie des Anwenderunternehmens.
Fazit
Der Anwender wollte seine Produktionsprozesse optimieren und ein einfach beherrschbares System. Mit der Neuentwicklung ist heute ein MES auf dem Markt, das sicher noch viele andere Hersteller begeistern wird – von der Kunststoff- und Metallverarbeitung über die Medizintechnik bis hin zu Verpackungssystemen – vom Mittelstand bis zum Konzern.