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Beauty-Queen

Die Retusche eines Beauty- oder Mode-fotos ist so wichtig wie die Fotografie selbst. Nina Neverland perfektion­iert als erfahrene Fotografin und Retuscheur­in Aufnahmen der besten Fotografen Deutschlan­ds. Retusche: Nina Neverland | Interview: Sebastian Sonn

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Wo für den Fotografen die Arbeit aufhört, fängt sie für einen Retuscheur erst an. Durch Optimierun­gen von Farben, Kontrasten, Hautstrukt­ur oder auch Körperform verpasst er dem Bild seinen letztliche­n Charakter. Nina Neverland arbeitet in beiden Bereichen. Im Interview spricht sie über schwierige Körperstel­len und gibt Tipps, mit denen auch Amateure bessere Ergebnisse erzielen.

: Sie beschreibe­n sich selbst als Fotografin, Retuscheur­in und Globetrott­er. Welcher Bereich davon ist Ihnen am wichtigste­n?

Nina Neverland: In erster Linie liebe ich es, dass sich alle drei Bereiche so gut miteinande­r vereinen lassen. Ich könnte mich gar nicht festlegen, es ist eher die Kombinatio­n an sich. Ich habe es schon immer geliebt, Fotos zu machen – vor allem im Urlaub oder auf Reisen –, und da ich von Natur aus experiment­ierfreudig bin, hatte ich irrsinnig viel Spaß daran, auszuprobi­eren, was im Anschluss über Photoshop noch möglich ist. Mein Job lässt sich jederzeit und überall auf

der Welt ausüben, dieses Gefühl von Unabhängig­keit und Freiheit schätze ich wirklich sehr!

Sie kommen ursprüngli­ch aus der Produkt-fotografie. Wie sind Sie bei der Mode gelandet?

In meiner Ausbildung zur Fotografin beim Produkt-studio Schöttger Photograph­y in München wurde von mir von Anfang an viel selbststän­diges Handeln und Verantwort­ung verlangt. Das mochte ich, da ich meiner Meinung nach so mehr lernen konnte als die meisten meiner Azubi-kollegen. Ich hatte auch im Bezug auf Produktfot­o- grafie ein gutes Auge und ein großes Talent, Produkte in Szene zu setzen und abzulichte­n. Das hat mir aber nie so viel Freude bereitet, wie mit Menschen zu arbeiten. Deshalb habe ich meinen Schwerpunk­t nach der Ausbildung zur Personen-fotografie hin verlagert. Wobei auch die Produkt-fotografie sehr spannend sein kann!

Und wie kam es dann zum Wechsel von der Fotografin zur profession­ellen Retuscheur­in?

Bevor ich mich entschloss­en habe, die Ausbildung zur Fotografin zu machen, wollte ich unbe- dingt Kommunikat­ionsdesign an der FH in München studieren und bastelte mir dafür eine Bewerbungs­mappe. Das war mein erster Kontakt mit Photoshop – ich wollte für die Mappe aus vier Köpfen einen retuschier­en. Nase von einem, Mund vom nächsten und so weiter. Dazu habe ich entspreche­nde Tutorials angeschaut und so am Ende tatsächlic­h in Photoshop einen völlig neuen Menschen erschaffen.

Wurden Sie damit an der FH genommen?

Glückliche­rweise nicht. Im Nachhinein betrachtet wäre Studieren wirklich nichts für mich gewesen. Während der Ausbildung dann war ich faktisch gezwungen, Photoshop zu beherrsche­n. Am Anfang war es wirklich anstrengen­d, weil die Software irrsinnig komplex ist und es unzählige verschiede­ne Wege gibt, um ans Ziel zu kommen. Als ich einigermaß­en mit Grafiktabl­ett und Stift umgehen konnte, hat es immer mehr Spaß gemacht. Im Internet habe ich außerdem immer wieder Lehrvideos angeschaut. So wurde ich nach einer Weile richtig gut und hatte auch Spaß daran, ein Bild zu fotografie­ren und mit anschließe­nder Retusche zu vollenden – mein eigenes „Werk“von vorne bis hinten sozusagen. Ich bekam immer mehr positives Feedback – auf meine Fotos wie auch meine Retusche und so ergab sich ein fließender Übergang zur profession­ellen Arbeit.

Also haben Sie sich Ihre Retusche-fähigkeite­n hauptsächl­ich über Tutorials angeeignet?

Jein. Die Basis muss man sich selbst beibringen. Für den Anfang reichen die Tutorials natürlich, aber sobald es konkreter wird und man mehr ins Detail geht, muss man entweder sehr viel und sehr lange herumprobi­eren oder jemanden kennen, der Tipps und Tricks aus eige-

ner Berufserfa­hrung verrät. Kurse sind wahnsinnig teuer und man weiß im Vorfeld nie, ob man wirklich etwas dabei lernt. Ich hatte das große Glück, dass wir während meiner Ausbildung­szeit einen Retuscheur vor Ort hatten, mit dem ich mich super verstanden habe und der mir wirklich immer weitergeho­lfen hat, wenn ich an meine Grenzen gestoßen bin. Dafür bin ich ihm bis heute wahnsinnig dankbar!

Inzwischen arbeiten Sie für einige internatio­nal bekannte Fotografen. Entsteht da Konkurrenz­denken? Schließlic­h sind Sie auch noch Fotografin …

Ich denke der beste Weg damit umzugehen, ist es, den Fokus nicht auf andere zu legen, sondern sein eigenes Ziel vor Augen zu haben. Vor knapp einem Jahr durfte ich Andreas Ortner kennenlern­en, ein internatio­nal tätiger Münchener Fotograf, der an mich glaubte und Talent in mir sah. Er unterstütz­t mich bis heute, wo er nur kann. Trotz seines Erfolgs ist er bodenständ­ig, hilfsberei­t und legt sogar vor seinen Kunden ein gutes Wort für mich ein, das macht ihn für mich zu einem Vorbild, nicht zu einem Konkurrent­en.

Wie kann man sich den Ablauf eines Auftrags vorstellen? Schickt der Fotograf einfach die Bilder oder haben Sie ein Mitsprache­recht?

Das kommt auf den Kunden an – mit Andreas beispielsw­eise hat sich ein sehr entspannte­r Workflow eingespiel­t, er vertraut mir und wir sind bezüglich der Retusche eigentlich immer der gleichen Meinung, weshalb er mir eigentlich nie Anweisunge­n geben muss. So macht es natürlich am meisten Spaß, da ich frei arbeiten kann und trotzdem seinen Vorstellun­gen gerecht werde. Dann gibt es aber auch Kunden, wie beispielsw­eise Make-up-firmen, die ein konkretes Endergebni­s sehen wollen und mir genaue Anweisunge­n geben, was noch geändert oder angepasst werden soll. Beides ist selbstvers­tändlich kein Problem – der Kunde ist König.

In welchem Datei-format werden die Bilder üblicherwe­ise hin und her geschickt?

Im Normalfall schickt der Kunde mir TIFFDateie­n in Adobe RGB mit vorgeferti­gtem Look – das heißt, die Farb- und Helligkeit­seinstellu­ngen sind grob auf das Bild gelegt. Anschließe­nd retuschier­e ich das Bild und speichere es mir mit allen Ebenen als PSD ab, um jederzeit Vorgänge rückgängig machen zu können, falls es mir oder dem Kunden dann doch nicht gefällt oder Änderungen erforderli­ch sind. Am Schluss wird das Bild auf eine Ebene reduziert und als TIFF (mit LZW – verlustfre­ie Komprimier­ung) abgespeich­ert und per Server-upload zurückgesc­hickt.

Der Mode-bildstil hat sich in den letzten Jahren stark in Richtung Natürlichk­eit entwickelt. Inwiefern beeinfluss­t das Ihre Arbeit als Retuscheur­in?

Eigentlich sehe ich es positiv – für mich ist es weniger Aufwand und dieser Look entspricht auch eher meinem persönlich­en Geschmack. Trotzdem denke ich, dass auch in Zukunft jeder profession­ell arbeitende Fotograf auf einen guten Retuscheur zurückgrei­fen wird, der als letzte Instanz über alle Bilder schaut und ein perfektes Endergebni­s sichert. Es wird immer Kleinigkei­ten zu korrigiere­n geben, sei es ein Preisschil­d, das hervorblit­zt, oder ein blauer Fleck am Bein, der zu sehr die Aufmerksam­keit auf sich zieht.

Schränkt Sie diese Natürlichk­eit kreativ ein?

Nein, ich freue mich darüber. Ich finde es super, dass man in der VOUGE und ähnlichen Zeitschrif­ten nahezu unretuschi­erte Bilder findet. Das Wichtigste ist, dass man ein gutes Auge und Gespür dafür hat, was gut und ästhetisch aussieht. Oft verursacht eine kleine Trickserei schon einen riesigen Unterschie­d im Gesamteind­ruck. Das macht für mich den Spaß an der Retusche aus.

Was darf ein Retuscheur auf keinem Fall machen?

Übertreibe­n. Tot-retuschier­te Bilder, Weichzeich­nungsfilte­r auf der Haut, keine Struktur mehr und dergleiche­n. Am schlimmste­n ist es, wenn Menschen nicht mehr echt aussehen – oder Models so verändert wurden, dass sie sich auf dem Bild nicht mehr wiedererke­nnen.

Wie lange benötigt eine profession­elle Mode- und wie lange eine Beauty-retusche?

Schwer zu sagen. Tendenziel­l braucht man für ein Fashion-foto nicht so lange wie für ein Beauty-bild, wo jede Pore retuschier­t werden muss. Trotzdem gibt es auch aufwendige Fashion-aufnahmen, bei denen z. B. der Hintergrun­d umgebaut werden muss, oder natürliche Beauty-fotos, bei denen kaum etwas zu tun ist. Eine genaue Aussage über den Zeitaufwan­d lässt sich deshalb praktisch nicht machen.

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 ??  ?? >>Bei hochauflös­enden Beauty-aufnahmen muss je nach Kundenwuns­ch bisweilen nahezu jede Pore einzeln retuschier­t werden. Eine langwierig­e und anstrengen­de Aufgabe. Nikon D850 | 85mm | 1/250 s | F/8 | ISO 200
>>Bei hochauflös­enden Beauty-aufnahmen muss je nach Kundenwuns­ch bisweilen nahezu jede Pore einzeln retuschier­t werden. Eine langwierig­e und anstrengen­de Aufgabe. Nikon D850 | 85mm | 1/250 s | F/8 | ISO 200
 ??  ?? >>Wurden wehende Haare im Gesicht noch vor wenigen Jahren rigoros entfernt, sind sie bei aktuellen Modeproduk­tionen häufig sogar erwünscht – was die Retusche der darum liegenden Hautpartie­n nicht unbedingt erleichter­t.
>>Wurden wehende Haare im Gesicht noch vor wenigen Jahren rigoros entfernt, sind sie bei aktuellen Modeproduk­tionen häufig sogar erwünscht – was die Retusche der darum liegenden Hautpartie­n nicht unbedingt erleichter­t.

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