IIoT ist vergleichbar mit einer Reise
Als Teil von Emerson Automation Solutions, ist Aventics ein Anbieter für Pneumatikkomponenten und -systemen. Die Pneumatikspezialisten bieten Produkte und Dienstleistungen für die Industrieautomation und die Branchen Food & Beverage, Life Sciences und Energy. Zudem werden Lösungen für Commercial Vehicles, Marine und Railway Technology entwickelt. Durch die Integration von Elektronik, den Einsatz moderner Materialien und die Konzentration auf Maschinensicherheit und Industrie 4.0 ist der Spezialist Vorreiter bei anwender- und umweltfreundlichen Lösungen. Mit dem Ausbau der Digitalisierung stellt sich der Pneumatikspezialisten für die Zukunft auf. Die Redaktion sprach mit Dr. Frank Theilen, Vice President Digital Transformation, und Dr. Michael Britzger, zuständig für technologische Neuerungen für Produkte, Produktionen und Prozesse und dem Innovationsprozess als solches. Dr. Frank Theilen kümmert sich insbesondere um die digitale Weiterentwicklung der Discrete & Industrial Bereiche bei Emerson.
Wie sieht die Industrie 4.0 Strategie von Aventics aus?
Dr. Frank Theilen: IIoT ist ein zentraler Wachstumsbereich von Emerson. Es geht Emerson darum, gezielt technologische Mehrwerte anzubieten, die auf Kundenseite messbare Vorteile bringen. Seit einiger Zeit gibt es bereits ein Angebot von IIoT-Lösungen bei Emerson. Mit Akquisitionen (wie Aventics) wird dieses Geschäftsfeld gezielt gestärkt und die industriespezifischen Anwendungsbereiche erweitert Dr. Michael Britzger: Als Komponentenhersteller verfolgen wir schon seit Jahren den Ansatz der hybriden Cloud-Edge-Architekturen, in dem wir unabhängig von den bestehenden Prozessen innerhalb einer Maschine Mehrwerte erzeugen. Wir konzentrieren uns dabei auf die Kerngebiete der Zustandsüberwachung, der vorbeugenden Instandhaltung und Energieeffizienzoptimierung. Darüber hinaus beschäftigen wir uns aktiv mit Themen wie Machine Learning und erweiterten Datenanalysemodellen und entwickeln auf Basis unserer Erfahrungen neue Anwendungsszenarien und Servicemodelle.
Aventics bietet Produkte und Dienstleistungen für die Automation in unterschiedlichen Branchen wie Food & Beverage, Life Sciences und Energy. Welche Tools sind für die digitale Transformation von Prozessen im Food & Beverage sowie Life Sciences geeignet und warum?
Theilen: Wir haben in den Gesprächen mit unseren Kunden festgestellt, dass IIoT sowohl für uns als auch die Kunden vergleichbar mit einer Reise ist. Wir reden mit unseren Kunden in erster Linie über konkrete Use Cases, damit Einsatzgebiete identifiziert und bewertet werden können. Sobald diese Use Cases erfolgreich laufen, sind die Kunden bereit, auch über den Ausbau dieser Themen zu sprechen. Dieses Vorgehen ist unabhängig von einer konkreten Industrie und funktioniert in allen Branchen.
Die smarten Komponenten aus Ihrem Haus arbeiten nahtlos im digitalen Umfeld, können Sie die näher beschreiben?
Britzger: Mit unseren Komponenten wie dem Smart Pneumatics Monitor (SPM) aber auch unserem neuen Durchflusssensor AF2 unterstützen wir zuallererst die aktuellen Standards und Protokolle wie OPC UA und MQTT. Damit schaffen wir die Schnittstelle aus der pneumatischen analogen Welt in die digitalisierte Umgebung und können somit weitere digitale Anwendungen entwickeln. Auf dieser Basis können wir dann sehr individuelle Kundenlösungen anbieten wie Verbrauchs- und Leckageüberwachungen oder individuell vernetzte Lösungen. Dabei spielt es keine Rolle, ob unsere Komponenten autark operieren oder in bestehende Kundenumgebungen integriert werden.
Der Smart Pneumatics Monitor ist das Kernprodukt von Aventics zur digitalen Prozessvernetzung. Was unterscheidet den SPM von den Mitbewerber-Produkten?
Britzger: Generell ist ja jedes Edge Gateway wie der Smart Pneumatics Monitor nur ein Mittel zum Zweck. Der Mehrwert entsteht immer in der eigentlichen Anwendung. Ob die nötige Intelligenz dafür dann im Produkt, im Gateway oder direkt in der Cloud sitzt, ist eigentlich zweitrangig. Mit dem SPM haben wir daher zuallererst unsere bereits vorhandenen Sensoren und die intelligente Pneumatik erweitert und sozusagen IIoT-fähig gemacht. Der neue Durchflusssensor AF2 hat wie beschrieben die OPC UA Schnittstelle und damit die IIoT-Fähigkeit integriert und stellt so bereits die nächste Ge
DR. MICHAEL BRITZGER
„Die Prozessindustrie mit den zentralisierten Gesamtprozessen funktioniert im Kern nach einem Top-Down-Prinzip“
neration von smarten pneumatischen Komponenten dar. Wir unterscheiden uns von den Mitbewerbern dadurch, dass in unsere Produkte und in die konkreten technologischen Lösungen das industrielle und pneumatische Know-how von über 150 Jahren einfließt. Dadurch sind wir in der Lage, wirkliche Neuerungen und Lösungen für immer spezifischer werdende Kundenbedürfnisse zu liefern – das zeigt auch der SPM.
Anlagenbauer setzen oft Komponenten verschiedener Zulieferer ein. Wie garantiert Aventics die Zusammenarbeit mit Komponenten anderer Hersteller?
Britzger: Wir sind bereits jetzt in der Lage, kundenspezifische Lösungen für verschiedene Plattformen und IT-Architekturen anzubieten. Darüber hinaus halten wir uns an die aktuellen Standardschnittstellen wie OPC UA und beteiligen uns in den diversen Gremien, die sich mit den aktuellen Standardisierungen in der Industrie mit Bezug auf Konnektivität und Interoperabilität beschäftigen.
Inwiefern unterstützt Aventics seine Kunden aus der Prozessindustrie bei einer umfassenden Umsetzung einer digitalen Fabrik?
Britzger: Zuallererst helfen wir dem Kunden dabei, seine individuelle IIoT-Strategie zu entwickeln und unterstützen ihn dann in der Umsetzung mit unseren Produkten und Dienstleistungen. Aus den Ergebnissen der Treffen und gemeinsamen Workshops skalieren wir unser Angebot an den Kunden; von der IIoT-fähigen Komponente bis zur Gesamtlösung mit Systemintegration in kundenspezifische IT-Architekturen. Mit dem digitalen Ecosystem Plantweb bietet dabei Emerson bereits seit Jahren eine umfassende Lösung von der Komponentenebene, über Datenanalyse bis hin zu Industrie 4.0 relevanten Services an.
Die digitale Transformation ermöglicht Unternehmen ein neues Level an operativer Effizienz, Qualität, Prozessautomatisierung und Mitarbeiterproduktivität zu erreichen. Welche Hindernisse bestehen zurzeit noch? Und wie kann man die Hürden abbauen bzw. mindern?
Theilen: Emerson arbeitet intern seit Jahrzehnten unter „Continuous Improvement“-Gesichtspunkten an effizienzsteigernden Maßnahmen. Die aktuellen Digitalisierungsmaßnahmen versprechen neue Effizienzpotenziale. Intern müssen dabei Ansätze gefunden werden, die für eine größtmögliche Anzahl der einzelnen Units geeignet sind.
Britzger: Zurzeit ist die Entwicklung noch sehr geprägt von der Faszination und technologischer Neugier ob der vielen Möglichkeiten und Potentiale. Da wird viel probiert und getestet. Um das Ganze auf stabilere Beine zu stellen, fehlen derzeit noch die funktionalen Geschäftsmodelle. Das betrifft dann auch die neuen Konzepte der Zulieferer als Support für die Geschäftsmodelle der Endkunden. Die große Herausforderung ist eigentlich gar nicht mehr die standardisierte Schnittstelle, sondern viel eher eine standardisierte Nutzung der Schnittstellen. Dabei wird in Zukunft für die interoperablen Lösungen der Digitale Zwilling der Komponente eine entscheidende Rolle spielen. Dann wird auch das Business nachziehen und es wird sich eine Vielzahl neuer Geschäftsmodelle rund um die technologischen Neuerungen etablieren.
Welche Dinge sollte man aus Sicht von Aventics bei der Umsetzung einer unternehmensweiten Digitalisierung achten sollte?
Theilen: Im Hinblick auf eine unternehmensweite Digitalisierung ist es wichtig, die inhaltlichen Potenziale von Technologien verstehen und bewerten zu können. Auf dieser Basis sollte dann eine Priorisierung von Themen stattfinden, damit Quick Wins und die größten Wertetreiber zuerst umgesetzt werden können. Wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass es sinnvoll ist, möglichst früh mit den Kunden über Produktentwicklungen zu sprechen. Mit der Digitalisierung ändern sich daher auch Arbeitsweisen.
Was ist genau unter einer skalierbaren digitalen Transformation zu verstehen?
Theilen: Skalierbarkeit kommt aus den genannten Use Cases, die dann global oder gruppenweit ausgerollt werden. Das unterscheidet sich nicht groß von den üblichen Best-Practice-Prinzipien. Durch die Digitalisierung ist die Zahl der Use Cases aber enorm gestiegen und inhaltlich bzw. technologisch breiter geworden. Die Skalierung von Ideen ist auch ein Grund, weshalb AVENTICS seinerzeit ein Digital Transformation Office aufgesetzt hat.
Gibt es gravierende Unterschiede bei der Digitalisierung von Verfahrenstechnischen Anlagen und beispielsweise der in der Automotiv-Industrie?
DR. FRANK THEILEN
„IIoT ist ein zentraler Wachstumsbereich von Emerson“
Britzger: Man könnte sagen, dass die Prozessindustrie mit den zentralisierten Gesamtprozessen im Kern nach einem Top-Down-Prinzip funktioniert. Die Automotive Industrie lebt derzeit eher von einer kleinteiligen Bottom-Up-Strategie. Die vielen Player, die sich dort in einer dezentralisierten Umgebung um Lösungen bemühen, werden sich gemeinsam einigen müssen, um dem Kunden konsolidierte digitale Mehrwerte zu bieten.
Gibt es bei Aventics oder Emerson Automation eine eigene Division/Beratung, welche sich mit der Umsetzung einer digitalen Fabrik auseinandersetzt?
Theilen: Innerhalb von Emerson gibt es verschiedene Einheiten, die sich mit dem Thema digitale Fabrik auseinandersetzen. Intern geht es dabei primär um Effizienzsteigerungen. Auf Kundenseite hat Emerson mit dem bereits erwähnten Plantweb ein Ecosystem kreiert, mit dem Kunden in ihren Fabriken digitale Mehrwerte schaffen können.