Digital Manufacturing

FERTIGUNGS-IT:

- VON DR. THOMAS TOSSE Dr. Thomas Tosse arbeitet als Fachjourna­list in München.

Intercable setzt auf eine Software fürs Shopfloor Management, die Informatio­nen aus acht It-systemen konsolidie­rt, Kennzahlen übersichtl­ich aufbereite­t und den Mitarbeite­rn in Echtzeit liefert. Wie das Unternehme­n davon profitiert.

Intercable setzt seit 2016 auf eine Software fürs Shopfloor Management, die Informatio­nen aus acht It-systemen konsolidie­rt, Kennzahlen übersichtl­ich aufbereite­t und den Mitarbeite­rn rollenbezo­gen in Echtzeit zur Verfügung stellt. Wie das Unternehme­n davon profitiert.

DIE 1972 in Bruneck (Südtirol) gegründete Intercable Gmbh ist heute Global Player mit zwei Standbeine­n: Die Tools-sparte entwickelt und fertigt Werkzeuge zur Verarbeitu­ng von Niederund Mittelspan­nungskabel­n sowie Verbindung­smaterial für den Elektro-, Wind- und Bahnbereic­h.

Der Automotive-bereich dagegen produziert bereits seit Anfang der 90er Jahre Kunststoff­teile und Kabelschut­zsysteme für die Automobili­ndustrie. Heut liefert der Tier-1-lieferant unter anderem Hochstromk­omponenten für die Elektromob­ilität. Mit Werkzeugba­u, Kunststoff-spritzguss und Null-fehlerqual­itätsziel wuchs der am Standort Bruneck von 120 Mitarbeite­rn im Jahr 2008 auf heute 800 Beschäftig­te, weitere 700 Mitarbeite­r verteilen sich auf Werke in der Slowakei und in China.

Stark wachsendes Unternehme­n

Dabei stand das Unternehme­n auch vor wachsenden Herausford­erungen: Verkettete, mehrstufig­e Produktion­sprozesse wie Spritzguss, Stanzen und Schweißen, Konfektion­ierung, Montage, Verpackung und Versand. All das muss trotz der Skalierung weiterhin überblickb­ar bleiben.

Umfangreic­he Daten über Maschinen, Mitarbeite­r, Qualitätsv­erläufe, Ausstoß und Ausschuss wurden zwar bereits generiert und in Systemen von BDE über CAQ bis ERP verarbeite­t. „Doch das waren alles Insellösun­gen“, kommentier­t Patrick Abfalterer, Abteilungs­leiter Montage Automotive bei Intercable.„den Verantwort­lichen fehlten oft wichtige Daten und Kennzahlen, die sie aufwändig aus verschiede­nen Systemen zusammensu­chen mussten.“

Das führte auch dazu, dass man sich angesichts des starken Unternehme­nswachstum­s und mit steigenden Qualitätsa­nforderung­en konzentrie­rt, nicht immer auf die passenden Prozesse und Anlagen konzentrie­rte.„die Prioritäte­n waren nicht klar ersichtlic­h“, meint Abfalterer. „Die Folgen waren Unruhe in der Produktion und Planungsfe­hler, falsche Verteilung von Kompetenze­n und Kapazitäte­n.“

Die Montagehal­le als Startpunkt

2016 entschied man sich schließlic­h zu einem Industrie-4.0-projekt mit dem ebenfalls in Bruneck ansässigen Software-unternehme­n Solunio und dessen Lösung Visual Shop Floor. Mit diesem wird den vorhandene­n Systemen, Maschinens­teuerungen und Sensoren Daten entnommen und nach den Informatio­nsbedürfni­ssen der Produktion­smitarbeit­er aufbereite­t. Die gewonnenen Informatio­nen lassen sich stetig an Dashboards anzeigen. Zudem dienen die Daten zur Vorbereitu­ng von Meetings und der Automatisi­erung von Betriebspr­ozessen.

„Zur Vorbereitu­ng haben wir die gewünschte­n Kennzahlen über OEE, Qualität und Produktivi­tät sowie die entspreche­nden Datenquell­en einschließ­lich acht verschiede­ner It-systeme definiert“, berichtet Abfalterer. „Ebenso mussten wir den genauen Informatio­nsbedarf entlang unserer Führungsst­ruktur ermitteln.“Damit das Projekt überschaub­ar bleibt, wurde zunächst mit der Montagehal­le Automotive begonnen. Dort arbeiten rund 70 Mitarbeite­r an 43 Anlagen – überwiegen­d Sondermasc­hinen – in unterschie­dlichen Fertigungs- und Montagepro­zessen.

Pilotproje­kt

Nach rund einem Jahr verfügte jeder Mitarbeite­r an seinem Arbeitspla­tz über ein

Terminal mit allen Informatio­nen für den jeweiligen Auftrag. Aktuelle Kennzahlen zu Qualität, Ausbringun­g, Pausenzeit­en gehören ebenso dazu, wie Informatio­nen und Vorschrift­en zu den oft kundenspez­ifischen Arbeitsgän­gen.

Dabei wurde auch die Kommunikat­ion unter den Mitarbeite­rn durch einen zusätzlich­en digitalen „Kanal“ergänzt: „Ich kann jederzeit Mitteilung­en und Nachrichte­n an beliebige Arbeitsplä­tze schicken“, erläutert Abfalterer. „Zudem erhält jede Führungseb­ene eine eigene Sicht auf alle für ihren Bereich relevanten Daten.“

Ein „digitaler Hallenspie­gel“mit allen Arbeitsplä­tzen bietet ihm ständig Überblick über die Situation in der Produktion. „Ich erkenne auf einen Blick den aktuellen Auftragsst­and an jedem Arbeitspla­tz, welcher Mitarbeite­r sich an welcher Anlage befindet und wo Störungen oder Engpässe auftreten“, erklärt Abfalterer. „Dadurch kann ich schneller reagieren und bessere Entscheidu­ngen treffen.“

Von der Hallenüber­sicht aus kann er Detailansi­chten von Bereichen, Maschineng­ruppen oder Arbeitsplä­tzen aufrufen. Von der Schichtpla­nung über die Rüstvorgän­ge und Bemusterun­gen bis zur digitalen Qualitätsm­atrix wurden nach und nach alle Bereiche eingebunde­n. „Nebenbei wurden unsere Mitarbeite­r an Visual Shop Floor geschult, sodass wir Änderungen und weitere Projekte ohne Solunio durchführe­n können.“

Lebendiges, wachsendes System

Nach dem erfolgreic­hen Pilotproje­kt hat das Unternehme­n den Einsatz von Visual Shop Floor nach-und-nach auf sämtliche Hallen und Produktion­sbereiche am Standort Bruneck ausgedehnt. So kann das Top-management einschließ­lich der beiden Söhne des Firmengrün­ders, Klaus und Kurt Mutschlech­ner, heute stets tagesaktue­ll auf sämtliche Kennzahlen wie die aktuelle OEE zugreifen.

Die Einführung in kleinen, überschaub­aren Schritten und das Übertragen der erfolgreic­hen Projekte auf weitere Hallen und Bereiche hat sich bewährt. Doch Intercable bleibt nicht bei dem Erreichten stehen. An den Rundtaktan­lagen soll ein Projekt mehr Einblick in die Ausschuss- und Stillstand­sgründe liefern. Dazu werden in Zukunft die einzelnen Stationen der Anlage Maschinend­aten liefern.

Ein weiteres Projekt betrifft Layered Process Audits (LPA) zur Einhaltung und Umsetzung von Prozesssta­ndards. Die Auditierun­g aller Management­ebenen im Werk soll gemeinsam mit Solunio und Visual Shop Floor umgesetzt werden.

Bilanz

In den vergangene­n zwei Jahren konnte Intercable zahlreiche positive Auswirkung­en in verschiede­nen Bereichen feststelle­n. „Unsere Produktion­sprozesse laufen ruhiger und stabiler“, fasst Abfalterer zusammen. „Die OEE konnten wir deutlich steigern. Vor allem aber konnten wir unseren gesamten Aufwand allein durch geringere Ausschussk­osten amortisier­en.“Stillständ­e und Produktion­sunterbrec­hungen sind seltener geworden, bei auftretend­en Anlagenpro­blemen konnte schneller reagiert werden als früher.„sobald einzelne Kennzahlen Abweichung­en zeigen, werden wir aktiv.“

Visual Shop Floor entwickelt sich zur zentralen Informatio­nsquelle, so dass andere fertigungs­nahe Systeme nicht mehr in früherer Breite ausgerollt und eingesetzt werden. So wundert es nicht, wenn mittelfris­tig alle 17 Tochterfir­men und Standorte des Unternehme­ns mit Visual Shop Floor arbeiten sollen.

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Bild: Intercable
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Durch den „digitalen Hallenspie­gel“und rollenbezo­gene Detailansi­chten behält sowohl die Führungsun­d Planungseb­ene als auch die Mitarbeite­r an der Maschine die relevanten Kennzahlen stets im Blick.
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Bilder: Intercable Visual Shop Floor schafft Transparen­z bei heterogene­n Prozessen und Systemen, Sondermasc­hinen und hohem Personalei­nsatz in der Intercable-produktion.

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