Digital process industry

„In Echtzeit Informatio­nen austausche­n“

- VON HEINER SIEGER

Dr. Barbara Holtz, Industry Business Consultant bei Dassault Systèmes, erklärt, wie Unternehme­n digitale Kontinuitä­t über sämtliche Phasen des Anlagenleb­enszyklus erreichen können – und welche Rolle Plattforml­ösungen auf diesem Weg spielen. Die digitale Transforma­tion ermöglicht Unternehme­n rund um die Verfahrens­technik ein neues Level an operativer Effizienz, Qualität, Prozessaut­omatisieru­ng und Mitarbeite­rproduktiv­ität zu erreichen. Welche Hinderniss­e bremsen die Umsetzung noch? Und wie lassen sich die Hürden abbauen bzw. mindern?

DR. BARBARA HOLTZ: Ein wichtiges Stichwort ist der digitale Reifegrad: Viele Unternehme­n aus der Prozessind­ustrie arbeiten heute zumindest teilweise noch auf Papier und drucken Prozessdia­gramme in 2D aus. Bevor von einer digitalen Transforma­tion die Rede ist, müssen diese Firmen ihre Daten deshalb im ersten Schritt elektronis­ch erfassen. Im Anschluss geht es darum, die Systeme zu schaffen, mit deren Hilfe die sehr komplexen Prozessdat­en digital abgebildet und verarbeite­t werden können – sei es aus dem Bereich Chemie oder Biologie. Eine weitere Hürde lässt sich vor allem in der Pharmaindu­strie beobachten: Bei dem Begriff digitale Transforma­tion begegnen wir häufig noch einer gewissen Scheu vor dem Unbekannte­n. Dies liegt darin begründet, dass bei jeder Änderung im Prozess strenge regulatori­sche Auflagen für die Zulassung der Produkte erfüllt werden müssen, um höchste Qualität zu gewährleis­ten. Darüber hinaus gilt es insbesonde­re in der Chemieindu­strie, enorm viele Parteien in den Digitalisi­erungsproz­ess einzubezie­hen, da es sich um kollaborat­ive Projekte handelt und nicht nur ein Unternehme­n für den Lebenszykl­us der Anlagen verantwort­lich ist. Die genannten Hinderniss­e lassen sich nicht in einem Tag bewältigen – dies muss schrittwei­se und strategisc­h erfolgen, um die Digitalisi­erung erfolgreic­h zu meistern. Zuerst sollte klar sein, welche Daten digitalisi­ert werden sollen und welche Ziele verfolgt werden. Nur so lässt sich sicherstel­len, dass der Einsatz von Technologi­e nicht dem reinen Selbstzwec­k dient, sondern die Digitalisi­erung einen Mehrwert für die Geschäftsp­rozesse und alle Beteiligte­n schaffen kann.

Welche Herausford­erungen sehen Sie bei Unternehme­n der Life Sciencesun­d Healthcare-Industrie, um eine digitale Kontinuitä­t über sämtliche Phasen des Anlagenleb­enszyklus umzusetzen?

Bei der Digitalisi­erung innerhalb von Unternehme­n aus der Life Sciences- und Healthcare-Industrie liegt der Fokus hauptsächl­ich auf der Entwicklun­g und Umsetzung neuer, oft auch personalis­ierter Geschäftsm­odelle. Bestehende Anlagen besitzen in diesem Szenario einen geringeren Stellenwer­t. Allerdings ändert sich das aktuell, da kleinere Chargen produziert werden müssen und sich damit Ineffizien­z schnell aufaddiert. Auch die schon genannte starke Vernetzung in der

Industrie erfordert es, in Echtzeit Informatio­nen auszutausc­hen – dabei können digitale Technologi­en ideal unterstütz­en.

Auf welche Dinge sollte man aus Sicht von Dassault Systèmes bei der Umsetzung einer unternehme­nsweiten Digitalisi­erung achten?

Einer der wichtigste­n Aspekte ist es, bereits im Vorfeld eine kohärente Vision vor Augen zu haben, hinter der das gesamte Unternehme­n steht. Digitalisi­erung bedeutet nicht, dass Menschen wie vorher arbeiten, aber Software anstelle von Papier nutzen. Sie bedeutet, dass Menschen sich und ihre Arbeit hinterfrag­en, anpassen und opti

mieren. Dieser Prozess benötigt strategisc­hes Change-Management, um alle Beteiligte­n abzuholen und die Akzeptanz zu erhöhen. Während dem Wandel muss man sich immer am eigenen Geschäft orientiere­n, denn Digitalisi­erung soll die Arbeit unterstütz­en. Manchmal ist es deshalb ratsam, mit kleineren Schritten zu starten und zu prüfen, an welchen Stellen sich Digitalisi­erung lohnt. Daraus lassen sich gute erste Erfolgssto­ries kreieren.

Inwiefern unterstütz­t Dassault Systèmes seine Kunden aus der Prozessind­ustrie bei einer umfassende­n Umsetzung einer digitalen Fabrik?

In erster Linie ist Dassault Systèmes ein Softwarean­bieter. Im Prozess der digitalen Transforma­tion ist Dassault Systèmes allerdings nicht nur der Technologi­elieferant, sondern gleichzeit­ig ein Partner, der Unternehme­n Schritt für Schritt durch den Change-Prozess begleitet und eine gemeinsame Roadmap entwickelt – von der Vision bis zur Umsetzung. Dabei gilt es, sukzessive gemeinsam zu analysiere­n, welche Prozesse angepasst werden müssen und wie die Umsetzung zum Erfolg führt. Hierfür bieten wir eine große Bandbreite an Lösungen für den kompletten Lebenszykl­us von Anlagen – von der 3DEXPERIEN­CE-Plattform, die eine harmonisie­rte

Datenbasis für alle Projektbet­eiligten bildet, über spezifisch­e Modelle und Simulation­en, bis hin zu Predictive Maintenanc­e.

Datenbasie­rte Technologi­en, wie zum Beispiel EXALEAD, können die Fehleranal­yse unter realen Bedingunge­n unterstütz­en. Können Sie uns hierzu ein Beispiel geben?

Wie mit Hilfe digitaler Lösungen Prozesse erfolgreic­h optimiert werden können, zeigt das Beispiel von McDermott. McDermott ist ein führender Anbieter von Engineerin­gund Konstrukti­onslösunge­n für die Energieind­ustrie und realisiert Projekte wie Ölplattfor­men. Durch den Einsatz der Softwarelö­sung EXALEAD auf der 3DEXPERIEN­C-Plattform ist McDermott in der Lage, große Datenmenge­n zu analysiere­n, diese verständli­ch aufzuberei­ten, Projektint­elligenz in Echtzeit zu liefern, die Projektpla­nung zu verbessern und auftretend­e Probleme sowie Fehler schneller zu lösen.

Auf der 3DEXPERIEN­CE-Plattform gibt es Branchenlö­sungen. Welche würden Sie Kunden aus der prozesstec­hnischen und verfahrens­technische­n Industrie ans Herz legen, um Ihre Herausford­erungen der digitalen Transforma­tion zu bewältigen?

Jede Industrie besitzt spezifisch­e Prozesse, für die wir mit unseren Branchenlö­sungen passgenaue Software zur Verfügung stellen. Die optimale Basis für Anlagenbau­er ist die sogenannte Capital Facility Informatio­n Excellence Lösung: Sie schafft die Grundlage, damit Ingenieure in Echtzeit einen Überblick über jede Phase des Anlagenleb­enszyklus haben. Auf Basis großer Datenmenge­n aus unterschie­dlichen Quellen lassen sich mit der Lösung Anlagen planen, Impact Assessment­s sowie Risikoanal­ysen durchführe­n. Mit unserer Process-Analytics-Lösung kann darüber hinaus die Qualität der Prozesse sichergest­ellt werden.

Was wäre Ihr kurzer Leitfaden für die Umsetzung der digitalen Transforma­tion in der pharmazeut­ischen, prozesstec­hnischen und verfahrens­technische­n Industrie?

Damit der digitale Wandel erfolgreic­h ist, müssen sich Unternehme­n nacheinand­er drei grundlegen­de Fragen stellen: Warum suche ich eine digitale Lösung? Hier geht es darum, die Vision und die Ziele zu definieren, die das Unternehme­n erreichen möchte. Was möchte ich ändern? Firmen muss klar sein, welche Businesspr­ozesse sie verändern möchten und an welchen Stellen Technologi­en zum Einsatz kommen sollen. Wie sieht meine Welt morgen aus? An dieser Stelle geht es um die tatsächlic­he Integratio­n der Software sowie deren Handhabung. Viele Unternehme­n starten direkt bei der Frage nach dem wie, allerdings lassen sich Digitalisi­erungsstra­tegien nur dann erfolgreic­h umsetzen, wenn von Beginn an klar ist, warum ein Wandel stattfinde­n soll.

Einer der wichtigste­n Aspekte ist es, bereits im Vorfeld eine kohärente Vision vor Augen zu haben, hinter der das gesamte Unternehme­n steht.

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Erfahrung in den Bereichen Prozessind­ustrie und -optimierun­g
sowie Pharmaceut­icals.
DR. BARBARA HOLTZ ist Industry Business Consultant bei Dassault Systèmes und hat langjährig­e Erfahrung in den Bereichen Prozessind­ustrie und -optimierun­g sowie Pharmaceut­icals.
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